Frausein zur Ehre Gottes - Hanna-Maria Schmalenbach - E-Book

Frausein zur Ehre Gottes E-Book

Hanna-Maria Schmalenbach

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Beschreibung

Gott schuf den Menschen als Mann und Frau. Gab er ihnen dabei auch eine Schöpfungsordnung mit, die Mann- und Frausein definiert und die Beziehung der Geschlechter zeitlos für alle Kulturen regelt? Welche Rolle spielt die Sünde des Menschen; welche Rolle spielen kulturelle Einflüsse? Und welche Veränderungen im Geschlechterverhältnis können wir durch das Heil in Jesus Christus erwarten? Um diese und ähnliche Fragen wird bis heute gerungen, vor allem im Blick auf die Stellung der Frau und ihren Handlungsspielraum in der Gemeinde. Frausein zur Ehre Gottes – das ist der Wunsch vieler Frauen! Aber was heißt das konkret: in jeder Kultur etwas anderes? Hanna-Maria Schmalenbach zeichnet das biblische Frauenbild im Zusammenhang der Heilsgeschichte und vor dem Hintergrund der damaligen Kulturen nach. So ergeben sich überraschende Erkenntnisse und Orientierungshilfen, wie Frauen in den Kulturen unserer Zeit ihr Leben zu Gottes Ehre gestalten können.

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Hanna-Maria Schmalenbach

Frausein zur Ehre Gottes

In jeder Kultur anders?

ZU DIESEM BUCH

Gott schuf den Menschen als Mann und Frau. Gab er ihnen dabei auch eine Schöpfungsordnung mit, die Mann- und Frausein definiert und die Beziehung der Geschlechter zeitlos für alle Kulturen regelt? Welche Rolle spielt die Sünde des Menschen; welche Rolle spielen kulturelle Einflüsse? Und welche Veränderungen im Geschlechterverhältnis können wir durch das Heil in Jesus Christus erwarten?

Um diese und ähnliche Fragen wird bis heute gerungen, vor allem im Blick auf die Stellung der Frau und ihren Handlungsspielraum in der Gemeinde. Frausein zur Ehre Gottes – das ist der Wunsch vieler Frauen! Aber was heißt das konkret: in jeder Kultur etwas anderes?

Hanna-Maria Schmalenbach zeichnet das biblische Frauenbild im Zusammenhang der Heilsgeschichte und vor dem Hintergrund der damaligen Kulturen nach. So ergeben sich überraschende Erkenntnisse und Orientierungshilfen, wie Frauen in den Kulturen unserer Zeit ihr Leben zu Gottes Ehre gestalten können.

STIMMEN ZU DIESEM BUCH

Ausgezeichnet mit dem George-W.-Peters-Preis des Evangelischen Forums für Mission, Kultur und Religion

„Keine Studie zum Dienst der Frau in der Gemeinde vereint Erkenntnisse aus humanmedizinischer, interkultureller, historischer und biblischer Sicht so gut wie die von Frau Dr. Schmalenbach. Wer diese Untersuchung ernst nimmt, wird seine Stellung zum Dienst der Frau neu bedenken müssen. Niemand, der mit dieser Frage zu tun hat, sollte an dieser Darstellung vorbeigehen.“

Dr. Helmuth Egelkraut (1938–2018)

„Um es gleich vorweg zu sagen: Das Buch von Hanna Schmalenbach ist eines der klügsten Bücher über die ‚Frauenfrage‘, das ich seit langem gelesen habe – und glauben Sie mir, ich kenne viele!

Die Autorin war als Missionsärztin in Mexiko tätig. Die indigenen Frauen suchten nach einer Art Antwort auf die Frage, wie die Rollen und Aufgaben einer christlichen Frau aussehen könnten.

Gründlich und mit großer Genauigkeit betrachtet die Verfasserin die relevanten Bibelstellen, ohne den größeren Zusammenhang der Texte aus dem Blick zu verlieren. Der wissenschaftliche Charakter des Buches hemmt keineswegs den Lesefluss. Es gelingt der Autorin, die geistlichen Erkenntnisse ihrer Forschungsergebnisse auf die indigene Kultur anzuwenden und auch auf unsere westliche Kultur zu übertragen.

Wie gesagt, ein kluges Buch, das helfen kann, unsere Rolle als Frauen neu zu entdecken.“ Monika Kuschmierz in der Zeitschrift Joyce

„Die Frage nach dem Lehr- und Leitungsdienst von Frauen innerhalb der Gemeinde ist im evangelikalen Kontext nach wie vor heiß umstritten. Die Fülle der Literatur und Standpunkte zu dieser Thematik sind geradezu überwältigend. Dennoch gibt es meiner Erfahrung nach nur wenig wirklich empfehlenswerte Literatur, die sich mit dieser – für viele begabte Christinnen sehr existenziellen – Frage sachgemäß auseinandersetzt.

Mit dem Buch von Hanna Schmalenbach ist nun ein Beitrag zur Thematik erschienen, der sich durch großen Respekt vor dem biblischen Zeugnis, ein tiefes Verständnis kultureller Zusammenhänge und eine gründliche Kenntnis der bisherigen Diskussion zum Thema auszeichnet. Frau Dr. Schmalenbach beschränkt sich weder allein auf bestimmte viel zitierte Einzeltexte, noch übergeht sie diese oft als problematisch empfundenen Stellen einfach. Vielmehr kommt sie durch gründliches Studium des biblischen Gesamtbefundes zu einem theologisch verantwortbaren Urteil, das hoffentlich vielen Frauen – und Männern! – in Gemeinden und Leitungskreisen zu einer guten Orientierungshilfe wird.

Darüber hinaus ist ihre Arbeit für ein theologisches Sachbuch außergewöhnlich flüssig geschrieben und sehr angenehm zu lesen.

Für mich ist diese Buch definitiv die beste und überzeugendste Arbeit zur ‚Frauenfrage‘, die ich bisher kennen gelernt habe!“

Rezension einer Kundin

ZUR AUTORIN

Dr. med. Hanna-Maria Schmalenbach lebte mit ihrer Familie 14 Jahre als Missionsärztin und Pioniermissionarin in einem indigenen Volk in Mexiko. Danach studierte sie am deutschen Zweig der Columbia International University in Korntal Missiologie (M. A.) und promovierte an der University of South Africa (DTh, Missiology). Vier Jahre war sie als Dozentin in Korntal tätig und anschließend neun Jahre als Dozentin und Studienleiterin an der Mission Academy der Kontaktmission (Wüstenrot).

Gemeinsam mit ihrem Mann Dr. med. Karl-Heinz Schmalenbach begleitet sie ein einheimisches Missionarsteam in Mexiko und unterrichtet dort an einem Bibelinstitut das Fach Mission.

Hanna-Maria Schmalenbach engagiert sich in Leitungsgremien verschiedener Missionswerke und ist Gemeindereferentin in der Freien evangelischen Gemeinde Tübingen.

IMPRESSUM

Dieses Buch als E-Book: ISBN 978-3-86256-784-3

Dieses Buch in gedruckter Form:

ISBN 978-3-86256-168-1, Bestell-Nummer 590 168

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar

Bibelzitate, soweit nicht anders angegeben, wurden der Übersetzung von F. E. Schlachter (AT 1951, NT 2000) entnommen. Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft

Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson

Umschlagabbildung:Zolotarevs/Shutterstock.com

Satz: Neufeld Verlag

2., durchgesehene Auflage 2021

© 2021 Neufeld Verlag, Sauerbruchstraße 16, 27478 Cuxhaven

Eine erste Auflage dieses Buches erschien 2007 unter dem Titel Frausein zur Ehre Gottes im Kontext verschiedener Kulturen im Verlag der Francke-Buchhandlung, Marburg

Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

www.neufeld-verlag.de

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INHALT

Zu diesem Buch

Stimmen zu diesem Buch

Zur Autorin

Impressum

Vorwort zur zweiten Auflage

Einleitung

1. Frausein zur Ehre Gottes – Das Spannungsfeld der Diskussion

1.1 Das Spannungsfeld der biblischen Aussagen zur Frau

1.1.1 Die Einbettung der Aussagen in das Gesamtanliegen der Schrift

1.1.2 Zeitlose und situationsgebundene Aussagen

1.1.3 Die „inspirierte Doppeldeutigkeit“ der Aussagen

1.2 Das Spannungsfeld hermeneutischer Entscheidungen

1.2.1 Der gewählte Zugang zu den biblischen Aussagen

1.2.2 Die Zuordnung der biblischen Aussagen zu den Abschnitten der Heilsgeschichte

1.2.3 Die Wertung und Gewichtung einzelner biblischer Aussagen

1.2.4 Die Unterscheidung zwischen überkulturell-normativen und kulturgebunden-deskriptiven Aussagen

1.3 Das Spannungsfeld theologischer Entscheidungen

1.3.1 Die Autorität der Heiligen Schrift bei der Auslegung ihrer Anweisungen

1.3.2 Das Selbstverständnis des Auslegers im hermeneutischen Prozess

1.3.3 Die Bewertung des Beitrags von Natur- und Humanwissenschaften zu theologischen Fragestellungen

1.3.4 Die Einschätzung der Beziehung zwischen Gemeinde und Gesellschaft

1.3.5 Die Bewertung der Tradition

1.4 Grundfragen zu Geschlechtsunterschieden

1.5 Zusammenfassende Bemerkungen

2. Frausein und Kultur

2.1 Das Wesen von Kultur

2.1.1 Definition von Kultur

2.1.2 Universale kulturelle Gemeinsamkeiten

2.1.3 Die Struktur einer Kultur

2.1.4 Kulturveränderung

2.1.5 Kultur aus der Perspektive der Heiligen Schrift

2.2 Die Rolle der Frau als Kulturmerkmal

2.2.1 Das kulturelle Grundmuster der Geschlechterrollen

2.2.2 Zum Ursprung des kulturellen Grundmusters

2.2.3 Kulturbedingte Einflussfaktoren auf die Rolle der Frau

2.2.4 Zusammenfassung

3. Frausein zur Ehre Gottes im Kontext – Eine Gesamtschau der biblischen Aussagen

3.1 Der hermeneutische Zugang

3.2 Die Schöpfung – der ursprüngliche Entwurf

3.2.1 Die hermeneutische Problematik

3.2.2 Genesis 1,26–27: Der Mensch als Gottes Ebenbild in zwei Geschlechtern

3.2.3 Genesis 1,28–31: Der gemeinsame Auftrag

3.2.4 Genesis 2,7–25: Einzelheiten zum Ursprung und Wesen der Geschlechterbeziehung

3.2.5 Die Schöpfungsordnung nach Genesis 1 und 2

3.3 Der Sündenfall und seine Folgen

3.3.1 Die hermeneutische Problematik

3.3.2 Genesis 3,1–6: Der Fall

3.3.3 Genesis 3,7–24: Die Rolle von Mann und Frau nach dem Fall

3.3.4 Zusammenfassende Darstellung der biblischen Aussagen zur Frau vor dem Entstehen von menschlichen Kulturen

3.4 Die Stellung der Frau nach dem Sündenfall

3.4.1 Adam benennt seine Frau

3.4.2 Die Stellung der Frau in den frühesten Kulturen der Menschheit

3.4.3 Die Stellung der Frau bei den Erzvätern

3.4.4 Die Stellung der Frau in Ägypten

3.4.5 Die Stellung der Frau im Bundesvolk Gottes

3.4.6 Die Stellung der Frau im nachexilischen Judentum

3.5 Die Stellung der Frau bei Jesus

3.5.1 Jesus brachte den ursprünglichen Willen Gottes zum Ausdruck

3.5.2 Jesus legte den Keim für eine geheilte Geschlechterbeziehung im Reich Gottes

3.6 Die Auswirkungen der Erlösung auf die Stellung der Frau

3.6.1 Die geistliche Wirklichkeit der Glaubenden

3.6.2 Die Bedeutung der Erlösung für die Frau

3.7 Die Stellung der Frau zwischen dem „Schon jetzt“ und dem „Noch nicht“

3.7.1 Das Leben des Christen in der Spannung

3.7.2 Das Geschlechterverhältnis in der Spannung

3.7.3 Das Geschlechterverhältnis in der Missionssituation

3.8 Eine heilende Geschlechterbeziehung in der ersten Missionssituation

3.8.1 Das kulturelle Klima der römisch-hellenistischen Welt

3.8.2 Einflussfaktoren auf die Stellung der Frau im römisch-hellenistischen Reich

3.8.3 Prinzipien und Herausforderungen bei der Gestaltung der Geschlechterbeziehung in den Missionsgemeinden des Apostels Paulus

3.8.4 Praktische Anweisungen für sensible Stellen im Geschlechterverhältnis

3.9 Zusammenfassende Gedanken zum gesamtbiblischen Befund

4. Frauen in der Geschichte der Kirche

4.1 Die ersten 500 Jahre

4.2 Die Frau in der Kirche des Mittelalters

4.3 Die Frau zur Zeit der Reformation

4.4 Im Wandel von Gesellschaft und Kirche nach der Reformation

4.5 Die Stellung der Frau in der protestantischen Missionsbewegung

5. Praxis: Ein biblisches Frauenbild kontextualisieren

5.1 Die eigene Standortbestimmung

5.1.1 Die Auseinandersetzung mit der eigenen Weltsicht

5.1.2 Die gründliche Untersuchung des biblischen Befundes

5.2 Das Verständnis der Geschlechterbeziehung in der Gastkultur

5.2.1 Das universale Geschlechtermuster erwarten

5.2.2 Die Geschlechterbeziehung der Gastkultur im Einzelnen erfassen

5.3 Schritte zu einem schriftgemäßen und kulturrelevanten Frauenbild

5.3.1 Sich in die Ausgangslage der kulturellen Gegebenheiten vor Ort einfügen!

5.3.2 Für eine gründliche, umfassende und angemessene biblische Lehre sorgen!

5.3.3 Die einheimischen Geschwister ermutigen, die Praxis ihrer Geschlechterbeziehung anhand der Bibel auszuwerten und kulturentsprechend auf das Ziel hin zu verändern!

Nachwort: Ausblick zur weiteren Entwicklung der Diskussion um die Stellung der Frau in den christlichen Gemeinden der westlichen Welt

Bibliografie

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Über den Neufeld Verlag

VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE

Dieses Buch ist ursprünglich nicht für einen öffentlichen Leserkreis entstanden, sondern als missiologische Masterarbeit an der Akademie für Weltmission in Korntal, in der ich für mich selbst und meine Mitarbeiterinnen aus dem indigenen Volk der Tutunakú in Mexiko der Frage nachgehen wollte, was eigentlich Frausein zur Ehre Gottes bedeutet und welche Rolle Kultur dabei spielt.

Gibt es eine göttliche Schöpfungsordnung, in der die Frau in der Ehe und auch in der Gemeinde Jesu Christi dem Mann grundsätzlich untergeordnet ist? Oder ist eine solche Ordnung womöglich ein Kulturphänomen, das sich erst nach dem Bruch zwischen Gott und Mensch in den Völkern der Erde ausgeprägt hat und von Auslegern der Heiligen Schrift als Schöpfungsordnung missverstanden wurde? Solche und ähnliche Fragen begannen mich umzutreiben, als ich im missionsärztlichen Dienst in der Volksgruppe der Tutunakú in Mexiko miterlebte, wie erst im Rahmen der christlichen Lehre eine bewusst hierarchische Geschlechterbeziehung als „biblische Ordnung“ eingeführt wurde, die es vorher bei den Tutunakú in dieser Form nicht gegeben hatte, und wie diese dann begabte und aktive Frauen in innere Konflikte brachte zwischen ihrem kulturellen Empfinden und ihrem Wunsch, Gottes Willen zu erkennen und zu tun.

Nach meiner Rückkehr aus Mexiko wurde mir bewusst, dass eine ähnliche Problematik auch viele Christen in Deutschland beschäftigt: Die Gesellschaft hat sich die Gleichberechtigung von Mann und Frau zum Ziel gesetzt, und unter jüngeren Menschen scheint diese auch selbstverständlich im kulturellen Empfinden verankert zu sein. Während viele christliche Kirchen und Gemeinden diese Entwicklung als evangeliumsgemäß begrüßen, bedeutet sie für manche eine besondere Herausforderung. Entsprechend ihrem Verständnis der Heiligen Schrift sehen sie in dieser Entwicklung eine nicht akzeptable Abweichung von der göttlichen Schöpfungsordnung, der sie sich verweigern müssen. Sich in dieser Frage der Heiligen Schrift noch einmal offen zuzuwenden, um das eigene Verständnis des biblischen Frauenbildes erneut an den biblischen Aussagen zu überprüfen, fällt oft schwer. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob eine hierarchische Geschlechterordnung in der Tat der göttlichen Schöpfungsordnung entspricht und deshalb um jeden Preis verteidigt werden muss, oder ob sie als Ausdruck kultureller und sündiger Strukturen verändert werden kann und gar sollte, ohne dem Willen Gottes zuwider zu handeln. Die Klärung dieser Frage greift tief in das evangelische Schriftverständnis konservativer Prägung hinein und wird unter anderem deshalb so kontrovers und leidenschaftlich diskutiert.1

An dieser Stelle möchte ich all den engagierten Männern und Frauen danken, die mir in zahllosen Gesprächen den Blick für die Komplexität, Reichweite und auch Emotionalität dieser Thematik geschärft haben und mich mit ihrem großen Interesse zu dieser Arbeit ermutigt haben, obwohl mich die Schwere und Vielschichtigkeit des Themas sowie die eigene Betroffenheit manchmal fast erdrücken wollten.

Meinen Dozenten an der Akademie für Weltmission in Korntal (jetzt European School of Culture and Theology) bin ich von Herzen dankbar für das vielseitige Handwerkszeug, das sie mir während meines Studiums für diese Arbeit in die Hand gegeben haben, und für ihre engagierte Begleitung während der Verfassung dieser Arbeit durch ermutigende Gespräche, Literaturhinweise und nicht zuletzt durch ihr anschauliches Vorbild einer natürlichen, partnerschaftlichen Geschlechterbeziehung unter Geschwistern in Christus.

Mein besonderer Dank gilt meinem geliebten Mann, der mir in vielen Gesprächen bei jedem Schritt dieser Arbeit Mut machend zur Seite stand und sie so zu einem wichtigen Stück unseres gemeinsamen Weges werden ließ.

Die erste Auflage dieses Buches wurde mit großem Interesse, ja vielfach mit Begeisterung und Erleichterung aufgenommen und hat vor allem Frauen Mut gemacht, ihre Gaben mit neuer Zuversicht und Gewissheit im Dienst für Gott einzusetzen.

Seither sind 14 Jahre vergangen, und man sollte meinen, dass die Themen um die Stellung und den Dienst der Frau in Ehe und Gemeinde einer neuen Selbstverständlichkeit des gemeinsamen und partnerschaftlichen Dienstes von Mann und Frau Platz gemacht hätten. Leider ist das nicht überall der Fall. Vielmehr taucht die grundsätzliche Frage nach der göttlichen Geschlechterordnung und ihren Konsequenzen für Mann und Frau in Ehe und Gemeinde immer wieder auf und führt in christlichen Gemeinden zu tiefen Konflikten und Spaltungen. Dass diese Frage vielfach mit der Stellung eines Christen zur Autorität der Heiligen Schrift und mit Begriffen wie „Gehorsam Gottes Ordnung gegenüber“ und „Bibeltreue“ verbunden wird, gibt ihr ein großes Gewicht.

Diese Entwicklung hat mich bewogen, eine zweite Auflage des inzwischen vergriffenen Buches anzustreben. Ich danke dem Neufeld Verlag von ganzem Herzen, dass das möglich wurde.

Dazu habe ich das ganze Buch nochmals durchgesehen, inzwischen erschienene Literatur eingearbeitet und entsprechend dem heutigen Sprachgebrauch auch manche sprachlichen Änderungen vorgenommen.

Die ersten beiden Kapitel sind nach wie vor eher von wissenschaftlichem (theologischem, kulturwissenschaftlichem und entwicklungsbiologischem) Interesse. Wer ein solches Interesse nicht hat, sondern vor allem die biblische Argumentation zum Thema verfolgen möchte, sei dazu ermutigt, ohne Verlust bei Kapitel 3 zu beginnen!

Nun ist es mein Gebet, dass auch diese zweite Auflage zur Orientierungshilfe wird für diejenigen, die nach Gottes Willen im Blick auf das Geschlechterverhältnis und die Stellung der Frau suchen. Das gilt in besonderer Weise auch für die, die sich mit dieser Frage in einem Kulturkontext beschäftigen, der nicht ihr eigener ist.

Hanna-Maria Schmalenbach

1 Ebenfalls heftig und leidenschaftlich findet eine ähnliche Diskussion auch unter Katholiken statt (Berger 2012, 11; Lobo Gajiwala 2012; Wendel 2016, 41).

EINLEITUNG

Die Frage nach dem höchsten Lebensziel eines Christen beantwortet der Apostel Paulus so: „… dass wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit…“ (Eph 1,12). Das Leben des Christen darf und soll die Größe, Heiligkeit und den unbeschreiblichen Wert Gottes auf dieser Welt zum Ausdruck bringen. Das geschieht mitten im Leben in den vielfältigen Bezügen des Alltags in einer spezifischen kulturellen und gesellschaftlichen Situation mit ihren Pflichten und Erwartungen.

„Nun führt euer Leben würdig des Evangeliums von Christus…“ (Phil 1,27), ermahnte Paulus dementsprechend die Gläubigen der christlichen Gemeinde in Philippi und erinnerte sie an ihre wegweisende Funktion als „Lichter in der Welt“ (Phil 2,15). Für die jungen Christen aus einer polytheistischen Gesellschaft war es eine große Herausforderung, als „untadelige Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts“ (Phil 2,15) nach völlig anderen Maßstäben zu leben, als sie es bisher gewohnt waren, und dabei gleichzeitig nach dem Vorbild des Apostels „in allen Stücken allen zu Gefallen zu leben…, damit sie gerettet werden“ (1Kor 10,33).

Beim Übergang des Evangeliums aus dem vorwiegend jüdischen Kontext in den multikulturell-hellenistischen der verschiedenen Orte im Römischen Reich durchdachte der Apostel im Blick auf die jeweiligen spezifischen Situationen der neuen Gemeinden die praktischen Implikationen des Evangeliums und suchte gemeinsam mit den Gläubigen vor Ort nach Lösungen für ihren Lebensvollzug. Diese sollten einerseits dem Evangelium ganz entsprechen, gleichzeitig aber in ihrem kulturellen Umfeld verstanden werden und keine unnötigen Hindernisse für die Ausbreitung des Evangeliums bedeuten. Dabei musste Paulus langfristig auch die Konsequenzen für die sozialen Ordnungen des öffentlichen Lebens im Blick haben (Marshall 1981, 21; Neill 1981, 7; Westfall 2016, 160–161). In den Briefen des Apostels, besonders deutlich in 1. Korinther 8–10, werden wir Zeugen dieses Ringens.

Menschen, die heute im interkulturellen Kontext die Botschaft des Evangeliums weitergeben, sehen sich vor ähnliche Aufgaben gestellt, wenn junge Christen aus einer anderen Kultur sie in ihre eigenen Fragestellungen an dieser Stelle einbeziehen und nach Lösungen fragen für die Umsetzung des Evangeliums in ihrem spezifischen Kontext. Das Vorgehen des Apostels Paulus ist dabei ihre wichtigste Orientierungshilfe.

Mitarbeiter im interkulturellen Dienst müssen sich allerdings dabei mit zwei Hindernissen auseinandersetzen: zum einen mit dem historisch-kulturellen Abstand der Kultur ihrer Gegenüber zur Welt des Hellenismus im ersten Jahrhundert, in die der Apostel hineinsprach, und zum anderen mit ihrer eigenen kulturellen Prägung, die nicht zum Maßstab werden darf, nach dem die Menschen anderer Kulturen „des Evangeliums würdig“ leben sollen. Hier ist viel Feingefühl und Demut gefragt, deren Fehlen christlichen Mitarbeitern aus westlichen Kulturen von einheimischen Christen und Theologen vielfach und zunehmend angekreidet wird (Stott 1981, vii).2 Dieser Prozess des Ringens um eine angemessene „Übersetzung“ (Nicholls 1979, 65) des Evangeliums in verschiedene Kulturen spielt seit dem Lausanner Kongress (1974) in der evangelischen Missiologie eine wichtige Rolle (Beyerhaus et al. 1974, 15). Für diesen Vorgang wurde der Begriff Kontextualisierung eingeführt, der allerdings bisher nicht in allen christlichen Kreisen eine uneingeschränkt positive Aufnahme gefunden hat (Nicholls 1979, 21; Conn 1984, 163).3

Die Beziehung zwischen Evangelium und Kultur ist in den letzten Jahrzehnten, vor allem auf Anregung nichtwestlicher Theologen, vielfach thematisiert worden, besonders intensiv auf einer vom Lausanner Komitee für Weltevangelisation zu diesem Thema gestalteten internationalen Konferenz in Willowbank auf den Bermudas im Jahr 1978.4

Das Anliegen der diesem Buch zugrunde liegenden Arbeit setzt bei der komplexen Fragestellung an, in welchem Verhältnis Evangelium und Kultur im Blick auf die Rolle der Frau stehen, und wie in der christlichen Gemeinde ein schriftgemäßes Frauenbild in verschiedenen Kulturen zum Ausdruck gebracht werden kann. Grundsätzlicher noch muss dabei gefragt werden, in welchem Verhältnis der Wille des Schöpfers und Erlösers zu kulturell definierten geschlechtsspezifischen Rollen und Verhaltensweisen steht.

Anstoß, mich der komplexen und vieldiskutierten Thematik um die Rolle der Frau aus dieser interkulturellen Perspektive zu stellen, war, wie bereits erwähnt, mein eigenes Erleben in dem indigenen Volk der Tutunakú5 in Mexiko und besonders die gezielten und wiederholten Fragen junger Tutunakú-Christen nach dem biblischen Maßstab für die Geschlechterbeziehung. Bei den Tutunakú sind die Rollen von Mann und Frau zwar klar definiert und voneinander unterschieden; eine hierarchische Ordnung, in der die Frau dem Mann durchgehend untergeordnet und deshalb von bestimmten Tätigkeiten grundsätzlich ausgeschlossen ist, gibt es jedoch nicht.

Eine hierarchische „biblische Ordnung“ der Geschlechter wurde den jungen Christen durch Lehrer und Gastprediger aus der mexikanischen Hauptgesellschaft beigebracht, wo der Machismo nach wie vor das Empfinden der Menschen durchdringt. Sie wiesen die Tutunakú-Christen nachdrücklich auf die „gottgewollte“ Ordnung zwischen Mann und Frau und die entsprechenden Einschränkungen für den Dienst der Frau in der Gemeinde hin. Das warf viele Fragen auf. Durften Frauen also nicht wie Männer unbefangen ihre Erkenntnisse und Erfahrungen in den Versammlungen mitteilen? Mussten sie nun vorsichtig auf eine Ordnung achten, die ihnen vorher in diesem Zusammenhang gar nicht bewusst gewesen war? War das wirklich das Frauenbild der Heiligen Schrift?

In diesem Kontext wurde ich mir meiner eigenen Unsicherheit über den biblischen Befund einerseits und meiner großen Verantwortung als Rollenvorbild andererseits schmerzlich bewusst. In Gesprächen vor Ort zeigte sich immer wieder, dass bei dieser Frage die Spannung zwischen dem Schöpferwillen Gottes und dem Ausleben dieses Willens in verschiedenen Kulturen besonders deutlich zu spüren ist. Von meinen Tutunakú-Mitarbeiterinnen beauftragt, mich noch einmal gründlich mit dieser Thematik zu befassen, richtete ich während meines Studiums der Missiologie6 in jedem Fach mein besonderes Augenmerk auf diese Fragestellung. Dabei wurde mir klar, dass nur eine gesamt-biblische Schau, die auch die kulturellen Aspekte der einzelnen Aussagen zu diesem Thema ganz ernstnimmt, ein ausgewogenes Bild über den biblischen Befund ergeben kann. Eine solche Gesamtschau wollte ich anstreben. Ziel meiner Arbeit sollte es sein, aus einer missiologischen Perspektive Orientierungshilfe für die Bildung einer eigenen Position zur gottgewollten Rolle der Frau zu geben. Zugleich war es mein Anliegen, Leitlinien für ein biblisch-kulturrelevantes Frauenbild herauszuarbeiten, bei dem der Wille Gottes und die verändernde Kraft des Evangeliums deutlich werden, ohne dass ein kultureller Anstoß entsteht, der die Verkündigung des Evangeliums hindern könnte. Dabei sollte soll das Vorgehen des Apostels Paulus wegweisend sein.

Befragt man die Literatur über das „biblische Frauenbild“, so stellt sich heraus, dass in der westlichen Christenheit, die das theologische Denken der Welt bis zum Ende des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt hat, seit der Zeit der Kirchenväter bis in die 1960er Jahre hinein fast unangefochten das „traditionelle Verständnis“ zum Geschlechterverhältnis vorherrschte. Hierbei wurde von einer biblisch gebotenen generellen Unterordnung der Frau unter die Autorität des Mannes in Familie, Gesellschaft und Gemeinde ausgegangen und von einer klar definierten Rollenverteilung, die der Frau bestimmte häusliche Pflichten zuwies und sie von den meisten Ämtern der Gemeinde ausschloss. Begründet wurde diese Sicht aus den entsprechenden Anweisungen in den Briefen des Apostels Paulus. Den Grund für diese Anordnungen sah man bis ins 20. Jahrhundert hinein in der generellen Minderwertigkeit der Frau, von dem Arzt P. J. Möbius noch 1908 als „physiologischer Schwachsinn“ (Möbius 1908)7 bezeichnet. Später erkannte man die Gleichwertigkeit der Geschlechter aufgrund der Schöpfung an, bestand jedoch weiter auf einer gottgewollten hierarchischen Ordnung im Geschlechterverhältnis, die durch die schöpfungsbedingte grundlegende Verschiedenheit der Geschlechter begründet wurde (Piper und Grudem 1991, xiv). Ob dieses Frauenbild tatsächlich dem ganzen biblischen Befund entspricht oder möglicherweise Ausdruck der kulturellen Prägung des christlichen Abendlandes durch griechisch-römisches Gedankengut ist, ist seit den 1960er Jahren vielfach und zunehmend gefragt worden.

Anlass dazu war nicht nur die neue feministische Bewegung, die sich in den 1960er Jahren in der westlichen Welt formierte und in gesellschaftlichen und kirchlichen Kreisen zu heftigen Auseinandersetzungen um die „Frauenfrage“ führte (Piper und Grudem 1991, xiii), sondern auch das Erscheinen zahlreicher Werke, die neue Perspektiven für die Auslegung mancher schwer verständlichen Stellen im biblischen Befund eröffneten (Gundry 1987, 5). Die zunehmende Beteiligung von Frauen an der wissenschaftlichen Forschung trug maßgeblich zu dieser Horizonterweiterung bei. In vielen Fachgebieten wurden von ihnen Fragestellungen bearbeitet, die vorher nur wenig im Blickfeld der Forscher gewesen waren. So konnten Wissenslücken geschlossen und in der Folge manche biblischen Texte besser verstanden werden. Dies gilt besonders für detaillierte und aus Quellen gut belegte Informationen über die Situation und Stellung der Frau in der römisch-griechischen und der jüdischen Welt des ersten Jahrhunderts, die traditionelle Einschätzungen ergänzen und an manchen Stellen auch korrigieren. Beispiele sind die Werke von Sarah B. Pomeroy, Frauenleben im klassischen Altertum (1985), Tal Ilan, Jewish Women in Greco-Roman Palestine (1995), Jane F. Gardner, Frauen im Antiken Rom: Familie, Alltag, Recht (1995). Wesentliche Verständnishilfen über die Situation im Römischen Reich geben auch die Werke des britischen Althistorikers Bruce W. Winter After Paul Left Corinth (2001) und Roman Wives, Roman Widows (2003). Den religiösen Hintergrund der jungen Christen, an die Paulus schrieb, beleuchtet das Ehepaar Richard und Catherine Clark Kroeger in I Suffer Not a Woman (1992), das im Jahr 2004 in deutscher Sprache unter dem Titel Lehrverbot für Frauen? erschien. Ein neuerer wertvoller Beitrag ist die Monografie von Lynn H Cohick (2009), Women in the World of the Earliest Christians. Ein tiefes Verständnis für die Bedeutung und Geschlechtsabhängigkeit des Ehrgefühls im Römischen Reich vermittelt Carlin A. Barton in Roman Honor: The Fire in the Bones (2001).

Allein die Lektüre dieser seit den 1970er Jahren entstandenen Werke fordert den ehrlichen Ausleger geradezu heraus, den biblischen Befund zur „Frauenfrage“ nochmals gründlich zu bedenken. Im Bereich der Kirchen- und Missionsgeschichte hat Ruth A. Tucker eine wichtige Informationslücke gefüllt über die Beteiligung der Frau am Leben und Dienst der Gemeinde Jesu seit ihren ersten Anfängen bis heute in Daughters of the Church (1987, gemeinsam mit W. Liefeld), Guardians of the Great Commission: The Story of Women in Modern Missions (1988) und The Changing Roles of Women in Ministry: The Early Church through the 18th Century (2005).

Auf dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Fülle von Literatur erschienen, die das erneute grundsätzliche theologische Nachdenken über die Rolle der Frau in den meisten christlichen Kirchen und Denominationen der westlichen Welt reflektiert, gleichzeitig aber auch eine Meinungsvielfalt und kritische Auseinandersetzung, die R. W. Pierce als „exegetischen Bürgerkrieg“ bezeichnet (Pierce 1993, 343).

Dabei ist nicht zu übersehen, dass der Diskussion um die schriftgemäße Rolle der Frau eine tiefergehende hermeneutische Auseinandersetzung zugrunde liegt, die am Verständnis des Wesens und der Autorität der Heiligen Schrift selbst ansetzt (Scholer 1987, 407; Lakey 2010, 157). Das Ausmaß und die Tiefe dieser Auseinandersetzung wird in den Vorträgen und Diskussionen auf dem Kongress des International Council on Biblical Inerrancy 1982 in Chicago reflektiert, die in Hermeneutics, Inerrancy and the Bible (Radmacher und Preus 1984) zusammengestellt sind. Einen gründlichen und kommentierten Überblick über die Kernpunkte der Diskussion gibt W. J. Larkin in Culture and Biblical Hermeneutics. In Deutschland kommt diese Auseinandersetzung am schärfsten in der Zeitschrift Bibel und Gemeinde und in dem Buch Die Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel (Holthaus und Vanheiden 2002) zum Ausdruck. Die Diskussion um die schriftgemäße Rolle der Frau in vielen konservativen Kreisen der christlichen Gemeinde muss im Zusammenhang mit dieser grundsätzlichen theologischen Auseinandersetzung gesehen werden; das gibt ihr ein besonderes Gewicht.8

Eine übersichtliche Zusammenfassung über die beschriebene Meinungsvielfalt unter englischsprachigen evangelischen Forschern zum umstrittenen „Frauenthema“ gibt R. W. Pierce im Journal of the Evangelical Theological Society (JETS; 1993, 343–355) und in Pierce und Groothuis (2005, 58–75). Die Uneinigkeit in der „Frauenfrage“ unter den nordamerikanischen evangelischen Christen in den 1970er und 1980er Jahren führte 1986 zu einer Spaltung der Evangelical Theological Society, und es bildeten sich im Folgenden zwei einflussreiche Organisationen mit jeweils unterschiedlicher Einstellung zur biblischen Rolle der Frau: Der Council on Biblical Manhood and Womanhood (CBMW) vertritt die traditionelle Sicht einer in der Schöpfung begründeten hierarchischen Ordnung der Geschlechter in Familie und Gemeinde, während sich die Christians for Biblical Equality (CBE) für eine schöpfungs- und erlösungsbedingte Gleichrangigkeit der Frau in Familie und Gemeinde einsetzen. Die theologische Position des CBMW kommt in seinem Positionspapier, dem im November 1988 erstmals publizierten Danvers Statement, zum Ausdruck.9 Eine gründliche theologische Ausarbeitung der verschiedenen Aspekte dieser Position von mehreren Autoren stellt das von John Piper und Wayne Grudem herausgegebene Buch Recovering Biblical Manhood & Womanhood (1991, zweite Auflage 2006) dar. Es enthält auch eine Liste der Forscher, die sich zu dieser Sicht über die Rolle von Mann und Frau bekennen, und am Ende des ersten Kapitels eine Liste aller Aufgaben, die aus der Sicht dieser Autoren Frauen in der Gemeinde zugestanden werden können. Eine gemäßigt hierarchische Position nimmt Steven Clark in seiner umfassenden Monografie Man and Woman in Christ (1980) ein, die auch gründliche soziokulturelle Erwägungen einschließt. Die theologische Position der CBE wird in ihrem Positionspapier Men, Women and Biblical Equality dargestellt, das erstmals im April 1990 in der Zeitschrift Christianity Today publiziert wurde.10 Die Zeitschrift Priscilla Papers veröffentlicht regelmäßig theologische Beiträge von Autoren, die der Sicht der CBE nahestehen. Zahlreiche Monografien geben einen Überblick über ihre Argumentation. Geordnet nach ihrem Erscheinungsdatum seien einige wesentliche Werke beispielhaft genannt: Paul Jewett, Man as Male and Female (1975), Patricia Gundry, Woman Be Free (1977), Gilbert Bilezikian, Beyond Sex Roles (1985), Aida Besancon Spencer, Beyond the Curse (1985), Gretchen Hull Gaebelein, Equal to Serve (1987), John T. Bristow, What Paul Really Said About Women (1988), Craig S. Keener, Paul, Women & Wives (1992), Rebecca Merrill Groothuis, Women Caught in the Conflict: The Cultural War between Traditionalism and Feminism (1994), Loren Cunningham und David Joel Hamilton, Why not Women? (2000). Verschiedene Beiträge zu einzelnen Aspekten der Diskussion aus egalitärer Sicht sind zusammengefasst in den Vortragsmanuskripten des Evangelical Colloquium on Women and the Bible im Oktober 1984 in A. Mickelsen (Hrsg.), Women, Authority and the Bible (1986). Eine sehr gute Zusammenstellung der verschiedenen Aspekte dieser Position stellt der von Ronald W. Pierce und Rebecca Merrill Groothuis (2005) inzwischen herausgegebene Sammelband Disvcovering Biblical Equality: Complementarity without Hierarchy dar. Seither kamen weitere gründliche vertiefende exegetische und theologische Studien zum Thema hinzu, so die Monografie von Philip B. Payne (2009) Man and Woman, One in Christ: An Exegetical and Theological Study of Pauls’s Letters und von Cynthia Long Westfall (2016) Paul and Gender: Reclaiming the Apostle’s Vision for Men and Women in Christ.

Zur vergleichenden Beurteilung der gegensätzlichen Meinungen dient das von B. und R. Clouse herausgegebene Buch Women in Ministry – Four Views (1989) und eine entsprechende Zusammenstellung aus Großbritannien von S. Lees, The Role of Women (1984).

Auch im deutschen Sprachraum wurde und wird die theologische Diskussion um die Rolle der Frau in Familie und Gemeinde seit den 1970er Jahren heftig geführt. Allerdings stellte sich die öffentliche Auseinandersetzung entsprechend der kirchlichen Gesamtsituation in der Praxis hier etwas anders dar: Innerhalb der evangelischen Landeskirchen bestand und besteht eine große Meinungsvielfalt, die das ganze Spektrum der feministischen Theologie einschließt und sich im Blick auf die Praxis vor allem auf die Frage der Frauenordination und des ungehinderten Zugangs zu kirchlichen Ämtern für Frauen konzentriert hat. Einen Überblick über die verschiedenen Sichtweisen gibt hier die idea-Dokumentation Nr. 28/91, die anlässlich der Entscheidung der letzten Landeskirche, Schaumburg-Lippe, für die Ordination von Frauen verschiedene Stellungnahmen pro und kontra Frauenordination wiedergibt. In weiteren Veröffentlichungen zum Thema wird deutlich, dass Meinungsverschiedenheiten bis tief in die konservativ bibelgläubige Fraktion der Kirche hineinreichen: Die Positionen reichen von einer theologisch begründeten heftigen Ablehnung der Frauenordination, wie sie zum Beispiel in Bibel und Gemeinde (3/2001) zum Ausdruck kommt, bis zur ebenfalls theologisch begründeten völligen Zustimmung, wie das Positionspapier des Synodalgesprächskreises der „Lebendigen Gemeinde“ in Baden-Württemberg Die Frau in der Gemeinde deutlich macht.

In den evangelischen Freikirchen im deutschsprachigen Raum herrscht ebenfalls eine große Meinungsvielfalt. So werden über den Dienst der Frau in der Gemeinde alle Positionen vom Gebot ihres vollständigen Schweigens im Gottesdienst (Darbystische Versammlungen) bis zu ihrer Teilnahme an allen Funktionen des Gemeindelebens (z. B. in den Gemeinden der Heilsarmee) vertreten und praktiziert. Einen Überblick über die Stellungnahmen einiger Freikirchen zum Thema gibt idea-Dokumentation Nr. 5/92. Gründliche theologische Erarbeitungen zur Stellung der Frau aus der beschriebenen traditionellen Sicht stellen die Monografien von Werner Neuer Mann und Frau in christlicher Sicht (1993) und Heinzpeter Hempelmann Gottes Ordnungen zum Leben (1997) dar. In einigen freien Gemeinden hat die aus dem Amerikanischen übersetzte Monografie von A. Strauch Die Revolution der Geschlechter (2001) eine große Bedeutung, die sich weitgehend an der Argumentation des CBMW orientiert, in der Darstellung allerdings auffällig kämpferisch wirkt. Einen für die deutsche freikirchliche Diskussion ebenfalls wesentlichen Beitrag zur Bestätigung der traditionellen Sicht stellt die Stellungnahme der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland von Klaus Riebesehl, Leitlinien zum Dienst der Frau in der Gemeinde (2004) dar. Eine konservative, aber eher versöhnende Position findet man bei Alfred Kuen in seiner gründlichen biblisch-theologischen Abhandlung Die Frau in der Gemeinde (1998).

Während alle genannten Autoren sich deutlich für eine biblisch begründete hierarchische Beziehung zwischen Mann und Frau aussprechen, kommen sie doch für die Praxis des Gemeindelebens zu sehr unterschiedlichen Schlüssen von einem „totalen Redeverbot“ der Frau im Gottesdienst (Neuer 1993) bis zum Zugestehen ihres Predigtdienstes (Hempelmann 1997). Auch ihre Berufung ins Ältestenamt ist nicht in allen Gemeinden ausgeschlossen (z. B. Hardmeier 2013). Die Inkonsequenz, mit der hier Linien gezogen und über den Dienst der Frau in der Gemeinde entschieden wird, macht vielen Betrachtern zu schaffen (z. B. Hardmeier 2013, 157–158). Lakey weist darauf hin, dass unter traditionellen Auslegern in der Praxis Elemente von Gleichrangigkeit und von Hierarchie in bunter Mischung nebeneinander stehen (2010, 15–18).

Von den Beiträgen zu einer egalitären Sicht unter Theologen im deutschen Sprachraum, die die Heilige Schrift als Autorität für Glauben und Leben hochhalten, ist das Buch von Christa Conrad Der Dienst der ledigen Frau in deutschen Glaubensmissionen (1998) zu erwähnen, das aus einer missionsgeschichtlichen Perspektive für eine biblisch begründete Gleichrangigkeit der Frau im geistlichen Dienst plädiert. Eine Zusammenstellung verschiedener Perspektiven und Aspekte aus egalitärer Sicht von unterschiedlichen Autoren ist das von Cornelia Mack und Friedhilde Stricker herausgegebene Buch Begabt und beauftragt (2000). Der ausführlichste theologische Beitrag, der sich in deutscher Sprache in Kreisen bibelgläubiger Christen aus egalitärer Sicht mit der „Frauenfrage“ befasst hat, ist bisher das aus dem Englischen übersetzte Buch von Marylin B. Smith und Ingrid Kern, Ohne Unterschied? Frauen und Männer im Dienst für Gott (2000), das die Position der Kommission für Frauenfragen der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) zum Thema darstellt. Eine übersichtliche Kurzdarstellung einer egalitären Sicht bietet das ebenfalls aus dem Englischen übersetzte Büchlein von John Ortberg Die Frau schweige? (2004). Neu hinzugekommen ist die ausführliche Behandlung des Themas aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive von Annegret Braun, Warum Eva keine Gleichstellungsbeauftragte brauchte (2019).

In den Jahren seit der ersten Auflage dieses Buches hat die Frage nach Stellung und Dienst der Frau vor allem in freien Gemeinden und Organisationen konservativ-protestantischer Prägung in der westlichen Welt nach wie vor und immer wieder neu zu schweren Auseinandersetzungen und Gemeindespaltungen geführt.11 Auch im römisch-katholischen Kontext hat sich die Auseinandersetzung intensiviert, wobei es hier vor allem um Fragen des Zutritts von Frauen zu den Weiheämtern der Kirche geht (Berger 2011, 210–212).

In der neueren Literatur fällt nun auf, dass man sich auf allen Seiten bemüht, die Schärfe in Ton und Wortwahl der Diskussion abzumildern. Das gilt besonders für die Vertreter eines hierarchischen Geschlechterverhältnisses. In ihrer Selbstbezeichnung fällt auf, dass sie ihre Sicht nicht mehr als „hierarchisch“ oder „traditionell“ bezeichnen wie früher, sondern als „komplementär“. Auch in ihrer Argumentation nehmen sie versöhnlichere Positionen ein, so Roland Hardmeier, Himmelstöchter! Warum die Stärke der Frau in der Kirche gebraucht wird. Und warum das biblisch ist (2013) und Ulrich Neuenhausen, Gemeinsam gesegnet: Männer und Frauen im Dienst für Jesus Christus (2018).

Manche Autoren auf beiden Seiten fragen sich, wie es geschehen konnte, dass die Diskussion um die gottgewollte Stellung der Frau in der Gemeinde eine derart tiefe Spaltung in den Reihen bibelgläubiger konservativer Christen herbeiführen konnte, und suchen dringend nach Erklärungen, einigenden Perspektiven, ja neuen Paradigmen als Grundlage für die festgefahrene Diskussion (Husbands und Larsen 2007, 9; Sumner 2007, 250–265; George 2007, 266–288; Van Leeuwen 2007, 171–196; Lee-Barnewall 2016, 5–14; Westfall 2016, 1–6; Hiestand 2017, 101–118). Dabei nehmen auch Überlegungen zur Praxis einer von der Heiligen Schrift her erneuerten Geschlechterbeziehung in Ehe und Gemeinde und deren praktischen Konsequenzen für das Selbstverständnis und den Dienst der Frau zunehmend größeren Raum ein (z. B. LaCelle-Peterson 2008, Westfall 2016, Small 2020).

Dieses Buch möchte, auch in der zweiten, aktualisierten Auflage, angesichts der beschriebenen Meinungsvielfalt einen differenzierten und abwägenden Beitrag zu der umstrittenen Thematik leisten, der sich auf den biblischen Gesamtbefund gründet.

Aufgrund der engen Verflechtung der Rolle der Frau mit der Kultur, in der sie ausgelebt wird, habe ich dabei die Aussagen der Heiligen Schrift stets vor dem Hintergrund der Kulturen ausgelegt, in die sie direkt hineinsprechen, und auch die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen aus den Natur- und Humanwissenschaften über die Natur und Kulturen des Menschen in meine Überlegungen einbezogen.

Dazu stelle ich in Kapitel 1 zunächst das komplexe Spannungsfeld der vielschichtigen Diskussion um das biblische Frauenbild vor. In Kapitel 2 geht es dann um eine Einführung in die kulturellen Aspekte, die unsere Thematik beeinflussen. Kapitel 3 stellt eine biblisch-theologische Betrachtung des biblischen Gesamtbefundes dar, die außer theologischen und hermeneutischen Ansätzen anderer Autoren auch die Ergebnisse von neurobiologischen, entwicklungspsychologischen und ethnologischen Studien in Beziehung zum Schriftbefund bringt. Ein kurzer kommentierter, geschichtlicher Überblick über die Rolle der Frau in der Kirchen- und Missionsgeschichte soll in Kapitel 4 das Bild abrunden. In Kapitel 5 werden die Befunde zusammengefasst und aus ihnen Richtlinien zur Kontextualisierung eines schriftgemäßen Frauenbildes erstellt, die es christlichen Mitarbeitern im interkulturellen Kontext ermöglichen, in jeder Kultur anzuknüpfen mit einem Frauenbild, das Gott ehrt und dem Evangelium kein unnötiges kulturelles Hindernis in den Weg legt.

In einem Nachwort möchte ich abschließend auf den Stand der Diskussion um die Stellung der Frau in den christlichen Gemeinden evangelisch-konservativer Prägung in der englisch- und deutschsprachigen westlichen Welt eingehen und neue Tendenzen und Bemühungen aufzeigen, einen gemeinsamen Weg aus der festgefahrenen Situation zu finden. Möge Gott es schenken, dass wir diesen Weg finden und trotz der Meinungsvielfalt gemeinsam glaubwürdige Zeugen des Evangeliums Jesu Christi sein können!

2 Diese Kritik wurde sogar 1974 in die Lausanner Verpflichtung aufgenommen und mit einer Mahnung zu mehr Demut an dieser Stelle verbunden (Beyerhaus et al. 1974, 15).

3 Er stammt ursprünglich aus dem Umfeld des Ökumenischen Rates der Kirchen und schließt auch Vorgehensweisen ein, bei denen nicht der Heiligen Schrift, sondern dem jeweiligen kulturellen Kontext die Autorität und Kontrolle über den gesamten Prozess eingeräumt wird (Larkin 1988, 130). Inzwischen hat er sich auch in der evangelischen Missiologie evangelikaler Prägung durchgesetzt, allerdings unter der Vorgabe, dass die Heilige Schrift Autorität, Maßstab und Vorbild im Prozess der Kontextualisierung ist, der stets an ihr gemessen und kontrolliert wird (May 2005, 349).

4 Die Beiträge der Konferenzteilnehmer sind in Down to Earth: Studies in Christianity and Culture (Stott und Coote 1981) zusammengestellt.

5 Die früher, auch zum Zeitpunkt der Herausgabe der ersten Auflage dieses Buches, gängige Benennung der Volksgruppe von außen war in Mexiko totonaco, eingedeutscht „totonak“. In den letzten Jahren setzte sich die Eigenbezeichnung der Ethnie tutunakú (auf deutsch: „drei Herzen“) zunehmend durch, und ich habe sie in Rücksprache mit einem Vertreter der Ethnie in dieser zweiten Auflage entsprechend geändert.

6 Heute ist der Studiengang vermehrt bekannt unter Interkulturelle Theologie und Missionswissenschaft.

7 Zitiert in Neuer 1993, 18.

8 Die grundsätzliche Diskussion um ein angemessenes „bibeltreues“ Schriftverständnis hat in den letzten Jahren in evangelisch-konservativen Kreisen an Schärfe und Unerbittlichkeit zugenommen. Siehe dazu z. B. Smith (2012). Dabei spielen Fragestellungen zum Geschlechterverhältnis eine große Rolle und vertiefen die Kluft zwischen den Parteien dieser Diskussion. Siehe hierzu auch George (2007, 280), Van Leeuwen (2007, 173) und Lakey (2010, 8–10).

9 Das Positionspapier ist im Internet zugänglich unter www.cbmw.com.

10 Zugänglich im Internet unter www.cbeinternational.org.

11 Westfall beschreibt diese Entwicklung so: „Inzwischen ist die öffentliche Meinung an gewissen Orten, sei es in Gemeinden, in… Leiterschafts-Organisationen, in Ausbildungsstätten und auch in säkularen Foren in einer Weise zum Kampf mobilisiert worden, dass im Blick auf Geschlechterfragen kaum mehr Raum ist für eine Mittelposition“ (2016, 1; Übersetzung aus dem Englischen: H. S.).

KAPITEL 1

FRAUSEIN ZUR EHRE GOTTES –DAS SPANNUNGSFELD DER DISKUSSION

Wer sich unter Christen, die ihr Leben und Denken nach der Heiligen Schrift ausrichten wollen, auf eine Diskussion zu der Frage einlässt, was Frausein zu Gottes Ehre bedeutet, wird bald etwas von der Spannung und Leidenschaftlichkeit spüren, mit der dieses Thema behandelt wird. Das mag an der persönlichen Betroffenheit aller Beteiligten liegen, hat aber, wie bereits angedeutet, auch noch tiefer liegende Gründe: Menschen, zu deren Selbstverständnis es gehört, dass ihnen die Heilige Schrift höchste und unfehlbare Autorität in Glaubens- und Lebensfragen ist, werden es als besonders schmerzhaft empfinden, dass unter ihnen zur „Frauenfrage“ trotz dieser gemeinsamen Basis so unterschiedliche Ansichten herrschen.12 Explizit drückt Sarah Sumner ihre Befürchtung aus, dass hier die Integrität bibelgläubiger Christen auf dem Spiel steht (Sumner 2007, 250).13 Die unterschiedlichen Sichtweisen wiederum stehen in Verbindung mit der noch tiefer greifenden Problematik, die die evangelische Welt in den letzten Jahrzehnten existenziell beschäftigt hat: Es geht um unterschiedliche, ja entgegengesetzte Prinzipien der Schriftauslegung (Johnston 1986, 30), die wiederum auf einem unterschiedlichen Verständnis vom Wesen der Heiligen Schrift beruhen. Damit ist ein Kernpunkt evangelischer Theologie berührt, die Frage nach der Autorität der Heiligen Schrift.14 Robert K. Johnston stellt fest, dass die „Frauenfrage“ geradezu zu einem „Testfall“ konservativ-evangelischer Hermeneutik geworden ist (Johnston 1986, 41). Das macht die Beschäftigung mit ihr besonders schwierig und belastend. Außer diesem hermeneutischtheologischen Spannungsfeld spielen bei der Diskussion um ein schriftgemäßes Frauenbild aber auch viele andere theologische, gesellschaftliche und humanwissenschaftliche Problemkreise eine Rolle. Im Folgenden möchte ich einige wesentliche aufzeigen und bewusst machen.

1.1 Das Spannungsfeld der biblischen Aussagen zur Frau

Betrachtet man auf der Suche nach einem Frauenbild, das Gott ehrt, die Aussagen der Heiligen Schrift, so lässt sich bereits an ihnen ein innerbiblisches, also von Gott so gewolltes, Spannungsfeld erkennen, das als Ansatzpunkt für die unterschiedlichen Auslegungen gesehen werden kann.

1.1.1 Die Einbettung der Aussagen in das Gesamtanliegen der Schrift

Zunächst fällt auf, dass die Heilige Schrift insgesamt nur wenige grundsätzliche Aussagen und konkrete Anweisungen zur Rolle der Frau enthält und dass diese nicht in einem einheitlichen Lehrabschnitt zusammenstehen, sondern in verschiedene Zusammenhänge des Heilshandelns Gottes in der Geschichte der Menschen eingebettet sind.15 Kombiniert man solche Aussagen nun losgelöst von diesen Zusammenhängen miteinander, um ein umfassendes Bild über Gottes Willen zur Stellung und Rolle der Frau zu bekommen, so lassen sie sich nicht spannungsfrei nebeneinanderstellen, sondern wirken widersprüchlich. Das kann den Ausleger zu willkürlichen Entscheidungen über ihre Bedeutung und Zuordnung veranlassen. Viele Hinweise zum Thema sind nur indirekt aus der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel, am Verhalten Jesu oder aus dem Erleben der frühen Gemeinde abzulesen. Ein ausgesprochenes Gottesgebot zur Rolle der Frau gibt es weder im Alten Testament noch in den Lehren Jesu. Konkrete Anweisungen diesbezüglich finden sich nur in den neutestamentlichen Briefen. Insgesamt wird deutlich: Die Rolle der Frau ist kein isolierbares Hauptanliegen der Heiligen Schrift, sondern die Aussagen dazu müssen aus ihrer Gesamtbotschaft sorgfältig erfasst und bewertet werden.

1.1.2 Zeitlose und situationsgebundene Aussagen

Dass die Aussagen der Schrift, vor allem ihre ethischen Anweisungen, den ewigen Willlen Gottes zum Ausdruck bringen und dabei zunächst an Menschen in spezifischen kulturellen und geschichtlichen Situationen gerichtet waren, schafft für den heutigen Leser ein Spannungsfeld, das bei der Suche nach einem an der Bibel ausgerichteten Frauenbild besonders stark empfunden wird. Dies ist umso mehr der Fall, je weiter die kulturelle Situation des heutigen Lesers oder Hörers von derjenigen der ursprünglichen Hörerschaft abweicht. Da das Mann- oder Frausein einerseits dem Schöpferwillen Gottes entstammende unveränderliche Wesensmerkmale sind, die aber andererseits in den Sozialstrukturen menschlicher Kulturen definiert und ausgelebt werden, ist es in der Frage nach der Stellung der Frau besonders schwer, in den biblischen Texten den ewigen Willen Gottes von praktischen Anweisungen in eine bestimmte Kultur hinein zu unterscheiden. Die „Spannung zwischen der ewigen Relevanz der Heiligen Schrift als Wort Gottes und ihrer historischen Eigenart“ (Fee 1996, 16) hat also in dieser Frage eine besondere Brisanz und ist eine große Herausforderung für heutige Ausleger. Das macht die Vielfalt der Auslegungen von Bibeltexten zur Frauenthematik verständlich.16

1.1.3 Die „inspirierte Doppeldeutigkeit“ der Aussagen

Insgesamt finden sich in den Aussagen der Heiligen Schrift zum Verhältnis zwischen Mann und Frau zwei Hauptstränge, die unvereinbar nebeneinander zu stehen scheinen und dementsprechend für sehr unterschiedliche Auslegungen Raum lassen. R. P. Stevens beschreibt sie als „radical sexual equality“17 einerseits und „radical sexual differentiation“ andererseits (Stevens 1992, 20) und spricht von einer „inspired ambiguity“, die von Gott genau so zugelassen sei (Stevens 1992, 20), allerdings den menschlichen Auslegern viel Kopfzerbrechen verursache.18

Im Folgenden soll nun das weite Spannungsfeld der hermeneutischen Diskussion beleuchtet werden. Dabei kann ich dem französischen Theologen Alfred Kuen nur zustimmen, wenn er angesichts dieser Diskussion schreibt: „Das vertiefte Studium einer unter Christen kontroversen Frage erzeugt Demut und Hochachtung für Andere“ (Kuen 1998, 18). Lakey mahnt dabei zur Geduld: „Eine angemessene hermeneutische Praxis schließt die geduldige Hingabe ein, Schwierigkeiten mit der Zeit zu lösen, während man dem Drang widersteht, zu voreiligen Schlussfolgerungen zu kommen, die die Heilige Schrift ‚retten‘, indem man sie zum Schweigen bringt“ (Lakey 2010, 5).

1.2 Das Spannungsfeld hermeneutischer Entscheidungen

Angesichts der beschriebenen „inspirierten Ambivalenz“ der Schriftstellen zur Rolle der Frau verwundert es nicht, dass im Zentrum der Diskussion hermeneutische Entscheidungen stehen, die allerdings nicht immer bewusst getroffen werden. Der amerikanische Theologe David M. Scholer, der sich 20 Jahre lang mit der Frage nach der Rolle der Frau im Neuen Testament beschäftigt hat, stellt dazu fest: „Auch in den hochgeachteten Kreisen der Evangelikalen sind es hermeneutische Fragestellungen, die letztlich unserem gemeinsamen Anliegen zu Grunde liegen“ (Scholer 1987, 407) und W. Liefeld erklärt: „Die Antworten, zu denen wir im Blick auf die Frau kommen…, sind unweigerlich beeinflusst von der Art und Weise, wie wir die Fragen stellen“ (Liefeld 1989, 127).19

1.2.1 Der gewählte Zugang zu den biblischen Aussagen

Der traditionelle Zugang zum Thema ist ein systematisch-theologischer, bei dem Aussagen der Schrift, die zur Rolle der Frau Stellung nehmen, in einem logischen System geordnet und analysiert werden (Conn 1984, 225), beginnend bei den entsprechenden Anweisungen in den Paulusbriefen. Diesen wird als „direkt anwendbaren Lehrtexten“ Priorität eingeräumt gegenüber „historischen Texten“ (Larkin 1988, 94). Dabei gilt das hermeneutische Prinzip, dass „klare Stellen“ zum Thema weniger klare Aussagen erhellen (Foh 1989, 71). Die konkreten Anweisungen des Apostels Paulus, zum Beispiel in 1. Timotheus 2,11–12 und 1. Korinther 14,34, gelten dabei als die „klarsten Stellen“ zum Thema (Knight III 1977, 45),20 wobei davon ausgegangen wird, dass sie, zumindest in ihren Grundlinien, zeitlos und nicht kulturell gebunden sind (Larkin 1988, 94; Foh 1989, 70). In ihrem Licht werden nun alle anderen Aussagen der Schrift über die Frau, insbesondere auch Genesis 1–3, interpretiert. Ergebnis dieser Verfahrensweise ist die Betonung einer durchgängig hierarchischen Geschlechterordnung als Schöpfungsordnung und leitendes biblisches Prinzip für die Beziehung zwischen Mann und Frau, wie sie unter anderen von den Vertretern des Council on Biblical Manhood and Womanhood (Piper und Grudem 1991)21 postuliert wird.

Dieser hermeneutische Zugang ist in den letzten Jahren vielfach grundsätzlich in Frage gestellt worden. So verwirft G. Bilezikian ihn generell als „hodgepodge“-Methode, die Bibeltexte wie eine Collage zusammenfüge (Bilezikian 1985, 18); G. Keener hinterfragt die Berechtigung des Auslegers, bestimmte Texte als „Lehrtexte“ über andere zu stellen (Keener 1993, 111); A. Mickelsen und W. Liefeld sehen in der Auswahl der paulinischen Anweisungen als Schlüsseltexte eine subjektive hermeneutische Entscheidung, die der ursprünglichen Absicht des Apostels bei ihrer Formulierung nicht gerecht werde (Liefeld 1989, 113; Mickelsen 1989, 117). Eine zunehmende Zahl von Auslegern bevorzugt deshalb einen biblisch-theologischen, ganzheitlichen Zugang zum Thema. Sie benutzen die fortschreitende Offenbarung der Schrift als hermeneutischen Bezugspunkt (Bilezikian 1985, 15–18) und achten besonders darauf, dass die Aussagen zur Frau sowohl in ihrem heilsgeschichtlichen als auch in ihrem kulturellen Kontext ausgelegt werden. Auf diese Weise soll die ursprüngliche Absicht der Texte möglichst genau erfasst werden, die G. Fee als „die einzig angemessene Kontrolle für hermeneutische Aussagen“ bezeichnet (Fee 1996, 26; 2005, 372). Dabei wird argumentiert, dass dieser Zugang dem Wesen der Schrift grundsätzlich mehr entspreche, die nicht ein „dogmatisches Handbuch“, sondern ein geschichtliches Buch sei (Conn 1984, 225). Dieser hermeneutische Ansatz führt, anders als der traditionelle, zu einer Betonung der Gleichrangigkeit von Mann und Frau als durchgehendes biblisches Prinzip, zurückgeführt auf die Schöpfung, die zwar durch den Sündenfall zerstört, aber durch die Erlösung in Christus wiederhergestellt worden ist. Die Anweisungen des Paulus werden dann als kultur- und zeitspezifische Anleitung für ein geordnetes Miteinander der Geschlechter auf dem Weg zu einer praktischen Gleichrangigkeit gesehen, die in ihren Prinzipien wegweisend sei für zukünftige Generationen (Longenecker 1984, 88).

Beim Vergleich der beiden hermeneutischen Ansätze wird besonders deutlich, dass „… Faktoren der Interpretation in der Methodik selbst stecken“, wie M. J. Erickson in seinem Lehrbuch der Dogmatik sagt (Erickson 1998, 70).

1.2.2 Die Zuordnung der biblischen Aussagen zu den Abschnitten der Heilsgeschichte

Da die Rolle der Frau in der Heiligen Schrift eng mit den grundlegenden „Konzepten“ (Bilezikian 1985, 15–17; Felker Jones 2017, 21–30) der Heilsgeschichte – Schöpfung, Sündenfall und Erlösung – verknüpft ist, beeinflusst die Zuordnung der entsprechenden biblischen Aussagen zu einzelnen Abschnitten der Heilsgeschichte das Ergebnis der Auslegung. So ist es nicht unbedeutend, ob man eine Unterordnung der Frau unter den Mann und eine dementsprechende Festlegung ihrer Stellung und Rolle in Ehe, Gesellschaft und Gemeinde als Schöpfungsordnung in Genesis 2 findet (Strauch 2001, 30; Neuer 1993, 66–67; Piper 1991, 35; Ortlund 1991, 98; Hamilton Jr. 2007, 32–52; Neuenhausen 2018, 40–44; Hardmeier 2013, 32–36),22 oder ob man diese aufgrund von Genesis 3,16 als Folge des Sündenfalls ansieht, die grundsätzlich bekämpft werden darf wie die Disteln und Dornen des verfluchten Ackers (Smith und Kern 2000, 42; Hess 2005, 79–95).23 Auch welche Texte ein Ausleger mit der Erlösung in Christus verbindet, beeinflusst seine Ergebnisse entscheidend: So ist es nicht gleichgültig, ob man aufgrund von Galater 3,28 davon ausgeht, dass das Erlösungswerk Christi an den Folgen des Sündenfalls für die Stellung der Frau etwas Grundsätzliches geändert hat, wie einige Ausleger dies tun (Spencer 1985, 26–42; Smith und Kern 2000, 22–25; Grenz und Kjesbo 1995, 99–107; Fee 2005, 172–185; Payne 2009, 79–104; Westfall 2016, 166–176; Felker Jones 2017, 24–30),24 oder ob man damit rechnet, dass Genesis 3,16 als „Notverordnung unter Sündenfallbedingungen“ (Martin Luther), als „Gesetz“ (Hempelmann 1997, 40–41.46) oder als Wiederherstellung der Schöpfungsordnung (Neuenhausen 2018, 42–43) weiterhin das Verhältnis zwischen Mann und Frau bestimmt und von der Erlösung in Christus nicht grundsätzlich berührt wird.

1.2.3 Die Wertung und Gewichtung einzelner biblischer Aussagen

Aus dem oben Gesagten lässt sich auch bereits erkennen, dass nicht nur die Einordnung von Schriftstellen an ihren heilsgeschichtlichen Ort, sondern auch ihre Gewichtung in der Gesamtschau das Ergebnis stark beeinflussen können. Es ist zum Beispiel ein wichtiger Unterschied, ob man 1. Korinther 11,8–9 als umfassende theologische Interpretation von Genesis 1 und 2 wertet (Strauch 2001, 30; Neuer 1993, 66; Piper 1991, 35), die Paulus auch in einer systematisch-theologischen Abhandlung zur Stellung der Frau so geschrieben hätte, oder als pointierte kurze, treffende Begründung seiner Argumentation im Rahmen einer spezifischen Anweisung an die Korinther (Keener 1992, 21–22.31; Fee 1996, 81–82).25 Ebenso bedeutend ist es, ob man bei Fragen nach dem Dienst der Frau in der Gemeinde die Aussage des Paulus in Galater 3,28 als klarste Stelle und grundsätzlichen Wegweiser wertet (Bruce 1982, 190; Groothuis 1997, 31–36, Fee 2005, 172–185) oder seine konkreten Anweisungen an die Korinther und Epheser (Piper 1991, 35; Neuer 1993, 107). Sogar innerhalb eines Abschnitts macht oft die Wertung einzelner Gedanken einen großen Unterschied: So betonen manche Autoren bei der Auslegung von 1. Korinther 11,13–16, dass Frauen in Korinth sehr wohl im Gottesdienst beten und weissagen durften und dabei lediglich ein Zeichen ihrer eigenen Autorität auf dem Kopf tragen sollten (Cunningham und Hamilton 2000, 177–179; Fee 2005, 142–160),26 von anderen dagegen wird die grundsätzliche Autoritätskette zwischen Mann und Frau als Schwerpunkt der Argumentation hervorgehoben (Neuer 1993, 104; Strauch 2001, 104–108)27 und das damalige Weissagen der Frauen im Gottesdienst als untergeordnete Bemerkung eingeordnet oder übergangen (Neuer 1993, 109; Strauch 2001, 104–112). D. Scholer mahnt diesbezüglich zu einer genuinen Ausgewogenheit (Scholer 1987, 416).

1.2.4 Die Unterscheidung zwischen überkulturell-normativen und kulturgebunden-deskriptiven Aussagen

Unter den bibelgläubigen konservativen Auslegern gibt es an dieser Stelle gleichzeitig eine grundsätzliche Übereinstimmung und eine unübersehbare Vielfalt der Meinungen im „exegetischen Bürgerkrieg“ um die Stellung der Frau: Übereinstimmung herrscht in der Einschätzung, dass die Heilige Schrift zur Rolle der Frau sowohl allgemein gültige, zeitlose als auch kultur- und zeitgebundene Aussagen enthält (Mickelsen 1989, 119) und dass es eine wichtige Aufgabe des Auslegers ist, zeitlose Wahrheiten von ihren kulturbezogenen Formen zu unterscheiden (Erickson 1998, 76). Die Vielfalt der Meinungen zeigt sich bei der konkreten Umsetzung dieser Aufgabe (Groothuis 1997, 41), und die Frage nach angemessenen hermeneutischen Leitlinien für diesen Prozess bewegt das theologische Denken unter Auslegern, die die Schrift als Autorität bewusst ernstnehmen, wie nie zuvor, ja ist zu einem „fundamentalen Anliegen der Hermeneutik“ geworden (Larkin 1988, 104–107).

Dies trifft in besonderer Weise auf die Anweisungen des Paulus zur Rolle der Frau in Ehe und Gemeinde zu. Im Spektrum der hermeneutischen Vorgehensweisen zu ihrer Auslegung steht auf der einen Seite die Auffassung, dass grundsätzlich alle Anweisungen, in denen nicht selbst eine Einschränkung formuliert ist, wörtlich übertragen und angewandt werden sollten (Foh 1989, 70).28 Folgt man dieser Auslegungsart, so führt das zu dem Ergebnis, dass die von Paulus betonte hierarchische Ordnung der Geschlechter mit der Unterordnung der Frau unter den Mann in Ehe und Gemeinde mitsamt ihren praktischen Konsequenzen für das Gemeindeleben bis hin zur geschlechtsspezifischen Kleiderordnung als zeitlos normativ festgelegt wird. Folgerichtig werden dann alle entsprechenden Anweisungen als „Frage von So spricht der Herr“ gesehen (Strauch 2001, 18), die schlichten und uneingeschränkten Gehorsam fordert und für weitere Diskussionen nicht offen steht. Gegen diese Sichtweise wird von anderen Auslegern vor allem die Schwierigkeit der Konsequenz in der Anwendung ins Feld geführt (Larkin 1988, 105; Johnston 1986, 35). In der Tat zeigt ein Blick auf verschiedene Auslegungen, dass die Grenzen der wörtlichen Anwendung sehr unterschiedlich gezogen werden. Die hauptsächliche Kritik an dieser Stelle richtet sich gegen die Willkürlichkeit und fehlende Konsistenz solcher Grenzziehung (Liefeld 1989, 129; Scholer 1986, 214; Westfall 2016, 206–207; Neuenhausen 2018, 17–19).

Auf der anderen Seite des hermeneutischen Spektrums unter „bibeltreuen“ Auslegern steht die Ansicht, dass Galater 3,28 die überkulturell und zeitlos gültige Aussage des Apostels Paulus zur erlösungsbedingten Beziehung zwischen Mann und Frau sei, die grundsätzlich eine Aufhebung aller sozialen Unterschiede zwischen ihnen impliziere (Longenecker 1984, 74–75; Smith und Kern 2000, 72–74; Johnston 1986, 31; Fee 2005, 172–185; Husbands 2007, 143–145). Alle spezifischen Anweisungen des Apostels an einzelne Gemeinden werden nun im Licht dieses Prinzips ausgelegt als praktische Anweisungen in einer konkreten Situation. Ergebnis einer solchen Auslegungsweise ist dann eine Betonung der grundsätzlichen Gleichrangigkeit zwischen Mann und Frau aufgrund der Erlösung. Die hierarchische Ordnung, die in den Anweisungen des Paulus zum Ausdruck kommt, wird als Spiegel der gesellschaftlichen Situation seiner Zeit gesehen, in die der Apostel sie hineingibt, ohne dabei sein grundsätzliches Anliegen der Gleichrangigkeit zwischen Mann und Frau preiszugeben.29 Der Haupteinwand gegen diese Art der Auslegung ist die Furcht vor einer Relativierung von biblischen Texten und infolgedessen der Unterminierung der Autorität der Heiligen Schrift (Liefeld 1989, 112).

Zwischen diesen beiden hermeneutischen Grundpositionen gibt es viele Zwischenstufen. Nach dem derzeitigen Stand der Diskussion scheint Susan Foh recht zu haben, wenn sie es für unwahrscheinlich hält, dass es unter den Auslegern zur „Frauenfrage“ je eine Einigung geben wird (Foh 1989, 162). Der Weg dorthin kann nur über ein weiteres ehrliches Ringen um „die ursprüngliche Absicht der Texte“ gehen, die „die einzig angemessene Kontrolle für hermeneutische Aussagen“ (Fee 1996, 26) darstellt.

1.3 Das Spannungsfeld theologischer Entscheidungen

Wie bereits angedeutet, stehen im Hintergrund der beschriebenen hermeneutischen Entscheidungen theologische Fragestellungen, die zum Teil sehr grundsätzlich in das Verständnis der Heiligen Schrift und ihrer Auslegung hineinreichen. Da die „Frauenfrage“ in manchen Kreisen geradezu als „Testfall“ angesehen wird, an dem das Verhältnis eines Auslegers zur Heiligen Schrift gemessen wird, hängt ihr diesbezüglich ein besonderes Gewicht an.30 Aber auch andere theologische Vorentscheidungen stehen im Hintergrund der Diskussion in dieser sensiblen Frage. Ein Blick auf diesen Hintergrund soll die Reichweite der Problematik aufzeigen.

1.3.1 Die Autorität der Heiligen Schrift bei der Auslegung ihrer Anweisungen

Hinter dem Ringen um den hermeneutischen Zugang zum umstrittenen Frauenthema steht bei vielen bibeltreuen evangelischen Theologen eine tiefe Sorge um die Unversehrtheit der „unabhängigen“ Autorität (McQuilkin 1984, 230) der Heiligen Schrift als Wort Gottes angesichts des zunehmenden kulturellen Relativismus in der Hermeneutik.31 Robertson McQuilkin brachte diese Sorge auf dem zweiten internationalen Kongress des International Council on Biblical Inerrancy 1982 in Chicago stellvertretend für viele zum Ausdruck (McQuilkin 1984, 219–240).32 Er stellte dabei die These auf, dass die volle Autorität der Schrift nur dann bewahrt bleibe, wenn jede Anweisung in ihr als universal gültig angesehen werde, solange die Schrift selbst sie nicht begrenze (McQuilkin 1984, 228). Dabei ist für ihn „the plain meaning“, also die offensichtliche, wörtliche Bedeutung eines Textes wegweisend (McQuilkin 1984, 221; Larkin 1988, 118). Eine entgegengesetzte Sorge äußerte Alan F. Johnson in seiner Antwort an McQuilkin, die ebenso stellvertretend für die Meinung einer großen Zahl bibeltreuer evangelischer Theologen steht (Johnson 1984, 257–282). Er verwarf die These McQuilkins als zu „reduktiv“ und nicht schriftgemäß. Aus seiner Sicht wird die Bedeutung eines Textes, entsprechend dem Wesen der Heiligen Schrift als Gottes Wort und Menschenwort, erleuchtet und mitbestimmt durch sein gesamtes literarisches, kulturelles und geschichtliches Umfeld. Die ursprüngliche Absicht des Textes könne dementsprechend nur im engen Zusammenhang mit diesem ermittelt werden. Er bezeichnete es seinerseits als Unterminierung der Autorität der Heiligen Schrift, wenn eine ihrer spezifischen Anweisungen an Glaubende in der Welt des Hellenismus im ersten Jahrhundert zu einem universal gültigen Prinzip erhoben werde und die Schrift deshalb in einem anderen Kontext an Glaubwürdigkeit und Relevanz verlöre (Johnson 1984, 277). In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Diskussion um die schriftgemäße Rolle der Frau, wenn es um die Auslegung der Anweisungen des Apostels Paulus geht.33 G. Fee und J. Stott weisen darauf hin, dass dieses Spannungsfeld dem Wesen der Heiligen Schrift entspreche und seinen Grund in der Beziehung zwischen ihrer Inspiration und Inkarnation habe. Beide warnen vor dem Versuch, diese Spannung nach der einen oder anderen Seite auflösen zu wollen (Fee 1990, 24–25; Stott 1981, viii).

Erweitert wird dieses Spannungsfeld noch durch die kontroverse missiologische Debatte um die Bedeutung, die im hermeneutischen Prozess der Zielkultur zukommt, in die hinein die Schrift ausgelegt wird. Diese Diskussion wird vor allem in missionsorientierten Kreisen seit dem Lausanner Kongress für Weltmission 1974 intensiv geführt (Stott 1981, vii). Während die meisten evangelischen Missionare die große Bedeutung erkennen, die das kulturelle Umfeld der Hörer für die Auslegung der Schrift, vor allem in ihren ethischen Anweisungen, hat und haben sollte (Kraft 1979; Padilla 1981, 65; Hiebert 1985, 54–55; Inch 1982, 18), wird gleichzeitig auch hier immer wieder auf die Gefahr der Relativierung der biblischen Botschaft durch kulturelle Elemente hingewiesen (McQuilkin 1984, 222–223; Nicholls 1979, 53–56). Für den Übersetzungsprozess des unveränderlichen Evangeliums in spezifische kulturelle Formen, die für die Hörer verständlich und relevant sind, hat sich der Begriff Kontextualisierung durchgesetzt.34

Da die Rollenverteilung von Mann und Frau ein Kulturmerkmal ist, wird jede Volksgruppe an dieser Stelle eigene Fragen an die biblischen Aussagen herantragen, die zum Beispiel in einer vorwiegend muslimischen Gesellschaft anders lauten werden als in einer westlich geprägten Kultur. Die Auslegung der Schrift zur „Frauenfrage“ ist also auch von diesem Ringen um die Treue zum Inhalt der Heiligen Schrift bei gleichzeitiger Relevanz in der Kultur der Hörer in besonderer Weise betroffen, das P. Hiebert so beschreibt: „Eine christliche Theologie hat einen Fuß in der biblischen Offenbarung und den anderen im historischen und kulturellen Kontext der Menschen, die die Botschaft hören“ (Hiebert 1985, 19). Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Frauenthematik auch im Rahmen der „Lausanner Konsultation“ 1978 in Willowbank/Bermudas zur theologischen Standortbestimmung über das Verhältnis von Evangelium und Kultur immer wieder präsent war (Kraft 1981, 228–229; Taber 1981, 90–91; Krass 1981, 251), obwohl man eine Diskussion dieses kontroversen Themenkomplexes dort bewusst ausgespart hatte (Willowbank Report 1981, 315).

1.3.2 Das Selbstverständnis des Auslegers im hermeneutischen Prozess

In engem Zusammenhang mit der beschriebenen Problematik um die Autorität der Heiligen Schrift als Gottes Wort und Menschenwort steht ein weiterer wichtiger Einflussfaktor in der Auseinandersetzung um die schriftgemäße Rolle der Frau: das Selbstverständnis des Auslegers im hermeneutischen Prozess. Einerseits rechnet jeder ernsthafte Ausleger mit der Erleuchtung durch den Heiligen Geist, die dem an Christus Gläubigen zugesagt ist (1Kor 4,14–16), andererseits weiß er um seine Menschlichkeit, die seine Objektivität einschränkt und ihn die Schrift durch einen Filter von vielerlei Vorprägungen verstehen lässt.

In diesem Spannungsfeld bewerten verschiedene Ausleger ihre Funktion und Position im hermeneutischen Prozess unterschiedlich und damit auch das Gewicht ihrer Auslegung. Einige betonen die sichere Führung durch den Heiligen Geist und leiten dementsprechend aus der Autorität der Schrift die Autorität und Zuverlässigkeit ihrer Auslegung ab. Die eigene Voreingenommenheit wird bei dieser Sicht als entsprechend unbedeutend bewertet.35 Unterschiedliche Auslegungen werden in diesem Kontext leicht zur Frage von Wahrheit gegen Irrtum, Gehorsam gegen Ungehorsam oder „Geistlichkeit“ gegen „Ungeistlichkeit“, was gerade bei der emotional aufgeladenen Diskussion um die Stellung der Frau die Auseinandersetzung verschärft (Liefeld 1989, 113). Auf der anderen Seite des Spektrums betonen Ausleger die menschlichen Grenzen der Objektivität. Sie gehen davon aus, dass der menschliche Ausleger so sehr von seinem theologischen und soziokulturellen Erbe geprägt wird, dass es eine einzige endgültige, autoritative Interpretation der Heiligen Schrift gar nicht gibt (Larkin 1988, 99–100; Groothuis 1994, 154).36

Bei der Fragestellung nach Wesen, Rolle und Funktion der Frau müssen solche menschlichen Faktoren in besonderer Weise erwartet werden (Johnston 1986, 34–35). So werden zum Beispiel bereits das Geschlecht des Auslegers und seine jeweiligen Erfahrungen mit Vertretern des anderen Geschlechts stets präsente Einflussfaktoren auf sein Verständnis der entsprechenden Schriftstellen sein. Eine fast ebenso einflussreiche Komponente wird das Konzept des Auslegers über Autoritätsstrukturen sein, das wiederum eng zusammenhängt mit der Geschichtsepoche und dem sozialen Umfeld, das ihn geprägt hat. Auch die eigene Gemeindetradition wird ein Einflussfaktor sein. David Scholer kommt gerade im Zusammenhang mit dem „Frauenthema“ zu dem Schluss: „Die Vorstellung von einer wahrhaft objektiven Bibelauslegung ist ein Mythos“ (Scholer 1986, 215).

1.3.3 Die Bewertung des Beitrags von Natur- und Humanwissenschaften zu theologischen Fragestellungen