Frau Dr. Moormann & ich - Elke Heidenreich - E-Book

Frau Dr. Moormann & ich E-Book

Elke Heidenreich

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Beschreibung

Witzig, frech, tiefgründig - wie eine Autorin, ein eigenwilliger Mops und eine Botanikerin Freundschaft schließen. Das neue Buch von Elke Heidenreich

Frau Dr. Moormann nervt. Alles weiß sie besser. Wenn man ihr was Gutes tun will, beschwert sie sich darüber. Übt die Erzählerin auf dem Klavier Schumann, fragt Frau Dr. Moormann gehässig: „Warum spielen Sie eigentlich immer dasselbe Stück, gibt es keine anderen?" Auch sonst passt ihr gar nichts: Sie schimpft über den schlecht gefegten Gehweg, wenn der Besuch der Nachbarin zu laut lacht oder der Hund bellt. Dann aber bringt Mops Gustav eine Seite von Frau Dr. Moormann zum Vorschein, mit der nicht zu rechnen war. Eine nachbarschaftliche Hassliebe voller Leidenschaft. Elke Heidenreich brilliert mit sprühendem Witz und klugen Beobachtungen.

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Das ist das Cover des Buches »Frau Dr. Moormann  & ich« von Elke Heidenreich

Über das Buch

Witzig, frech, tiefgründig — wie eine Autorin, ein eigenwilliger Mops und eine Botanikerin Freundschaft schließen. Das neue Buch von Elke HeidenreichFrau Dr. Moormann nervt. Alles weiß sie besser. Wenn man ihr was Gutes tun will, beschwert sie sich darüber. Übt die Erzählerin auf dem Klavier Schumann, fragt Frau Dr. Moormann gehässig: »Warum spielen Sie eigentlich immer dasselbe Stück, gibt es keine anderen?" Auch sonst passt ihr gar nichts: Sie schimpft über den schlecht gefegten Gehweg, wenn der Besuch der Nachbarin zu laut lacht oder der Hund bellt. Dann aber bringt Mops Gustav eine Seite von Frau Dr. Moormann zum Vorschein, mit der nicht zu rechnen war. Eine nachbarschaftliche Hassliebe voller Leidenschaft. Elke Heidenreich brilliert mit sprühendem Witz und klugen Beobachtungen.

Elke Heidenreich

Frau Dr. Moormann & ich

Mit Bildern von Michael Sowa

Hanser

BÄREN

Ich hab lange überlegt, ob ich euch von Frau Dr. Moormann und mir überhaupt erzählen soll. Vielleicht interessiert euch das gar nicht? Aber da hat sich so viel angesammelt, ich muss es einfach mal erzählen, also habt ein bisschen Geduld, bitte.

Frau Dr. Moormann ist meine Nachbarin, und wir haben wirklich ein paar Probleme miteinander. Ich verstehe sie einfach nicht, und ich glaube, sie kann mich überhaupt nicht leiden. Sie hat meistens schlechte Laune und sieht um den Mund herum aus wie jemand, der immer Zitronen essen muss, und wenn sie mich sieht, ruft sie:

»Frau Heidenreich, der Vorplatz bei den Mülltonnen müsste aber wieder mal gefegt werden!«, oder »Ihr Kater liegt immer auf meinem Auto, das hinterlässt Spuren, und ich habe was gegen Spuren auf meinem Auto, können Sie das verstehen?« Und wenn ich dann wahrheitsgemäß sage: »Nein!«, dann verbittet sie sich diesen Ton.

Neulich fragte sie mich: »Sagen Sie mal, was sitzen da eigentlich für dunkle Gestalten auf Ihrem Fensterbrett?« Und als ich sagte, dass das meine Teddybären sind (ich habe vier!), fragte sie: »Sind Sie nicht schon ein bisschen zu alt für Teddybären?«

Was soll man darauf antworten? Dass man nie zu alt ist für Teddybären? Das stimmt ja auch wieder nicht — darauf komme ich später. Und vier, das hat sich eben so ergeben, darauf komme ich auch noch. Da seht ihr es, ich weiß nicht mal, wo und wie ich anfangen soll mit dieser Geschichte von Frau Dr. Moormann und mir. Ich fange einfach mal an. Also: Frau Dr. Moormann mag nichts und niemanden, ich wette, die mag nicht mal sich selbst. Solche Menschen mögen auch keine Bären. Ihr kennt ja sicher das bekannte altdeutsche Sprichwort:

»Manche Leute woll’n sich immer nur beschweren.

Solche Leute lieben dann auch keine Bären.«

Jedes Kind hat doch einen Teddybär, zerzaust und abgegriffen, ein Ohr fehlt meist oder ein Auge, und überall werden solche Bären mit hingeschleppt, und sie heißen Bärli oder Purzel oder Petzi. Aber wenn man dann älter wird, verschwinden die Bären im Schrank, und man schämt sich ihrer. Es gibt also durchaus eine Zeit, in der man für Teddybären zu alt ist, da hat Frau Dr. Moormann schon recht. Aber über diese Zeit bin ich längst hinaus. Denn wenn man noch älter wird (ich weiß, wovon ich spreche!), dann holt man sie plötzlich wieder hervor, setzt sie aufs Sofa und ruft: »Nein, was bist du doch süß! Wie konnte ich dich bloß so lange im Schrank verstecken!«

Und dann sitzen sie eben auf der Fensterbank oder auf dem burgunderroten Sofa. (Ist euch burgunderrot ein Begriff? Es kommt von einem bestimmten Rotwein — man könnte aber auch einfach sagen: himbeermarmeladenrot.)

Fritz sitzt immer nur auf dem himbeermarmeladenroten Sofa. Er will allein sein, das spüre ich. Fritz war mein erster Bär, ich muss etwa sechs Jahre alt gewesen sein, als er in mein Leben trat.

(Ist es nicht komisch, dass Erwachsene auch mal Kinder waren? Als ich ein Kind war, habe ich mir das nie vorstellen können. Heute staune ich darüber, dass ich überhaupt mal sechs Jahre alt war, so sieht’s aus. Und wenn ich ein sechsjähriges Kind sehe, so rosig und hübsch, mit leuchtenden Augen und zarten Händen, und vorn fehlen immer ein oder zwei Zähne — was in dem Alter noch toll aussieht, in meinem aber schon nicht mehr —, dann kann ich mir nie vorstellen, dass aus dieser sechsjährigen Viola oder diesem sechsjährigen Lukas mal eine sechzigjährige Viola oder ein siebzigjähriger Lukas wird. Wenn ihr mich fragt: Frau Dr. Moormann war nie sechs Jahre alt, die war immer schon dreiundsechzig.)

Ich war damals gerade eingeschult worden und lernte lesen und schreiben, und zum Schulanfang war plötzlich Fritz da. Und er ist immer noch da. Er ist keine Schönheit: Sein Fell geht so ins Schmutziggelbe, und die Augen sind viel zu klein, braune Glasaugen, da wurde eindeutig gespart.

Das war damals die sogenannte Nachkriegszeit, man hatte für nichts Geld, und so ein Bär, der durfte nicht viel kosten. Fritz ist nicht weich und puschelig, sein Fell ist kurz, sein Leib ist hart, da ist Holzwolle drin, glaube ich, aber sein Charakter ist einmalig. Fritz war immer der Bär, zu dem ich sagen konnte: »Fritz, bitte mach, dass es morgen regnet und der blöde Turnunterricht ausfällt!« Und was soll ich euch sagen? Am nächsten Tag regnete es, und der blöde Turnunterricht fiel aus — na ja, nicht immer, aber meistens hat es geklappt. Wir hatten damals keine Turnhalle, geturnt wurde im Schulhof, wo man sich die Knie aufhaute, wenn man hinfiel. In meinem rechten Knie sieht man unter der Haut heute noch ein kleines Steinchen, das ist von damals. Sollten wir uns je treffen, sprecht mich ruhig drauf an, ich kann es euch zeigen.

Auf Fritz ist also Verlass, der ist einfach so ein treuer Typ. Jetzt ist er schon alt und schläft viel, ich störe ihn dann nicht, denn schlafende Bären soll man nie wecken. Das sagt ja schon ein uraltes Schwarzwälder Sprichwort:

»Schläft ein Bär, dann lass ihn schlafen,

denn sonst setzt es schlimme Strafen.«

Natürlich hat auch Fritz ein paar Jahre im Schrank verbracht. Ich bitte euch, wenn man siebzehn, achtzehn ist und total verliebt, dann setzt man sich doch keinen Bär aufs Sofa! Auf diesem Sofa, da küsst man sich mit — mit —, nein, ich muss da jetzt keine Namen nennen, aber jedenfalls sind das keine Bärenjahre. Das werdet ihr schon noch selber merken.

Ja, und dann studiert man, reist in der Welt herum, und da zerrt man auch keine Bären hinter sich her. Aber dann, wenn man endlich eine schöne eigene Wohnung hat und das Leben ist ein bisschen besser geordnet, dann fällt einem plötzlich ein: »Wo ist denn eigentlich der Fritz geblieben?« Und dann sucht man in den Schränken im Keller und auf dem Speicher im Haus der Eltern, bis man ihn findet. Gerade fällt mir ein, dass der Mann von Frau Dr. Moormann auch Fritz hieß. Ich habe ihn nicht gekannt, er ist schon lange tot. Aber auf dem polierten Messingschild an ihrer Tür steht immer noch:

DR. FRITZ MOORMANN

Wahrscheinlich ist Frau Dr. Moormann gar nicht selbst Doktor, Doktor war bloß ihr Mann, aber sie lässt sich von allen Frau Doktor nennen. Na, soll sie.

Fritz kriegte jedenfalls eines Tages einen schönen Platz auf dem burgunderroten (himbeermarmeladefarbenen!) Sofa, und da saß er nun, und ich guckte ihn an, und er guckte mich an. Und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass er Unfug trieb, wenn ich nicht da war oder nachts schlief. Zum Beispiel der Klavierdeckel — ich weiß, dass ich ihn zugemacht habe, ich bin ganz sicher. Ich hatte dieses Stück von Robert Schumann geübt, das ich einfach nie richtig fehlerfrei spiele. Es hat einen ulkigen Titel, es heißt: »Der Dichter spricht«, und mir gefällt es gut, der Dichter spricht sozusagen schön, aber es ist eben nicht ganz einfach. Dabei ist die Tonart G-Dur, das hat nur ein Kreuzchen, ein Fis, müsste ich also doch eigentlich hinkriegen, krieg ich aber irgendwie nicht.