fritz gegen Goliath - Mirco Wolf Wiegert - E-Book

fritz gegen Goliath E-Book

Mirco Wolf Wiegert

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Beschreibung

Die Geschichte von fritz-kola klingt unglaublich: Als Mirco Wolf Wiegert 2003 mit einem Kumpel 7000 Euro zusammenkratzte und aus dem Studentenwohnheim heraus Coca-Cola herausforderte, war das eine Sternstunde der Gründerszene. Die beiden vertickten die ersten Kästen via Direktvertrieb an angesagte Clubs im Hamburger Schanzenviertel und eroberten von dort aus Deutschland und die Welt. Heute ist fritz die alternative Kola und Limonade Nummer eins mit fast 300 Mitarbeitern in über 25 europäischen Ländern, hat sich nicht kaufen lassen und lebt »indie« at it's best. In seiner Start-up-Fibel erzählt Mirco, wie sie ohne Dispo, dafür mit viel Herzblut loslegten und schnell erfolgreich wurden. Er erinnert sich, wie es zu dem Namen kam, wann die erste Post von Coca-Cola eintrudelte und warum die Lieferwagen von fritz kleiner sind als die der anderen. Ein Buch voller Anekdoten und wertvollem Business-Know-how.

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Das Buch

Als Mirco Wolf Wiegert 2003 mit einem Kumpel 7000 Euro zusammenkratzte und aus dem Studentenwohnheim heraus Coca-Cola herausforderte, war das eine Sternstunde der Gründerszene. Die beiden lieferten die ersten Kästen via Direktvertrieb an angesagte Clubs im Hamburger Schanzenviertel und eroberten von dort aus Deutschland und die Welt. In seiner Start-up-Fibel erzählt Mirco, wie sie ohne Dispo, dafür mit viel Herzblut loslegten und erfolgreich wurden. Eine spannende Unternehmensgeschichte mit vielviel Koffein, Anekdoten und wertvollem Business-Know-how.

Der Autor

Mirco Wolf Wiegert, geboren 1975 in Hamburg, studierte – nach Zivildienst und Ausbildung in einer Spedition – Außenwirtschaft und internationales Management. Zusammen mit einem Freund aus Pfadfindertagen gründete er 2003 fritz-kola. Als geschäftsführender Gesellschafter ist er der Unternehmer hinter der Indie-Brand.

Fotoquelle: © Eva Häberle

ECON

Inhaltsverzeichnis
Über das Buch / Über den Autor
Titel
Impressum
Widmung
vorwort
prolog
01 gründung
02 herkunft
03 aufbruch
04 marketing
05 wettbewerb
06 herausforderungen
07 unabhängigkeit
nachwort
danke
bildteil
abbildungsverzeichnis
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ISBN: 978-3-8437-2589-7

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021

Buchumschlag: Rocket & Wink, Hamburg

Innengestaltung: Tanja Pfaff, Hamburg

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

„Guten Morgen Mirco, anbei findest du eine kurze Planung für nächsten Freitag. (Yann hat eine Route geplant, die wir sehr gut zu Fuß ablaufen können.)

Bis nächsten Freitag!

Yann & Jannis“

Nun sitze ich im Zug von Hamburg nach Berlin. Noch habe ich eine FFP2-Maske auf, aber draußen scheint die Sonne, die Impfungen machen Fortschritte und ein Ende der Covid-19-Pandemie scheint in Sicht. Es erwartet mich ein Tag in Berlin mit Yann & Jannis. Die beiden „fritzen“ sorgen dafür, dass es fritz-kola in Berlin überall dort gibt, wo es schön ist. All die kleinen Cafés, Bars, Restaurants, Dachterrassen, Parks, Clubs, Uferpromenaden; all die Plätze, an denen sich nun nach Monaten bald wieder Menschen tummeln werden. All die Orte, an denen eine eiskalte fritz-kola oder eine unserer Limonaden und Schorlen den Moment versüßt und wir die Gesellschaft anderer genießen. Wir werden mithelfen, all den Gastgebern und ihren Gästen in der Post-Covid-19-Zeit diesen besonderen Moment zu ermöglichen.

Ich weiß noch wie heute, als ich mit meinem alten VW-Bus von Hamburg nach Berlin gefahren bin, um das erste Mal fritz-kola in diese vibrierende Weltmetropole zu bringen. Es war noch die Anfangszeit von fritz-kola. Wir hatten noch keine Mitarbeiter, kein Geld und wenig Erfahrung, wie es ist, ein „guter Unternehmer“ zu sein. Aber wir hatten einen spannenden Weg vor uns, bei dem uns viele tolle Menschen begleitet haben. Meistens Jungs und Mädels in den Zwanzigern, enthusiastisch, bei uns mitzumachen. Über die Jahre dann auch ältere Semester, um dem Enthusiasmus Erfahrung beizufügen. Heute, kurz vor Redaktionsschluss und Drucklegung dieses Buchs, ist fritz-kola volljährig, also erwachsen geworden. Mit unseren fast 300 fritzen in Deutschland, BeNeLux, Polen und Österreich verkaufen wir fritz-kola in fast alle europäische Länder und lasten fünf Abfüllbetriebe aus.

Auch wenn der größte Teil dieses Buches aus meiner Perspektive geschrieben ist, so war und ist fritz-kola immer mehr als die Story von „den beiden Gesichtern“ auf der Flasche, also Lorenz und mir. Fritz hat viele Menschen über Jahre begleitet: sei es als Koffeinexperte im Verkauf; als Barfrau im Nachtleben; Musiker, die unterstützt von uns ihre Tourneen überstanden; an der Abfüllmaschine, um in Nachtschichten im Sommer noch Ware bereitstellen zu können; als Fan, der sich über seine fritz an Orten freut, an denen er uns nicht vermutet hätte; als Hater, der sich über unsere Kommunikation und Haltung ärgert … Unzählige Menschen haben uns begleitet. Einige werden hier im Buch zu Wort kommen.

Ich erzähle hier aber nicht nur unsere Firmengeschichte, sondern auch von meinen Erfahrungen, Krisen und Aha-Momenten als Unternehmer. Wer selbst vor der Gründung steht oder ein Start-up plant, kann daraus vielleicht Inspiration für sein eigenes Projekt ziehen oder Hilfe finden, eigene Wege zu beschreiten. Hauptsache, Ihr lauft los.

Wir leben in gesellschaftlich bewegten Zeiten. Mit meinem Buch möchte ich wertschätzend kommunizieren und allen Lesern, unabhängig von Geschlecht und Herkunft, ein leichtes Leseerlebnis anbieten. Ich habe mich darum gegen das Gendern im Allgemeinen entschieden und für die Nennung von Frauen und Männern im Besonderen, um allen gerecht zu werden und eine Bühne zu bereiten. Der Begriff „fritze“ bzw „fritzen“ ist grundsätzlich geschlechtsneutral und beschreibt schlicht die tollen Menschen, die für fritz-kola arbeiten.

Mirco Wolf WiegertHamburg im Mai 2021

„Lorenz, so geht das nicht weiter! Wir müssen bekannter werden!“ Ich war nervös. Wir hatten erste Erfolge mit fritz-kola erzielt, und es zeichnete sich ab, dass unsere Geschäftsidee funktionieren könnte. Aber es war unglaublich mühsam, unser Produkt nur durch „Klinkenputzen“ bei einzelnen Kneipenwirten bekannt zu machen.

„Wir brauchen PR! Einen richtigen Aufschlag!“, argumentierte ich, als wir nachmittags das Schulterblatt in Hamburgs Schanzenviertel entlanggingen. Zwischen uns trugen wir einen Kasten mit fritz-kola – wir wollten uns einer neuen Bar präsentieren. „Aber wie erreichen wir viele Leute auf einmal? Wir haben kein Geld für Werbung! Und auch keine Pressekontakte!“

Damals, 2003, gab es zwar das Internet irgendwie schon, mit AOL und so was – aber von der Möglichkeit, eine Idee über Facebook, Twitter, Instagram oder YouTube in kurzer Zeit und sogar kostenlos zu verbreiten, war die Welt noch weit entfernt. Doch dann geschah etwas, was das ganze Ding zum Laufen brachte.

„Wir müssten uns mal mit Leuten zusammensetzen, die was von PR verst …“, setzte ich an. „Halt mal die Kiste!“, unterbrach mich Lorenz und sprintete plötzlich los – quer über die Straße. Im Gegensatz zu mir fackelte er nie lange. Er war ein Machertyp – selbstbewusst und eine coole Socke. Also sprang er direkt vor einen ausparkenden Smart und klopfte ans Fenster der Fahrertür.

Das Auto war beklebt mit dem Logo der „Hamburger Morgenpost“, einem damals auch von Studierenden viel gelesenen Boulevardblatt. Die MoPo ließ ihre rasenden Reporter seit einiger Zeit in diesen Smarts durch die Stadt fahren. Und Lorenz versuchte, den MoPo-Mann davon zu überzeugen, dass ihm eine echt gute Story entgehen würde, sollte er jetzt weiterfahren.

Die Neugier des Reporters war geweckt: Matthias Onken, nicht viel älter als wir, besuchte uns beide darauf in meinem Studentenwohnheim im Hamburger Westen. Wir drückten ihm gleich eine fritz-kola in die Hand. Als er die Flasche lässig mit seinem Feuerzeug öffnete, verpasste er sich selbst einen „Knutschfleck“, als ihn der wegploppende Kronkorken mit ordentlich Druck am Hals traf. Mit so viel Kohlensäure hatte er nicht gerechnet. Er nahm’s mit Humor – und eine Kiste mit in die Redaktion.

Am nächsten Tag sprach er vor der Hamburger Uni Studenten an. Die jungen Frauen und Männer auf dem Campus sollten unsere Kola testen und kommentieren. Ein paar Tage später erschien eine doppelseitige Reportage über die beiden Studenten, die den Weltkonzern Coca-Cola herausforderten.

Das war für uns wie ein Sechser im Lotto. Auf einen Schlag kannte uns die ganze Stadt. Die fritz-kola-Story konnte Fahrt aufnehmen.

Das Studentenleben war schon etwas Schönes. Für mich erst recht, denn ich hatte vor der Fachhochschule eine Ausbildung als Speditionskaufmann gemacht und wusste deshalb im Gegensatz zu manchen direkt von der Schule kommenden Kommilitonen zu schätzen, wie viel Freiheit ich als Student genoss. Mein Leben war stärker selbstbestimmt, als ich es mir als Angestellter jemals hätte erträumen können.

Ich konnte selbst entscheiden, ob, wann und wie intensiv ich mein Studium vorantrieb. Ich musste nicht morgens um sieben irgendwo auf der Matte oder an der Rampe stehen und Anordnungen befolgen. Und ich konnte mich abends und nachts in Bars herumtreiben. So viel Eigenverantwortung hat natürlich auch Tücken. Es braucht viel Selbstdisziplin. Wer dafür nicht geschaffen ist, versackt irgendwann als ewiger Student und Gelegenheitsjobber. Denn der berufliche Weg ist nicht vorgezeichnet. Was man später mal machen will, muss man sich selbst überlegen und die entsprechenden Schritte gehen.

In dieser Phase waren mein bester Freund Lorenz und ich 2002. Wir studierten und jobbten – und stellten uns die Frage, wie es nach dem Examen mal weitergehen sollte. Nach der Erfahrung in der Lehre wusste ich: Ich wollte mein eigener Herr sein, träumte davon, selbstständiger Unternehmer zu sein. Das war in dieser Zeit eher selten. Die meisten unserer Kommilitonen strebten eine Anstellung bei einem großen Unternehmen an. Eine Start-up-Kultur wie heute gab es nicht. Anfang des Jahrtausends lief die Wirtschaft nicht gut – es gab eine Rezession und der Schock von Nine-Eleven wirkte noch nach. Der Neue Markt der börsennotierten Tech-Firmen war gerade zusammengebrochen und die Arbeitslosigkeit im Vergleich zu heute hoch. Für Uni-Absolventen war es schwierig, einen guten Job zu finden.

Auch die Neigung mancher Zeitgenossen, Ideen kaputtzureden mit Sprüchen wie „Das klappt ja nie“, war damals noch größer. Heute machen sich die Leute, die ihrem eigenen Können und ihren Visionen vertrauen, schneller selbstständig. Aber damals waren wir absolute Exoten mit unserem Drang, auf eigenen Füßen zu stehen – oder das wenigstens mal auszuprobieren. Wir hatten schlicht keinen Bock darauf, dass Chefs und Kollegen ihren Senf zu unserer Arbeit geben. Wir wollten stattdessen einfach mal gucken, wie Selbstständigkeit geht und wie weit wir kommen. Also Gewerbeschein holen, ein funktionierendes Office aufbauen, Rechnungen schreiben, das Produkt herstellen und verkaufen. Und schließlich damit Geld verdienen.

Aber wie ging so was eigentlich – ein Unternehmen führen? Immerhin hatte ich meine Studienfächer bewusst passend zu meinem Berufstraum Unternehmer gewählt: Außenwirtschaft und internationales Management, also so BWL-Kram. Und wie alle anderen Studenten der Betriebswirtschaft in meinem Jahrgang hatte ich zum Studienbeginn am klassischen „Pizzaprojekt“ teilgenommen, bei dem man durch Gründung eines virtuellen Pizzaladens das kleine Einmaleins des Unternehmertums kennenlernt, also die berühmten vier P: Preis, Produkt, Promotion (Werbung) und Platzierung. Dass auch weitere Themen auf uns zukommen würden, wie etwa Marktanalyse, Wareneinkauf, Buchhaltung, Personalplanung, Mitarbeiterführung, Kapital- und später auch Kreditmanagement und so weiter, haben wir damals nicht bis zum Ende durchdacht. Vielleicht war das auch gut so. Ich hatte einfach Bock, dieses 4P-Pizza-Projekt von der Fiktion in die Realität zu bringen, und zwar unbedingt zusammen mit Lorenz. Wir waren einfach neugierig, wie man ein Unternehmen führt. Darüber, wie wir so ein spielerisches Kleinunternehmen mit unserem Studium, unseren Jobs und unserem Privatleben unter einen Hut bringen sollten, haben wir uns damals keine Gedanken gemacht. Wir ließen es auch langsam angehen, haben uns vor der tatsächlichen Gründung ein Jahr lang nur gelegentlich mal hingesetzt dafür und waren nicht besonders diszipliniert.  Aber manche Entscheidungen im Leben brauchen eben Zeit, um zu reifen – auch wenn man später nicht genau sagen kann, was man in dieser „Reifezeit“ eigentlich genau gemacht hat. 

Tatsächlich haben wir uns erst ziemlich spät festgelegt, worin unser Business überhaupt bestehen sollte. Wir hatten so ein Ideenheft, eine abgegriffene DIN-A5-Kladde, in dem wir mit unserer Krakelschrift alle möglichen Einfälle notierten. Die haben wir dann auch ein bisschen weitergesponnen und ausgearbeitet. So haben wir mal die Idee eines Bocadillo-Ladens durchgespielt – eine Art Bar, in der es geile Brötchen und geilen Kaffee gibt. Die Idee dazu hatten wir von einer gemeinsamen Interrailtour 1998 aus Spanien mitgebracht. Das Konzept war damals für Deutschland noch vergleichsweise neu und Starbucks selbst hat zu der Zeit hierzulande gerade die ersten Filialen eröffnet.

Ebenfalls in den gastronomischen Bereich ging die Idee, ein Hostel zu eröffnen. Auch an eine Putzkolonne haben wir gedacht. Man sollte einfach bei uns anrufen können, und wir kommen und machen für kleines Geld sauber. Es ging also um Angebote und Dienstleistungen, die Studenten in Anspruch nehmen würden oder sich wünschen. Aber auch über einen Hausmeisterservice haben wir mal diskutiert.

Klar war: Es sollte etwas Konkretes und nichts rein Virtuelles sein. Außerdem suchten wir eine Aufgabe, die Spaß versprach, die wir zusammen machen könnten. Bei einer Tiefkühlpizza und einer Cola in der Küche entstand schließlich die Idee, eine neue Kola zu entwickeln, die besser als andere und auch besser als der Marktführer ist: stärker, intensiver, mehr wach, weniger süß, keine Plastik-, sondern nur Glasflaschen. Zielgruppe: Studenten und andere ausgehfreudige junge Leute. Und es sollte eine Kola sein, keine Cola. Nur ein Buchstabe, aber bis heute ein Symbol für alles, was wir anders machen wollten.

Wir waren wie berauscht von der Idee, denn uns beiden waren die Vorteile dieses Produkts sofort klar: Man kann Kola je nach Bedarf produzieren lassen sowie lagern und sie hält eine ganze Weile. Man kann sie an Firmenkunden (B2B) und Endkunden (B2C) verkaufen, und sie braucht sich auf, wird also nachgekauft. Weil sie tagtäglich konsumiert werden will und auch wenig kostet verglichen mit einem Luxusprodukt. Und die Herstellung einzelner Tranchen braucht nicht viel Kapital – denn alles, was mit teuren Maschinen und Anlagen zu tun hat, wird ausgelagert, also von anderen geleistet. Auch ein Ladenlokal oder so was brauchten wir nicht, sondern lediglich günstigen Lagerraum mit ein paar Quadratmetern Bürofläche dabei. Doch das Hauptargument für die Kola-Entscheidung war: Dieses Projekt versprach den meisten Spaß für die 7000 Euro, die wir aufbringen konnten. Weil eine Kola einfach ein geiles Produkt ist. Und weil wir uns damit weiter in dem Umfeld bewegen konnten, das wir mochten: Cafés, Clubs, Bars und Kneipen. Und dabei sogar Geld verdienen!

Schon damals hätten sicher die meisten bei „Start-up“ an Computer und Software gedacht. Aber das hätte uns nicht annähernd so viel Spaß gemacht – selbst wenn es mehr Geld gebracht hätte. Natürlich ging es uns aber nicht nur ums Vergnügen – dass die Gründung eines Unternehmens viel Arbeit bedeuten würde, war uns klar, und die Bereitschaft dazu brachten wir beide mit.

Dass fritz-kola so viel Erfolg haben und dass es so gut funktionieren würde, war damals überhaupt nicht geplant oder im Rahmen des Vorstellbaren. Wir haben uns nur gesagt, wir machen jetzt einfach mal eine Kola und gucken, was passiert. Gut oder schlecht, Fehler oder nicht: komplett egal! Einfach erst mal machen und schauen, ob wir damit wirklich Geld verdienen. Wir können jederzeit aufhören, wenn es nicht läuft, aus den Anfängerfehlern lernen und eine unserer anderen Geschäftsideen ausprobieren. Wir wollten Arbeit, Spaß und Unabhängigkeit unter einen Hut bringen. Es war also eher ein Projekt als der große Welteroberungsplan – allerdings mit echtem Geld und echten Menschen.

Übrigens notiere ich mir bis heute fast täglich neue Einfälle, Ideen und Inspirationen. Diese Ideensammlungen zu pflegen, ist auch eine Übung für mich selbst. Und es macht mir einfach Spaß, Einfälle kurz zu skizzieren und irgendwann weiterzuspinnen. Leider ist jedoch „Band 1“ des Ideenhefts mit unserer Kola-Idee bei einem der Umzüge unserer Firma verloren gegangen. Das kenne ich von vielen Firmen: Mit den Dokumenten aus der Anfangsphase geht man in den Jahren nach der Gründung leider ziemlich nachlässig um. Einen Sinn für die Kostbarkeit von „Beweisstücken“ und eine Art Archiv für die Firmentradition entwickelt man erst später und nicht während der stürmischen Wachstumsphase. Ich kann nur jedem Gründer raten: Bevor Ihr Euren allerersten Ordner mit den frühen Ideenskizzen, der Gewerbeanmeldung und dem vielleicht sogar handgeschriebenen, dilettantischen Businessplan wegschmeißt, schiebt ihn Euch unters Bett oder lagert ihn bei Euren Eltern auf dem Dachboden. Später werdet Ihr froh sei, ihn zu haben, darin zu blättern und ihn anderen zu zeigen. Ich habe aus diesen ersten, stürmischen Tagen immerhin noch meinen ersten eigenen fritz-kola-Kasten.

vom konzept zum rezept

Eine ganze Weile hatten wir nur den abstrakten Plan: Wir machen eine Kola. Wir waren ja in erster Linie ziemlich normale junge Leute, die gerne auch mal Zeit vertrödeln und feiern, anstatt ein Projekt zügig und systematisch voranzutreiben. Studium, Freundinnen und Jobs forderten ihr Recht. Wir mussten schließlich Geld zum Leben haben. Allerdings war schnell klar, dass wir unsere Firma hauptberuflich machen wollten, sobald es ging. Zunächst war es aber gezwungenermaßen eine Nebenher-Beschäftigung.

Rückblickend halte ich es für einen Vorteil, dass wir schon aus Geldmangel einen Schritt nach dem anderen gehen mussten und nicht gleich einen Apparat mit Büroräumen, Personal etc. aufgebaut haben. So kannten wir über viele Jahre hinweg jedes Detail unseres Geschäfts, weil wir täglich selbst damit zu tun hatten. Wir kannten anfangs sogar jeden unserer Kunden persönlich und konnten jeden Tag die Situation im Markt studieren. Hätte uns gleich am Anfang ein reicher Onkel den Start finanziell ausgepolstert, wäre das sogar gefährlich gewesen. Mit viel Geld kann man auch viel Unsinn machen.  Eine bescheidene finanzielle Situation erzwingt größere Sorgfalt und gründlicheres Nachdenken.  Die größten Fehler haben wir bei fritz-kola immer dann gemacht, wenn wir genügend Geld zur Verfügung hatten.

Nebenher zu gründen war für uns die richtige Herangehensweise und kann auch für andere funktionieren – auch, weil man die Bodenhaftung behält, wenn man seinen Lebensunterhalt durch ganz normale Arbeit verdienen muss. Aber welche Strategie die richtige für ein Start-up ist, hängt natürlich vom Produkt ab. Wer wie beispielsweise Amazon auf einen neuen Markt zielt, in dem es nur darum geht, welcher Monopolist sich am Ende durchsetzt, muss von Anfang an voll auf die Tube drücken und dabei in Kauf nehmen, dass das Unternehmen über Jahre hinweg nicht profitabel ist. Auch wessen Erfolgsaussichten bombig sind, etwa mit einer lukrativen Lizenz, kann von Anfang an in die Vollen gehen und dafür auch einen Kredit aufnehmen. Wer aber, wie wir damals, als kleiner Neueinsteiger in einen schon existierenden Markt rein will, sollte von Anfang an profitabel sein, nur Schritt für Schritt wachsen und flexibel bleiben, um die Lücken im Markt ständig neu zu suchen und zu finden. Abgesehen davon hätte es mir auch viel weniger gegeben, von Anfang an ein Jahresgehalt von 50 000 Euro zu kassieren und alle Aufgaben zu delegieren. Wir machen unabhängig unser Ding – die viele Arbeit und der anfangs sehr bescheidene Lebensstandard gingen für diese Freiheit voll in Ordnung. Dass an ein neues Auto, ausgedehnte Urlaubsreisen oder auch eine frühe Familiengründung damals nicht zu denken war, haben wir übrigens nie als Verzicht empfunden. Wir taten ja genau das, was wir am meisten wollten. Mit maximaler Kraft ein Unternehmen aufbauen und gleichzeitig maximalen Lebensstandard genießen, geht nun mal nicht. 

Irgendwann Ende 2002 wurde uns klar, dass wir jetzt doch mal vom Konzept zum Rezept übergehen sollten. Wir hatten uns das ganz einfach gedacht: Zuerst würden wir im Internet nach Zutatenlisten und Zubereitungsanleitungen suchen, im Supermarkt und notfalls der Apotheke einkaufen und die Kola dann irgendwie zusammenmixen, bis sie uns schmeckte. Also nach dem Motto: eine Stange Zimt, etwas Vanille, ein paar Krümel Kardamom und Nelke im Mörser zerstoßen, dann ein paar Spritzer Bergamotte und Zitrone dazu, etwas frisch ausgepressten Ingwer abschmecken, einen großen Löffel Koffein aus Kaffee, eine Schippe Zucker, mit Karamellsirup zum Färben auffüllen, damit es schön schwarz wird, Wasser und Kohlensäure dazu, umrühren und fertig. Aber das erwies sich schnell als naiver Plan. Das konnten wir erst viele Jahre später umsetzen, als wir 2021 unsere fritz-kola bio-kola neu einführten.

2002 wussten wir noch nicht, wie man aus diesen Zutaten ein Getränk macht. Auch Zuckerkulör, also karamellisierten und dann verflüssigten Zucker, hinzubekommen, ohne dass es verbrannt schmeckt, ist keineswegs einfach. Es kam also nie so weit, dass wir irgendwas zusammenrührten – wir haben rechtzeitig begriffen, dass wir auf diese Weise niemals eine Kola hinkriegen würden. Heute weiß ich übrigens, wie man eine hervorragende, klassische Kola zusammenbraut oder eine echte Bio-Kola. Letztere ist etwas einfacher, weil man bei Bio-Rezepturen mit weniger Zutaten auskommen muss. Wir haben heute bei fritz-kola erfahrene Kollegen, Frauen wie Männer, die tief ins Detail einsteigen. Damals war klar: Wir brauchen professionelle Hilfe. Jemanden, der uns die Kola nach unseren Vorstellungen produzieren würde. Also recherchierten wir die Adressen von Brauereien und Mineralwasser-Produzenten und klemmten uns ans Telefon. „Guten Tag, hier Wiegert, können Sie uns ein neues Kola-Rezept erfinden? Und dann ein paar Kisten davon produzieren?“ Von schallendem Gelächter bis konsterniertem Schweigen erlebten wir ziemlich viel, es war echt mühsam und eine Übung in einer wichtigen Unternehmertugend: Frustrationstoleranz.  Als Gründer musst du manchmal jeden Tag mit dem Kopf durch die Wand, aber das ist die Basis des späteren Erfolgs.  Nachdem wir über vierzig Absagen kassiert, uns weiter durchgefragt und nicht aufgegeben hatten, wurden wir dann Ende 2002 schließlich bei einer kleinen Brauerei im Weserbergland fündig. „Jungs, ihr habt ja keine Ahnung“, meinte der Braumeister freundlich-mitleidig. „Aber klar kann ich euch helfen. Erzählt mir einfach, was ihr genau wollt, und dann machen wir da was Schönes draus.“ Jackpot!

Was wir wussten: Es ist Quatsch, so schmecken zu wollen wie der Marktführer. Denn dann kaufen die Leute dessen Produkt. Unsere Kola sollte erst mal klar nach Kola schmecken und ordentlich Koffein beinhalten, aber weniger süß sein und zitroniger – also ein bisschen erwachsener. Letztlich wollten wir eine Kola, die uns selbst schmeckt und die cool rüberkäme. Das ist beim Entwickeln von Produkten ja oft ein gutes Kriterium: Würde ich es selbst nutzen oder konsumieren, verschenken oder geschenkt haben wollen? Wenn man ein qualitativ hochwertiges Produkt hat und selbst Fan davon ist, kann man damit auch andere anstecken und die Begeisterung in die Welt tragen.

Der Braumeister war zum Glück auch angefixt und hat für uns sein Netzwerk aktiviert. Die Rezepte für viele Colas und Limos werden nämlich häufig von darauf spezialisierten Experten bei den Vorlieferanten der Getränkeindustrie erfunden. Sie beziehen die Aroma-Grundstoffe aus extrahierten Rohstoffen und machen daraus einen Sirup. Der wird dann später mit Wasser, Kohlensäure und Zucker in dezentralen Abfüllbetrieben zusammengemischt und zum fertigen Endprodukt in Flaschen verarbeitet. Und so fuhren wir, nachdem der Braumeister uns Vollzug gemeldet hatte, zu ihm hin und bekamen von ihm zwei verschiedene Kola-Sorten verkostet. Uns schmeckten beide, und so baten wir ihn, eine kleine Menge davon zu produzieren und in normale braune Bierflaschen mit unterschiedlichen Deckelfarben abzufüllen. So konnten wir Rezept A mit weißem Deckel von Rezept B mit grünem Deckel unterscheiden und später eine Entscheidung fällen. Wir gaben eine kleine Charge, 170 Kisten, der beiden Sorten in Auftrag und fuhren glücklich zurück nach Hamburg.

Hätten wir eigentlich den Geschmack einer Coca-Cola nachempfinden können? Vielleicht, auch wenn alle guten Rezepte gut verschlossen aufbewahrt werden, so lässt sich mit einiger Expertise und Geduld jedes Rezept nachbauen. Selbst wenn die Originalrezeptur streng geschützt in einem Tresor in Atlanta liegt: Letztlich geht es um die Frage, wer überhaupt den Unterschied zwischen Original und einer Kopie merkt. Denn die Leute kaufen sich ein Getränk – und es schmeckt halt, wie es eben schmeckt. Wer macht schon einen 1 : 1-Vergleich, um diese Nuance herauszufinden: Schmeckt das nun ein kleines bisschen anders? Wenn der Geschmack den Erwartungen des Konsumenten entspricht, ist alles gut. Wie viele Milligramm exakt wovon drin sind, ist zweitrangig.

Uns war ein eigener, etwas erwachsener Geschmack wichtig. Die neue Kola sollte einen richtigen Koffein-Rausch auslösen, viel stärker als bei Coca-Cola. Man sollte mit unserer Kola lange Nächte durchhalten. Wir wollten, dass sie richtig knallt und fit macht für die nächsten Stunden. Dass sie wirkt und die Leute wirklich wach werden und bleiben – für gute und lange Konzentration im Studium, beim Vorbereiten von Projekten, beim Feiern. Deshalb haben wir die damals für Kolas maximal zulässige Dosis Koffein reingetan: 25 mg auf 100 ml. (Zum Vergleich: Coca-Cola enthält ca. 10 mg.). Der Slogan „vielviel Koffein“ ist also wörtlich zu nehmen.

Aus diesem Grund ist fritz-kola – wie auch Coca-Cola und alle anderen Colas – übrigens nichts für Kinder. Da ist ’ne Schaufel Koffein drin! Koffein ist als psychoaktive Substanz etwas für Erwachsene, wie Alkohol, und gehört nicht in Kinderkörper. Deshalb haben wir auch nie Werbung gemacht, die auf Kinder und Jugendliche zielte.

Eine Cola ohne Koffein ist für mein Empfinden sinnlos. Man will ja diesen Kick. Wer Cola trinkt, will nicht bloß süße Limo, sondern braucht diesen Tritt vom Koffein. Energydrinks dürfen übrigens mehr Koffein enthalten. Dafür muss man aber auch den Geschmack von Gummibärchen, Taurin oder übersüßten Früchten ertragen.

Ein weiteres wichtiges Anliegen war uns von Anfang an die Glasflasche. No plastic. Wobei es dabei, ganz ehrlich, anfangs nicht um Ökologie und Nachhaltigkeit ging, dieses Bewusstsein musste auch bei uns erst reifen. Wir dachten bei der Glasflasche an den puren Genuss einer Kola. Und wir wussten aus Erfahrung: Wenn man nach einem anstrengenden Tag völlig fertig nach Hause kommt und sich mit einer eiskalten Cola belohnen will, ist es ein Riesenunterschied, wie man sich auffrischt. Entweder füllt man aus einer großen Plastikflasche (die vielleicht nicht mal in den Kühlschrank passt und aus der schon viel Kohlensäure entwichen ist) Cola in ein Glas oder trinkt direkt aus der immer irgendwie lauwarm wirkenden Flasche – oder man nimmt sich eine eisgekühlte, kleine Glasflasche und genießt die frische kalte Kola. Nur so hat es was von „Gönn dir!“, wirkt wie ein Belohnungsmoment. Direkt aus der kleinen Glasflasche schmeckt es definitiv anders als aus Plastik oder einem Glas. Vielviel besser.

Auch die Coca-Cola-Werbung transportiert diese Botschaft übrigens: Der Mann im Unterhemd, der an einem heißen Tag seinen Durst löscht, trinkt selbstverständlich aus einer kleinen Glas-Portionsflasche und nicht aus einem 1,5-Liter-Gebinde oder einem lauwarmen Senfglas aus Muttis Schrank.

Ach so, die Glasflaschen: Heute sind das so schlanke Dinger aus Weißglas. Und für die kleinen Portionen in der Bar eigens von uns entworfene Flaschen. Aber damals mussten wir natürlich bereits existierende Flaschen einsetzen. Der erste Produkt-Test lief mit besagten braunen Bierflaschen. Die sahen eher nach Kola in einem Beta-Status aus, und wirkten noch nicht so klassisch cool, wie man es von einer Kola erwarten könnte. Damit man sehen konnte, dass da Kola und kein Bier drin war, haben wir uns ab der zweiten Tranche für weiße Bierflaschen entschieden. Die Anmutung fanden wir und unsere Testpersonen für ein Szenegetränk ziemlich passend. Sie unterstrich den Charakter von fritz-kola als Party- und Bar-Getränk. Außerdem war es ungewöhnlich. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir Bierflaschen aus reinem Pragmatismus gewählt haben: Denn in der produzierenden Brauerei konnten schlicht nur Bierflaschen abgefüllt werden.

vom produkt zur marke

Wir wussten nun also, was wir herstellen wollten, wie es schmecken und wirken sollte und worin es abgefüllt werden sollte. Aber das Kind brauchte ja auch einen Namen – und einen dazu passenden optischen Auftritt. Heute weiß ich, dass wir bei diesem Schritt aus dem Bauch heraus sehr viel richtig gemacht und damit ganz sicher zum schnellen Erfolg und dem positiven Image der Marke beigetragen haben. Ich würde gerne behaupten, dass wir das alles ganz strategisch geplant haben damals … Natürlich wollten wir eine relevante Marke schaffen, und wir wussten auch, was „relevant“ aus unserer Sicht bedeutete. Was heute als Geniestreich von zwei Studenten gefeiert wird, war jedoch eher aus der Not geboren.

Beginnen wir mit dem Namen. Er hat zweifellos einen erheblichen Anteil am Erfolg. Hätten wir dasselbe Produkt unter dem Namen „Elbwasser“ angeboten, wären wir heute sicher nicht dort, wo wir sind. Und umgekehrt: Auch ein ganz anderes Produkt hätte – wenn die Qualität stimmt – sicherlich Erfolg, wenn es unter dem Namen „fritz“ vermarktet würde. „fritz“ – das klingt ein bisschen frech und lustig, wie Klein Fritzchen. Es klingt urdeutsch, irgendwie auch norddeutsch, und es verrät international sofort die Herkunft. Der „Fritz“ wird ja in vielen Sprachen als Synonym für „den Deutschen“ verstanden. Zum Glück weckt „deutsch“ nicht mehr pauschal die Assoziation „Tausendjähriges Reich“. Heute schwingt bei deutschen Produkten eher die Anerkennung für Qualität „Made in Germany“ mit. Aus unserer speziellen Club- und Gastro-Perspektive sorgt der weltumspannende Berlin-Hype ebenfalls für ein positives Deutschlandbild und hilft eher dabei, eine Marke deutschen Ursprungs in andere Länder zu verkaufen.