Klassiker der Erotik 75: Das Gymnasium der Wollust - Franz Blei - E-Book

Klassiker der Erotik 75: Das Gymnasium der Wollust E-Book

Franz Blei

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Beschreibung

Jacques und Charles treffen sich nach Jahren in Paris wieder. Einer von ihnen hat sich seinen Lebenstraum verwirklicht, er ist auf dem Land Besitzer eines Bordells - ein "Gymnasium der Wollust", wie er es nennt -, und lädt den einstigen Freund dazu ein. Was Jacques dort an sexuellen Begegnungen erlebt, führt ihn in ein Reich ungeahnter Wunscherfüllung.

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FRANZ BLEI

DAS GYMNASIUM DER WOLLUST

Eine erotische Phantasie

Inhalt

Kapitel 1

Als ich an einem schönen Sommernachmittage des Jahres 19.. behaglich durch die Alleen des Bois de Boulogne schleuderte — auf ein Liebesabenteuer erpicht, aber man weiß, daß man damit nie weniger Glück hat, als wenn man es haben will - lief mir von ungefähr ein elegant gekleideter Herr von etwa fünfunddreißig Jahren in die Arme, der mich alsbald umhalste und ausrief:

»Welch Glück, Jacques, Dich endlich wiederzusehen.« Nun erkannte ich in ihm meinen alten Schul- und Studienfreund Charles Amoureux und war nicht weniger als er über unsere Begegnung erfreut. Da wir uns gewiß viel zu erzählen hatten, verabredeten wir uns für den Abend. Wir speisten bei Larue, und ich brauche nicht zu sagen, daß alles, von den Vorspeisen bis zum Dessert, ausgezeichnet war. Während des ganzen Essens fragte er mich nach meinen Erlebnissen aus, und da ich mich mancher Erlebnisse rühmen kann, saßen wir schon beim Mocca, und ich hatte noch nichts von Charles gehört. So schlug ich ihm denn vor, mit mir in meine Wohnung zu kommen und mir bei einem Whisky-Soda nun aus seinem Leben zu berichten. Er war es einverstanden.

Wir entzündeten die Zigaretten. »Fang an«, rief ich ihm zu.

»Ich bin«, sagte er, »ein glücklicher Mensch, denn ich habe das im Leben erreicht, was ich mir sehnlichst erwünschte.«

»Wolltest Du nicht«, fragte ich, »ein berühmter Schriftsteller werden? Aber verzeihe mir…«

»Du kennst«, fiel er ein, »kein Werk meiner Feder. Dies ist ganz verzeihlich, in der Tat, denn der Wunsch zum Schriftstellern war gering gegen einen anderen, nämlich«, hier machte er eine kleine Pause, »ein Freudenhaus zu besitzen.«

»Wie denn?« entfuhr es mir, »Du wärest Besitzer eines Freudenhauses, eines Bordells?«

»In der Tat, so ist es. Du erschrickst, bereust es, den Abend mit mir verlebt zu haben und überlegst, wie du mir am besten die Tür weisen kannst. Und Du hättest mit Deiner sozialen Entrüstung vollkommen

Recht, wenn es sich bei meiner Anstalt wirklich um ein Bordell im üblichen Sinne handelte. Selbst das Wort >Freudenhaus< scheint mir verfehlt, obschon ich es nicht häßlich finden kann. Mein Haus aber würde am besten mit >Hochschule, Gymnasium der Wollust< bezeichnet. Dein Gesicht bleibt ablehnend. Guter Jacques, Du weißt, wieviel mir an Deiner Freundschaft gelegen ist. Darum bitte ich Dich, als mein Gast das Gymnasium zu besuchen. Warte«, er sah auf die Uhr, »es fehlen zwanzig Minuten an Mitternacht. Wenn wir uns beeilen, erreichen wir den Zug nach M…, in dessen Nähe mein Haus gelegen ist. Bist du dabei?«

Ich war in der Tat auf das Höchste verwirrt. »Ich müßte packen«, warf ich ein.

»Unsinn«, ereiferte sich Charles. »Ich hätte es nicht gewagt, Dich in ein Unternehmen meiner Art einzuladen, wenn es nicht einmal in der Lage wäre, Dich mit Kleidung, Leibwäsche und den kleinen Dingen zu versehen, die Du während Deines Aufenthaltes bei uns benötigst, dessen Dauer von Deiner Leistungsfähigkeit abhängen wird. Brechen wir also auf?«

Ich zögerte nicht mehr lange, denn, wie immer das Abenteuer auslaufen mochte, es hatte für einen jungen Mann meines Alters gewisse unwiderstehliche Reize. Wir fuhren zum Bahnhof. Charles löste die Billette und hatte das Glück, noch ein Schlafwagenabteil zu ergattern. Ich wollte mich alsbald niederlegen, aber Charles widersprach. »Je müder Du bei mir morgen eintriffst«, sagte er, »desto reizender werden Dir die ersten Stunden erscheinen. Laß uns noch plaudern.« Dabei entkorkte er eine Flasche Likör, die er am Buffet gekauft hatte.

»Ich bin sehr viel gereist«, sagte er, »und habe die Bordelle fast aller Städte kennengelernt, weil ich finde, daß im Freudenhaus der Charakter eines Landes sich am Besten spiegelt. Du erläßt mir die Details, warum. Es ist zu spät, um einen Vortrag über Psychologie zu halten. Immerhin. Was ich an Psychologie in jenen Häusern suchte, fand ich, nicht aber, was ich an Genuß suchte. Die Besten waren immer noch ganz viehisch. So reifte damals in mir der Wunsch, ein wirklich hervorragendes Haus zu gründen, und durch Zufall machte ich vor zwei Jahren die Bekanntschaft einer älteren, sehr vermögenden Dame, die den Wunsch spürte, die vielen wollüstigen Erfahrungen ihres lebendigen Lebens die Welt zu lehren. So gewann ich sie meinem Plane. Es hat unsägliche Mühe gekostet, unser Haus zu dem zu machen, was es jetzt ist, immer noch verbessern wir und sind dankbar für jeden Ratschlag, der uns gegeben wird. Die Schwierigkeit begann mit der Beschaffung des Materials. Denn wir wollten keine Hetären aus Beruf, sondern solche aus Berufung haben, die zugleich schön, geistvoll, gelehrig und von äußerster Leidenschaftlichkeit waren. Beobachtetest Du Männer im Bordell? Himmel, welcher Abgrund, und man war versucht, den Dirnen die Tugendrose zu reichen. Diese Männer galt und gilt es, der Weihe unseres Hauses zu entziehen. (Wahrhaftig, die Mädchen sind gelehriger.) So erwuchs denn aus dem Hause, das ursprünglich — ich gestehe es ein — nur der Lust dienen sollte, eine Schule der Lust. Denn nur wenige verstanden sich auf sie ohne Lehrmeister. Ich vermesse mich zu sagen, daß ein Mann, der eine unserer Hetären zur Frau nimmt, in ihr eine Frau haben wird, die von ihrem Mann niemals betrogen werden wird.«

Nun lachte ich wirklich, dies schien mir eine zu unverschämte Übertreibung zu sein.

»Du wirst Dich selbst überzeugen«, sagte mir Charles. »Denn warum, ich bitte Dich, betrügen die Männer ihre Frauen? Vermutlich nicht, weil sie sie zu amüsant finden. Und sie sind es auch nicht. Nicht einmal die, die klug und sinnlich zugleich sind und das Geheimnis gefunden zu haben meinen, ihrem Mann Freundin und Geliebte zu sein, wie man es denn so geistreich fordert. Was verstehen diese Damen denn unter Geliebte? Daß sie ihrer Sinnlichkeit die Zügel schließen lassen, im Bett wenigstens die Erziehung ihrer vorzüglichen Kinderstube vergessen und — wie Balzac meint — noch nicht alles damit gesagt haben, daß sie ihre Kleider auszogen. Aber sonst? Immer derselbe Seufzer, dasselbe Schmachten, dasselbe Tempo, dieselben Worte. Ein Grammophon macht es oft nicht korrekter. Und zum Beschluß wundern die armen Tiere sich, daß ihr Mann sich nicht immer wieder an ihrem, ach, so gleichmäßigen Feuer entzündet. Zeige mir eine, die den Verstand ihrer Sinnlichkeit hat, die immer neu zu verführen weiß, immer neue Variationen erfindet. (Nicht Variationen der Stellungen, deren es bestenfalls ein Dutzend gibt; die übrigen begeistern höchstens einen Akrobaten.) Variationen der Verlockung meine ich. Die eines Tages spröde wie Lukretia, eines anderen Tages sich plötzlich aufs Sofa wirft und schreit: >F… mich< - verzeih das kräftige Wort. Die sich züchtig lieben läßt eines Nachts, wie das kleinste Pensionsmädchen lüstern, die zweite wie eine neugierige Pfarrerstochter zügellos, die dritte wie Messalina tierisch-träge, die vierte wie eine Orientalin, und die fünfte Nacht gesund-robust wie eine Kuhmagd. Und das alles nicht Schauspielerei, die der Mann durchschaut hat, ehe sein Glied sich noch steifte, sondern aus dem Innersten heraus: Gefühl, und im sicheren Instinkt für die Stimmung des Mannes. Meine Mädchen können das.«

»Und die Männer, die Dein Gymnasium absolvieren?«

»Wissen, wenn sie nur einigermaßen gelehrig sind, was sie verlangen können. Sind imstande, aus einer Frau das herauszuholen, was irgend in ihr steckt. Können jede Jungfrau verführen, ohne ihr damit die Liebe für alle Zeit zu vergällen. Aber im ganzen sind sie unbegabt. Was willst Du? Es ist nicht ihr Beruf. Während die Frauen …«

Er blickte nachdenklich vor sich hin. »Um nun von etwas anderem zu sprechen», fuhr er dann fort: »Erzähle mir doch, wie Du zum ersten Mal verführt worden bist.«

»Einfach und alltäglich genug«, antwortete ich. »Von meiner Mutter Kammermädchen.«

»Einzelheiten«, befahl er. »Du weißt, daß nach der vorzüglichen Theorie eines deutschen Arztes — wie alle schlechten Praktiker sind die Deutschen vorzügliche Theoretiker — jeder Mensch an sein erstes erotisches Abenteuer fixiert ist, wie er es nennt, und einzig das Bestreben hat, es immer zu wiederholen. Nun wohl! Dadurch, daß ich meinen Kunden diese Wiederholung verschaffe, bin ich erst in der Lage, sie weiter zu entwickeln, indem ich dann Schritt für Schritt weiter vorgehe. Darum erbitte ich auch Deinen detaillierten Bericht.«

»Wenn Du ihn also durchaus willst«, sagte ich, »gut, obschon er ganz witzlos ist. Ich war etwa 14 Jahre alt und hatte eine leichte Grippe. Ich lag im Bett, und meine Mutter pflegte mich. Eines Abends — ich war nahezu wieder hergestellt — verließ meine Mutter das Haus, um Freunde zu besuchen, trug aber ihrer Jungfer auf, gegen die neunte Stunde meinen Brustumschlag zu erneuern.

Sie kam auch, wie es ihr befohlen war. Während sie mich in Flanell wickelte, schob sie die Bettdecke so weit zurück, daß sie mich völlig bloßlegte und fragte mich mit einem Male: <O Jacques, was haben Sie da unten für ein entzückendes kleines Spielzeug?> — Ich war sehr verlegen und sagte, das sei doch zum Pipimachen da. Sie lachte und sagte: >Ja, gewiß in zweiter Linie zum Pipimachen, aber in erster Linie doch zum Spielen.< Dabei faßte sie das Spielzeug an, spielte, und ich hatte die Sensationen, die solches Spiel seit Erschaffung der Menschheit mit sich bringt, erschrak sehr, als die Apotheose eintrat und fühlte von Stund an für Marie eine gewisse Zärtlichkeit. Ich war sehr unschuldig damals.«

Charles dankte für meinen Bericht, goß mir einen neuen Likör ein und begann mit mir über Literatur zu reden. Dies ist mein Steckenpferd, und so brachte er mich über ein paar Stunden fort. Dann aber begann der Morgen kalt zu grauen, und nun verlangte ich energisch, zu ruhen. »Gut««, sagte mein Gefährte, »Dir bleiben zwei Stunden, nutze sie!«