Frei und auf den Beinen und gefangen will ich sein - Paul Eisewicht - E-Book

Frei und auf den Beinen und gefangen will ich sein E-Book

Paul Eisewicht

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Beschreibung

"Das Maß aller Dinge der Indie-Szene sind Natürlichkeit, Ehrlichkeit, Authentizität. Die Konstruktion der Authentizität ist jedoch ein bisweilen mühsamer Prozess." Der Anspruch dieser außergewöhnlichen Studie war nicht weniger als "eine möglichst präzise Beschreibung und das Verstehen der zentralen Handlungspraktiken und sozialen Mechanismen der Indie-Szene". Das nun vorliegende Werk - die erste sozialwissenschaftliche Buchpublikation zur Indie-Szene überhaupt - ist mehr: ein motivierendes Beispiel dafür, was eine moderne, ihren Untersuchungsgegenstand ernst nehmende Jugendkulturforschung zu leisten vermag. "Endlich soziologisch erforscht: die Indie-Szene.Wenn sich die Soziologie popkulturellen Phänomenen widmet, sind es meistens welche, deren Anhänger stark auffällig sind - sei es äußerlich, sei es durch Gewalt oder Drogenkonsum, sei es durch schiere Masse. Oft klingt zwischen den Zeilen eine Sorge um die Jugend durch, manches wird unter "Abweichendes Verhalten" subsumiert. Um die Leute, die in die Indie-Disco gehen und die entsprechenden Konzerte besuchen, muss man sich eher nicht so viel Sorgen machen, aber erkennen und unterscheiden kann man sie schon - also kann man sie auch soziologisch beschreiben. Das haben Paul Eisewicht und Tilo Grenz getan. (...)Die Abgrenzung vom Mainstream ist natürlich wichtig, aber zunehmend kompliziert: "Wieder eine tolle Band an die Massen verloren", klagt eine Interviewte über den Erfolg von Snow Patrol. Und der Wert der Natürlichkeit wird mit großem Stylingaufwand hergestellt, die Haare kunstvoll verwuschelt. Harmonie ist wichtig, wenig Konflikte mit den Eltern. Schön auch, mal ein Schaubild zu sehen, in dem die szeneinternen Abgrenzungen von "Fakes" und "Indie-Spießern" hergeleitet werden. Wer als Indie-Anhänger ein bisschen Toleranz für soziologischen Jargon aufbringt, wird bei der Lektüre hübsche Momente des (Selbst-) Erkenntnisgewinns haben." Felix Bayer in: Musikexpress

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Die Autoren:

Paul Eisewicht, geboren 1983, und Tilo Grenz, geboren 1981, sind Diplom-Soziologen und studierten beide bis 2008 an der Technischen Universität Dresden Soziologie, Sozialpsychologie und Sozialpädagogik. Im selben Jahr begannen sie ihre Arbeit am Institut für Soziologie, Medien- und Kulturwissenschaft des heutigen Karlsruher Institut of Technology am Lehrstuhl für Soziologie unter besonderer Berücksichtigung des Kompetenzerwerbs bei Prof. Michaela Pfadenhauer.

Das vorliegende Buch ist die in Teilen abgeänderte und verkürzte Form der von uns an der Technischen Universität Dresden im Jahre 2008 gemeinsam eingereichten Diplomarbeit „Indie – Eine Form (post)moderner Vergemeinschaftung?‘“. Dieses Buch, das legt die in vieler Hinsicht so schnelllebige Szene bereits nahe, muss als eine Momentaufnahme verstanden werden, als eine Geschichte, deren Vervollständigung, Weitererzählung und auch Kritik dem interessierten Leser obliegt. Diese Einschränkungen sollen uns jedoch nicht etwa aus der Affäre naheliegender Diskussionen und Beanstandungen ziehen.

Für die Möglichkeit zur Veröffentlichung gilt dem Archiv der Jugendkulturen e.V. unser besonderer Dank. Für die Ermunterung zur Publikation überhaupt und für sein herzliches Engagement in unserer Sache schulden wir Ronald Hitzler größten Dank. Für ihren Zuspruch und die Hilfe bei der Zusammenstellung des Fotomaterials danken wir Richard Kämmert, Helen Hart und Friederike Haupt.

„FREI UND AUF DEN BEINENUND GEFANGEN WILL ICH SEIN.“

ÜBER DIE „INDIES“

Wissenschaftliche Reihe, Band 5

Originalausgabe© 2010 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, BerlinAlle Rechte vorbehalten1. Auflage März 2010

Herausgeber:Archiv der Jugendkulturen e.V.Fidicinstraße 3, D – 10965 BerlinTel.: 030 / 694 29 34; Fax: 030 / 691 30 16E-Mail: [email protected]

Vertrieb für den Buchhandel: Bugrim (www.bugrim.de)Auslieferung Schweiz: Kaktus (www.kaktus.net)Privatkunden und Mailorder: www.jugendkulturen.de

Lektorat: Silke EckertUmschlaggestaltung und Layout: Conny Agelunter Verwendung eines Fotos von Meaghan Rahamut, FlickrTitel-Zitat: Die Sterne: Gesprächs-Collage (1997)Druck: werbeproduktion bucherISBN Print: 978-3-940213-53-2ISBN E-Book: 978-3-940213-82-2

Das Berliner Archiv der Jugendkulturen e. V. existiert seit 1998 und sammelt – als einzige Einrichtung dieser Art in Europa – authentische Zeugnisse aus den Jugendkulturen selbst (Fanzines, Flyer, Musik etc.), aber auch wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte etc., und stellt diese der Öffentlichkeit in seiner Präsenzbibliothek kostenfrei zur Verfügung. Darüber hinaus betreibt das Archiv der Jugendkulturen auch eine umfangreiche Jugendforschung, berät Kommunen, Institutionen, Vereine etc., bietet jährlich bundesweit rund 120 Schulprojekttage und Fortbildungen für Erwachsene an und publiziert eine eigene Zeitschrift – das Journal der Jugendkulturen – sowie eine Buchreihe mit ca. sechs Titeln jährlich.

Das Archiv der Jugendkulturen e. V. legt großen Wert auf eine Kooperation mit Angehörigen der verschiedensten Jugendkulturen und ist daher immer an entsprechenden Reaktionen und Material jeglicher Art interessiert. Die Mehrzahl der Archiv-MitarbeiterInnen arbeitet ehrenamtlich. Schon mit einem Jahresbeitrag von 48 Euro können Sie die gemeinnützige Arbeit des Archiv der Jugendkulturen unterstützen, Teil eines kreativen Netzwerkes werden und sich zugleich eine umfassende Bibliothek zum Thema Jugendkulturen aufbauen. Denn als Vereinsmitglied erhalten Sie für Ihren Beitrag zwei Bücher Ihrer Wahl aus unserer Jahresproduktion kostenlos zugesandt.

Weitere Infos unter www.jugendkulturen.de

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort von Professor Karl Lenz

Danksagung der Autoren

1.        Einleitung

I.         THEORETISCHE GRUNDLAGEN & AKTUELLE PERSPEKTIVE

2.        Zugang zum Begriffsfeld: Gesellschaft, Gemeinschaft, Szene

2.1      Das Projekt der Vergemeinschaftung – eine Hinführung

2.2      Die anderen „Modernen“ und die Folgen für den Menschen

2.3      Biologisch abbaubares Plastik – Gemeinschaftsprojekte revisited

2.4      Szenen als Formen gegenwarts-gesellschaftlicher Vergemeinschaftung

2.5      Szenen und Jugend

2.6      Szenen als Erlebnis- und Identitätsprojekte – einige Anmerkungen

3.        Aktuelle Szeneforschung – ein prominentes Beispiel

3.1      Indie und Szeneforschung?

3.2      Die Szenekartographie nach Hitzler, Bucher, Niederbacher

II.        DURCHFÜHRUNG DER STUDIE

4.        Die Zielsetzung und Forschungsfragen

5.        Die Grounded Theory als Methodologie und Methode

5.1      Hinführung und Vorannahmen

5.2      Das Begriffswerk und die Verfahrensschritte

5.3      Praktische Hinweise zur Eignung der Grounded Theory

5.4      Das Experteninterview

5.5      Zur Eignung des Experteninterviews im Rahmen der Grounded Theory

6.        Anmerkungen zur Datenerhebung und -auswertung

6.1      Überlegungen zur Forschungsökonomie

6.2      Der Expertenstatus und Interviewakquise

6.3      Das leitfadengestützte offene Interview

6.4      Vorstellung der geführten Interviews

III.       ZUR HERSTELLUNG VON ZUGEHÖRIGKEIT IN DER INDIE-SZENE

7.        Abstract

8.        Was ist überhaupt Indie?

8.1      Streifenshirt und Strokes im Ohr – persönliches Vorwissen

8.2      Die Begriffsbedeutung

8.3      Was bedeutet Pop?

8.4      Die geschichtliche Entwicklung von Indie

9.        Die Gesellung in der Szene, ihr soziales Profil und Zugangsmöglichkeiten

9.1      Über die Aspekte der allgemeinen Gesellung

9.2      Die Szene als sozialer Ort und die Möglichkeiten des Zugangs

9.3      Die individuelle Szeneorientierung – zwischen personal und kollektiv

10.      Das Weltbild des Indie

10.1     Die Rolle der Werte und Einstellungen.Der Indie zwischen Natürlichkeit und Erlebnis

10.1.1 Der Zusammenhang von globalen Werten, Einstellungen, Szene und lokalen Szenegemeinschaften

10.1.2 Eine Zusammenschau globaler Indie-Werte

10.2     Die Bezugs- und Verbreitungsmedien

10.2.1 Von tanzbar bis melancholisch – die Musik

10.2.2 Von abgetragen bis schick und immer authentisch – die Kleidung

10.2.3 Die Verbreitungsmedien

10.3     Abgrenzungsmotive

10.3.1 Der Mainstream – die Infragestellung eines bekannten Unbekannten

10.3.2 Die Abgrenzungen von den Lebensstilen anderer Gruppen

10.3.3 Die Distanz der Szene zu sich selbst

11.      Die Routinen und Strategien des Zugehörigkeitsmanagements

11.1    Indie-Mädchen und -Jungen – Geschlecht als Orientierungsmuster

11.2    Der vertraute Fremde – das Kontaktverhalten

11.3    Freund und Indie oder Indie und Freund – das Beziehungsverhalten

11.4    Gespräche als Mittel der Zugehörigkeits-bekundung und -positionierung

11.5    Die Bezugsmedien – Beschaffung und Rezeption von Kleidung und Musik

11.5.1 Der kleine Laden um die Ecke und der Großmarkt nebenan – zur Beschaffung

11.5.2 Intensive Recherche und ausgelassener Tanz – zur Rezeption

11.5.3 Musik und Kleidung zwischen Suche und Schöpfung – Verschränkungen von Beschaffung und Rezeption

11.5.4 Der Kreislauf von Verfügung, Rezeption und Recherche

12.     Die Typologie des Zugehörigkeitsmanagements

12.1    Orientierung, Rezeption und Darstellung – eine Zusammenschau

12.2    Entfaltung der Typologie am Beispiel der Musikrecherche

12.3    Kurzcharakterisierung der Typen des Zugehörigkeitsmanagements

13.     Stabilität, Mobilität und Entwicklung als Folgen des Zugehörigkeitsmanagements

13.1    Zur Grundlage der Reaktualisierung

13.2    Status und Verlauf als Prozesse der innerszenischen Mobilität

13.2.1 Der Status als Ergebnis kommunikativer Wissensbekundungen

13.2.2 Der Verlauf – „typische“ Entwicklungsphasen und -wege

13.3    Vermassungs- und Kommerzialisierungserscheinungen innerhalb der Szene – ein Wandel?

13.3.1 Allgemeine Hinweise zum Wandel

13.3.2 Handlungspraktische Ursprünge der Vermassung und Kommerzialisierung

13.3.3 Vormarsch und Rückzug – unterschiedliche Reaktionen auf den Szenewandel

IV.        SCHLUSSBETRACHTUNG

14.     Indie im Anschluss an die Szeneforschung

14.1    Ist Indie eine Szene?

14.2    Sind Szenen gleich Szenen?

14.3    Individualisierte Szene – riskante Vergemeinschaftung

15.     Qualitätssicherung, Limitierung und Ausblick

15.1    Einige Worte zur Qualitätssicherung

15.2    Limitierung und Ausblick

16.     Epilog

16.1    Zusammenfassung

16.2    Schlussbemerkungen

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

VORWORT VON PROFESSOR KARL LENZ

Als Paul Eisewicht und Tilo Grenz das erste Mal zu mir kamen, um ihr geplantes Diplomarbeitsthema vorzustellen, musste ich meine Unkenntnis eingestehen. „Indies? Was ist das für eine Jugendkultur?“ Sicherlich mag dazu beigetragen haben, dass ich mich aus dem Gebiet der Jugendforschung, in dem meine Dissertation angesiedelt war, schon seit zwei Jahrzehnten verabschiedet habe. Ich vermute aber, dass jenseits der aktiven SzenenforscherInnen auch heute viele noch mit einer ähnlichen Frage reagieren, wenn sie dieses Buch in die Hand nehmen. Mir konnte damals gleich Aufklärung geboten werden. Schon am Anfang ihrer Diplomarbeit, als diese eine bloße Idee war, waren die beiden Autoren im hohen Maße kundig und gaben mir einen informativen ersten Einblick in diese Vergemeinschaftungsform. Mit Indie griffen die beiden Autoren eine Jugendszene und damit ein teilkulturelles Phänomen auf, welches sich trotz seiner jugendkulturellen Popularität bis dato der neuen wissenschaftlichen Forschung entzogen hat. „Indie“ leitet sich – ich lernte es und gebe es gerne weiter – von dem englischen Wort „independent“ ab. Angezeigt wird mit diesem Namen ein Code, der auf Unabhängigkeit, Eigenständigkeit, Selbstorganisation und Selbstständigkeit abzielt. Abgelehnt wird alles – in der Musik und in der Lebensführung –, was massenhaft, allseits bekannt und nicht authentisch ist, also nicht als Ausdruck von Individualität gedeutet werden kann.

In vielen Diskussionsrunden während der Bearbeitung erweiterte sich mein Kenntnisstand. Weit übertroffen wurde dies alles allerdings dann durch das Lesen der fertigen Diplomarbeit. Zuerst schon mal rein quantitativ: Das Gemeinschaftswerk, das für mich ein Musterbeispiel einer gegenseitigen intellektuellen Anregung und Befruchtung ist, umfasste in der vorgelegten Form gut 250 Seiten. Hinzu kam ein Anhang, der sich über 400 Seiten erstreckte und umfangreiche Arbeitsmaterialien umfasste. Aber noch viel wichtiger war die Qualität: Trotz der begrenzten Bearbeitungszeit für eine Diplomarbeit gelang es den beiden Autoren, eine dichte Beschreibung der untersuchten Szene zu präsentieren, die schlicht beeindruckt. Wer dieses Buch liest, bekommt nicht nur einen Einblick in die Szene, sondern erfährt zugleich auch, wie aufschlussreich eine theoretisch inspirierte soziologische Analyse einer Vergemeinschaftungsform sein kann.

Die vorliegende Arbeit ragt weit über das zu erwartende Niveau einer Qualifikationsarbeit hinaus. Aus diesem Grunde begrüße ich sehr, dass diese Studie nunmehr veröffentlicht werden kann. Durch die freundliche Unterstützung des Verlags des Archivs der Jugendkulturen e.V. in Berlin können Paul Eisewicht und Tilo Grenz ihre umfangreiche Forschung einem größeren Leserkreis zugänglich machen und diesem geben, was sie mir gegeben haben: einen kompetenten Einblick in eine fremde Welt. Für die Veröffentlichung wurde die Arbeit überarbeitet und komprimiert. Auch wurde sie durch eine Reihe illustrativer Fotografien erweitert, die die Analyse der Indie-Szene visuell bereichern.

Für ihre Forschungsarbeit und ihre herausragenden Studienleistungen wurden die beiden Autoren im letzten Jahr an der Technischen Universität Dresden mit der Viktor-Klemperer-Urkunde ausgezeichnet, die jeweils an die besten 2% der AbsolventInnen eines Studienganges verliehen wird. Dass herausragende Studienleistungen auch den Berufseinstieg erleichtern, haben die beiden Autoren ebenfalls unter Beweis gestellt. Unter hohem Zeitdruck mussten sie ihre letzten Prüfungen absolvieren, um eine bereits in Aussicht gestellte Stelle an der Universität Karlsruhe rechtzeitig antreten zu können. Da sie – wie schon bei der Erarbeitung dieser Studie – im „Doppelpack“ bei Michaela Pfadenhauer eine Stelle antreten konnten, können sie auch weiterhin gemeinsam an ihrem Themenfeld der Szenen- bzw. Vergemeinschaftungsforschung weiterarbeiten. Ich wünsche diesem Buch viele begeisterte Leser, von denen ich der erste sein dürfte. Auch bin ich sicher, dass die soziologische Kreativität beider Autoren uns noch manches zu lesen geben wird, worauf ich mich schon jetzt freue.

DANKSAGUNG DER AUTOREN

Nach teils abenteuerlichen Reisen, äußerst spannenden Gesprächen, lehrreichen Erfahrungen, langen, bis tief in die Nacht geführten Diskussionen, durchaus an die Substanz gehenden Kontroversen, unter denen auch unser Umfeld mitunter leiden musste, und mehr denn je fasziniert von der praktischen Sozialforschung, können wir nun diese Arbeit vorlegen. Wir hoffen, an ihr gewachsen zu sein und fühlen uns, wenigstens ein bisschen, gereift.

Für die gesamte Betreuung, das Führen auf den richtigen Weg und ein immer offenes Ohr danken wir in erster Linie Herrn Professor Karl Lenz sowie PD Gabriela Christmann. Besonders aufschlussreich, auch wegen der thematischen Nähe seiner eigenen Forschungsarbeit, waren die Gespräche mit Sebastian Schröer. Da wir sicher ohne die Ausführungen von Professor Ronald Hitzler während des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie nicht auf das spannende Feld der Szeneforschung aufmerksam geworden wären, gilt natürlich auch ihm großer Dank. Für den immer wieder anregenden Meinungsaustausch und ermunternden Beistand möchten wir uns bei Martin Förster und Frank Nicht bedanken. Paul Eisewicht dankt seiner gesamten Familie für die liebevolle Unterstützung in jeglicher Hinsicht während der Arbeit und darüber hinaus. Für ihr unermüdliches Engagement und den Beistand in allen Phasen dieser Arbeit als bedingungslose Begleiterin dankt Tilo Grenz seiner Freundin und Frau Natascha.

Aber allen voran gilt der höchste Dank den ungemein freundlichen und zugänglichen Menschen, welche allesamt auskunftsbereit und begeistert mit uns gesprochen und uns mit in ihre Welt des Indie genommen haben. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.

Karlsruhe, Oktober 2009Paul Eisewicht & Tilo Grenz

1. EINLEITUNG

Die Argumente nahezu jeder sozialwissenschaftlichen Gegenwartsdiagnostik lehnen sich in vielgestaltigen Ableitungen an die schon fast schlagwortartig hervorgebrachten Prozesse der gesellschaftlichen Individualisierung und Pluralisierung an. Der Mensch der wie auch immer zu bezeichnenden Moderne sieht sich aus vormalig vertrauten, traditionalen Selbstverständlichkeiten der bestimmten Arbeits-, Sozial- und Lebensformen entlassen. Der Verlust verlässlicher, gleichermaßen umfassender wie alltäglicher Orientierungsmuster geht mit seiner (potenziellen) biografischen Alleinstellung einher. Gleichzeitig sieht sich der moderne Akteur nun einer Vielzahl unterschiedlichster Weltanschauungen und möglichen Handlungsweisen gegenüber. Welchen Berufsweg man etwa einschlägt, welche persönliche Lebensform man wählt, was in den Alltagsinteraktionen als richtig, was als falsch gelten kann, welches Wissen, welche Kenntnisse, welche Fähigkeiten sich später als notwendig erweisen sollen – all diese Entscheidungen sind potenziell aus dem vormals verlässlichen Definitionsbereich gesellschaftlicher Garantien in den unmittelbaren Aushandlungsbereich (biografischer Bastlerei) des Einzelnen verschoben und damit prinzipiell in Disposition. Individuelle Freisetzung und Entscheidungs- bzw. Positionierungszwang sind somit als zwei unmittelbar verschränkte Prozesse zu verstehen.

Diese unbedingte Freisetzung stößt jedoch an ihre Grenzen, indem sie offenbar zu einer Sehnsucht nach Sicherheit in neuem gemeinschaftlichem Zusammenleben führt. Denn die allumfassende Erosion der lange Zeit unhinterfragten Selbstverständlichkeiten betrifft ganz nachhaltig auch die früheren Garanten der individuellen gesellschaftlichen Orientierung, vor allem die dominierenden klassenkulturellen und konfessionellen Institutionen. Die aus den individualisierten Lebenslagen erwachsenden Unbestimmtheiten und Unsicherheiten des Einzelnen gehen also über die nun unüberschaubare Pluralität der Lebensformen und -stile, mit der Entscheidung für unterschiedliche Gesellungsformen einher. Über jene binden sich die Menschen in zunehmendem Maße an neue Gemeinschaftsprojekte, neu abgesteckte Sinnwelten unterschiedlichster Couleur, welche durch die individuelle, freiwillige Zuordnung zu mehr oder weniger verlässlichen Koordinaten der alltagsweltlichen Handlungs- und Deutungsversicherung avancieren.

Vor diesem Hintergrund erfahren die westlichen Gegenwartsgesellschaften einen regelrechten Boom dieser partiellen, freizeitlichen Gesinnungsgemeinschaften. Sie vermögen, häufig über maßgeblich ästhetisch-konsumptorische Angebote, den ungewissen Zustand der Einzelstellung des Menschen (sinnhaft) regelrecht zu überfärben. Das bedeutet, diese Gemeinschaftsprojekte verleihen eine zumindest zeitweilige Gewissheit. Der Begriff der Szenen ist hierbei ein prominenter Verweis auf eine charakteristische Form jener gegenwärtigen Gemeinschaftsprojekte. Beispiele sind dabei die Techno-Szene, die Rollenspieler oder die Sportkletterer. Die mitunter sogar mehrfachen Zugehörigkeiten in diesen Gemeinschaften bzw. zumindest die Orientierungen an kulturellen Symbolvorräten und Verhaltensmustern appellieren an eine notwendig eigenverantwortliche Selbstorganisation. Somit lässt sich treffend von einer individualisierten Vergemeinschaftung sprechen.

Wir leben also in einer Zeit, welche infolge der individuellen Freisetzung und der massiv pluralisierten Lebensstile und Weltanschauungen die selbstbestimmte Entscheidung, personale Einzigartigkeit und (inter)aktive Autonomie zum kulturellen Leitbild schlechthin kürt. Mit Blick auf die zahlreichen Szenestudien scheint es jedoch ganz besonders verwunderlich, dass ausgerechnet jenes Gemeinschaftsprojekt, welches sich die eigene und gleichermaßen kollektive Individualität expressis verbis auf die eigene Namensfahne schreibt, noch keiner sozialwissenschaftlichen Untersuchung unterzogen wurde.

Was ist in einer Zeit unzähliger Lebensstile und Moden überhaupt noch individuell und populär?

Gemeint ist das sich selbst, in Abkürzung des englischen Wortes Independent, als Indie-Szene bezeichnende Gemeinschaftsprojekt. Dieses drückt sich durch einen relativ einheitlichen Lebensstil und eine charakteristische Alltagspraxis aus, spätestens seit seinem Durchbruch in Deutschland mit etwa der Jahrtausendwende. Dabei basiert interessanterweise die Mitglieds- und Kollektivzuordnung, nämlich Indie zu sein, entlang des Kodes der Unabhängigkeit ausdrücklich auf Eigenständigkeit, Selbstorganisation und Selbstständigkeit. Maßgeblich über den thematisch zentralen Musikdiskurs wird sich hier von allem abgegrenzt, was szeneintern als nicht authentisch, nicht unabhängig, massenhaft, allseits bekannt und demnach als nicht eigenständig gedeutet wird. Jedoch, was ist in einer Zeit unzähliger, differenzierter, paralleler Weltanschauungen, Lebensstile und Moden, Wertevorräte und Verhaltensweisen überhaupt noch bzw. schon nicht mehr individuell und populär? Nun ist es zudem so, dass diese mannigfachen kulturellen „Taktgeber“ ganz und gar nicht nur „unter sich“ oder gar verdeckt existieren. Vielmehr muss man sich außerdem das allgegenwärtige Wirken (massen)medialer Präsentationen, Inszenierungen und Selbstdarstellungen dieser verschiedenartigen Anschauungen vor Augen halten, um das Ausmaß der beschriebenen Pluralität halbwegs zu fassen. Und vor all dem erlegt sich die Indie-Szene, scheinbar vermessen, den Zwang stetiger Grenzrealisierung gegenüber einem derartig vielgestaltigen Antipoden auf, welcher jedoch unmittelbar aus der Flüchtigkeitslogik der Gegenwartsgesellschaft selbst erwächst: dem Mainstream.

Vor diesem faszinierenden Kontext der Selbstpositionierung der Indie-Szene interessierte die vorliegende Forschungsarbeit in allererster Linie, was überhaupt in dieser Gemeinschaft vor sich geht. Dabei sollte mit gleichsam kultivierter Naivität und vor allem möglichst unbeeinflusst von betreffenden Konzeptionen aus der soziologischen Literatur das Handlungsfeld der Indie-Szene erschlossen werden. Diese sollte, mit Blick auf die Mitglieder, in ihren wichtigen Merkmalen detailliert beschrieben und hinsichtlich zentraler Mechanismen bzw. typischer Handlungspraktiken erklärbar werden.

Daher ist der in der Ergebnisdarstellung verwendete Szenebegriff zunächst nicht an das existente, soziologische Begriffskonstrukt angelehnt, sondern entspringt in erster Linie der Eigenbeschreibung der Handlungsfeldakteure. Es ist also ausdrücklich keine Ausgangshypothese der vorliegenden Forschung, dass es sich bei Indie um eine Szene nach den in der einschlägigen Literatur spezifizierten Definitionsmerkmalen handelt. Die Verwendung des Begriffs im Präsentationsteil der Studie orientiert sich zwangsläufig an einer Minimaldefinition, welche die Indie-Szene als ein aktuelles teilkulturelles Gesellungsphänomen auffasst. In diesem Ansinnen ist es dabei fast schon Indie, dass hierbei eine Literatur-unabhängige und dem Phänomen eigenständig beikommende, nicht-standardisierte methodische Vorgehensweise zur Anwendung kommen musste. Denn vielmehr soll erst in einem zweiten Schritt in einem eigenständigen Zusatz, und dann mit fundiertem Blick auf das eigenständig erforschte Gemeinschafts-Phänomen, ein Abgleich mit der bekannten Vergemeinschaftungs- bzw. Szenekonzeption im Fach angedeutet werden.

Die vorliegende Arbeit besteht im Kern aus der vorzustellenden empirischen Studie, d. h. aus den gewonnenen Erkenntnissen zum Phänomen Indie. Darüber hinaus ist eine theoretische Klammer eingefügt worden, welche versucht, den Leser bereits im Vorfeld mit dem einschlägigen Diskurs der soziologischen Gemeinschafts- und Vergemeinschaftungskonzeptionen im Allgemeinen und dem spezifischen Modell der Szenen als eine Form gegenwärtiger Vergemeinschaftung im Besonderen, vertraut zu machen. Im Rahmen einer Ergebnisbesprechung soll dann ein kritischer Abgleich zwischen den empirisch gewonnenen Erkenntnissen und den im Vorfeld vorgestellten Diagnosen und Modellen der soziologischen Literatur versucht werden. Hauptaugenmerk liegt jedoch klar auf der empirischen Studie und der entsprechenden Ergebnisdarstellung.

I. THEORETISCHE GRUNDLAGEN & AKTUELLE PERSPEKTIVE

2. ZUGANG ZUM BEGRIFFSFELD: GESELLSCHAFT, GEMEINSCHAFT, SZENE

Dieses Kapitel soll den gemeinschafts- und gesellschaftstheoretischen Bezug der vorliegenden Arbeit erörtern. Im Aufbau dieses Kapitels wird zunächst dem Begriff der Gemeinschaft bzw. der Vergemeinschaftung nachgegangen. Ausgehend von der Konzeption Ferdinand Tönnies werden dabei neuere Sichtweisen und Kritiken eingeflochten. Daran anschließend werden gesellschaftliche Tendenzen erörtert, welche sich auf die Bildung aktueller Gemeinschaftsformen auswirken. Hierbei sind Zygmunt Bauman, Ulrich Beck und Anthony Giddens zentrale Bezugsautoren. Anschließend soll es um den Einfluss der gesellschaftlichen Konstitution auf Formen der Vergemeinschaftung gehen, wobei die Analysen von Gerhard Schulze eingearbeitet werden. Dies führt schließlich dazu, Szenen als eine charakteristische Form der Vergemeinschaftung in der Gegenwart zu beschreiben. In Bezug auf die aktuelle Szeneforschung soll dabei besonders auf die theoretischen und praktischen Ausführungen Ronald Hitzlers eingegangen werden. Es sei dabei darauf hingewiesen, dass die dargelegten Überlegungen für die Studie selbst, entsprechend der Forschungslogik (vgl. ), nicht leitend waren. Vielmehr dienen die Betrachtungen der kontrastreichen Darstellung der Arbeit, das heißt, der theoretischen Kontextualisierung der vorliegenden Studie in Bezug zur aktuellen, soziologischen Forschung. In der vorliegenden Arbeit wurde sich explizit an einer autonomen, kritischen Diagnose des Phänomens orientiert, was auch zur Wahl der Grounded Theory führte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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