Friedrich Hänssler - Ein Leben für das Evangelium - Simone Martin - E-Book

Friedrich Hänssler - Ein Leben für das Evangelium E-Book

Simone Martin

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Beschreibung

1936: Der Schuljunge Friedrich bringt die Ärzte und seine Eltern zur Verzweiflung. Seine Augenentzündung lässt alle das Schlimmste befürchten. Kurzentschlossen bringen die Eltern Hänssler ihren Jungen zum Seelsorger Fritz Müller. Er betet und das Wunder passiert: Friedrich wird gesund. Gott hat voller Segen in die Geschichte des Jungen eingegriffen – der Beginn einer Beziehung, die seinem Leben die entscheidende Richtung geben wird: Die Botschaft von dem Gott, der rettet, muss zu den Menschen! Wie geht das besser als mit Liedern, Noten, Schriften – Büchern? Friedrich Hänssler und Simone Martin erzählen gemeinsam die private und die Verlagsgeschichte der Hänsslers. Voller überraschender Anekdoten, ehrlicher Einblicke und glaubensstärkendem Tiefgang. Inkl. 32-seitigem Bildteil!

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Seitenzahl: 416

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SIMONE MARTIN

FRIEDRICHHÄNSSLER

Ein Leben fürdas Evangelium

SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7431-2 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-5889-3 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2019 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: [email protected]

Sofern nicht anders angegeben sind die Bibelverse entnommen aus:

Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung Martin Luthers. Neu durchgesehen nach dem vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss genehmigten Text (1912). Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

1. Korinther 2,2: freie Übersetzung durch Friedrich Hänssler

Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch

Umschlagsfoto Friedrich Hänssler: Patrick Horlacher, Stuttgart

Umschlagsfoto Simone Martin: Heinz-Herbert Reimer

Bildteil: © Familie Hänssler, außer S. 23 unten:

© Sabine Braun/Internationale Bachakademie, Stuttgart

und S. 28 unten:

© idea e.V. Die Evangelische Nachrichtenagentur

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Inhalt

Über die Autorin

Vorwort

Begegnungen mit Folgen

Friedrich Hänssler sen. – Familienvater, Verleger und Gründer des Musikverlags Hänssler

Friedrich Hänssler jun. – Die frühen Jahre

Der Krieg beginnt

Einberufung zur Luftabwehr

Schlüsselerlebnisse

Die Flucht aus Österreich und der Beginn des Soldatenlebens

Der Pferdegalopp und weitere Ereignisse

Das Erschießungskommando

Ein fataler Fehler

Bis an die Grenzen

Die unerlaubte Heimkehr

Wie geht es weiter?

Ein Schritt über die Linie

Kleinbottwar

Von Blaubeuren zurück nach Tübingen

Lehrzeit in Bethel

Noch mal Tübingen

Begegnungen mit Wilhelm Busch

Große Persönlichkeiten

»Sie schaffen das schon!«

Der Beginn des Kirchenmusikverlages

Der Ruf des Württembergischen Brüderbunds

»Ich bin der Herr, dein Arzt«

»Es ist mir nicht unrecht«

Es kommt zusammen, was zusammengehört

Die Verbreitung des neuen Liedguts

Jesu Name nie verklinget

Die Familie

Meine Mutter – Ein Nachruf

»Dennoch bleibe ich stets an dir«

»Weiter so!«

Das Genesis-Projekt

Born again in Jesus Christ

Fellowship

Helmuth Rilling – ein weltweiter Botschafter Johann Sebastian Bachs

»Geh unter der Gnade«

Bleibende Kontakte

»Wenn nicht geschehen wird, was wir wollen, so wird geschehen, was besser ist.« – Martin Luther

Der Glaube wird geprüft – Die Insolvenz und wie es danach weiterging

Friedrich Hänsslers Verabschiedung vom Verlag

Versuch eines Plädoyers für Einfalt und Einfachheit

Die Stimmen der Wegbegleiter (Anlässlich des 80. Geburtstags von Friedrich Hänssler)

Nachwort von Friedrich Hänssler

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Über die Autorin

SIMONE MARTIN, Jahrg. 1970, arbeitete im Buchhandel und als selbstständige Gastronomin. Im Sommer 2012 nahm sie sich eine berufliche Auszeit und begann ihre Tätigkeit als freiberufliche Autorin. Mit Friedrich Hänssler und seiner Familie verbindet sie eine enge Freundschaft.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Vorwort

Wie könnte man ein Buch wie dieses anders beginnen als mit Worten des Dankes? Es ist ein großartiges Zeugnis von Gottes wundersamen Wegen im Leben von Menschen, die ihm vertrauen, erzählt von Gottes Liebe, von seiner Fürsorge, Güte und Treue und von seiner ganz persönlichen Führung und Leitung im Leben jedes Einzelnen. Ihm, Gott, dem ich nicht nur die Entstehung und Fertigstellung dieses Buches verdanke, sondern auch den nötigen Mut zum Ja für dieses besondere Projekt, gilt mein erster Dank. Ihm allein gebührt alle Ehre.

Als ich im Juni des Jahres 2015 in Berlin bei der Internationalen Berliner Begegnung, kurz IBB, dem deutschen National Prayer Breakfast, auf Friedrich Hänssler traf, konnten weder er noch ich erahnen, welchen Weg Gott mit uns gehen, welche Gedanken er über uns und unsere Begegnung haben würde. Als jemand, der vor noch nicht allzu langer Zeit (2013) sein Leben Jesus Christus übergeben hatte, waren sowohl Friedrich Hänssler als auch der SCM-Verlag mir gänzlich unbekannt. Der Grund meiner Reise nach Berlin war ursprünglich ein ganz anderer.

Wenige Wochen zuvor hatte ich den Wirtschaftsverleger und Begründer von Bibel TV, Norman Rentrop, um ein persönliches Gespräch gebeten. Dieser lud mich dann in die Hauptstadt zum Gebetsfrühstückstreffen ein, für mich eine erstmalige Erfahrung. Am Ende unseres Gesprächs und eines gemeinsamen Gebets stellte mir Herr Rentrop dann die wesentliche Frage: »Möchten Sie Friedrich Hänssler kennenlernen?«

Ich wollte.

Es ist ganz erstaunlich, dass die unerwartete und erstmalige Zusammenkunft im Juni 2015 mit dem damals 88-jährigen christlichen Buchverleger nicht länger als – gefühlt – drei Minuten andauerte, und doch zweifelsohne enorme Auswirkungen auf unser beider Leben genommen hat.

Als eine erste, sichtbare Frucht dieser Begegnung ist das im März 2017 erschienene Buch von Friedrich Hänssler zu erwähnen: Unter Gottes Führung – Menschen, die mein Leben prägten, welches anlässlich seines 90. Geburtstages entstanden ist und welches ich (auf Anfrage) als Lektorin bearbeitet habe. Die gelungene Zusammenführung durch Norman Rentrop gipfelte dann schließlich in der für mich durchaus überraschenden Frage des SCM-Verlages, ob ich mir – jetzt anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Hänssler-Verlages – vorstellen könnte, eine Biografie über den Verleger zu schreiben. In dieser vor allem ehrenvollen Beauftragung erkannte ich zunächst unsicher, aber am Ende doch gewiss Gottes führende Hand.

Im Besonderen möchte ich Dir, lieber Friedrich, für die gemeinsame Wegstrecke seit 2015 danken, für all Deine Gebete und für Deine Freundschaft, für Dein Vertrauen und für Deinen unglaublichen Fleiß, mit welchem Du die biografische Zuarbeit erbracht hast. Dir, liebe Ursula, danke ich sehr für Deine Großherzigkeit und Freundschaft und für Deine treuen, begleitenden Gebete, nicht nur dieses Projekt betreffend. Herzlichen Dank Euch beiden vor allem auch für Eure Gastfreundschaft!

Darüber hinaus danke ich dem SCM-Verlag, ganz konkret dem Geschäftsführer Herrn Marco Abrahms und dem Verlagsleiter Hans-Werner Durau sowie dem Stiftungsvorstand für das Vertrauen in meine Arbeit und für den Mut, dieses Projekt mit all seinen Besonderheiten in die Wege zu leiten.

Sehr herzlich danke ich Herrn Norman Rentrop für die Bereitschaft, mir in Berlin zu begegnen und damit an der Weichenstellung für diesen richtungsweisenden Weg maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Zum Schluss sei allen gedankt, die in irgendeiner Weise positiven Einfluss auf das Buchprojekt genommen haben, sei es durch Gebet, durch technische Hilfe oder durch Lesen des fertigen Manuskriptes und den damit verbundenen wertvollen Hinweisen – herzlichen Dank jedem Einzelnen!

Gott ist ein Gott der Begegnungen. Sie geschehen nicht zufällig, nein, sie dienen einem bestimmten Zweck. Sie sind bereichernd, nehmen vielmals helfend Einfluss auf die sich Begegnenden, im besten Falle gestalten sie ein Leben neu, weil Gott Begegnungen auch aus diesem Grunde schenkt.

So ist dieses Buch auf ungewöhnliche Weise zustande gekommen und die Frucht aus vielen Gesprächen, die ich seither mit Friedrich Hänssler führen konnte.

Möge dieses Buch das Anliegen widerspiegeln, den Gestalter unseres Lebens, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens, unseren Herrn Jesus Christus – ihm allein sei Ehre – groß zu machen.

Simone Martin

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Begegnungen mit Folgen

Dieses Mal sitzen das Ehepaar Hänssler und ich im Zuge der Biografie-Besprechung beieinander und verweilen gemeinsam im unteren Stockwerk des Hauses im gemütlichen Wohnzimmer des Ehepaares. Tage, Wochen, vielleicht auch Monate voller Rück- und Einblicke in neun Lebensjahrzehnte mit ihren daraus hervorgegangenen unzähligen Erlebnissen und Erinnerungen liegen nun vor uns. Meine Blicke haften an den hohen Stapeln von Material, welches anlässlich der bevorstehenden Aufgabe in mehreren Kisten zusammengetragen wurde. Gefühlsmäßig stehen wir vor einem unüberwindbaren Berg Arbeit. Die Gewissheit, dass es Gottes Wille ist, dass er es ist, der uns gemeinsam vor diese Aufgabe gestellt hat, schenkt uns beiden den notwendigen Mut, die große Aufgabe anzugehen.

Friedrichs Ehefrau Ursula reicht mir indessen ein Gästebuch, in welchem zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland verewigt sind. Neugierig werfe ich die Frage in den Raum, welche außergewöhnlichen Begegnungen Friedrich Hänssler in neunzig Lebensjahren gehabt habe. Und während er damit beginnt, mir einige Namen zu nennen, bitte ich ihn frei heraus um nähere, gerne auch detaillierte Informationen.

Bewegt von den ausgesprochen liebevollen und herzlichen Einträgen, welche das Gästebuch preisgibt, blättere ich interessiert Seite für Seite durch. Einige der zum Teil internationalen Widmungen lasse ich mir von Friedrich ins Deutsche übersetzen und bekomme dabei gleich – wie gewünscht und sehr zu meiner Freude – die näheren Hintergründe verbal »mitgeliefert«. So tauschen er und ich bereits erste, mit der bevorstehenden Arbeit im Zusammenhang stehende Gedanken aus.

»Mein großes Erstaunen war immer: Alle Wege, alle Begegnungen führten mich zu Christus«, erzählt Friedrich Hänssler. »Er war und er ist für mich, wie es in einem viel gesungenen Lied heißt, das Zentrum der Geschichte, der Anker in der Zeit.1 Und dies galt und gilt für alle Baustellen, alle Arbeitsstellen und Suchstellen, alle Schwachstellen und Bruchstellen, aber auch für alle Führungsstellen in meinem Leben. Bei allen Erlebnissen und Begegnungen ziehen sich vier Punkte wie ein roter Faden durch meine Geschichte:

1. Gott gestaltet ein Leben – bis ins Detail.

2. Gott ist immer der Erste, der handelt.

3. Gott führt ein Leben und gibt Berufung – ›Berufung ist das Gegenteil von Selbstbestimmung.‹2

4. Alles im Leben ist Geschenk aus der guten Hand Gottes.

Wenn er auf die Spuren meiner Füße achtet, ist das ein unverdientes Geschenk. Aber Führung durch Gott heißt auch immer: Ich komme in vorbereitete Verhältnisse. Für diese einzigartige Qualität der Führung Gottes bin ich unendlich dankbar. Die darin erfahrene und ausgeübte Liebe aus Gott ist der unzerstörbare Reichtum meines Lebens. Sein lebendiges, unvergängliches Wort gibt uns Menschen, so auch mir, Gewissheit auf allen Wegen, Gewissheit in Führungsfragen: ›Wahrlich, das ist Gott, unser Gott für immer und ewig. Er ist’s, der uns führt‹ (Psalm 48,15).

Mein Leben war hoch spannend und hochinteressant – das ist es noch immer. Mein Leben war auch eine Begegnung mit der Diktatur, eine Begegnung mit dem Machtwahn und immer wieder auch eine Begegnung mit dem Zeitgeschehen – und nicht nur im Kriegserleben kam es zu Begegnungen mit dem Tod.

Mehrfach wurde ich nach Cape Canaveral, dem US-amerikanischen Weltraum-Stützpunkt, eingeladen, ebenfalls mehrfach ins Pentagon, dem Hauptsitz der US-amerikanischen Verteidigung in Washington.

Einmal durfte ich im Pentagon an einem Treffen des sogenannten Joint Chief of Staff, den höchsten Generälen in den USA, teilnehmen. Dabei wurde von den höchsten Offizieren um Weisung in der so schwierigen Weltsituation, um Hilfe und gute Entscheidungen in der akuten Kriegsgefahr und um Erkenntnis des Gotteswillens gebetet. Das war überwältigend. Welche Diskrepanz, als ich dann in Mutlangen, einer Gemeinde im Ostalbkreis im Osten von Baden-Württemberg, unversehens und wider Willen in die aufgeputschte Menge der wütenden Anti-Raketen-Demonstranten geriet, die naiv und wirklichkeitsfern herumtobten.

Mein Leben brachte mir in der Tat sehr aufschlussreiche Begegnungen mit manchen Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, ob diese nun positiv oder negativ waren.

Ich denke an Yassir Arafat, einen von Krankheit gezeichneten Mann, der nur das sagte, was ihm ein hinter ihm Stehender einflüsterte, oder an die für mich letztlich gänzlich bedeutungslose Begegnung mit dem Dalai Lama, woran auch sein kräftiger Händedruck nichts ändern konnte.

Beeindruckend empfand ich dagegen die Zusammenkunft mit der US-amerikanischen Bürgerrechtlerin Coretta Scott King, Ehefrau von Martin Luther King, die das große Anliegen ihres ermordeten Mannes weiterverfolgte, sowie das Aufeinandertreffen mit Mangosuthu Gatsha Buthelezi, dem strahlenden, friedensuchenden Innenminister der Zulus.

Möglicherweise ist es interessant zu hören, dass einer der neu gewählten Minister des Kabinetts von Präsident Donald Trump, ein tiefgläubiger Mann, schon hier im Verlag in Holzgerlingen gesprochen hat.

Besonders hervorheben möchte ich die unglaubliche Gebetserhörung aus der Zeit der viele Jahre währenden Apartheid mit tödlicher Feindschaft und Unversöhnlichkeit der verschiedenen Volksgruppen in Südafrika. Einige Jahre lang beteten insgesamt vier Männer aus den verfeindeten Lagern miteinander um eine friedliche Lösung des dramatischen Konfliktes. Sie kamen vom ANC (African National Congress), von den Buren, von den Zulus. Weil das Zusammentreffen zum Beten äußerst gefährlich war, musste es streng geheim vor sich gehen. Die Männer fanden über Hintertreppen und dunkle Gänge zueinander, um gemeinsam beten zu können. Gott wirkte mächtig durch dieses Gebet. Dann, am entscheidenden Tag in Südafrika, kamen 35000 Menschen ins Rugby-Stadion, um in diesen zerstörerischen Umständen für eine endgültige Lösung zu beten. Gott erhörte in unerwarteter Weise. Nelson Mandela war in dieser Gesamtsituation der richtige Mann für das ganze Land. Dass ich drei dieser vier so treuen Beter persönlich kennenlernen durfte, erfüllte mein Herz mit großer Freude.

Ich traf auf Personen, die in verschiedener Art und Weise Spuren hinterließen. Da wäre zum Beispiel Arthur Burns zu nennen, Präsident der FED (Federal Reserve System, Zentralbank-System der Vereinigten Staaten), Diplomat, später amerikanischer Botschafter in Berlin. Der damalige Präsident Ronald Reagan versicherte uns: ›Ich schicke euch meinen besten Mann.‹ Burns nahm an einem Gebetsfrühstück in Stuttgart teil. Das war in der Hoch-Zeit der RAF-Fraktion kein kleines Unterfangen, denn genau dieser Mann stand auf der Abschussliste der RAF an erster Stelle. Auf den umliegenden Dächern lagen Scharfschützen im Falle eines Terroraktes und eine Vielzahl Polizisten bewachte uns, die wir im Hotel ›Zeppelin‹ unser Gebetsfrühstück hatten. Dietmar Schlee, zu jener Zeit Innenminister des Landes Baden-Württemberg, ließ seinen Gedanken freien Lauf: ›Wenn der Burns doch endlich wieder verschwinden würde.‹

Ausgesprochen gerne erinnere ich mich an Jim Irwin. Der US-amerikanische Astronaut war zuerst Testpilot bei der NASA, später dann Pilot der Mondlandefähre auf der Apollo-15-Mission. Die Mondlandung, der technische Höhepunkt im Leben von Irwin, dem ersten Passagier des Mondautos, dessen Fahrer er war, wurde gleichzeitig auch zum geistlichen Wendepunkt seines Lebens. Irwin kam zum lebendigen Glauben und rief nun als Evangelist Menschen zu Christus, insbesondere technisch interessierte Menschen. Täglich absolvierte der Top-Sportler sein stundenlanges Training, konsequent, auch als er bei uns in Neuhausen zu Besuch war.

Irwin kam zu der Entdeckung seines Lebens: Der Mond allein genügt nicht. Einmal sagte er mir: ›Viel wichtiger, als dass ein menschlicher Fuß den Mond betreten hat, ist, dass Jesus Christus auf diese Erde gekommen ist.‹ Und dann fügte er hinzu: ›Nur ganz wenige Menschen sind zum Mond gekommen. Aber jeder Mensch kann durch Jesus Christus zu Gott kommen.‹ Wie dankbar bin ich für derartige Erlebnisse, sie bleiben mir unvergesslich in Erinnerung.

Antoine Deeb war ein arabisch sprechender Libanese, seine Frau Palästinenserin. Als Nachfolger Jesu hatte er im jordanischen Amman eine kleine Buchverkaufsstelle. Eines Tages trat in seinen Mini-Laden ein würdiger Scheich, direkt aus der jordanischen Wüste, und sagte unvermittelt: ›Ich brauche das Buch.‹ In etwa zwanzig Buchhandlungen in Amman hatte er es nicht finden können. ›Ich brauche das Buch, das ich im Traum gesehen habe, ich muss es haben.‹ Mein Freund Antoine, ein Mann mit ansteckender Fröhlichkeit und Glaubhaftigkeit, konnte den Wunsch des Scheichs erfüllen und gab ihm eine Bibel, das Buch, das er haben musste.

Ich hatte in meinem Leben das Privileg, an vielen Botschaftern des Christus hochzuschauen, die unter Gefahren, mit Mut und Hingabe, oft unter einfachsten Lebensbedingungen, ihren Glauben lebten und wagten.

Gut erinnere ich mich noch an Emanuel Nono Razinowski. Er war Archäologe in Israel, nahm an vielen Ausgrabungen teil und wohnte in Ramat Gan bei Tel Aviv. Wir beide trafen uns ebendort, wo er mich nicht nur in sein Privathaus, sondern auch völlig unerwartet zu einer außergewöhnlichen Bibelstunde am Strand des Mittelmeers einlud. Eine ansehnliche Gruppe von jüdischen Männern traf sich in gewissen Abständen an jenem idyllischen Ort. Nur mit der Badehose bekleidet, saßen sie im Sand und tauschten sich, manchmal heftig diskutierend, über das hebräische Alte Testament aus, Tenach genannt, welches sie fast alle in ihren Händen hielten. Ich selbst war der einzige Ausländer, zudem noch Deutscher, und in dieser Situation mit meiner Normalbekleidung recht auffällig. Nono bat mich auf einmal ganz spontan zu erzählen, was mir Jesus bedeuten würde. Auch das Kapitel Jesaja 53 war Gesprächsthema und die damit im Zusammenhang stehende Frage, warum in den Wochenlesungen des jüdischen Gottesdienstes ausgerechnet dieses Kapitel nie gelesen wird, in dem so zentral vom leidenden Gottesknecht die Rede ist:

Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. … Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

Jesaja 53,4-5

Für mich selbst war dieses Erleben sehr bewegend, es fühlte sich beinahe so an, als sei ich zu der Zeit Jesu am Ufer vom See Genezareth.

Es war in Bonn bei einem Zusammentreffen von Abgeordneten des Parlaments mit Freunden aus der Initiative der Gebetsfrühstücks-Bewegung, als ich Seiner Exzellenz Botschafter Manyema von Sambia begegnete. Dort gab es einen lebhaften Austausch über die Fragen unserer Zeit, und wie immer einen guten geistlichen Impuls. Ich bekam die Möglichkeit, mit dem Botschafter ins Gespräch zu kommen. Am Ende desselben sagte er zu mir: ›Wir sollten noch miteinander beten.‹ Gerne stimmte ich diesem Wunsch zu. Und noch ehe ich mich versah, kniete der Mann unvermittelt an jenem Sofa nieder, auf welchem wir beide erst kurz zuvor gesessen hatten. Mir blieb nichts anderes übrig, als es ihm gleichzutun. Dann begann Manyema ganz unbekümmert mit Gott zu reden, obwohl mindestens weitere dreißig Persönlichkeiten anwesend waren, die, im Gespräch vertieft, um uns herumstanden. Im Nachhinein fragte ich mich, weshalb wir Deutschen in Glaubensdingen so entsetzlich zurückhaltend, schüchtern, ja geradezu geniert sind.

Mehrfach kreuzte sich mein Weg mit dem Staatssekretär Bezalel Bill Kabanda, die rechte Hand von Ugandas Präsident Yoweri Museveni. Eine Gruppe deutscher Bundestagsabgeordneter und eine Reihe ausländischer Botschafter, die anlässlich des National Prayer Breakfasts in den Vereinigten Staaten weilten, wurden im Bundesstaat Virginia der USA von einem befreundeten Hotelier zum Abendessen eingeladen. Dabei sollte jeder sein Heimatland mit den etwaigen Gegebenheiten und Merkmalen vorstellen. Botschafter Maurice Omwony aus Kenia wurde nach den Exportmöglichkeiten seines Landes gefragt. Dieser antwortete spontan: ›Wir können zwei Dinge zum Export anbieten: viel Sonnenschein und fröhliche Gesichter.‹ Dann war Bill Kabanda an der Reihe und machte einen nicht alltäglichen Vorschlag: ›Ich möchte mein Heimatland Uganda mit einem Lied vorstellen.‹ Wir erwarteten nun etwas Landestypisches, Afrikanisches, Fetziges.

Aber Bill sang zusammen mit seiner Frau: ›Read your bible, pray every day‹, dieses gut bekannte Kinderlied: ›Lies die Bibel, bet jeden Tag‹. Und in ihrer ganz natürlichen, fröhlichen Begeisterung forderten sie die recht große Tischrunde auf, kräftig mitzusingen. So geschah es, dass unsere deutschen Bundestagsabgeordneten ›Lies die Bibel, bet jeden Tag‹ sangen, wahrscheinlich das einzige Mal in ihrem Leben. Mir drängte sich ein Gedanke an ein Wort Jesu aus Matthäus 18,3 auf: ›So ihr nicht werdet wie die Kinder …‹«

Wie gerne höre ich Friedrich Hänssler zu, wie gerne höre ich ihn aus längst vergangenen Zeiten erzählen. Die ganz eigene Art und Sprache, Erlebtes, Erfahrenes auszudrücken und zu beschreiben, ist sein Wesensmerkmal. Er hat den Gestus eines Predigers. Seine Ausstrahlungskraft ist außerordentlich und seine wachen Augen zeugen von einem lebendigen Geist. Auch die Stimme des 90-Jährigen hat etwas ganz eigenes; ein Journalist bezeichnete diese schon als Prophetenstimme.

Bis heute blieben ihm alle seine von Gott gegebenen sprachlichen und musikalischen Talente bewahrt und erhalten. Noch immer spielt er regelmäßig zu Hause, bei familiären Anlässen auf seinem Flügel, hinter dem sich in einem eigens dafür konstruierten Wandregal Hunderte Tonträger befinden: Gospelaufnahmen, Sinfonien und geistliche Chorwerke der großen Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms, Anton Bruckner, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Antonín Dvořák oder Wolfgang Amadeus Mozart, um nur einige zu nennen. Die Hälfte davon stammt aus der Produktion von hänssler CLASSIC.

Bereits in den frühen Kinderjahren übte und musizierte er auf mehreren Instrumenten. »In unserer Hänssler-Familie ging es generationsübergreifend sehr einfach und sparsam zu, es gab nicht viele besondere Events, aber sonntags, da wurde stets im Stil der damaligen Zeit gesungen und musiziert. Man hatte mir eine kleine gebrauchte schwarze Blockflöte gegeben, und so habe ich eben Blockflöte gespielt, wie jeder anständige Mensch anfängt. Später kam dann auch noch eine Zigeunergeige hinzu, in deren innerem Geigenboden sich ein Aufkleber mit den Worten ›Fecit Cremona‹ befand, was für ein besonders wertvolles Instrument sprechen würde. Nur hat das keiner von uns geglaubt.« Dieser Gedanke bringt ihn sogleich zum Schmunzeln. Für einen kurzen Moment wandert sein Blick zum hauseigenen Flügel, um dann wieder zu mir zurückzufinden.

»Im Arbeitszimmer meines Vaters stand ein Klavier, somit konnte ich im Alter von etwa acht Jahren der ständigen Beobachtung meines Vaters nicht entgehen, wenn ich zum Üben aufgefordert wurde, was mir – wie man sich vielleicht denken kann – wenig Freude bereitete. Überhaupt brach meine Begeisterung fürs Klavierspiel erst viele Jahre später durch. Es mag heute seltsam klingen, doch in den Jahren meiner Kindheit empfand ich es oftmals als Zwang.

Die Musik war generell sehr prägend für mein Leben, ich habe sie eigentlich immer ausgeübt. Als Trompeter habe ich Bach gespielt, als Geiger, als Organist, und später dann als Chorleiter viele Bachwerke einstudiert. Man kann wirklich sagen: mit Bach durchs Leben. Für mich – und ebenso auch für viele bekannte und berühmte Komponisten – ist Bach ohne jede Übertreibung einfach der Größte, der absolute Gipfel der Musik, prägend, ein überwältigender Prediger in Tönen, der das Wort Christi unter die Menschen bringen, es in ihre Herzen hineinsingen und hineinspielen wollte.

Das Zentrum seines Glaubens war unverkennbar das Kreuzesgeschehen Jesu. Das persönliche Vertrauen auf Jesus spiegelt sich in seiner wirklich einmaligen musikalischen Genialität wider. Bachs ›Dienstauffassung‹ als Kantor und Organist zeigte sich beim Schreiben seiner Partituren. Sehr häufig schrieb er am Anfang der Kompositionen die Buchstaben: J. J. – Jesu Juva, das heißt: Jesus hilf, und am Schluss derselben setzte er sein Lebensmotto S. D. G., Soli Deo Gloria, Gott allein die Ehre.«

Wer zu Gast bei den Hänsslers ist, kommt automatisch in den Genuss des gemeinsamen Singens, welches vom Hausherrn zu allen Zeiten durch das Klavier begleitet wird. Auffallend ist ebenso die beachtliche Anzahl an Büchern, unter denen viele wahre Schätze von namhaften Autoren zu finden sind. Die meisten von ihnen leben heute nicht mehr, aber ihre Geschichten, ihre Biografien und Zeugnisse sind nach wie vor lebendig. Ich denke an Größen wie Martin Luther, Paul Gerhardt, Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, Ludwig Hofacker, Paul Schneider, Dietrich Bonhoeffer, die Brüder Wilhelm und Johannes Busch, Corrie ten Boom, W. Ian Thomas, Charles Colson und an Billy Graham!

Wenn Friedrich Hänssler aus dem Leben derer erzählt, die er persönlich kennenlernen durfte, dann tut er das oft auf eine aphoristische Weise. Jede Ausführung, jeden Bericht, jede Rückschau gibt er präzise, gibt er fassbar wieder.

Obwohl dieser Mann stets ein vorwärts gerichteter Mensch war und geblieben ist, kann er sich dennoch fabelhaft zurückerinnern an all das Gute und weniger Gute der vergangenen Zeit. Sein überaus großer Wissensschatz, die unaufgeregte, bescheidene Art und die Schlichtheit seines Wesens sind bezeichnend. Er steht aufrecht, innerlich und – trotz des hohen Alters – auch äußerlich. Man spürt ihm seine Weisheit und ungeheure Lebenserfahrung ab, die er mit jedem Wort zeugnishaft belegt, ohne das zu beabsichtigen, und so begreife ich die inzwischen unzähligen, tiefen Gespräche seit unserer ersten Begegnung als ganz großes Vorrecht.

Seine Art, die Dinge zu betrachten und zu beschreiben, spricht für ihn, insbesondere dann, wenn er von den schweren Wegen berichtet, die Gott auch mit ihm gegangen ist. Kein Hadern, kein Beklagen, kein Aufbegehren, kein Jammern oder gar Bitterkeit, nichts davon strömt mir aus all dem Anvertrauten entgegen. Friedrich Hänssler erlebe ich äußerst dankbar, zurückhaltend und in einer guten Weise demütig. Spätestens jetzt – dieser Persönlichkeit gegenübersitzend – ahne ich, was es heißt und wie gleichsam bedeutend es ist, den Weg Jesu mit den Menschen als den Weg des Gehorsams zu begreifen.

Friedrich Hänssler ist ein von Jesus Christus geprägter Mensch. Der Mann, der seit dem 22. September 1945 – dem Tag seiner persönlichen Lebensübergabe an Jesus Christus – unter der Führung Gottes lebt, war zeit seines Lebens gefordert.

»Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten«, sagt Jesus (Johannes 14,15) und später spricht er: »Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht.« (Johannes 14,24)

Dem Demütigen ist’s wohl gegeben, den Bedingungen Gottes Folge zu leisten und gehorsam zu sein.

Søren Kierkegaard formulierte in einem einzigen Satz, was der gehorsame, sich zu Gott hingegebene Mensch sich zu Eigen gemacht hat:

»Je mehr der Mensch Gott braucht, je tiefer er das versteht, desto vollkommener ist er.«

Zahlreiche Leitungsaufgaben in christlichen Gremien hat er übernommen, gehörte u. a. der Kammer für Publizistik der EKD an, gründete gemeinsam mit Rudolf Decker 1979 die Initiative Gebetsfrühstückstreffen für Parlamentarier nach amerikanischem Vorbild, leitete den Württembergischen Christusbund (früher Brüderbund) von 1970 bis 1992, war Vorsitzender des Vereins GBA (Gute Bücher für alle), der bis heute per Schiff christliche Buchausstellungen in den Häfen der Dritten Welt organisiert und dadurch vielen Millionen Besuchern das Evangelium weitergibt.

Viele Jahre war er in der Mitverantwortung des Missionswerks OM (Operation Mobilisation) tätig, auch ist er einer der Gründer des Christlichen Medienverbunds KEP und Kuratoriumsmitglied des Vereins ProChrist, ebenso Mitglied beim CVJM, außerdem über viele Jahre im Vorstand der Deutschen Missionsgemeinschaft DMG. Er gehörte zum Vorstand bei der internationalen Hilfsorganisation Food for the Hungry und war Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz. Die Liste ließe sich noch fortsetzen.

Obwohl er in erster Linie seiner durchgehend anspruchsvollen Tätigkeit als Verleger gerecht werden musste, übernahm er nebenher in vielfältiger Weise Verantwortung vor Gott und den Menschen.

Das Hauptanliegen des Buch- und Musikmissionars bestand zu allen Zeiten in der Verbreitung des Evangeliums durch Bücher (allem voran der Bibel selbst), Musik und Filme. Deshalb arbeitete er auch über zwei Jahrzehnte im Leitungsgremium der Württembergischen Bibelgesellschaft mit. Immer war es ihm eine Herzenssache, »dass das Evangelium in all seiner Schönheit gelesen, gehört, gesungen, gesehen und somit von den Menschen ergriffen werden kann«.

Bereits in diversen Zeitungsberichten und Interviews hat Friedrich Hänssler seine Lebensmaxime mit den Worten des Apostels Paulus aus 1. Korinther 2,2 offenbart und weiterempfohlen: »Ich habe mir vorgenommen, dass ich nichts anderes wüsste unter euch als allein Jesus Christus und den als gekreuzigt.«

Hänssler prägte die christliche Medienlandschaft insbesondere durch die Veröffentlichung der Werke von Johann Sebastian Bach in einer Gesamtausgabe auf 172 CDs in Zusammenarbeit mit dem führenden Bachinterpreten Helmuth Rilling und wurde dadurch auch als Musikverleger weltweit bekannt. Schon 1985 hatte er mit Rilling erstmalig alle geistlichen Bach-Kantaten aufgenommen – eine mutige Entscheidung, für die er den bedeutenden internationalen Musikpreis für herausragende Musikeinspielungen Grand Prix du Disque erhalten hatte. Dem folgten noch weitere Auszeichnungen wie die im Jahr 1992 verliehene Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, welche ihm durch den damaligen Ministerpräsidenten des Landes und Vorsitzenden der CDU in Baden-Württemberg, Erwin Teufel, verliehen wurde.

Für seine Israel-Publikationen erhielt er des Weiteren von Avraham »Avi« Primor, einem israelischen Diplomaten und Publizisten, der in den 90er-Jahren als israelischer Botschafter in Deutschland »als eine der wichtigsten Stimmen des deutsch-israelischen Dialogs bekannt wurde«, die höchste Auszeichnung der Stadt Jerusalem: Freund von Jerusalem.

Aufgrund seiner Verdienste für die christliche Literatur folgten 2001 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse – dem viele Jahre zuvor das Verdienstkreuz am Bande (1987) vorausgegangen war – und im selben Jahr die höchste Auszeichnung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, die silberne Brenz-Medaille, welche nach dem Reformator Johannes Brenz benannt ist.

Die ungemein zahlreichen, häufig auch folgenreichen nationalen und internationalen Begegnungen mit prominenten und unbekannten Persönlichkeiten im Leben von Friedrich Hänssler begreift er im Rückblick als von Gott geschenkt. Entscheidend war und ist für ihn immer die Tatsache, ob er einem Menschen mit Vorbildcharakter, einem Botschafter des Christus, einem vollmächtigen Zeugen Jesu gegenübersteht.

Solche für ihn prägenden Begegnungen haben sein Leben reich und lebendig gemacht, sie haben ihn erfüllt und zeitlebens in neue Aufgaben und Herausforderungen hineingeschoben.

Erst kürzlich bekannte der bis heute gefragte Redner während eines öffentlichen Vortrags: »Es waren oft ganz schlichte Menschen, die mein Leben in irgendeiner Weise berührt oder beeinflusst haben, die mir zum Anstoßgeber und Vorbild für meine Lebensführung geworden sind – nicht aus sich selbst heraus, sondern weil sie sich von der Schöpferkraft Gottes ausprägen ließen. Ich aber muss geradestehen für jene Vorbilder, die ich für mich persönlich auswählte, Menschen, in deren Leben Christus selbst lebte, die mir echte Wegweiser waren, um mich auf meinen Lebenswegen nicht zu verirren.«

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Friedrich Hänssler sen. – Familienvater, Verleger und Gründer des Musikverlags Hänssler

Klein, schlicht, unauffällig beginnt das Große. Auf diese Weise baut Gott sein Reich. Aus Unscheinbarem wächst das Besondere, das Außergewöhnliche. Das Bild des Senfkorns im Gleichnis Jesu wird am Anfang zeichenhaft beschrieben, am Ende steht dann der alles überragende, tief verwurzelte große Baum. Alles, was aus der Liebe zu Gott entsteht, setzt oftmals auch weltverändernde Kräfte frei. Trotz aller Widerstände. Und die gab es reichlich im Leben des Vaters von Friedrich Hänssler, dem Musikverleger und Verlagsgründer Friedrich Hänssler sen. Auch sein Weg war ein Kreuzweg – mit Prüfungen, Anfechtungen und Leid gepflastert.

Friedrich Hänssler sen., der am 12. Juli 1892 in Plieningen (heute der südlichste Ortsteil von Stuttgart) als Sohn armer Eltern in eine Korbmacherdynastie hineingeboren wurde, lernte bereits in frühen Kinderjahren Körbe zu flechten und half gemeinsam mit seinen sechs Geschwistern seinem stets kränklichen Vater bei der harten Arbeit. Schon der Großvater, ein Patriarch mit wallendem Bart, überdies strenger Baptist, welcher im Umfeld der Erweckungsbewegung durch den württembergischen evangelischen Pfarrer und Kirchenlieddichter Johann Christoph Blumhardt aufwuchs, auch wahrscheinlich einen persönlichen Kontakt zu ihm hatte, beherrschte dieses Handwerk vortrefflich, sodass seine Qualitätsarbeit in den führenden Stuttgarter Fachgeschäften bekannt geworden war. In diese Fußstapfen traten dann nachfolgend zwei weitere Generationen der Hänsslers.

Lange Jahre lebte die Familie in äußerst einfachen und bescheidenen Verhältnissen. Um der räumlichen Enge entfliehen zu können, kaufte der Familienvater zu einem späteren Zeitpunkt ein eigenes Haus, welches gleichzeitig auch als Arbeitsstätte für die Korbmacherei diente. Schon bald darauf, im Jahre 1908, wurde die Familie vom viel zu frühen Tod des Vaters erschüttert, welcher nach einem langen Krankenhausaufenthalt von seinem Herrn heimgerufen worden war. An jenem Tag endete für den jungen Friedrich die Kindheit. Der erst Sechzehnjährige musste von jetzt an die Verantwortung für die Familie und für das Geschäft des Vaters übernehmen und dieses, ganz auf sich allein gestellt, sorgfältig weiterführen.

Trotz aller inneren und äußeren Nöte, die der Familie, aber vor allem auch ihm selbst in unvorstellbarer Schwere begegneten, war es nun die Aufgabe des heranwachsenden Jungen, die verwaiste Vaterstelle auszufüllen. Mit dem neuen Eigentum, welches das verstorbene Familienoberhaupt noch vor seiner Erkrankung erworben hatte, wuchsen im Besonderen auch die Schuldenberge. Hinzu kamen außerdem offene Arztrechnungen in nicht geringer Höhe, die aufgrund des achtwöchigen Krankenhausaufenthalts und der nicht vorhandenen Krankenversicherung seitens des Heimgegangenen entstanden sind.

Das waren wirklich hoch bedrückende Umstände. Für den leidgeprüften Jungen bedeutete das ein kaum zu tragendes Gewicht an hereingebrochener Not. All die Bedürftigkeit, all die Mühsal und die Trauer um den Verlust des Vaters trieben den jungen Friedrich Hänssler geradewegs in die helfenden Arme des Retters. Ausgerechnet am Tage der Beerdigung, am Grab seines Vaters, in den dunkelsten Stunden seines bisherigen Daseins, inmitten von Trost- und Hoffnungslosigkeit, fiel die Stunde von Friedrich Hänsslers Bekehrung und mit ihr gleichzeitig auch die seiner Berufung und Begabung für die künftige Lebensbestimmung.

Bei diesem heiligen Erweckungserlebnis vernahm der junge Friedrich Hänssler den eindeutigen und unmissverständlichen Ruf Gottes und vertraute Jesus Christus sein ganzes Leben an, welches sich ab jenem Moment vollständig verändern sollte.

Im CVJM fand er nicht nur Ermutigung und Trost – beides brauchte Friedrich Hänssler dringender denn je –, hauptsächlich wirkte er dort im Posaunenchor mit und spielte bald alle verschiedenartigen Chor-Instrumente. Es war der Musiklehrer, der einst seinen Schüler mit der Feststellung vor die Tür setzte: »Hänssler, du verdirbst mir den gesamten Chor.« Jetzt, nach Hänsslers Lebensübergabe an den Herrn Jesus, bestach er vor allem durch seine Musikalität.

Neben der Korbmacherarbeit studierte er im Selbststudium Allgemeine Musiklehre, etwas später dann Formenlehre, Harmonielehre und Kontrapunkt. Gott sorgte nebenher auf wunderbare Weise für kostenloses Studienmaterial in Form von Büchern. Nach eigenen Angaben empfand Friedrich Hänssler es zunächst als schwierig, hinter die Geheimnisse der Musik zu kommen. Umso verwunderlicher schien darum die Tatsache, dass er dennoch – bereits schon in den ersten Anfängen seiner musikalischen Laufbahn – mit außergewöhnlicher Leichtigkeit Kompositionen zu schreiben vermochte. Doch die anhaltende Kombination aus beschwerlicher Arbeit und dem parallel laufenden Studium sollte alsbald ihren Tribut fordern. Als Folge dieser Dauerbelastung erkrankte der Korbmachersohn ernsthaft am Herzen, und so war es ihm einige Monate lang nicht mehr möglich, zu arbeiten oder zu studieren. Gerade in jenen schwierigen Zeiten zeigte sich besonders die Treue Gottes in Hänsslers Leben, der ihn überwinden ließ, durch alles hindurchtrug und schlussendlich wieder aufrichtete. Geblieben war ihm allerdings ein starker Herzfehler, aufgrund dessen er kein Soldat mehr werden konnte.

Unmittelbar nach der Genesung kaufte sich Hänssler für 27 Reichsmark ein altes, reparaturbedürftiges Tafelklavier, bei dem die meisten der Hämmerchen leider schon kaputt waren. Diesem Kauf fiel dann bedauerlicherweise seine eigene Trompete zum Opfer, die er gezwungenermaßen veräußern musste, um überhaupt die Kosten bezahlen zu können. Die finanzielle Situation erlaubte es ihm nicht, einen Fachmann zu beauftragen, und so machte sich der junge, talentierte Mann schließlich selbst ans Werk, um das Klavier sachgemäß zu reparieren, zu stimmen und insbesondere um darauf spielen zu lernen. Nach und nach bekam er einige Liederbücher und eine alte Klavierschule geschenkt. Gott sorgte väterlich für ihn.

Im Jahre 1913 evangelisierten zwei Weingärtner aus dem Remstal für zehn Tage in Plieningen in einer Gastwirtschaft. Dabei kam eine ganze Anzahl von jungen Menschen zum lebendigen Glauben an Jesus Christus. Bei dieser Evangelisation wurden von einigen der Anwesenden Erweckungslieder gesungen, daraus bildete sich nachfolgend dann ein Gitarrenchor. Kurze Zeit später gründete Friedrich Hänssler einen gemischten Chor, dessen Leiter er auch war. Viele der neu entstandenen Kompositionen des künftigen Musikverlegers erklangen hier nun zum allerersten Mal. Mit der Neugründung begegnete Hänssler seiner besten Sängerin Anna Leitenberger, die er dann alsbald im Jahre 1915 heiratete. Doch das Eheglück, aus welchem zwei Kinder hervorgegangen sind, währte leider nicht lange.

Das Jahr 1918 sollte für den jungen Mann zum Schicksalsjahr werden. Eines der beiden Kleinen, gerade mal zweijährig, starb an Hirnhautentzündung. Wenige Monate später erkrankte darüber hinaus auch seine Frau Anna. Bald darauf, im November des gleichen Jahres, starb die junge Frau an einer Grippe-Pandemie. Bruder Otto Hänssler, eine geistliche Persönlichkeit mit besonderer Musikbegabung, 1898 geboren, kam ebenfalls im Schicksalsjahr im Alter von 20 Jahren an der Westfront ums Leben.

Jener bittere Lebensabschnitt wurde späterhin von Friedrich Hänssler in seiner Testamentseinleitung wie folgt beschrieben:

Das waren Schläge für mich. Ich will nicht sagen, dass ich mich gegen Gott aufgelehnt hätte, aber ich konnte Gottes Wege nicht mehr verstehen. Es ging mir wie in dem damals von mir vertonten Lied: Gottes Wege sind oft dunkel, überschattet von der Nacht, in dem es am Schluss heißt: »Gottes wunderbare Gnade wandelt sie in Herrlichkeit.« Ich durfte mich zum Dennoch des Glaubens mit Psalm 73 durchringen.3

Inmitten dieser kaum tragbaren, schweren Erlebnisse entstand wie durch ein Wunder ein wahrer Liederschatz. Der schwer Geprüfte komponierte vorwiegend Lieder, die von der Ewigkeit, vom Jenseits handelten. Das Ewige schien das einzig Gewisse zu sein. Manche der Lieder entwickelten sich auch ganz spontan, situativ. Als ihn eines Tages die Nachricht vom Tod seines besten Freundes erreichte, einem Matrosen, der mit einem Kriegsschiff untergegangen war, schrieb er beispielsweise die große Motette Auch das Meer gibt seine Toten wieder. Darüber hinaus folgten Lieder wie: Droben im Lichte, da wird es einst tagen; Ich möchte heim, mich zieht’s zum Vaterhause; Wer weist den Weg nach der oberen Stadt; Heimat im Lichte dort; In meines Jesu Hände mit dem Vers: »Geht’s auch durch Dorn und Dunkel«, und dem Refrain: »Drum weiß ich, umso schöner wird’s droben einmal sein, wenn ich zu deinen Toren, Jerusalem, zieh ein.«

Alle Lieder weisen einen tief gehenden Bezug zur himmlischen Herrlichkeit auf. Diese Musikstücke und noch viele weitere gleichartige Kompositionen sind nicht zuletzt auch aufgrund seiner großen inneren und äußeren Lebensveränderung entstanden.

Gott schenkte ihm Kreativität im höchsten Maße. All die signifikanten, schmerzlichen Erlebnisse machten aus dem jungen Komponisten einen – man möchte sagen – neuen Menschen, was sich vornehmlich im weiteren Berufsleben auswirken sollte.

Trotz des unaussprechlichen Leids, trotz der menschlichen Verluste folgte dieser Mann ohne zu resignieren jenem Weg, der ihm von seinem Herrn bestimmt war.

Schon einige seiner Kompositionen hatte er bereits 1915, im Jahr der Heirat seiner ersten Frau Anna, bei verschiedenen Verlagen herausgegeben, unter anderem auch in dem Bonner Verlag Johannes Schergens. Dieser aber und weitere Verlage überstanden die Wirren des Ersten Weltkriegs nicht.

Jetzt galt es, nach einer Lösung, nach einer Alternative zu suchen, eine neue Option zu finden. Und die sollte ihm von Gott in beeindruckender Weise geschenkt werden.

Am 1. April 1919, inmitten der desaströsen Nachkriegszeit, die geprägt war von fürchterlichem Hunger, bitterer Armut und Knappheit an Gütern jeglicher Art, wagte Friedrich Hänssler einen gewaltigen, im Ganzen beeinflussenden, mutigen Schritt und gründete – aus der Notwendigkeit heraus – in aller Einfachheit den gleichnamigen Musikverlag Friedrich Hänssler. Der Grundstein für die beginnende Verlagsarbeit war die Komposition: »Auf Adlers Flügeln getragen«, welche ursprünglich von dem Verlag Berthold & Schwerdtner abgelehnt worden war. Schriftlich hielt er dazu in seinem Nachlass fest:

»Im April 1919 versuchte ich, einige meiner ersten Kompositionen selbst drucken zu lassen. Dazu gehörte das Lied: Auf Adlers Flügeln getragen / übers brausende Meer der Zeit / getragen auf Adlers Flügeln / bis hinein in die Ewigkeit, gedichtet von Anni von Viebahn. Mithilfe von Freunden konnten schon in den ersten Monaten 25000 bis 30000 Exemplare verkauft werden. Es folgten dann einige Liederhefte.«4

Dieses ausgesprochen erfolgreiche Werk, welches man zunächst in der St.-Johannis-Druckerei in Lahr-Dinglingen druckte, höchstwahrscheinlich deshalb, weil dort bereits der Text der Liederdichterin Anni von Viebahn vorlag, wurde später in vielen Sprachen – unter anderem in Russisch, Ungarisch, Polnisch, Slowenisch – übersetzt und veröffentlicht. Eine Originalausgabe konnte glücklicherweise bis auf den heutigen Tag aufbewahrt werden.

Ungezählt viele Chöre richteten im Laufe der Jahre ihren Fokus auf diese Publikation. Bei einer Freiversammlung auf einer Wiese in Stuttgart-Plieningen, an jenem Platz, auf dem heute das Gemeinschaftshaus steht, fand seinerzeit die Uraufführung dieser gesegneten Komposition statt.

Friedrich Hänssler begriff alles als von Gott geschenkt, wie man im ersten publizierten Liederheft, dessen erste Auflage im selben Jahr verlegt wurde, unmissverständlich lesen kann: »Mögen diese mir von Gott geschenkten Lieder vielen zum Segen werden.«

Auch die Zielsetzung seines musikalischen Wirkens wird anhand der Veröffentlichung des ersten Lieds in jenem Heft eindeutig dargestellt: »Dich preisen will ich, Herr, durch meine Lieder«, lautete die vertonte Botschaft. Der Chor der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Plieningen sang bereits 1920 aus diesem und darüber hinaus aus drei weiteren Liederheften, welche alle im ersten Verlagsjahr mit insgesamt sechzig Kompositionen Verbreitung fanden.

Große Aufmerksamkeit verlangte gleichfalls auch das Privatleben des Unternehmers. Nachdem Anna, geborene Leitenberger, viel zu früh heimgegangen war – sie starb während der Abwesenheit von Friedrich Hänssler, der sich auf einer Dienstreise befand –, galt es alsbald eine Frau, vor allem aber eine Mutter für das hinterbliebene einjährige Kind zu finden, welches seit dem traurigen Ereignis die Zuwendung der im Haus lebenden Großmutter und der Schwester des Verlegers erfahren durfte. Und so schien es wohl naheliegend zu sein, dass Friedrich Hänssler eines Tages, im Jahre 1919, um die Hand von Friederike Leitenberger, der Schwester der Verstorbenen, anhalten würde, die er freilich gut kannte.

Die so wichtige Entscheidung fiel dieser an schwerem, immer stärker werdendem Asthma erkrankten Frau wahrlich nicht leicht. Letztlich konnte sie aber doch in der Anfrage eine klare Wegführung Gottes erkennen. Tatkräftig und mit ungeheurem Fleiß brachte Friederike sich in den neu gegründeten Musikverlag ihres Mannes ein und widmete sich geradezu aufopferungsvoll dieser weiteren Herausforderung. In rascher Folge erschienen über zweihundert Einzelblätter mit Originalkompositionen von Friedrich Hänssler. Der blühende Aufschwung, welcher mit dem Lied Auf Adlers Flügeln getragen seinen Anfang genommen hatte, hielt mehrere Jahre lang an – bis zur Inflation 1923.

Als der Wert des Geldes schließlich immer geringer wurde und die Preise ins Unermessliche stiegen, geriet die Existenz des Verlages erstmals in Gefahr. Gott aber half weiter. Ein Schweizer Kunde war es, der aufgrund der starken Stellung des Schweizer Franken den Verlag mit dauerhaften Großaufträgen durch die Inflationszeit tragen konnte und somit auf wunderbare Weise den Fortgang des Betriebes ermöglichte.

In den Jahren 1924–1926 folgte durch die stete Veröffentlichung von Einzelblättern und einigen Liedheften, welche ausnahmslos in Leipzig gedruckt wurden, dem Hauptproduktionsort der gesamten Musikwelt, ein weiterer Aufschwung in der Firma.

Die guten Zeiten endeten jedoch mit der wirtschaftlichen Rezession 1928/1929, der Weltwirtschaftskrise, ausgelöst durch den New Yorker Börsencrash. Sie führte weltweit »zu einem massiven Rückgang der wirtschaftlichen Gesamtleistung« und brachte soziales Elend in einem unbeschreiblichen Ausmaß, politische Krisen und massenweise Arbeitslosigkeit mit sich. Auch am Verlag gingen diese so schwierigen Zeiten keineswegs spurlos vorüber.

Beginnend ab 1933 erfuhr Friedrich Hänssler durch den Nationalsozialismus eine allumfassende Drosselung der gesamten Verlagsarbeit. Man versuchte alles Jüdische auszumerzen, auch die Musik betreffend, und so gelang es zum Beispiel kaum, eine Komposition wie Du Hirte Israels zu publizieren.

Im Folgejahr 1934 wurde der Musikverlag dann zwangsweise in die Reichskulturkammer aufgenommen, und das, obwohl der allein auf Christus ausgerichtete Mann nie Mitglied der NSDAP war, sondern von Anfang an vielmehr als Gegner wahrgenommen wurde.

Bei der entscheidenden Wahl im Januar 1933, aus der Hitler als Reichskanzler hervorgegangen ist, stand auch der Verleger Hänssler in der Wahlkabine, um abzustimmen. Gerade als dieser damit beginnen wollte, auf dem Stimmzettel sein »Kreuz« auch für die NSDAP zu setzen, geschah etwas wirklich Seltsames. Plötzlich nahm er eine wie unsichtbare Hand wahr, die ihn spürbar deutlich daran hinderte – etwa so, als würde er von außen festgehalten werden –, jenen gravierenden Fehler zu begehen. Hänssler verließ die Kabine schließlich unverrichteter Dinge, ohne eine Partei zu wählen. Dieses sah Friedrich Hänssler als deutliches Eingreifen Gottes. Gott offenbarte hier unmissverständlich seinen Willen und wies Friedrich Hänssler damit gleichzeitig den rechten Weg.

Der in einem Jugendverband mitverantwortliche Verleger – in welchem damals die große Bedrohung der Zwangsübernahme in die Hitlerjugend vorherrschte – verabschiedete sich 1934 aus demselben in der Pauluskirche in Geislingen von der gesamten Gemeinde mit den Worten: »Heil sei dem, der auf dem Stuhl sitzt, unserm Gott und dem Lamm« (Offenbarung 7,10). Dieser Gruß hätte dem Entschlossenen sehr viel Ärger bereiten können, zu einer Zeit, in der man einander ausschließlich mit »Heil Hitler« begegnen sollte.

Auch Friederike Leitenberger, die im Jahre 1887 auf einem kleinen Gehöft einer alten einsamen Mühle geboren wurde, hatte bereits als junges Mädchen ihr Leben Jesus anvertraut und lebte seither mit ganzer Hingabe für ihren Herrn. Es geschah nach einer Zeltevangelisation in Stuttgart-Bad Cannstatt, zu der sie eingeladen wurde, dass sie zum lebendigen Glauben an Jesus Christus kam.

Der Gründer der Deutschen Zeltmission, Jakob Vetter, sprach die Menschen in seiner klaren, eindeutigen und adressierten Verkündigung sehr offen und geradeheraus an: »Niemand hat triftigere Gründe, zum Arzt zu gehen, als der Kranke, und niemand hat mehr Grund, zu Jesus zu gehen, als der Sünder. Also, nicht länger gewartet, auf zum Heiland!«5

Diese Botschaft veränderte Friederikes Leben grundlegend, deren Jugend von großer Armut und der lebenslangen Trennung ihrer Mutter – sie starb bei ihrer Geburt – geprägt war. Diese schmerzhaften Erfahrungen blieben ebenso wenig folgenlos wie die distanzierte, an Liebe mangelnde Erziehung der Stiefmutter, die keine rechte Nähe zu der Kleinen herzustellen vermochte und die ihren Aufgaben wenig gewachsen zu sein schien. Die so dringend benötigte Nestwärme und Geborgenheit blieben Friederike deshalb versagt.

Bereits in den frühesten Kindertagen musste das Mädchen noch vor dem Schulbeginn ihrem Vater – einem für das Umfeld der Landstraßen zuständigen Straßenwart – zur Hand gehen und mit der Sense beim Grasmähen bzw. im Winter beim Schneeräumen helfen. Die unbegreiflich harte, aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbare Inanspruchnahme des Kindes änderte sich auch nach der Schulzeit nicht. Schließlich kam es durch die andauernde Überbeanspruchung zu verschiedenen lebenslangen Leiden. Jedoch galt die Mithilfe bei der väterlichen Aufgabe als unwiderrufliche Pflicht, und das, obwohl die inzwischen den Kinderschuhen entwachsene junge Frau stets unter großer Anstrengung täglich mehrere Kilometer zu Fuß zur Arbeit in eine Weberei gehen musste und sehr spät dann auch den gleichen Weg wieder zurück.

Vielleicht war der Wunsch nach Liebe und Fürsorge, verbunden mit der vorherrschenden Notsituation, der entscheidende Anlass, welcher die Sehnsucht nach Gott erst so richtig entfachte. Friederike wurde jedenfalls eine wahre Fackelträgerin und brannte für Christus. Die aus einem nicht gläubigen Elternhaus stammende junge Frau besuchte von nun an regelmäßig die Gottesdienste, hörte mit weit offenem Herzen die Predigten, welche sie im Anschluss auffallend gut wiedergeben konnte, und sie lernte eine Vielzahl an Bibelworten und Gesangbuchliedern auswendig. Jesus hatte ein großes Feuer in ihr auf eine Weise angezündet, wie es Jakob Vetter betont zu beschreiben vermochte: »Ein Christ ist wie eine brennende Kohle. Entweder steckt sie andere in Brand oder sie geht aus.«6

Dem Ehepaar Friederike und Friedrich Hänssler wurden insgesamt vier Kinder geschenkt. Leider verstarben zwei davon schon kurz nach ihrer Geburt und auch das dritte Kind, Tochter Anna, 1920 geboren, für die Eltern ein wirklicher Sonnenschein, starb 17-jährig an Diphtherie. Einzig der 1927 geborene Sohn Samuel Friedrich, späterer Erbe des Musikverlags, und die aus erster Ehe hervorgegangene Stiefschwester Elsa waren den Hänsslers geblieben.

Die unbeschreiblich schmerzlichen Erfahrungen führten das Ehepaar Hänssler an die Grenze des Erträglichen und läuteten eine Phase der Niedergeschlagenheit ein, trotz ihres Glaubens, der fest im Wort Gottes gegründet war. Hinzu kamen noch weitere Herausforderungen durch die vorherrschende Macht des Nationalsozialismus.

Die Verhältnisse im Ganzen mit Auswirkungen auf den Verlag, die Familie, die Versammlung der Gläubigen und vor allem auch auf die Kirche wurden immer schwieriger. Die kleine Familie sah sich den unterschiedlichsten Angriffen gegenübergestellt. Weil der Verlag nicht konform mit der Naziideologie war und nur bibelbezogene Musik veröffentlichte, hatte das freilich spürbare Auswirkungen auf den gesamten Verkauf. Es gab bittere, kolossale Auseinandersetzungen, auch im Dorf, zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen, den Nazis, die das wahre Christentum überwinden und radikal verändern wollten.

Ein ganzes Volk litt unter der Verblendung dieser rassistischen Ideologie und ihrem totalitären Absolutheitsanspruch. Jene, die gegen den Strom schwammen, gerieten im höchsten Maße in Gefahr, wurden an den Pranger gestellt, geächtet, zurückgewiesen, boykottiert oder kamen im Konzentrationslager zu Tode. Und so mussten auch die Hänsslers – im Hinblick auf ihre totale Ablehnung der politischen Ausrichtung des Staates – absolutes Unverständnis seitens der Bevölkerung im Dorfe erfahren. Die negativen Einflüsse des Nationalsozialismus waren überall greifbar.

Das Jahr 1938 war für die Familie ein Jahr mit besonderen Herausforderungen.

Der damalige, im Heimatdorf Plieningen amtierende Dekan, ein überzeugter Nationalsozialist, verbot dem im aktiven Widerstand der Bekennenden Kirche stehenden Ortspfarrer die Benutzung der kirchlichen Räume für ein beabsichtigtes Treffen bekennender Pfarrer. Friedrich Hänssler, damals Leiter der örtlichen Landeskirchlichen Gemeinschaft, reagierte darauf entsprechend und bot unerschrocken deren Saal als Ausweichraum an. Als das Treffen schließlich beginnen sollte, sperrte die Geheime Staatspolizei das Gebäude radikal ab, mit dem Hinweis: »Verboten!«

Ein anderes eindrückliches Erlebnis geschah in der großen, alten Dorfkirche. An der Decke des Kirchenschiffs war ein Wort Gottes leicht gekürzt, aus Hosea 14,6, kunstvoll aufgemalt: »Israel soll blühen wie eine Rose.« Entsprechend der Partei-Ideologie wurde dieses vollständig entfernt. Im selben Jahr erschien zudem in der Reichssturmfahne, dem Kampfblatt der Hitlerjugend, ein Schmähartikel über den Musikverleger zum Thema »Der Bote aus Zion«. Dabei wurde das Kinderlied Gospel Train in deutscher Übersetzung mit der Bemerkung abgedruckt, dass man diesen Schwachsinn im Musikverlag Friedrich Hänssler in Plieningen beziehen könne.

Mit Kriegsbeginn im Jahre 1939 veränderte sich zwangsläufig absolut alles, auch die Familienstrukturen. Viele der Männer wurden nun Soldaten und mussten jetzt an die Front, um zu kämpfen, während die Frauen mit ihren Kindern im Ungewissen zurückblieben. Die drängende, innere Frage nach einem Wiedersehen und ob man das Kommende wohl irgendwie überleben würde, blieb letztlich für jeden Menschen unbeantwortet und vollkommen offen. Jedwede Sicherheit war von heute auf morgen verloren gegangen.

Wieder warteten auf den Musikverlag große Herausforderungen, wieder brachen schwierige Zeiten an, denen sich natürlich die gesamte Zivilbevölkerung, aber eben auch jeder damalige Unternehmer zu stellen hatte.

Bisher publiziertes Chormaterial für den gemischten Chor war, der neuen Situation entsprechend, einfach nicht mehr gefragt – man musste umdisponieren. Der Schwerpunkt lag nun fast ausschließlich auf Frauenchormaterial. Die Kriegsumstände bestimmten jetzt Angebot und Nachfrage. Es gab zum Beispiel seitens der Regierung die Anordnung, nachts sämtliche Fenster in den Häusern zu verdunkeln, damit die ausländischen Flugzeuge diese nicht orten konnten, und so wurde beispielsweise vorschriftsmäßig Verdunkelungspapier in rauen Mengen verkauft, große schwarze Rollen, die man in die Fenster einhängen konnte.

Die Hänssler-Familie geriet im Jahre 1941 durch das ausgesprochene Verlagsverbot in eine besonders prekäre Lage. Alle Kupferstichplatten – damals gab es noch keine Offsetdruckereien und so druckte man eben noch von diesen Platten – mussten zur restlosen Vernichtung abgeliefert und eingeschmolzen werden – ein enormer wirtschaftlicher Verlust.

Am Ende desselben Jahres kam es außerdem durch eine Luftmine, einer großen Sprengbombe, die aufgrund ihrer immensen Druckwelle allein auf völlige Zerstörung zielte, zu einer starken Beschädigung des Hauses, in welchem der Verlag in mehreren Räumen ansässig war. Dieses gefährliche Ereignis, bei dem unter anderem das ganze Dach abgedeckt wurde, hätte für den Verleger wahrlich schlimm, unter Umständen sogar tödlich enden können, als in einem Augenblick ein riesiger Bombensplitter direkt über den Kopf des Mannes hinwegrauschte, während dieser im Bett lag, und bei der wuchtigen Landung fast einen ganzen Balken durchschlug.

Mit dem staatlicherseits erzwungenen Ende der Verlagsarbeit musste dringend etwas Neues gefunden werden. Räumlichkeiten waren ja durchaus vorhanden, und diese konnten erfreulicherweise auch weiterhin genutzt werden. So entstand zu guter Letzt ein Schreibwarenladen und, wen wundert es, man konnte hier unter anderem freilich auch Bücher kaufen. Immer mal wieder prüfte und kontrollierte die Gestapo das Warenangebot der Ein-Mann-Firma nach gezielten Titeln, fand aber nichts, was sie hätte vernichten müssen.

Es grenzt geradezu an ein Wunder, dass es dem Musikverleger inmitten der judenfeindlichen nationalsozialistischen Zeit und trotz des Verlagsverbotes 1941 gelang, im Jahre 1942 eine selbst komponierte Motette mit dem programmatischen Titel Der Herr hat Zion erwählt und hat Lust daselbst zu wohnen drucken zu lassen. Mit diesem Bibelwort aus Psalm 132,13 unterstrich er zweifelsfrei seine klare theologische Ausrichtung und seine besondere Beziehung zu dem auserwählten Volk Israel.

Aufgrund der allumfassenden, durch und durch Jesus-zentrierten Ausrichtung war der schwer Herzkranke längst nicht bei allen Menschen beliebt. Deshalb kam es hin und wieder mal vor, dass er unberechtigterweise eine fadenscheinige Strafanzeige bekam, einzig und allein mit dem Ziel, ihm und seinem Verlag zu schaden. Einmal klagte man Friedrich Hänssler eines Wirtschaftsvergehens an und behauptete, er hätte einen Füllfederhalter verkauft, um einen Zentner Weizen zu bekommen, was keineswegs stimmte. Die Anzeige wurde dann letztlich nicht weiterverfolgt. Irgendwie wollte man ihn beiseiteräumen, ihn wegschaffen.

Es ist darum wenig verwunderlich, dass irgendwann erneut ein Verbot erging, welches sich diesmal natürlich auf den Schreibwarenladen bezog. Sämtliche Restbestände von wichtigen Notendrucken und Büchern mussten nun für die beabsichtigten Nachdrucke gerettet werden. Dem einfallsreichen Mann kam schließlich der durchaus amüsante Gedanke, die wichtigsten Ladenschätze unter mehreren riesigen Wachstuch-Tischdecken in einem Hühnerstall zu deponieren, in der nicht unbegründeten Hoffnung, dass die auf der Hühnerstange sitzenden Tiere eine gute, hauptsächlich aber quantitativ ergiebige Arbeit verrichten würden. Auf die Hühner war wirklich Verlass. Ganz systematisch deckten sie zu, was keinesfalls offenbar werden durfte.