Frauen und Männer der Renaissance - Franz Blei - E-Book

Frauen und Männer der Renaissance E-Book

Franz Blei

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Beschreibung

Franz Blei hat in diesem Buch versucht, die Renaissance sich selber sprechen zu lassen durch ihr geübtestes, wortreichstes Mundstück: die Novelle. Er hat, dem Brauch der Novellieri folgend, die Geschichten in den Rahmen einer "lieta brigata" gestellt. An einem frohmütigen Ort des Parnasses vereinen sich zur Feier des letzten ihrer Genossen, der bei ihnen eintrifft, die Novellieri zu einer "cena", einem heiteren Gastmahl, und ein jeder von ihnen erzählt seine beste Geschichte.

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Frauen und Männer der Renaissance

Franz Blei

Inhalt:

Vorwort

Frauen und Männer der Renaissance

Frauen und Männer der Renaissance, F. Blei

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849623081

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Vorwort

Das hier vor dem geneigten Leser aufgerollte bunte Stück Welt der italienischen Renaissance macht nur in den Mitteln Anspruch auf Eigenheit, nicht in der letztlichen Wirkung selber, wenn man damit meinen sollte, daß es sich in dem hier vorgelegten Werke um historisch-kulturelle Ergebnisse handelte, gänzlich verschieden von allem was die Historiker gefunden, aufgestellt und erläutert haben. Dieses ist nicht der Fall und kann es auch gar nicht sein. Unsere Einsichten in die Kultur der Renaissance können wesentliche Änderungen nicht mehr gut erfahren, wenn auch unsere Ansichten als Werturteile zustimmend oder ablehnend sein können, je nachdem der eine in dieser Kultur den Verfall der mittelalterlichen von ihm verehrten Ideale bedauert, oder der andere sie als den Anbruch der neuen Zeit begrüßt, als welche dem Individuum gehört und der Freiheit. Aber über den Fakten dieser Zeit, ihrem Werden und ihrem Verlauf, ihren Tendenzen, Leistungen und Personen liegt alles Licht der historischen Kenntnis und kaum ein Detail gibt es mehr, das noch im Schatten auf seine Entdeckung wartete oder gar für die Einsicht in das Ganze dieser Kultur von ändernder Bedeutung sein könnte.

Nicht klein ist die Zahl bedeutender und ausführlicher Darstellungen, die das Gesamte der Renaissance zum Gegenstand haben und die Zahl der Schriften über das Einzelne ist Legion. Das Bildwerk der Zeit, neben der Plastik und Architektur ihr vornehmster Titel, ist jedermann vertrautes Gut aus immer wieder gebrachten Reproduktionen. Das Bedeutendste aus ihrem Schriftwerk ist in Übertragungen allen europäischen Kulturvölkern bekannt. Figuren der Zeit, wie Boccaccio oder Machiavelli, sind, wenn auch oft nur als Namen für vage Inhalte, von der Popularität mythologischer Gebilde. Nicht also im Neuen, sondern im etwas Neuartigen einer Darstellung dieser Kultur konnte die Verlockung liegen und darin auch ihr Reiz für den Leser, der einigen Hintergrund von Wissen um diese Zeit mitbringt. Doch ist auch solche vom Leser mitgebrachte bescheidene Kenntnis nicht Bedingung, diesem Buche den Geschmack abzugewinnen. Denn er kann sich ihm als einem Geschichtenbuche ganz naiv hingeben. Ja, einem Geschichtenbuche, aus dem ihm geschichtliche Kenntnis werden mag, wenn er solches will.

Die neue Gesellschaft, die sich seit dem 14. Jahrhundert in den italienischen Städten gebildet hatte und unter den Tyrannen, aus Kaufleuten und Handwerkern –, sie schenkt sich eine besondere Literatur: die novella. In Stadtgemeinden wie der florentinischen gab die höhere bürgerliche Mittelklasse, die sich schon mit dem Adel mischte, den Ausschlag in der Gesellschaft, wurde ihr konstituierendes Element. Und gleichzeitig vollzog sich in der so geformten Stadtgemeinde die Trennung durch die humanistische Bildung, an der das niedere Volk keinen Anteil hatte. Die Literatur, die sich über dieser sozialen Struktur bildete, folgte einerseits dem Geschmack der Mittelklasse, amüsierte aber auch gleichzeitig den Adel, und diese Literatur war die Novelle. Dante sprach noch zur ganzen Nation, die ihm die gesamte Menschheit darstellte. Er hatte noch nicht das, was man ein Publikum nennt, ein Faktum, das erst eintritt, wenn sich eine Nation in Ordnungen und Klassen gliedert, deren jede ihre besonderen Vorzüge und Fehler hat. Das untere Volk wird von seiner Literatur Derbheit und Natürlichkeit verlangen, ein Adel das Raffinement seiner subtileren Gefühle. Die mittlere Klasse des Stadtbürgertumes erfreute sich an Darstellungen des Alltagslebens, dort mit satirischen Spitzen, wo sie nach ihren Erfahrungen leidet und sich wenigstens durch Bosheiten rächen will. Die Appetite dieser heraufgekommenen Klasse haben noch keine Idealisierung erhalten: ihre Literatur wird daher realistisch, positiv und sinnlich sein. Ich habe an einer anderen Stelle die ästhetische Theorie vom formbildenden Faktor der Umgebung entwickelt und möchte hier nur als Beispiel auf drei Typen hinweisen. Die karolingischen Zyklengedichte oder das anonyme Nibelungenlied, Gedichte jedes Ausmaßes in Tiefe und Breite, waren für jeden Volksgenossen. Ganz fern von dieser Unmittelbarkeit und Einfachheit steht dann die dem späteren Mittelalter gehörige Dichtung der Artuslegenden, eine aus dem Rittertum erwachsene und nur ihm zugehörige Dichtung. Und das dritte deutliche Beispiel bietet diese italienische Prosageschichte des Cinquecento, von Männern der bürgerlichen Klasse geschrieben zu deren und des Stadtadels Unterhaltung: zynisch, satirisch, höchst erfinderisch in geschicktem Appell an die sinnlichen Appetite, oft für unsern heutigen Geschmack schmutzig.

Diese kurze, fast immer nur skizzierte Novella, was Anekdote, Geschichte, Abenteuer, Erlebnis, Situation bedeutet, nicht Novelle in unserm heutigen Sinn, wurde herrschender literarischer Ausdruck der Zeit so sehr, daß sogar Heiligenlegenden ihren Charakter adoptierten und die Dichter sie als Episoden einführten. Berühmte Gerichtsfälle wie der Prozeß der Cenci, der Vittoria Accoramboni wurden in der Form der Novella mitgeteilt. Gozzoli, Carpaccio, Sodoma, Lippi malten im Geiste der Novellieri Geschichten, die von der Wand der Kirche oder des Palastes herunterzulesen sind.

Seit ihrem Vorbilde Boccaccio lieben es die Novellieri die Fiktion aufrecht zu erhalten, daß ihre Geschichten zuerst erzählt, dann erst niedergeschrieben wurden, und wie man der Technik anmerkt, dürfte es auch häufig so gewesen sein, daß man die Geschichte in einer Gesellschaft erzählte. Denn ihre Methode ist immer, bei allem Wechsel von Anlaß, Zeit und Persönlichkeit des Novellisten, die eines, der die Aufmerksamkeit von Zuhörern fesseln will: deutlicher, unkomplizierter Gang der Handlung, keine psychologische Analyse der kurz und oberflächlich skizziert auftretenden Personen, Erregung der Neugier, der Spannung, des Lachens oder der Rührung, starkes Herausarbeiten des Hauptmotivs, kein Langweilen durch Moralisieren, wenn auch zuweilen moralisch getan wird, ja IlLasca sogar zu Beginn einer recht skabrösen Geschichte den lieben Gott anruft: prima che al novellare di questa sera si dia principio, mi rivolgo a te, Dio ottimo e grandissimo...

Die Geschichten der Novellieri sind moralisch oder unmoralisch, aber weder das eine noch das andere in der Absicht ihrer Verfasser, die keinerlei ethische Intention haben, da sie nichts als unterhalten wollen. Die Vorurteilslosigkeit der Zuhörer, unter denen immer junge Damen waren, ist erstaunlich. Ob man genau so lebte, wie die Novellieri erzählen, das ist nicht vollkommen sicher. Wohl aber, daß man nichts dabei fand, zu denken und sich vorzustellen, daß man so wohl leben könnte. Es ist nicht fest zu beweisen, ob die Novellieri ganz zuverlässig über die Moral der Gesellschaft informieren, wohl aber geben sie genauesten Aufschluß über deren moralische Anschauungen. Denn von der Natur dieser Menschen erfahren wir selten aus diesen Geschichten, die psychologisch meist ganz auf der Oberfläche bleiben. Gerade das dürfte sie den englischen Dramatikern so anziehend gemacht haben, denn hier gab es eine Fülle von Geschehnissen ohne jeden intellektuellen Inhalt und ohne irgendwelche menschlich tiefere Motivierung, und das reizte diese Engländer, ihre analytischen Kräfte zu üben, Charaktere zu schaffen, Geschehnisse zu motivieren.

Ich habe in diesem Buche versucht, die Renaissance sich selber sprechen zu lassen durch ihr geübtestes, wortreichstes Mundstück: die Novelle. Ich habe, dem Brauch der Novellieri folgend, die Geschichten in den Rahmen einer lieta brigata gestellt. An einem frohmütigen Ort des Parnasses vereinen sich zur Feier des letzten ihrer Genossen, der bei ihnen eintrifft, die Novellieri zu einer cena, einem heiteren Gastmahl, und ein jeder von ihnen erzählt seine beste Geschichte. Und jeder beginnt sie damit, daß er von seinem irdischen Leben berichtet, dem was er tat und dem was er wollte, von seinen Fährnissen und Schicksalen, seinen Taten und Untaten, seinem Lieben und Leiden und was er gesehen und gehört hat. Es müßte, so dachte ich, als mich der Plan beschäftigte, ein recht lebhaftes Bild vom Leben während der Rinascia zustande kommen, in dem kein Strich von der Phantasie geführt wird, sondern das Ganze völlig in der gelebten Wirklichkeit bleibt. Denn daß die Selbstbildnisse, welche die Novellieri geben, von mir aufs genaueste nach den Quellen gearbeitet sind, das braucht wohl nicht erst betont zu werden. Der Literaturnachweis am Schlusse kann das Vertrauen der Unkundigen verstärken und den Zweifel der Kundigen auf den Weg weisen, wo sie finden, was nötig, um ihn los zu werden. Es braucht mir nicht kritisch vermerkt zu werden, daß Francesco da Barberino und Giovanni Boccaccio, beide an der Schwelle der Renaissance nur stehend, nicht ganz in dieses Buch gehören. Aber diese beiden, und zumal den großen Florentiner als den Begründer der Novella, in dieser Cena nicht zu sehen, diese Unterlassung wäre größer und ärger gewesen.

Frauen und Männer der Renaissance

Der Parnaß

Längst schon war der Parnaß nicht mehr das steile Felsgebirg und nur dem geflügelten Rosse zugänglich. Die Künste von Jahrhunderten hatten sich um seine Wohnlichkeit gemüht und es bedurfte des Hippogryphen nur mehr, um auf den höchsten Gipfel zu gelangen. Denn der ragte immer noch unzugänglich dem schwindelbehafteten Fuß. Aber an den Hängen des Berges gab es Wege die Menge, die zu breiten Terrassen führten oder zu lauschigen Grotten, zu kühlen Hainen oder in zierliche Hallen oder es lenkten, launig angelegt, die Wege in Irrgärten zu sich selber zurück und wieder an den Fuß des Berges. Um den immer ein mächtiges Gedränge war.

Auch an diesem Sommernachmittag des Jahres 1640, welcher sorgenlos seine klare hellblaue Glocke über den Berg des Ruhmes gestellt hatte, der an einem gemachen Wege seiner Flanke etliche zwanzig oder mehr Männer in lässigem Gehen und Warten sah, denn einer, ein Zuletztgekommener, wollte zu ihnen stoßen und war zu spät aufgebrochen, und zweie waren, Säumige zu holen gegangen etwas bergaufwärts. Nun aber war der Letzte, den die Gesellschaft erwartete, eingetroffen, Messer Bargagli aus Siena, und auch die beiden Säumigen hatten dem Drängen der Abgesandten, wenn auch etwas widerwillig nachgegeben, und es machten die Zweie etwas komisch-verdutzte Gesichter, als sie im Eintreten das Kunterbunte der Wartenden erblickten. Die Zweie aber waren Messer Francesco da Barbarino aus dem Valdelsa und Ser Giovanni Boccaccio aus Certaldo. In Schnitt des Antlitzes und Blick des Auges etwas streng und hart gegen die andern über und auch im Schwarz ihres bis an die Füße reichenden Gewandes abstechend genug gegen die mannigfaltige Buntheit dieser Schaar, in der es Notare gab und Staatsschreiber, geistliche Würdenträger und Mönche, aber auch etliche, denen man gleich anmerkte, daß sie nichts sonst waren als reiche Nichtstuer oder arme Vagabunden.

Aber alle diese Männer hatten durch zwei Jahrhunderte hindurch ihre Landsleute mit erzählten Geschichten erfreut, und nun wollten sie die Ankunft des Letzten aus ihrer Gilde festlich begehen. Schon hatten sie inzwischen den Platz ihres heiteren Gelages, das sie sich vorgenommen hatten, erreicht. Da war im angenehmen Schatten eines gegen die Ferne hin offnen Haines die festliche Tafel aufgestellt und gab es ein Gehen und Kommen von Dienenden. Der den ehrwürdigsten Eindruck machte, eben jenen Greis aus dem Valdelsa, den nötigte man auf den etwas erhöhten Sitz an der Spitze der Tafel, weil ihm und gerade ihm dieser Platz zukomme, und es setzte sich zu seiner Rechten Boccaccio, zu seiner Linken ebenfalls ein Florentiner, nämlich Francesco Giovanni der Florentiner, auf seinen Sitz, und weiter herum saßen im Kreise die anderen: Sacchetti aus Florenz, Masuccio aus Salerno, Antonio Cornazzano aus Piacenza, Giovanni Brevio, ein Geistlicher aus Venedig, Matteo Bandello aus Castelnuovo, auch er ein Kleriker; Francesco Molza aus Modena hatte den Benediktiner Agnolo Firenzuola aus Bologna zur Rechten, und weiter saß da Girolamo Morlini, ein Advokat aus Neapel, Antonio Francesco Grazzini aus Florenz, Giovanbattista Giraldi Cinthio aus Ferrara, Antonio Francesco Doni aus Florenz, ein echter armer Schlucker. Dann kam Pietro Fortini aus Siena, Girolamo Parabosco aus Piacenza, dem es nicht ganz behagte neben dem Niccolo Granucci aus Lucca zu sitzen, woraus sich weniger dessen Nachbar Celio Malespini aus Verona machte. Straparolla aus Venedig kam nun und Pietro Aretino und Ascanio de Mori aus Mantua, Scipione Bargagli aus Siena und Nicolo Machiavelli aus Florenz.

Die Gesellschaft war übereingekommen, daß jeder der Reihe um sein Leben und seine beste Geschichte erzähle und alle riefen den Alten an, daß er anfangen müsse. Denn er sei der erste gewesen, der mit eignem Munde in der guten Sprache Toscanas Geschichten erzählt habe. Was vor ihm durch die Gassen lief, das zähle nicht und hätte kein Gesicht. Da sich nun der Alte übers Kinn strich wurde alles still. Und Barberino begann.

Barberino erzählt

Es bedarf keiner großen Ausführlichkeit in der Erzählung meiner Lebensumstände und der Zeit, in der sie abliefen, um Euch zu beweisen, daß Ihr mir mehr Ehre als ich verdiene damit antut, mich an diesen erhöhten Platz in Eurer vornehmen Gesellschaft gesetzt zu haben und mir das erste Wort zu geben. Beides kommt dem glänzenden Freunde Giovanni um viel mehr zu als mir, der ich kaum jenes gelobte Land geschaut habe, in das Ihr unter seiner Führung zoget. Wie ihr gleich merken werdet, sowohl aus der kurzen Geschichte meines langen Lebens wie aus der Geschichte, die Ihr mir zu erzählen auferlegt.

Ein Jahr vor Dante sah ich das Licht der Welt, zu Barberino, wo auch mein Vater Neri di Rinuccio geboren war, im Val Delsa, nicht weit von Certaldo, wo unser verehrter Meister Boccaccio zur Welt kam. In Rom war zu diesem Jahre Urban der Vierte Papst, und drei Monate lang stand jener Schwanzstern am Himmel, der Manfred, dem Usurpator des Königsreiches beider Sicilien, so viel zu schaffen machte. Meine Eltern waren von bescheidener Herkunft, aber wohl imstande, mich was Rechtes lernen zu lassen, dem ich auch mit all meinen Kräften oblag. Aber strenger noch als mein guter Wille eifrig war der Vater, der mich oft damit zu strafen liebte, daß er mich unbekleidet für Stunden dem Anblick der Leute zur Schau stellte, und ich immer wieder die Mutter bat, unter Tränen, daß sie mich lieber unter Stockstreichen erröten lasse als unter der Schande. Als ich ins Alter kam, schickte man mich zum Lernen nach Florenz und hatte ich daselbst den großen Meister Brunetto Latini zum Lehrer. Ich lernte die sieben freien Künste und begann in Nachahmung der Provenzalen zu reimen, wie es damals allein guter Brauch unter allen feinen Geistern war, die sich in keinem andern Idiom als diesem ausdrücken wollten. Von Florenz begab ich mich nach dem ob seiner Schule berühmten Bologna, das öffentliche und kanonische Recht zu studieren. Da war Cino von Pistoia mein guter Freund, Genosse im Studium und in der Poesie. Trotzdem ich schon zweiunddreißig Jahre zählte, hätte ich gern noch weiter nichts sonst getan als gelernt, wenn mich nicht der Tod meines Vaters anders zu tun gezwungen hätte. Ich begab mich also nach Florenz und bot meine Dienste und Kenntnisse dem Bischof an. Aber dies ließ mir Zeit genug, um mich mit noch größerem Fleiße der Dichtkunst hinzugeben im Kreise gleichgerichteter Freunde, denn noch hatte Dante nicht das Exil aufsuchen müssen, und waren außer ihm Guido Cavalcanti und Dino Compagni meine Freunde, um aus vielen nur diese zu nennen. Ich war vierzig alt geworden und nahm ein Weib. Fünf Kinder schenkte sie mir in der Dauer ihres Lebens an meiner Seite. Aber meinen Hausstand errichtete ich in Padua, denn aus Florenz vertrieben mich die politischen Unruhen. Nur kurzwährend dachte ich meine Reise nach Frankreich, aber sie hielt mich mehr als vier Jahre lang fern meiner Heimat. Längere Zeit lebte ich in Avignon am päpstlichen Hofe Clemens des Fünften, in Burgund, in Paris. Am Hofe Philipp des Schönen sprach ich noch mit dem uralten Joinville, der seine Chronik schrieb. Im Jahre 1313 war ich wieder in Florenz und wurde Doktor der Rechte. Mein Weib war gestorben, und den Kindern eine Mutter zu geben nahm ich ein andres. Ich war nun öffentlicher Notar und dem gehörte alle meine Zeit. Unser Meister Boccaccio rühmte über ihr Maß meine Verdienste um die Rechtshändel, in denen ich den Bischof und die Signoria vertrat, aber es war deren Erfolg sicher weniger meinen Fähigkeiten zuzuschreiben als der großen Güte Gottes, die mich nie verlassen hat. Reichlich wurde mir die Liebe meiner Mitbürger zuteil und sie taten mir alle Ehren an. Vierundachtzig Jahre lang trug ich die Last des irdischen Daseins, als ich jener Pest erlag, die unser Meister Boccaccio in seinen hundert Erzählungen beschrieben hat. Ihr habt mir nun auferlegt, daß ich Euch auch eine Geschichte erzähle. Und da muß ich gleich sagen, daß ich deren so wie Ihr es später geübt habt keine aufgeschrieben habe. In meinen jungen Jahren, da tat ich es ja meinen Altersgenossen gleich, und wie Dante seine Beatrice und Cavalcanti seine Mondetta in Liedern feierte, die schöne Toulousanerin, der er auf seiner Pilgerschaft nach Sankt Jakob von Campostella in der Kirche von Daurade begegnete, so besang ich die Schönheiten und Tugenden der Madonna Costanza in manchen Canzonen und Balladen. Aber ich bin nicht unzufrieden damit, daß all dies leichtfertige Werk verloren und vergessen ging, das ich da nach dem provencalischen Beispiel in Reimen bildete. Da ich in das bedachtere Alter kam, wo die Leidenschaften uns mit den Zähnen zu verlassen beginnen, da sah ich mit einem besorgteren Blick auf die vermeinten Freuden, denen sich die Jugend hingibt, und Gefahren darin für all das, was unser besseres Leben ausmacht, das wir nicht anders denn zu dem Göttlichen hin zu richten haben. Und setzte in den Mußestunden, welche mir meine Tagesgeschäfte ließen, nochmals den Kiel aufs Pergament und gab den Versen, die ich schrieb den anlockenden Titel Zeugnisse der Liebe. Mit der Lockung dieses Titels hoffte ich, die jungen Männer in meine Falle zu bringen. Denn es sind nur Zeugnisse der Tugendhaftigkeit, von denen ich ihnen erzählte, wie auch in dem anderen Werke, das für die Frauen bestimmt war wie jenes für die Männer und das hieß Über die Erziehung und Lebensart der Frauen. Ein rechtes Vademecum sollte es werden für Frauen jeden Standes und in allen Lagen des Lebens, und gab darin eine Menge guter Beispiele, was Ihr so gütig seid Geschichten zu nennen. Aber es sind Moralitäten, liebe Freunde. Wie Ihr nun gleich sehen und wahrnehmen werdet aus dem Beispiel, das ich Euch von einigen jungen Nonnen erzählen will.

Man erzählte sich, daß es ehemals in Spanien ein Kloster gab, welches von einer heiligen Frau gegründet worden war, und wo, durch ihre Sorgsamkeit, zwölf Frauen von großer Armut als Nonnen Aufnahme fanden. Als die Gründerin gestorben war, bemächtigten sich mehrere Edelleute des Klosters und nachdem sie als Oberin eine tüchtige und kluge Frau an seine Spitze gesetzt hatten, brachten sie dort zwölf Fräulein unter, die ihre Töchter waren, jede achtzehn Jahre höchstens alt und von berauschender Schönheit; die Nonnen, die vorher dort waren, wurden hinausgejagt. Der Bischof, von dem sie abhingen, versuchte, sich dem zu widersetzen, aber vergebens; er mußte sich begnügen, den zwölf Nonnen eine Unterkunft zu geben. Zu den Edelfräulein aber sprach er: »Gott beschütze Euch und erleichtere Euch das neue Leben, das er Euch auferlegt, in dem Alter und der Stellung, in der Ihr Euch befindet.«

Die Väter, die mächtig und gefürchtet waren, hörten, daß ihre Töchter ein ehrbares Leben führten, und die Oberin selbst, welche die großen Schwierigkeiten ihrer Aufgabe einsah, hatte den lebhaften Wunsch, nicht so sehr in den Augen Gottes als in denen der Menschen ihre kleine Welt in gutem Ansehen zu regieren.

Ein Jahr verging so; die Frauen des Klosters erfreuten sich eines ausgezeichneten Rufes, aber heimlich und untereinander sorgten sie dafür, gut zu essen und zu trinken, sich das Haar zu strählen und schön zu machen, und dachten dabei kaum an ihre Gebete und an Gott, wie man es draußen beobachten konnte. Gott der Herr, der sich sehr wohl der Beleidigung entsann, die den armen Nonnen angetan worden war, und der die anderen sah, die unter dem Deckmantel eines guten Rufes ganz gleichgültig ihm gegenüber waren, rief einen Engel zu sich und sprach:

»Suche Satan und sage ihm, daß ich ihm die Vollmacht gebe über alle Mittel, die er für die besten hält, die Frauen dieses Ortes in Versuchung zu führen und es einzurichten, daß ihr schlechtes Betragen, so gut verborgen, allen Menschen offenbar werde.«

Satan benachrichtigte einen seiner Trabanten, mit Namen Rasis, dessen Scharfsinn er kannte, und übertrug ihm die Sorge für dieses Unternehmen.

Sofort gehorchte Rasis. Als alte Frau verkleidet begibt er sich ins Kloster und fragt nach der Oberin, der er erklärt, daß, unter dem Siegel der Verschwiegenheit, drei Töchter des Königs von Spanien in das Kloster eintreten wollen. Der König, fügt er hinzu, der die Töchter von einer Edeldame hat und wünscht, daß keine Seele etwas davon erführe, wird dem Kloster gute Einkünfte verschaffen und jeder der Bewohnerinnen einen reichen Schmuck schenken.

Andrea del Castagno Giovanni Boccaccio

Die Oberin unterrichtete mit einigen Worten ihre Freundinnen, und nachdem sie sich mit ihnen ins Einverständnis gesetzt hatte, nahm sie den Antrag an.

Rasis nimmt darauf die Gestalt eines jungen Mannes an und, das Land durchsuchend, findet er drei junge Leute von dreizehn, vierzehn und fünfzehn Jahren, sehr schön und mit blonden Haaren, denen auf absehbare Zeit noch keine Spur von Bartwuchs drohte und sprach zu ihnen:

»Ich bin ein sehr reicher Mann und Sohn eines Königs. Ich liebe ein junges Mädchen, das in dem Kloster ist; da sie mein Land verlassen hat, bin ich ihr gefolgt, um sie zu besitzen. Ich will Euch reich machen. Laßt Euch die Köpfe rasieren und nach Art der Jungfrauen verschleiern, um Eintritt in das Kloster zu erhalten, wo sich die schönsten Mädchen dieser Erde befinden. Ihr könnt Euer Vergnügen mit ihnen haben und ich werde Euch belohnen. Ich werde eine alte Frau senden, die mich hereinläßt, und wir werden alle vereinigt sein. Wenn es mir aber nicht gelingen sollte hereinzukommen, werdet Ihr mir später öffnen.«

Man war bald einig und als Rasis jedem von ihnen dreihundert vertrocknete Blumen gegeben hatte, von denen jene glaubten, es seien ebensoviele Dukaten, fügte er noch hinzu:

»Verschließt das in einem Kasten; wenn ich zurückkehre, gebe ich jedem von Euch noch tausend. Unterdessen folgt Ihr der alten Frau, die Ihr am Rande des Flusses treffen werdet, und geht an das andere Ufer.«

Rasis, wieder als alte Frau, führt dann die drei jungen Leute bis zum Kloster. Dort angekommen, unterhält er sich mit der Oberin und zählt ihr viertausend Kiesel vor, die sie für die gleiche Menge Goldgulden ansieht; jedem von den Mädchen gibt er Strohringe an Stelle von goldenen, mit Steinen geschmückt, die sehr wertvoll schienen, und Grashalme, die wie köstliche Webereien waren; dann verlangte er, daß alles das eingeschlossen würde bis zu dem Tage, an dem die Erziehung der jungen Mädchen beschlossen wäre. Als seine Schützlinge herbeigeführt wurden, sagte er, er habe ihnen die Köpfe rasiert, wie ihr Vater es seit zwei Jahren gemacht habe, und sie in Männerkleidern mit sich geführt, damit das Geheimnis noch undurchdringlicher sei, und kein Mensch einen Anhaltspunkt für ihren Aufenthalt hätte. Sie müßten auch ihre Namen ändern, um dadurch zu verhindern, daß gewisse Edelleute aus ihrem Lande sie ausfindig machten, welche den ganzen Tag um das Kloster herumstrichen.

Die jungen Mädchen des Klosters zeigten sich höchlich erfreut über die Neuangekommenen, die sehr schön waren. Aber da das Kloster nur zwölf Zellen hatte, die von den anderen besetzt waren, sagte die Oberin zu der Alten:

›Solange die Mädchen bei uns bleiben, werden sie mit den andern zusammen schlafen.‹

›Ganz recht so und damit keine eifersüchtig werde, können sie abwechselnd bei allen Mädchen schlafen.‹

Alle stimmten diesem Vorschlage zu. Die Alte versprach, häufig wiederzukommen und verschwand, nachdem sie alle der Sünde des Fleisches geweiht hatte.

Die drei Nönnchen, denen die erste Nacht mit den drei neuen jungen Mädchen zugefallen war, merkten bald, als sie untereinander spielten, was die angeblichen Mädchen waren, und fragten erstaunt, wie sie das hätten machen können.

›Wir sind Kinder des Königs, sagten die drei, aber er hat uns von einer Verwandten, und da wir ihr sehr ähnlich sehen, fühlt er sich etwas bedrängt und deshalb hat er uns hierher gesandt.‹

Man brauchte die Nonnen nicht zu zwingen, und da die Burschen jede Nacht das Zimmer wechselten, geschah mit allen dasselbe und alle waren einstimmig in ihrem Urteil und beteuerten der Oberin, so wohlerzogene Mädchen hätte man noch nie gesehen.

Ich will Euch mit den anderen Reden und den häufigen Besuchen der Alten verschonen, und will nur noch erzählen, daß nach Ablauf von sechs Monaten alle Mädchen guter Hoffnung waren.

Sie vertrauten der Oberin an, was geschehen war. Diese, eine Frau von dreißig Jahren, machte den Mädchen die bittersten Vorwürfe und wollte sie und die Übeltäter vor den Augen der Eltern verbrennen lassen.

Sie fanden also keinen besseren Ausweg, als einen von den dreien zu der Oberin zu legen und die beiden anderen ins Bett der zwei Dienerinnen. Und am nächsten Morgen fanden sich auch diese drei in demselben Zustand wie die anderen.

Die jungen Leute sagten nun, sie wollten das Kloster verlassen, aber alle baten sie, noch zu verweilen und so blieben sie noch drei Monate, um im Augenblick, wo die Mädchen niederkommen sollten, zu gehen und zu sagen: »Der ganze Schatz gehört Euch.«

In dem Augenblick kam die Alte und die Nonnen sagten zu ihr:

»Eure Damen wollen fort. Sie sagen, diese Art Leben wollten sie nicht fortsetzen.«

Darauf die Alte:

»Das beste wäre, Ihr ginget mit Ihnen.«

Sie sahen nun nach ihrem Schatz, fanden aber nichts als Blumen, trocknes Gras, Steine und Strohhalme.

Sie konnten sich nicht erklären, was das zu bedeuten hätte, und sie einigten sich dahin, ihren Eltern die Nachricht zu senden, daß die drei fremden Fräulein allen Frauen, ohne deren Wissen, einen Trank verabreicht hätten, durch den sie jetzt noch schliefen. Inzwischen hätten sie die Koffer erbrochen und wären mit der ganzen Beute entflohen. Die Eltern kamen auf diese Schreckensbotschaft hin und wollten ihre Töchter sehen.

»Nein«, sagte die Oberin, »es ist viel besser, sie schlafen zu lassen.«

Die Oberin mußte viele Vorwürfe über sich ergehen lassen, bevor die Eltern wieder fortzogen. Ungefähr acht Tage später überraschten die Oberin und zwei der jungen Nonnen eine der Dienerinnen, die mit einem Diener im Bett lag, und sie erhoben ein großes Geschrei, aber die Magd sagte:

»Kann ich nicht auch einmal mit einem Knecht schlafen, nachdem Ihr lange Zeit dasselbe getan habt?«

Diese Unterhaltung deckte alles auf.

Die Diener und Leute des Klosters wurden ergriffen, und als sich der ganze Skandal verbreitet hatte, drang die Menge mit Gewalt ein. Sie fand die Frauen mit ihren gesegneten Leibern und steinigte sie, unterstützt von den Eltern. Einige verbrannten sofort die Oberin, begruben lebendig die Mägde und rösteten den Knecht. Dann suchten sie die zwölf armen Nonnen auf, die zuvor da gelebt hatten und gaben ihnen das Kloster zurück; diese wählten sich eine Äbtissin und lebten lange in Heiligkeit.

Die drei jungen Leute trafen auf dem Heimwege Rasis wieder in der Gestalt des jungen Mannes, als der er zum erstenmal zu ihnen gekommen war, und sie fragten ihn, warum er sie nicht besucht hätte.

»Ich war krank,« antwortete er, »und was habt Ihr dort gemacht?« Sie erzählten ihm alles, was vorgefallen war.

»Jetzt gebt mir meine Dukaten wieder«, sagte Rasis.

»Im Gegenteil, du mußt jetzt das Tausend vollmachen.«

Im Streite warf er den andern vor, sie hätten ihm nichts genützt und die andern ihm, er hätte ihnen nicht geholfen.

Und da sie auf der Brücke eines breiten Flusses standen und sich gegenseitig schlugen, ergriff sie Rasis und warf sie in den Fluß, wo sie ertranken.

So endete jeder seinen Taten gemäß.«

Boccaccio erzählt

Der Alte hatte mit einer kurzen Bewegung der Hand das Ende seiner Geschichte angedeutet, fuhr aber gleich folgendermaßen fort:

»Nun habt Ihr aus dem Geschichtchen gewiß entnommen, daß Ihr mich zu Unrecht, wie mich dünkt, an diese erste Stelle gesetzt und als Euren Ahnherrn im Geschichtenerzählen hierhergebracht habt. Denn solche Ehre, wenn Ihr so weltlichem Zeitvertreib schon dieses auszeichnende Wort geben wollt, kommt viel mehr und allein dem Meister Giovanni zu, wie Ihr alle wißt. Laßt ihn also zu Rechten beginnen.«

Und er legte hier seinen Arm zärtlich um die Schulter seines Nachbarn, der sich dessen nicht wehrte, aber mit der Hand die lauten jubelnden Zurufe abwehrte, die ihm aus der Runde erschollen. Doch alsbald wurde es still, da Messer Boccaccio durch ein Zeichen merken ließ, daß er reden wolle.

»Habt Ihr auch, Meister Francesco, das Treiben dieser Welt mit einem etwas bösen Auge angesehn, so habt Ihr es doch als Erster recht gesehen und gar artig aufgeschrieben. Wie Ihr begännet, so tat ich nur weiter, und hätte es nicht vermocht, jung wie ich war und lebhaften Sinnes von Vater und Mutter her, das Auge von der bunten Welt zu wenden, die sich wie eben geboren vor uns zu entfalten anhub. Wir, Ihr, Meister, und ich und auch der Messere Sacchetti, standen ja erst an der Torschwelle des blumigen Gartens, taten wohl einen Schritt hinein, verlockt vom Zauber der Blüte und des Vogelsangs. Aber wir trugen im Herzen wohl noch das starke Erinnern woher wir kamen. Wir ließen uns in dem neuartigen Garten nicht nieder, verweilten wohl, doch blieben nicht. Unser Alter schlürfte gebückt wieder zurück. Aber man hatte, daß wir da gewesen waren, nicht vergessen, ja, mehr dessen gedacht, als uns vielleicht lieb sein mochte um unseres ewigen Lebens willen. Ich habe mich einmal gegen den Spottnamen, den man mir gab, Giovanni von der Leichtlebigkeit nannte man mich, gewehrt, da ich nicht müßig ging und das Leben eines armen und zufriedenen Studenten führte. Aber recht bedacht traf der Name mich schon richtig, denn Alles in Allem liebte ich das gute Leben, die Bücher und die Lust eines befriedigten Appetites. Das hatte ich von der Mutter her im Blute, die ein Pariser Mädchen heiteren Sinnes war. Wenn auch meine Leidenschaft vor allem Andern den Büchern und dem Wissen galt, so war doch nicht Ziel meines Fleißes und Art meines Tuns darauf gerichtet, als ein Verfasser gelehrter Werke zu glänzen. Ich war auch nicht auf die hohe Schule in Bologna gegangen, sondern mein Vater, ein florentinischer Kaufmann, schickte mich als jungen Menschen in Handelsgeschäften nach Neapel, wo ich eine gute Zeit lebte und Zutritt zum Hofe der Königin Johanna fand, allwo es etwas ausgelassen zuging, wie Ihr wißt. Es geschah dann wieder auf den Wunsch meines Vaters, daß ich die Rechtswissenschaft studierte, aber ich habe darin keinerlei Tätigkeit entfaltet. Alles zu wissen, was man wissen konnte, das war es, was mich immer und so durchaus im Herzen beschäftigte, daß ich blos darin mein Talent übte. Die urteilende Nachwelt verfuhr nicht gnädig mit dem, was mein Denken zu Tage förderte, und gab mir darin mehr Weite als Tiefe, mehr Vielseitigkeit als Einsicht, und ich will solches Urteil als ein gerechtes hinnehmen in Ansehung jener, die es fällten. Und es haben dafür diese selben Richter den ungelehrten Teil meines vielfachen Werkes in das Licht so hohen Lobes gestellt, daß ich geblendet den Tadel kaum merke. Nannten sie doch das Decamerone die menschliche Commedia und brachten mich mit solcher Auszeichnung in eine Nähe zum über alles verehrten Meister der göttlichen Commedia, die mich stolz machen könnte, wüßte ich nicht, daß man solches nur im antithetischen Spiele tat. Denn ich muß gestehen, ich ließ meiner sinnlichen Freude am irdischen Leben alle Zügel schießen so sehr, daß ich jede wirkliche oder mögliche Beziehung dieses Lebens im Fleische zu einer geistlichen Ordnung vergaß oder nicht merken wollte. In der Übung meines Talentes, auf das allein ich bedacht war, ging ich so weit, daß ich was immer die Kirche in den Bann getan und als einen Unwert abgesetzt hatte wieder zurückrief und auf den Thron setzte. Hatte doch dem Talente selber die Kirche das Stigma der Sünde aufgedrückt und unser großer Herr und Meister Dante alle jene verdammt, welche die Vernunft unter das Talent stellen und dadurch das kostbare Gut ihres Intellektes verlieren, wie Ihr aus dem dritten Canto des Inferno wisset. Aber es war ein Rausch über das Zeitalter gekommen, dem man sich um so mehr hingab, je lebendiger man sich fühlte.

Ihr, die Ihr Euch mit Euren Geschichten auf mich beruft, dürft mir damit nicht eine bewußte Rolle und eine erkannte Absicht zuweisen, als wäre ich darauf ausgewesen, die ritterlichen und kirchlichen Ideale zu bekämpfen oder gar lächerlich zu machen. Aber es fanden diese hohen Ideale zu meiner Zeit keine Nahrung mehr, und zumal jene, an die ich dachte, wenn ich schrieb, alle diese kleinen Bürger und Handwerker meiner Stadt waren ganz von diesen Idealen abgekommen. Und bei denen, die behaupteten, daß sie nach ihnen lebten, war viel Heuchelei und Lüge. Dem Blute und der Neigung nach gehörte ich zum Volke, und nichts weiter war ich als dessen Mundstück. Es dünkte mich, als würde man die Welt wie sie wirklich war um uns, vergessen, wenn man sich nur dem Göttlichen hingegeben hätte oder, wie mein großer Freund Petrarca es tat, dem Mikrokosmus der Seele. Das Volk, das ich zumal kannte und dem ich zugehörte, hatte lebhaftere Neigungen zu der Welt, in der es lebte, als zu der Welt jenseits des Grabes und zu der innern Welt des Gefühles. Das Volk, die Welt, wie ich sie fand, war sinnlich, niedrig, lächerlich und gemein; aber auch zärtlich, leidenschaftlich und grausam. Davon zu erzählen war mir der Mund gegeben, und ich konnte es nicht in den erhabenen Allegorien tun, nicht in den Terzinen Dantes, nicht in den Canzonen Petrarcas. Es mußte mir also wohl die Größe wie die Tiefe fehlen, daß ich mich bereit fand, Geschichten für mein Volk zu erzählen, die Handwerker. Und nichts Anderm möchte ich auch mit meiner großen Liebe zu meinem Gewerbe des Schreibens verglichen werden als einem Handwerker, der sein bestes tun will. Das was ich unternahm zu schönem Gelingen zu bringen schien mir, wie dem Schuster der Stiefel, wichtig und verdienstvoll genug als daß ich mein Tun noch mit weiser Lehre begleitete. Daß ein Himmel mit Sternen über uns ist, die am Finger Gottes laufen, habe ich darüber nicht vergessen. Aber das zu künden war mir nicht gegeben.

Laßt dieses nun Bericht von mir genug sein, Ihr Lieben, und vernehmt meine Geschichte.

Ich will Euch einen Streich erzählen, der von einer schönen Frau einem braven Mönch gespielt ward, und jedem Laien um so mehr gefallen muß, je mehr jene größtenteils törichten und auf eine so wunderliche Art gesitteten und gewitzten Leute glauben, in allen Dingen viel mehr zu verstehen und zu wissen, als jeder andere, da sie es doch um wer weiß wie viel geringer sind, weil sie ihres niedrigen Gemütes wegen nicht Witz und Verstand genug besitzen, um wie andere Leute sich den Lebensunterhalt selbst zu erwerben, sondern wie das Schwein überall hinlaufen, wo es etwas zu fressen gibt. Diesen Streich will ich Euch erzählen, nicht allein um die aufgegebene Ordnung zu befolgen, sondern auch, um Euch zu zeigen, wie die Pfaffen, denen wir, die wir so leichtgläubig sind, in so hohem Grade vertrauen, hintergangen werden können, und auch zuweilen nicht nur von Männern, sondern von einer Frau auf eine schlaue Weise wirklich hintergangen werden.

In unserer Stadt Florenz, voller von Betrug, als von Lieb' und Treue, war eine Edelfrau, geziert mit Schönheit, und von der Natur mit feinen Sitten, hohem Geist und feinem Verstand, wie nur irgend eine andere, ausgestattet. Diese Dame also, welche sich von vornehmer Abkunft wußte und sich an einen Wollarbeiter verheiratet sah, konnte, da er nur ein Handwerker war, den Unwillen ihres Herzens darüber nicht ablegen, weil sie glaubte, daß kein Mann gemeineren Standes, wenn auch noch so reich, einer adligen Frau wert wäre. Da sie auch überdies noch sah, daß er mit allen seinen Reichtümern nicht weiter gekommen war, als über die Mischung der Wolle zu sprechen, oder ein Gewirk anzubäumen, oder mit einer Spinnerin über das Gespinst zu zanken, so nahm sie sich vor, seine Umarmungen auf keine andere Weise anzunehmen, als insofern sie ihm dieselben nicht versagen könnte, aber sich nach ihrem eigenen Geschmacke einen zu suchen, der ihr alles dessen würdiger wäre, als es der Wollweber ihr zu sein schien; und so verliebte sie sich in einen Edelmann von mittlerem Alter in einem solchen Grade, daß, wenn sie ihn an einem Tage nicht sah, sie die folgende Nacht nicht ohne Verdruß schlafen konnte.

Der Edelmann aber, der hiervon nichts merkte, kümmerte sich um nichts, und sie, die sehr vorsichtig war, wagte auch nicht, es weder durch eine weibliche Gesandtschaft, noch durch einen Brief ihn wissen zu lassen, da sie die daraus erfolgenden möglichen Gefahren fürchtete. Dagegen bemerkte sie, daß er viel mit einem Pfaffen umging, der, ob er gleich ein ungeschlachter und plumper Mensch war, dennoch aber, da er ein sehr heiliges Leben führte, fast bei allen den Ruf eines ganz vorzüglichen Bruders hatte; sie meinte daher, dieser würde die beste Mittelsperson zwischen ihr und ihrem Geliebten sein können. Nachdem sie bei sich die Art und Weise überdacht hatte, wie sie sich zu benehmen hätte, ging sie zu einer schicklichen Zeit nach der Kirche, wo er war, ließ ihn zu sich rufen und sagte, sie wolle, wenn es ihm gefiele, bei ihm beichten.

Der Frater, der, als er sie gesehen hatte, sie für eine Edelfrau hielt, hörte sie gern an, und sie sagte nach beendigter Beichte alsdann zu ihm:

›Mein Vater, ich muß zu euch meine Zuflucht nehmen, um von euch Hilfe und Rat über das zu erhalten, was ihr jetzt hören werdet. Ich weiß, daß ihr nach dem, was ich euch gesagt habe, meine Eltern und meinen Mann kennt, der mich mehr als sein Leben liebt, so daß ich keinen Wunsch hege, den er als ein so reicher Mann, der es auch allenfalls wohl tun kann, mir nicht sogleich erfüllte; deshalb liebe ich ihn auch wieder mehr als mich selbst; aber eben darum behüte mich auch der Himmel, daß ich das mindeste täte oder auch nur dächte, was gegen seine Ehre oder sein Vermögen wäre, denn alsdann wäre keine Missetäterin jemals des Feuers würdiger als ich. Indessen aber einer, dessen Namen ich in der Tat nicht einmal weiß, der mir jedoch ein Edelmann zu sein scheint und wenn ich nicht irre, viel mit euch umgeht, dabei auch ein schöner, wohlgewachsener Mann ist und in sehr anständiger brauner Kleidung geht, der vielleicht nicht weiß, welche Gesinnungen ich habe, dieser eine scheint mich förmlich zu belagern, denn ich kann mich nicht an der Türe oder am Fenster sehen lassen, ohne daß er mir nicht sogleich vor Augen tritt; und ich wundere mich, daß er jetzt nicht hier ist. Das tut mir sehr weh, denn dergleichen zieht ehrlichen Frauen ohne ihre Schuld oftmals üblen Ruf zu. Ich hatte mir einmal vorgenommen, ihm dies durch meine Brüder sagen zu lassen, aber dann habe ich wieder bedacht, die Männer führen dergleichen Gesandtschaften zuweilen auf solche Art aus, daß die Antworten schlecht ausfallen, wodurch es dann zu Worten und von Worten zu Tätlichkeiten kommt; damit also nichts Böses und kein Ärgernis daraus entstehen möge, habe ich geschwiegen und beschlossen, es lieber euch als einem andern zu sagen, teils, weil es mir so vorkommt, als wäret ihr sein Freund, teils auch, weil es sich besser für euch schickt, nicht bloß Freunde, sondern auch Fremde zu strafen. Daher ersuche ich euch um Gottes Willen, stellt ihn darüber zur Rede und bittet ihn, daß er davon abstehe. Es gibt andre Weiber genug, die zu dergleichen Dingen ganz bereit sind, sich gern von ihm werden begucken und beliebäugeln lassen, da es mir, als einer Frau, die für so etwas gar keinen Sinn hat, sehr zuwider ist.‹

Nachdem sie so gesprochen, senkte sie den Kopf, so, als wenn sie weinen wollte. Der heilige Mann merkte sogleich, daß sie den wirklich meinte, von dem sie sprach; und da er sie sehr über diese ihre gute Gesinnung gelobt hatte, indem er fest davon überzeugt war, daß das, was sie sagte, vollkommen wahr wäre, so versprach er ihr, alles nur Mögliche zu tun, daß sie nicht mehr von diesem Menschen belästigt werden sollte. Da er ferner wußte, daß sie reich wäre, empfahl er ihr Werk der christlichen Liebe und Wohltätigkeit und legte ihr seine eigenen Wünsche ans Herz.

Die Dame gab ihm hierauf zur Antwort: ›Ich bitte euch um Gottes Willen, sagt ihm, wenn er es etwa leugnen wollte, nur ganz dreist, daß ich selbst es euch gesagt und mich sehr gegen euch über ihn beklagt hätte.‹ Und wie sie nun so gebeichtet hatte und ihr die Buße aufgelegt war, erinnerte sie sich der Lobeserhebungen, die ihr der Frater über die Mildtätigkeit gegen Arme gemacht hatte und füllte ihm daher heimlich die Hand mit einigen Goldstücken, wofür sie ihn bat, eine Messe für die Seelen ihrer Verstorbenen zu lesen; dann stand sie von seinen Füßen auf und kehrte nach Hause zurück.

Nicht lange darauf kam, wie er es gewohnt war, der Edelmann zu dem frommen Bruder. Nachdem sie eins über das andere zusammen gesprochen hatten, zog der heilige Mann ihn beiseite und verwies ihm auf freundschaftliche Art sein Betragen und sein Liebäugeln mit dieser Dame, wie er es nach dem, was sie ihm darüber zu verstehen gegeben hatte, für wirklich glaubte.

Der Edelmann verwunderte sich sehr, da er sie nimmermehr angesehen hatte und äußerst selten vor ihrem Hause vorbeizugehen pflegte; er wollte sich daher entschuldigen, aber der Bruder ließ ihn nicht ausreden, sondern sagte zu ihm: ›Tue nur nicht, als wenn du dich wundertest, und verliere weiter kein Wort, es zu leugnen, weil du es doch nicht leugnen kannst. Ich habe alles dieses nicht etwa nur von Nachbarinnen gehört, nein, sie selbst, die sich sehr über dich beklagt, hat es mir gesagt. Und wenn auch schon alle dergleichen Narrenpossen sich gar nicht für dich schicken, so sage ich dir noch ihrerseits: habe ich je eine Frau getroffen, die solche läppische Dinge haßt, so ist es diese; daher bitte ich dich sowohl um deiner eignen Ehre willen, als auch zu ihrer Beruhigung, bleib damit zu Hause und laß sie in Ruhe.‹

Der Edelmann, welcher witziger war als der heilige Bruder, verstand unverzüglich die Verschlagenheit der Dame; er tat daher, als schäme er sich ein wenig, und sagte, er wollte sich ins Künftige nicht mehr darauf einlassen. Hierauf ging er sogleich von dem Frater fort und hin nach dem Hause der Dame, welche beständig an einem kleinen Fensterchen stand und aufpaßte, um zu sehen, ob er wohl vorbeiginge. Da sie ihn kommen sah, zeigte sie sich ihm so vergnügt und so freundlich, daß er vollkommen merken konnte, er habe die Worte des Fraters verstanden. Und von diesem Tage ging er ununterbrochen mit vieler Vorsicht zu seiner Freude und zum größten Vergnügen und Trost der Dame, indem er tat, als ob andere Geschäfte der Grund waren, durch diese Straße.

Indessen, da die Dame nach weniger Zeit schon merkte, daß sie ihm ebenso gefiele, als er ihr, und sie begierig war, ihn noch mehr anzufeuern und ihn über die Liebe, die sie für ihn hegte, immer mehr zu vergewissern, wählte sie Zeit und Gelegenheit, um zu dem heiligen Bruder wieder zurückzukehren, setzte sich dann in der Kirche ihm zu Füßen nieder und fing wieder an zu weinen.

Sobald der Frater dies sah, fragte er sie teilnehmend, was sie denn wieder Neues hätte.

Die Dame antwortete: ›Was ich Neues habe, betrifft nichts anderes, als euren von Gott verdammten Freund, über den ich mich neulich einmal so bitter bei euch beklagte, weil ich nicht anders glauben kann, als daß er zu meiner größten Plage geboren ist und mich zu etwas bringen will, worüber ich zeitlebens unzufrieden sein und es nie mehr wagen würde, mich euch zu Füßen zu setzen.‹

›Wie,‹ sagte der Frater, ›hat er es noch immer nicht unterlassen, dir Verdruß zu machen?‹

›Ach nein,‹ sagte die Dame; ›im Gegenteil, seitdem ich mich über ihn bei euch beschwert habe, geht er, glaube ich, aus Trotz, weil er es vielleicht übel aufgenommen hat, daß ich Klage geführt, für jedes einmal, das er sonst vorbeiging, wohl siebenmal vorbei. Und wollte Gott, das Vorbeigehen und mich ansehen wäre ihm genug gewesen, aber er ist so dreist und unverschämt geworden, daß er sogar gestern eine Frau mit Nachrichten und Faseleien von sich mir zuschickte, und mir, als wenn ich nicht Beutel und Gürtel genug hätte, einen Beutel und Gürtel schickte. Das nahm ich und nehme ich auch jetzt noch so übel, daß ich glaube, hätte ich nicht an die Sünde und an eure Güte gedacht, ich hätte ihn allen Teufeln empfohlen. Allein ich habe mich gemäßigt und habe nichts eher tun und sagen wollen, ehe ich es euch nicht zu wissen getan hätte. Ich gab zwar den Gürtel und den Beutel der Frau, die beides gebracht hatte, zurück, um es ihm wieder mitzunehmen, und gab ihr noch einen schönen Abschied obenein; indessen, da ich fürchtete, daß sie es für sich behalten und zu ihm sagen möchte, ich hätte es angenommen, wie ich glaube, daß sie es wohl zu machen pflegen, rief ich sie wiederum, nahm ihr beides zornig aus der Hand und bringe es euch, damit ihr es ihm wiedergeben und sagen möchtet, ich bedürfe seiner Sachen nicht, denn ich hätte, Gott sei Dank, von meinem Manne so viel Beutel und Gürtel, daß ich ihn darunter ersticken könnte. Und nun muß ich mich vor euch entschuldigen, denn ihr seid mir wie ein Vater, daß, wenn er damit nicht zu Hause bleibt, ich es meinem Manne und meinen Brüdern sagen werde, und mag auch daraus herkommen, was da wolle, so will ich doch lieber, daß er einen tüchtigen Wischer darüber erhält, und den muß er auch darüber erhalten, als daß ich durch ihn ins Gerede komme. Damit gut, ehrwürdiger Herr.‹

Nachdem sie diese Worte gesprochen, zog sie, heftig weinend, unter ihrem Überkleide einen schönen und reichen Beutel mit einem niedlichen und kostbaren Gürtel hervor und warf sie dem Frater auf den Schoß, der das, was die Frau gesagt hatte, vollkommen glaubte. Über alle Maßen zornig, nahm er die Sachen und sagte:

›Liebe Tochter, wenn du dich über diese Dinge ärgerst, so wundere ich mich nicht darüber, auch kann ich dir deshalb keinen Vorwurf machen; vielmehr lobe ich dich, daß du hierin meinem Rate gefolgt bist. Ich habe ihn erst ehegestern vorgehabt, aber er hat schlecht gehalten, was er mir versprach; ich werde ihm dafür und auch für das, was er neuerdings wieder getan hat, ein bißchen den Kopf waschen, damit er dir kein Ärgernis mehr gibt. Aber du laß dich unter Gottes Beistand nicht vom Zorne hinreißen, daß du es irgend einem der Deinigen sagtest, denn daraus könnte nichts Gutes erfolgen. Sei unbesorgt, hieraus soll für dich kein Vorwurf je erwachsen, denn ich werde dir immer vor Gott und vor allen Menschen der kräftigste Zeuge deiner Unschuld sein.‹

Die Frau tat, als wenn sie sich ein wenig zufrieden gäbe, sie schwieg also hiervon, da sie aber seinen und der andern Geiz kannte, sagte sie: ›Herr, in diesen Nächten sind mir mehrere meiner Anverwandten erschienen, und es kam mir so vor, als litten sie große Qualen, und als bäten sie um nichts als um Almosen; ganz besonders aber meine Mutter, die mir so bekümmert und so unglücklich zu sein schien, daß es ein Jammer war, mit anzusehen. Ich glaube, sie war darüber so betrübt, daß sie mich von solchem Feinde Gottes gequält sah, und deshalb wünschte ich, daß ihr mir für ihre arme Seele die vierzig Messen des heiligen Gregorius läset, und für sie beten möchtet, damit sie Gott aus dieser Feuerqual herauszöge.‹ Und nachdem sie so gesprochen, drückte sie ihm einen Goldgulden in die Hand.

Der heilige Frater nahm ihn freudig an und bestärkte sie mit guten Worten und vielen Beispielen in ihrer Frömmigkeit, und nachdem er ihr seinen Segen gegeben hatte, entließ er sie.

Nachdem die Frau fort war, schickte er, da er keineswegs merkte, daß ihm eine Nase gedreht worden, zu seinem Freunde. Sobald dieser gekommen war und jenen in solchem Zorn sah, merkte er sogleich, daß er Nachrichten von der Frau hätte, und war in voller Erwartung, was der Frater sagen würde.

Dieser wiederholte die Worte, die er ihm schon oft gesagt hatte, sprach dann von neuem sehr zornig und höchst aufgebracht zu ihm, und gab ihm über das, was die Frau ihm gesagt hatte, das er getan haben sollte, einen scharfen Verweis.

Der Edelmann, der noch nicht absehen konnte, wo der Frater hinaus wollte, leugnete ziemlich lau, daß er den Beutel mit dem Gürtel gesandt habe, damit er dem Frater nicht etwa den Glauben daran nähme, wenn vielleicht die Frau ihm denselben wirklich gegeben hätte.

Allein der Frater, der ganz warm ward, sagte: ›Wie kannst du, schlechter Mensch, das leugnen? Sieh, mit Tränen hat sie selbst die Sachen mir gegeben, erkennst du sie nicht?‹

Der Edelmann tat, als wenn er sich sehr schämte und sagte: »Ja, freilich erkenne ich sie wohl, und gestehe euch, daß ich nicht recht getan habe; aber ich schwöre es euch, da ich sehe, wie sie gesonnen ist, so sollt ihr hierüber nimmermehr ein Wort wieder hören.«

Hierauf erfolgten noch viele Worte mehr; bis endlich Bruder Schaf seinem Freunde den Beutel mit dem Gürtel gab und ihn nach vielen guten Lehren bat, er möchte doch davon abstehen; jener versprachs, und er ward entlassen.

Der Edelmann, höchst erfreut über die Gewißheit, welche er nun über die Liebe der Frau zu ihm zu haben meinte, wie über das schöne Geschenk, ging, sobald er den Frater verlassen hatte, dahin, wo er seine Dame auf eine vorsichtige Art konnte sehen lassen, daß er das eine, wie das andere erhalten habe; worüber die Frau sehr zufrieden war und besonders darüber, daß ihr Plänchen immer besser von statten ginge. Sie wartete daher auf nichts sehnlicher, als daß ihr Mann einmal irgend wohin verreisen möchte, um dem Werke die Krone aufzusetzen; und wirklich traf es sich, daß nicht lange darauf der Mann einmal nach Genua reisen mußte.

Sobald dieser am Morgen zu Pferde gestiegen und abgereist war, ging die Frau sogleich zu dem heiligen Manne, und nach vielen bittern Klagen sagte sie mit Tränen zu ihm: »Mein Vater, jetzt muß ich es euch nun sagen, ich kann es nicht mehr aushalten; aber weil ich euch neulich versprochen habe, nichts zu tun, ehe ich es euch nicht gesagt hätte, so komme ich, mich bei euch zu entschuldigen. Und damit ihr um so eher glauben mögt, daß ich Recht habe, zu weinen und mich zu beklagen, so will ich euch sagen, was euer Freund, oder vielmehr der Teufel aus der Hölle, mir diesen Morgen kurz vor Tagesanbruch getan hat. Ich weiß gar nicht, durch welchen unglücklichen Zufall er erfahren hat, daß mein Mann gestern früh nach Genua gereist ist; denn schon diesen Morgen kam er um die Stunde, wie ich euch sagte, in meinen Garten und stieg auf einem Baume bis vor das Fenster meiner Schlafkammer, die nach dem Garten hinaus liegt. Schon hatte er das Fenster geöffnet und wollte in meine Kammer hineinkommen, als ich erwachte und schnell aus dem Bette sprang. Ich wollte schreien, und ich hätte geschrien, wenn er selbst, der noch nicht hereingekommen war, mich nicht um Gottes und euretwillen gebeten hätte, indem er mir sagte, wer er wäre. Sobald ich dies hörte, schwieg ich euretwegen still und lief, so unbekleidet, wie mich Gott erschaffen hat, um ihm das Fenster vor der Nase zuzuschlagen. Hierauf glaube ich, ging er zum Teufel, denn ich sah und hörte nichts mehr von ihm. Ihr werdet nun selbst wohl einsehen, ob das anständig und auszustehen ist; ich aber bin gar nicht gesonnen, es länger noch zu ertragen, denn ich habe ihm schon, aus Liebe zu euch, zu viel nachgesehen.«

Sobald der Frater dies hörte, geriet er in den äußersten Zorn von der Welt und wußte gar nicht, was er sagen sollte, sondern fragte sie mehreremal, ob sie ihn auch gewiß erkannt hätte, daß es nicht ein anderer gewesen wäre.

Hierauf antwortete die Dame: »Gottlob, für einen andern habe ich ihn nicht verkannt. Ich sage euch, er war's, und wenn er es etwa leugnen wollte, so glaubt es ihm nur nicht.«

Da sagte der Frater: »Tochter, hierauf ist nichts anderes zu sagen, als daß das zu dreist und eine zu schlechte Handlung ist; aber du hast getan, was du tun mußtest, nämlich ihm die Wege weisen, wie du getan hast. Doch aber will ich dich bitten, weil Gott dich vor der Schande bewahrt hat, daß, wie du meinem Rate schon zweimal gefolgt bist, du es auch diesmal tun möchtest, nämlich, ohne dich bei irgend einem deiner Verwandten darüber zu beklagen, es mir zu überlassen, der ich schon zusehen will, wie ich diesem Teufel, der von allen Banden los ist und den ich für einen wahren Heiligen hielt, einen Zaum anlege; und wenn ich es dahin bringen kann, ihm diese wilde Lust zu benehmen, so ist es gut; kann ich es nicht, so gebe ich dir meinen Segen, mein Wort, daß du alsdann tun kannst, was du nach deinem Sinne fürs beste hältst.«

»Gut,« sagte die Dame, »für diesmal will ich euch nicht weiter beunruhigen und gegen euch ungehorsam sein; aber tut auch euer Möglichstes, daß er sich ins Künftige hütet, mich noch länger zu belästigen, und ich verspreche es euch, aus diesem Grunde nie wieder zu euch zu kommen.« Hierauf ging sie, ohne noch weiter ein Wort zu sagen, wie im höchsten Zorn von dem Frater fort.

Indessen war die Dame kaum aus der Kirche, als der junge Mann auch hinzu kam, von dem Frater aber schnell gerufen und beiseite genommen ward. Dieser gab ihm die schärfsten Verweise, die je einem Menschen gegeben worden sind, und nannte ihn einen Treulosen, einen Meineidigen, einen Verräter über den andern.

Jener, der nun schon zweimal erfahren hatte, wo die Verweise dieses Fraters hinaus wollten, hörte aufmerksam zu und dachte ihn durch unklares Antworten zum reden zu bringen und sprach: »Herr, wozu diese Vorwürfe? Hab' ich den Christum ans Kreuz geschlagen?«

Hierauf antwortete der Frater: »Seh' einer den Ausverschämten! Da höre man, was er sagt, spricht er doch gerade so, als wenn ein oder wohl gar zwei Jahre darüber hingegangen wären, daß er seine dummen Streiche und Unanständigkeiten in der Länge der Zeit ganz und gar vergessen hätte. Ist es denn dir von heute ganz früh bis jetzt völlig aus dem Sinn gekommen, daß du Jemanden gekränkt hast? Wo warst du heute früh kurz vor Tage?«

Der junge Mann antwortete: »Das weiß ich nicht mehr, wo ich gewesen bin; ihr müßt sehr schnelle Botschaft darüber bekommen haben.«

»Ja, das habe ich,« sagte der Frater, »ich habe Botschaft darüber bekommen, ich glaube gar, du denkst, weil der Mann nicht zu Hause war, soll die brave Frau dich sogleich in den Arm nehmen? Das Herrchen! Sieh doch! Aus dem Tugendspiegel ist ein Nachtschwärmer geworden, ein Gartenöffner, ein Bäumekletterer. Glaubst du durch Unverschämtheit die Unbescholtenheit dieser Dame zu überwinden, wenn du Nachts auf den Bäumen in ihr Fenster kletterst? Nichts in der Welt ist ihr mehr verhaßt, als gerade das, was du tust, und doch tust du es immer wieder! Wahrhaftig, ich will nicht ein Wort darüber sagen, daß sie es dir schon so oftmals gezeigt hat, aber auf meine Züchtigungen hast du dich schön gebessert. Indessen, das will ich dir doch nur sagen, sie hat bis jetzt, nicht etwa aus Liebe, die sie für dich hegt, sondern auf meine dringenden Bitten von dem geschwiegen, was du getan hast; aber länger wird sie nicht mehr schweigen, ich habe ihr die Erlaubnis zugestanden, daß, wenn du nur im geringsten ihr noch mißfällig bist, sie ganz nach ihrem Gefallen verfahren kann. Was wirst du denn tun, wenn sie es ihren Brüdern sagt?«

Der Edelmann hatte hinreichend verstanden, was er nötig hatte, und beruhigte den Frater, so gut er nur wußte und konnte, mit den größten Versprechungen. Dann ging er fort von ihm. Sobald aber der Morgen des folgenden Tages nur anbrach, ging er in den Garten, kletterte auf den Baum hinauf, und da er das Fenster offen fand, stieg er in die Kammer hinein und begab sich, so schnell er nur konnte, in die Arme seiner schönen Dame. Diese, die ihn schon mit der größten Sehnsucht erwartet hatte, empfing ihn freudig und sagte:

»Großen Dank dem Herrn Frater, der dir so schön den Weg hierher zu kommen gelehrt hat.«

Sie erfreuten sich hierauf Einer des Andern, sprachen und lachten herzlich über die Einfalt des dummen Fraters, spotteten über die Werkbutzen, über die Kämme, die Karden und ergötzten sich zusammen mit großem Vergnügen. Hierauf richteten sie es miteinander so ein, wie sie, ohne erst zu dem Herrn Frater immer wieder ihre Zuflucht nehmen zu müssen, sich auch in anderen Nächten mit eben so vielem Vergnügen zusammenfinden konnten.«

Sacchetti erzählt

»An Euch ist die Reihe,« sagte rasch Messer Boccaccio, als er geschlossen hatte und wandte sich zu Francesco Sacchetti, der zur andern Seite des Alten aus dem Val Delsa saß. »Ihr erlebtet die große Pest, da Ihr ein Kind noch wart, und Ihr sanget meine Totenklage und die einer vergangenen Zeit, Ihr erinnert Euch, Francesco:

Sonati sono i corni D'ogni parte a racolta; La stagione è rivolta: Se tornerà non so, ma credo tardi.«

»Dies waren,« begann Sacchetti zu sprechen, »bessere Verse, als sie mir sonst wohl einfielen, denn bei den meisten standen nicht die Musen zu Gevatter. Aber sagt, verehrter Freund, hättet Ihr nicht, ganz Eurem innersten Herzen folgend, lieber die Geschichte von der Griselda erzählt, der Frau, die auf ihrer Tugend wie auf einer Truhe sitzend inmitten ihrer Frauen und Dienerinnen, bescheiden und friedsam, ungelehrt aber gelehrig die Wolle spinnt und das Haus besorgt, wie es von der römischen Matrone heißt? Denn solches Ideal der Frauen trugen wir damals im Herzen und mußten doch mithelfen an jenem andern, daß da in der Zeit aufkam, weil es uns von der Schönheit und dem Reichtum verlockt gelüstete, die Frau zu schmücken und hinaus zu stellen aus dem Hause und ihr zuzulächeln wie einer Geliebten. Und sahen es gern, daß sie die Musik lernte und den Tanz und Verse drechseln und Reden halten. Und zu Ende war's damit, daß sie, ob gut oder schlecht, immer den Stock verdiene. So hantierte sie ihn bald selber auf unsern Rücken.«

Da lachte alles. Aber Sacchetti erhob sich und reckte sich und sagte mitlachend: »Weiß Gott, nicht auf meinem breiten Buckel, und ich hatte drei Frauen und Kinder von jeder. Nicht die Frauen, aber mein Schicksal packte mich mit recht groben Händen, doch ich trug es, denn Gott gab mir eine gute Laune, daß ich eher lachte als greinte und so verlor ich den Frieden nicht in mir, den mir immer Alles bedrohte. Laßt es Euch erzählen.