Frannys Reise - Constanze Köpp - E-Book
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Frannys Reise E-Book

Constanze Köpp

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Beschreibung

Wenn die Erde ein Kind verliert, gewinnt der Himmel einen Engel. Franny ist fünfzehn. Ihren sechzehnten Geburtstag wird sie nicht mehr erleben, denn sie geht auf ihre letzte Reise – eine Reise ohne Wiederkehr. Aus der "Wohnung vom lieben Gott" blickt sie auf ihr kurzes Leben zurück und versucht die Welt von oben her zu begreifen. Franny spricht zu den Kranken und den Gesunden, zu allen, die Abschied nehmen müssen, den großen und kleinen, den jungen und alten Menschen. Für sie alle öffnet Franny den Vorhang des Himmels und schließt die Tür zu einer neuen Heimat auf. Frannys Reise ist ein Buch voller Fragen – über das Leben, den Tod, das Sterben und Gott, über beste Freundinnen, die Familie und über Schmetterlinge im Bauch. Und es ist ein Buch voller Antworten, die Mut machen und jedem, der einen lieben Menschen verloren hat, neue Hoffnung schenken. Constanze Köpp gelingt es auf mutige und anrührende Weise, das Thema Tod von allen Tabus zu befreien und eine Liebeserklärung an das Leben zu schreiben – tiefgründig, bewegend und voller Zuversicht.

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Seitenzahl: 137

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Constanze Köpp

Frannys Reise

Eine Geschichte über das Leben und das Sterben

Knaur e-books

Über dieses Buch

Franny ist fünfzehn und leidet an einer tödlichen Krankheit. Ihren sechzehnten Geburtstag wird sie nicht mehr erleben, denn sie geht auf ihre letzte Reise – eine Reise ohne Wiederkehr. Aus der »Wohnung vom lieben Gott« blickt sie auf ihr kurzes Leben zurück und versucht die Welt von oben her zu begreifen.

Nach ihrem Sterben spricht Franny zu den Kranken und den Gesunden, zu allen, die Abschied nehmen müssen, den großen und kleinen, den jungen und alten Menschen. Für sie alle öffnet Franny den Vorhang des Himmels und schließt die Tür zu einer neuen Heimat auf.

Frannys Reise ist ein Buch voller Fragen – über das Leben, über tödliche Krankheiten, den Tod, das Sterben und Gott, über beste Freundinnen, die Familie und über Schmetterlinge im Bauch. Und es ist ein Buch voller Antworten, die Mut machen und jedem, der einen lieben Menschen verloren hat, neue Hoffnung schenken.

Inhaltsübersicht

VorwortDas Leben davorWie alles begann17. JuniAbschiedAngekommen!Letzter AtemzugDank
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Vorwort

✮✮✮

 

 

Als ich fünf Jahre alt war, verstarb meine erste Freundin. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir damals über den Tod gesprochen hätten. Nicht daran, dass man mich fragte, ob ich Fragen habe und wie es mir damit ging, meine Freundin nie wiederzusehen.

Das Leben ging weiter. Im Nachhinein stimmt das immer – es geht weiter. Doch etwas hatte sich verändert. Ich weiß heute, dass man lernt, mit Schmerzen zu leben, wenn sie in Wellen immer mal wieder kommen.

Wir wollen alle leben, gut und gern – doch schon heute können die Gesunden von gestern die Erkrankten von morgen sein. Wir müssen einander die Hand reichen.

Ich glaube an das Schicksal, auch wenn ich keine Beweise dafür habe, dass der Lebensplan des Menschen festgelegt wurde. Ich glaube daran, dass selbst Tragisches im Leben etwas Gutes mit sich bringt, und wenn es nur das Wissen darum ist, wie kostbar und endlich das Wunder »Leben« ist. Dass jeder von uns dazu beiträgt, dass die Menschen um ihn herum glücklich sind.

Manches Leben ist kürzer, doch nicht weniger sinnvoll und besonders. Und wem auch immer wir Nähe und Liebe schenken dürfen – wir können uns allein dafür glücklich und dankbar schätzen. Es sind am Ende nicht die Jahre, die zählen, sondern das Leben in ihnen.

 

Franny war mein erstes Buch, 2008 ist es erschienen. Zahlreiche Lesungen liegen heute hinter mir; unvergessliche Gespräche und berührende Leserbriefe sind der schönste Lohn meiner Arbeit.

Nun habe ich das kleine Buch noch einmal überarbeitet für eine neue Ausgabe, und ich widme auch sie jenen Menschen, die ihre Reise in den Himmel bereits vor mir antreten müssen, mussten oder leider wollten. Franny steht für das Leben auf der Erde und für das Leben nach dem Tod.

Stehen Sie bitte für den Augenblick, denn der Augenblick ist Ihr Leben!

 

Kleiner Rückblick. Mein Vater hat sich für meine Schwester und mich oft Geschichten aus dem Himmel ausgedacht. Noch heute, vierzig Jahre später, kann ich seine Stimme hören und die Bilder abrufen, die er uns durch seine Erzählungen vererbt hat. Mein Vater verstarb 2015, doch tot ist er nicht, solange ich an ihn denke. Erinnerungen können nicht sterben.

Ich erinnere mich, im Keller meiner Großmutter an einer mechanischen Schreibmaschine gesessen und kleine Geschichten getippt zu haben. Geschichten von Menschen, über die man lieber schwieg – Schwerkranke, Sterbende, Behinderte, Traurige, Einsame und Verwaiste. Ich hätte mich so gern mit diesen Menschen unterhalten. Aber ich hatte keinen Zugang zu ihnen und verschob mein Vorhaben auf später. Auf irgendwann, auf eines Tages, wenn ich groß genug wäre, mich auf die Suche nach ihnen zu machen.

Als ich zum ersten Mal Mutter wurde und meine Erstgeborene mir Fragen über Gott stellte, kramte ich die Geschichten meines Vaters hervor und las ihr einige vor. 2005, nach einem Besuch im Hamburger Kinderhospiz Sternenbrücke, war die Idee zu diesem Buch entstanden. Ich hatte mir vorgestellt, welche Art von Geschichten sterbende junge Menschen wohl hören möchten. Welche über Teddybären? Ich dachte an ihre Ängste und begann mir das Märchen von einem Mädchen auszudenken, das für sie schon einmal vorgereist ist, um sie im Himmel liebevoll in Empfang nehmen zu können.

Freunde fragten mich, ob es nicht wichtiger sei, sich mit dem Leben zu beschäftigen, dem Anfang, dem Weg, den Zielen, Träumen, Sehnsüchten, dem Schönen; nicht mit dem Ende, das die Menschen so fürchteten. Unbedingt! Doch wenn wir im Leben die Ängste nicht verstehen, nicht verstehen, dass unser Leben endlich ist, wie kann es dann wirklich frei und schön sein? Gerade deshalb, weil es etwas gibt, das wir im Leben fürchten, sollten wir doch auch darüber reden können, uns beruhigen und gegenseitig stärken, das würde auch die Angst ein wenig kleiner machen. Was wir fürchten, sollten wir nicht verschweigen. Ist es bequemer, etwas zu verdrängen, es unverarbeitet mit sich herumzuschleppen? Bequemer scheint es mir, sich mit anderen darüber auszutauschen und festzustellen, dass man nicht alleine ist mit seinen Ängsten und Vorstellungen. Und der Austausch ist unabhängig vom Alter. Kinder stellen großartige Fragen zum Tod und zum Sterben, so frei und kopflos, so ehrlich und geradeaus.

Wenn schon morgen das Ende käme, es in greifbare Nähe rückte, wie würde ich ihm begegnen, wenn ich nie gelernt habe, es als Teil des Lebens zu begreifen? Was wir verschweigen, ist nicht weg!

»Man sollte Menschen, die es doppelt so schwer haben, auch doppelt so lieb haben!«, legt Franny uns ans Herz. Ist es nicht unsere Aufgabe als Gesunde, jenen die Hand zu reichen, die besonders krank sind? Sie zu sehen, ihnen zuzuhören, mit ihnen zu fühlen? Der Tod ist ein stiller und ständiger Begleiter vom Tag unserer Geburt an – wie könnte das alles kein Thema sein? Wünschten wir uns nicht ebenfalls eine Hand in unserer, wenn auch wir plötzlich morgen zu den Kranken gehörten? »Man kann sich ganz schön krank denken«, meint Franny. Darum schlägt sie vor, über alles zu reden, damit »Kopf und Körper sich vertragen«.

 

Wir setzen dem Tod immer diese schwarze Maske auf. Die Krux ist doch, dass er uns aber auch befreien kann, wenn die Hoffnung auf Genesung als Letztes gestorben ist. Er kann unser Retter sein – nicht im Falle eines Unfalls, da zeigt er sich als Entführer in ein Reich, das wir nicht ausgesucht, auf das wir uns nicht vorbereiten konnten. Wie lebenswert ist jedoch ein Leben in Schmerzen und im Rausch von Medikamenten, die irgendwann noch nicht einmal mehr wirken? Kommt der Tod dann nicht als großer Held, als Befreiung aus unserer Gefangenschaft?

Nach der Zeugung wachsen wir heran, die Kurve geht nach oben. Doch schon nach der Geburt fällt diese Kurve wieder ab, auch wenn wir das natürlich nicht zum Thema machen. Das muss man auch nicht, jetzt wird erst mal gelebt, jetzt sind wir Eroberer, Abenteurer und Forscher. Der Tod lässt niemanden aus, übersieht keinen und zieht uns den Mantel des Lebens aus. Und wer bringt uns nach Hause? Dorthin, wo wir hergekommen sind, wo unsere Seele sich einst auf die Reise machte? Gibt es nur eine Sammelstelle für alle, dessen Raum jedoch unendlich ist? Schade eigentlich, dass niemand je zurückgekommen ist, um uns von diesem Abenteuer zu berichten. Denke ich an all die Menschen, von denen ich mich für immer verabschieden musste, bringe ich sie nicht mit einem Raum namens »Hölle« in Verbindung. Ich sehe einen hellen Raum, erleuchtet von den Lichtern der Seelen, die endlich nicht mehr dunkel sind, wenn sie zurück in ihrer Heimat landen. Und dass sie ankommen, ist zweifelsfrei für mich. Seele ist Energie, und in der Seele sind die Gedanken und Gefühle des Menschen gespeichert. Und nur weil sie nicht mehr gebraucht werden, können sie trotzdem nicht verschwinden. Energie bleibt und dreht weiter ihre Runden. Wie würde das auch gehen, das Auflösen von Energie?

Am Ende ist das Leben in einem Körper tatsächlich nur das Vorspiel. Wir bekommen eine Hülle geliehen, mit der wir uns bewegen können, um auf irdische Entdeckungstour zu gehen. Einen Spaziergang zu machen, einen Ausflug auf Zeit, bevor wir die Rückreise antreten. Vielleicht ist das Leben ein spannendes Bühnenstück mit unendlich vielen Szenen, und jeder bringt sich mit seinen eigenen Talenten und Gaben ein. Gemeinsam stehen wir mit vielen anderen Menschen auf dieser Bühne. Das Stück mancher ist einfach kürzer, ein anderer hingegen spielt mehrere Akte. Zwischendurch fällt einfach der Vorhang und das Ensemble wird neu besetzt.

 

Frannys Reise ist auch ein kleines Bühnenstück. Und es handelt von einer Reise in den Himmel sowie dem Blick auf die Erde und ihre Bewohner. Eine Reise durch eine Welt voller Fragen, Gedanken und Antworten, zu den Themen Liebe, Glauben, Mut, Gott, Freundschaft und dem Sinn des Lebens. Alles aus der Sicht eines jungen Mädchens, dessen Vorhang kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag fiel.

Doch soll dieses Buch auch eine Liebeserklärung sein – an das Leben, die Menschen, die Freunde, die Familie. An die Hoffnung, die Sehnsucht, die Zuversicht.

Und nun: Vorhang auf!

 

Hamburg, Sommer 2017

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Das Leben davor

✮✮✮

 

 

Mein Name ist Franny, und auf der Erde war ich genau fünfzehn Jahre, sieben Monate und dreizehn Tage. Ich wohne heute über euch – in dem unendlich weiten Himmel. Meine neue Heimat nenne ich »die Wohnung vom lieben Gott«, in der auch Milliarden andere Seelen ihr Zuhause haben. Einigen von ihnen werdet ihr zu Lebzeiten begegnet sein.

Es ist die größte Wohnung aller Zeiten, mit dem größten Fenster überhaupt, aus dem man die ganze Erde auf einmal überblicken kann. Das klingt für euch bestimmt weit weg, doch bin ich eigentlich nur einen Gedanken weit von euch entfernt.

Gedanken sind ganz nah, auf einmal kann man sogar jemanden riechen, der wahnsinnig weit weg ist. Gedanken ziehen einander an. Nur wer vergisst, wird sich entfernen. Wenn ihr mich mit dem Herzen seht, dann bin ich nah und unter euch. »Denken an …« ist schön, und wenn ich die Wörter zusammenziehe, dann werden sie zu »Andenken«.

Und Andenken kann niemand uns nehmen. Es ist beruhigend, dass der Mensch so etwas nicht verliert, das Sich-Erinnern. Es nicht verlernt, solange er gesund ist.

Ihr da unten spaziert täglich unter einem Himmel voller Seelen. Eine von ihnen ist meine.

Natürlich hatte ich Angst. Anfangs. Ich wusste ja, dass kein Prinz kommen und mich wachküssen würde. Mein Leben war zwar oft ein Märchen, doch leider keins mit Happy End. Natürlich wusste ich irgendwann, dass jeder Mensch mal sterben muss, auch jedes Tier und jedes Blümchen, doch hatte ich gedacht, sehr alt zu werden. Am Ende war mein Besuch auf Erden leider ganz schön kurz.

Hier oben bin ich von so vielen schönen Dingen umgeben: dem Himmel, den Sternen, dem Mond, der Sonne, den Engeln, dem Regenbogen und den Wolken.

Seit fünf Monaten bin ich nun hier, und auf meiner Reise zu den Sternen musste ich durch dieses »Dazwischen«, das für jeden ein Geheimnis bleibt, der noch mit beiden Beinen auf festem Boden steht.

Ich habe trotzdem für euch dieses Geheimnis gelüftet, das auch ich so oft als unverständlich und beängstigend empfunden habe. Und so schenke ich euch heute meine Geschichte, und ich nehme euch mit auf eine ganz besondere Reise.

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Wie alles begann

✮✮✮

 

 

Ich muss etwa acht Jahre alt gewesen sein, als sich Mama und Papa eines Abends gemeinsam an mein Bett setzten. Mir hatten schon wieder schreckliche Bauchschmerzen den ganzen Tag vermiest, und nun beugte sich Mama ganz nah zu mir herunter und legte mir eine Herzwärmflasche auf den Bauch.

»Franny, du hast uns immer wieder gefragt, warum es dir oft so schlecht geht und warum wir so viele Ärzte besuchen müssen. Also, das …« Mama verstummte, Papa übernahm. »Also, mein Liebling, wir sind dir immer wieder ausgewichen, weil wir anfangs nicht viel wussten über deine Krankheit, doch … also, das kommt daher …«

Ich wusste, wenn Mama und Papa sich gegenseitig beim Finden der Worte halfen, würde etwas Wichtiges kommen. Papa musste sich so oft räuspern, das tat er immer nur, wenn ihm die Worte nicht so leicht über die Lippen gingen, was in der Regel ziemlich selten vorkam.

»Weißt du, jeder Mensch hat einen Stoffwechsel, der für die Aufnahme, den Transport und die Umwandlung von Stoffen im Körper verantwortlich ist. Und er sorgt für die Abgabe von Stoffwechsel-Endprodukten. Das ist natürlich wichtig, für den Aufbau und die Erhaltung der Körpersubstanz und …« Papa warf Mama einen ernsten Blick zu. »Und … und der richtigen Körperfunktionen!« Ich weiß noch, wie Mama sich über die Stirn wischte und ihre Augen feucht wurden, bis sie ihren Kopf auf meine Schulter legte. Ich starrte Papa an und hakte nach: »Und bei mir hat dieser Stoffwechsel ’ne große Macke?«

An jenem Abend durfte ich bei Mama und Papa schlafen. Papa hatte die Besucherritze zugestopft und mir ein kleines Nest gebaut. Teddy Bruno lag auf meinem Bauch und ich war alles auf einmal. Irritiert, besorgt, doch auch erleichtert. Komisch eigentlich, nach so einer Schreckensnachricht. Aber ich wusste, dass ich sicher und geborgen war, so zwischen Mama und Papa. Und dass sie mich beschützen würden. Und außerdem wusste ich, dass man nicht krank bleiben muss. Ich hatte immerhin schon Masern überlebt und schlimmen Husten.

Das schöne große Bett. Eigentlich durften meine Schwester Jessi und ich hier immer nur liegen, wenn es uns nicht gut ging. Oder wir krank waren oder einen schlimmen Traum hatten. Doch Krankheiten waren bisher immer nur Fieber, Erkältung oder »Kotzeritis«. Dürfte ich jetzt jeden Tag hier schlafen?

Auch Jessi hatte es immer ein bisschen genossen, krank zu sein. Durch meinen komischen Stoffwechsel hatte das Kranksein allerdings eine ganz neue und irgendwie auch langfristige Bedeutung bekommen, was ich an jenem Abend aber noch nicht wusste.

Mama und Papa mussten mir im Laufe der Zeit das mit dem Stoffwechsel noch ein paar Mal erklären, es mir vorzustellen, fiel mir ziemlich schwer. Wollte ich es überhaupt verstehen? Wie könnte es mir besser gehen, wenn mein Körper etwas hatte, das vielleicht niemand heil machen konnte? Es geht einem doch nicht wirklich besser, wenn man nie mehr vergessen kann, dass in dem Körper etwas komisch ist. Und wenn dein Körper einfach Sachen macht, die du nicht willst, besonders Schmerzen. Ich wusste jetzt zwar, wer der Übeltäter war und warum mir das Atmen manchmal schwerfiel, doch jetzt war etwas Angst dazugekommen. Da hatte jemand anderes einfach die Kontrolle über meinen Körper an sich gerissen und mich als Chefin verdrängt. Erst als ich ihren Namen kannte, wusste ich, ich bin tatsächlich nicht allein mit so etwas: Mukoviszidose. Ich stellte mir meinen Körper von innen vor und musste plötzlich weinen. Wie es den anderen Kindern wohl ging, die das Gleiche hatten wie ich?

Tausend Dinge waren mir durch den Kopf geschossen. Ob ich an »Mukki« auch sterben konnte? Was konnte ich tun, um weniger Angst zu haben und nicht mehr so traurig zu sein? Würde Mukki dann auch etwas kleiner werden? War ich böse und hatte deshalb eine solche Krankheit bekommen? Wen suchten Krankheiten sich eigentlich aus, wonach gingen sie vor? War das ein Zufall, dass ich mich nicht ganz gesund entwickeln konnte?

 

»Mama, kann ich daran sterben?« Gleich am nächsten Morgen weckte ich Mama mit dieser Frage.

»Liebling!« Mama war sofort hellwach und guckte mich entsetzt an. Vielleicht war es auch eher Verzweiflung, ich kann das nicht mehr sagen.

»Man stirbt doch nicht an jeder Krankheit!« Erleichtert kuschelte ich mich ganz dicht an sie ran, bevor ich wieder einschlief.

 

Ich dachte, wenn ich auf die Krankheit schimpfe, würde sie mich ärgern und noch schlimmer werden. Also stellte ich mir vor, sie sei nur zu Besuch und würde sich eines Tages einfach wieder verkrümeln, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, wie das gehen sollte. Und vor allem nicht, wohin sie dann verschwinden würde. Vielleicht würde sich die Krankheit auch einfach wieder auflösen? Aber was, wenn Mama unrecht hatte und es schlimmer werden würde, so schlimm, dass ich plötzlich an ihr sterben könnte?

Immer weitere Fragen kamen in mir auf, auf die selbst Papa keine Antwort hatte, obwohl er immer alles wusste und der Schlaueste von allen war. Er konnte nicht einmal in Büchern über diese Krankheit lesen, weil einfach noch zu wenig bekannt war über Mukoviszidose. Vielleicht war ich was ganz Besonderes, weil ich so etwas Seltenes bekommen hatte?

»Liebling, wir werden schon noch herausfinden, wie wir die Macke deines Stoffwechsels wegmachen können.«