Frühstück mit den Borgias - DBC Pierre - E-Book
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Frühstück mit den Borgias E-Book

DBC Pierre

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Beschreibung

Willkommen im The Cliffs, dem abgründigsten Hotel Großbritanniens.

Ariel Panek möchte eigentlich nur ein paar unbeschwerte Tage mit seiner Studentin und Geliebten Zeva verbringen, am Rande eines Informatik-Kongress in Amsterdam. Doch dort kommt er nie an und landet stattdessen im Küstenhotel The Cliffs – einem Ort ohne Verbindung zur Außenwelt. Dort ist er dem schrulligen Hotelbesitzer und seinen einzigen Gästen, einer neurotischen Familie, die die »Borgias« genannt werden, ausgeliefert ...

Der Booker-Prize-Träger DBC Pierre ist zurück. Skurril wie Wes Anderson und auf der Höhe der Zeit erzählt DBC Pierre von der Liebe im digitalen Zeitalter und der verlorenen Kunst, auf das zu vertrauen, was einen unmittelbar umgibt.

»Rasant erzählt, getragen von unnach-ahmlichen Figuren und mit einem Plot, der Agatha Christie alle Ehre macht.« The Mail on Sunday.

»Wenn es einen Autor gibt, der die gefährliche Ironie unserer Gegenwart einfangen kann, dann ist es DBC Pierre.« The Guardian.

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Seitenzahl: 236

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Informationen zum Buch

Willkommen im The Cliffs, dem abgründigsten Hotel Großbritanniens

Ariel Panek möchte eigentlich nur ein paar unbeschwerte Tage mit seiner Studentin und Geliebten Zeva verbringen, am Rande eines Informatik-Kongress in Amsterdam. Doch dort kommt er nie an und landet stattdessen im Küstenhotel The Cliffs – einem Ort ohne Verbindung zur Außenwelt. Dort ist er dem schrulligen Hotelbesitzer und seinen einzigen Gästen, einer neurotischen Familie, die die »Borgias« genannt werden, ausgeliefert.

Der Booker-Prize-Träger DBC Pierre ist zurück. Skurril wie Wes Anderson und auf der Höhe der Zeit erzählt DBC Pierre von der Liebe im digitalen Zeitalter und der verlorenen Kunst, auf das zu vertrauen, was einen unmittelbar umgibt.

»Rasant erzählt, getragen von unnach-ahmlichen Figuren und mit einem Plot, der Agatha Christie alle Ehre macht.« The Mail on Sunday

»Wenn es einen Autor gibt, der die gefährliche Ironie unserer Gegenwart einfangen kann, dann ist es DBC Pierre.« The Guardian

DBC PIERRE

Frühstück mit den Borgias

Roman

Aus dem Englischen von Max Stadler

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Erster Akt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Zweiter Akt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Dritter Akt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Über DBC Pierre

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Erster Akt

1

Technologie ist der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand gelangt zum Licht außer durch sie. Algorithmen sind die neue DNA, und dies ist auch gut so, denn heute gewinnen die Schnellen das Rennen und die Starken den Kampf, Zeit und Zufall gelten für sie nicht.

Aber die Uhr auf Bahnsteig Vier war ein analoges Modell. Der Sekundenzeiger war rot. Die kleine Scheibe an seiner Spitze vibrierte wie eine Abrissbirne, die auf Granit stößt. Als wollte die Zeit nicht vergehen. Doch sie bröckelte. Es war neun Uhr achtundvierzig an diesem Novemberabend. Zeva Neely blieben nur noch vier Minuten. Wenn ihr Handy bis dahin nicht geklingelt hätte, wäre irgendetwas ganz und gar schiefgelaufen.

Zeva hielt das Handy wie ein Gebetsbuch in ihren kleinen behandschuhten Händen. Es schien, als habe es noch nie zuvor geklingelt. Trotz der fehlenden Nachrichten warf es einen Lichtschimmer auf ihr Gesicht, und allein das war ein so wohltuendes Versprechen, dass sie ihren Blick nicht von dem Display lösen konnte. Vermutlich, weil sich unter dieser Oberfläche alles Wichtige befand, was sie jemals gesagt oder gehört hatte, scrollte sie auf der Suche nach Hinweisen, die die heutigen Ereignisse hätten erklären können, durch das Chatprotokoll. Ihre vor einem Monat begonnene Konversation hatte gestern abrupt geendet. Ihr Text war grün, der seine weiß, vor einem Wallpaper aus Herzen und Dynamitstangen:

ARI: Du vertraust mir doch, wo liegt dann das Problem?

ZEV: Jetzt sind wir also schon bei Date-Rape, na toll.

ARI: Du meintest, es würde dir auch gefallen.

ZEV: Erzähl mir nicht, was ich gesagt habe, Ariel.

Sie zitterte. Im Bahnhof Bruxelles-Midi war es eiskalt. Wenn das Telefon nicht klingelte oder keine eingegangene Nachricht aufblinkte, bevor der Zug einfuhr, würde etwas in ihrem Innern unwiderruflich zerstört. Sie sollte gar nicht erst einsteigen. Sie begann sich zu wünschen, der Zug wäre vor einen Brückenpfeiler gerast. Sie versteifte sich und blickte durch ihre Stirnfransen hindurch auf diesen verlogenen Ort, auf das verlogene Menschengewimmel, auf von Bildschirmen beleuchteten Atem. Jeder der fünftausendvierhundertvierundachtzig Kilometer, die sie von ihrer Heimat trennten, zerrte an ihr. Sie kannte die exakte Distanz, da sie die Daten an ihrem Computer herausgesucht, auf ihrem Tablet bestätigt, mit GPS nochmals kontrolliert und auf ihrem Handy gespeichert hatte. Nur um sie gegen ihn zu verwenden.

Der Schein des Displays holte sie zurück:

ARI: Ich kapier’s nicht. So kenne ich dich gar nicht.

ZEV: Scheiße, versuch nicht, mich zu manipulieren.

ARI: Aber wo liegt denn eigentlich das Problem?

ZEV: Dass mich jemand erkennt.

ARI: Zieh was anderes an. Niemand rechnet mit einer Studentin.

ZEV: Jetzt erzählst du mir, ich sei gewöhnlich.

Sie schaltete rasch das Telefon aus und wieder ein, falls Nachrichten zwischen den Ländern hängengeblieben waren. Das Display erlosch und erstrahlte wieder, aber es kam nichts Neues.

Sie widmete sich dem Chat:

ARI: Machst du dir klar, was für ein Risiko ich eingehe?

ZEV: Ach komm!

ARI: Es lastet allein auf meinen Schultern. Ich trage doch das ganze Risiko. Eine Studentin mit einem Dozenten hat kein Problem. Ein Professor mit einer Studentin hat ein Problem.

ZEV: Jaja, du bist der Erwachsene, und ich bin das Kind.

ARI: Zeva. Los. Wir machen das – aber mit Stil.

Das Vibrieren des Bahnsteigs kündigte einen nahenden Zug an. Noch drei Minuten voller Hoffnung, dass der Zug doch stehengeblieben wäre. Wenn er nur anriefe oder eine Nachricht schickte, würde sie sofort in den Zug springen, noch bevor er stillstand. Aber die Liste der schlechten Vorzeichen wuchs schnell. Vor allem beschäftigte sie, dass sie einen Kapuzenpulli hätte anziehen sollen. Ein Kapuzenpulli ist kein Kleidungsstück, sondern ein Versteck. Und dieser von Menschen überfüllte Ort ließ sich schutzlos schwer ertragen. Sie zuckte unter den Echos der zahllosen Stimmen zusammen und verkroch sich noch tiefer in ihren Mantel. Normalerweise hatte sie Kopfhörer auf, doch jetzt war ihr das zu unheimlich, ihre Lieblingssongs würden sie verhöhnen wie Schlaflieder, die man während eines Mordes abspielte. Und alles nur, weil irgendetwas nicht stimmte.

ZEV: Es ist mitten im Semester. Ich habe nicht mal einen Reisepass. Und in der Woche, in der du mit mir nach Europa fahren willst, musst du die Einführung in die Algorithmik halten. Das ist doch verrückt.

ARI: Eines unserer Tickets ist schon bezahlt. Die Konferenz ist keine große Sache. Tagsüber spielst du die Touristin, abends treffen wir uns. Und danach – nur wir zwei. Mehr Freiraum als hier.

ZEV: Hier werden sie wie beim Multiple-Choice-Verfahren raten, ob ich als deine Studentin, Assistentin oder Gespielin dabei bin. Und was soll ich meiner Familie sagen?

ARI: Dass du dreiundzwanzig bist.

ZEV: Tschüss Papa, ich mach ’nen Sextrip nach Europa mit meinem Professor. Ist gut für meine Noten.

ARI: Falls du wissen willst, ob es mir ernst ist, kann ich dir sagen, das ist es. Ich will mit dir zusammen sein.

Sie sah ihn vor sich, ein Mann wie ein grüblerischer Falke unter der Kapuze seines Dufflecoats. Sie waren ein Paar der Zukunft, aus Intellekt bestehend, nicht an einen Körper gebunden. Nachdem sie sich in einem Online-Tutorial kennengelernt hatten, war ihr gegenwärtiges Leben mit seinem verschmolzen.

Ariel Panek. Wunderkind. Liebling der Studentinnen. Gerade mal dreißig.

Er hatte etwas Besonderes. Eine Vision. Und darauf kam es an, wenn man bedachte, dass die Menschheit in eine Weintraube passen würde, rechnete man all den leeren Raum in den Atomen heraus. Eine Vision. Es war ihre Aufgabe, diesem Schimmer am Horizont nachzujagen. Es war ein Pakt. Die Zukunft. Sie hatte diesen Kurs eingeschlagen, spontan und ohne Zweifel. Unterwegs waren sie einander begegnet.

Zusammen ins neue, posthumane Zeitalter.

Zwei Minuten voller Hoffnung, dass ihr Zug entgleist war. Sie blickte den Bahnsteig entlang. Nebel verengte die Weite. Gleise und Leitungen schnitten scharfe Linien in die Unendlichkeit.

ZEV: Ist das nicht geschmacklos? Der Manager und seine Sekretärin im Motel?

ARI: Es ist ein Abenteuer.

ZEV: Zwei Abenteuer. Eins wäre es, wenn wir zusammen reisen würden.

ARI: Wir fliegen zusammen zurück. Das Cloud-Server-Team und ein paar Leute vom K.I.-Labor sind auf der Konferenz. Ich hab einen späteren Flug, da bin ich allein, denke ich, aber wir können es nicht riskieren, zusammen am Flughafen zu sein, die Delegierten kommen über zwei Tage verteilt an. Danach gehört die Welt uns.

ZEV: Dir vielleicht, du bist Europäer. Ich bin noch nie weiter als bis Chicago gekommen, und selbst das war megastressig.

ARI: Ich will dir die ganze Welt schenken. Ich will, dass du sie verschlingst. Siehst, wie sie funktioniert. Menschliche Systeme, vergiss nicht, das ist auch Forschung. Du kannst dir in Brüssel ein Zimmer direkt am Flughafen nehmen, da fährt auch der Zug. Ich treffe dich am nächsten Abend am Bahnhof von Amsterdam.

ZEV: Und wenn bei den Flügen etwas schiefgeht? Oder bei den Zügen? Oder wenn ich dich nicht finde?

ARI: Komm schon – in der neuen Welt? Wie viele Möglichkeiten haben wir, um zu kommunizieren? Sieben? Acht? Ich gebe dir Bescheid, sobald ich gelandet bin, vorher musst du nicht in den Zug steigen. Und mich zu finden ist ganz einfach – ich bin der mit der Kapuze.

Ariel verstand das mit der Kapuze. Das hatten sie gemeinsam. Er nahm seine praktisch nie ab, selbst drinnen, sogar im Sommer. Er wusste, dass man mit Kopfhörern aus einer Kapuze ein Schlafzimmer machte und aus der vorbeiziehenden Welt einen Film. Mit einer Sonnenbrille wurde daraus eine Party, auf der du der einzige Gast bist. Und es ging nicht allein um Geschmack. Er hatte einen Kodex. Der Kapuzenpulli war keine Mode, sondern ein Schritt vorwärts in unserer Zeit. Was das Äußere virtueller machte, machte das Innere realer; und für ihn steckte die Wirklichkeit unter seiner Kapuze und in seinem Kopf, glasklar.

Das gefiel ihr. Sie glaubte daran. Glasklar.

Eine Minute voller Hoffnung, dass der Zug in eine Kuh gerast war. Sie legte das Handy auf ihrer Brust ab und hielt den Kopf schief, damit das Display nicht durch ihren Atem beschlug.

ARI: Schwer, dich mit diesen Flitterwochen zu begeistern.

ZEV: Flitterwochen? Du hast Vegas vergessen.

ARI: Du weißt, was ich meine. Warum bist du so schwer zu überzeugen?

ZEV: Warum liegt dir so viel daran, mich zu überzeugen?

Ein Mann kam auf Zeva zu und sprach sie an, in einer hart klingenden Sprache. Sie erschrak und flüchtete sich in eine einsame Ecke am Ende des Bahnsteigs. Plötzlich war sie eine Fremde, zu auffällig mit ihrem Mantel, ihrer Brosche, ihrem dazugehörigen Gepäck. Alles an ihr schrie förmlich: Amerika. Jacqueline Kennedy hat ihren Hut verloren. Zeva war jene Art von Mädchen, die sich auf Partys schüchtern versteckte, falls sie überhaupt hinging. Jetzt war sie die Torte im Schaufenster. In Kleidern, die sie nicht mochte und nicht verstand, während sie auf jemanden wartete, der nicht einmal in der Lage war, zwei zusammenpassende Socken anzuziehen.

Ihre fatale Schwäche: die Romantik. Dagegen kam kein Algorithmus an.

Anders als ein lebloser Körper, der mit dem Eintritt des Todes leichter wird, wurde ihr Bildschirm immer schwerer, je länger sie darauf starrte. Von Adrenalin und Schmerz. Von den Nachrichten aller Zevas, die dieser Zeva vorangegangen waren. Der jungen und dummen.

Sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Blickte zur Uhr hinauf. Es war neun Uhr zweiundfünfzig. Abfahrtszeit. Wenn sie einstieg, würde sie ihre Tränen der Kälte zuschreiben müssen. Ihr Gesicht hatte, an den Rändern glänzend, sowieso schon etwas Naives an sich, eine rote Nase in der Kälte.

Die Lautsprecher plärrten: AMSTERDAM. Scheinwerferlicht leuchtete am Ende der Gleise. Wind kam auf. Die Schienen begannen zu summen.

Im Chatprotokoll war sie bis zum vorigen Tag vorgedrungen:

ARI: Warte bis Amsterdam. Erste Nacht in einer Suite. Ich will, dass du dich wie Prinzessin Leia fühlst. Ein Butler kann ein Foto von uns machen.

ZEV: Butler? Ich hätte einen Tennisrock einpacken sollen. Hör mal, mein Lieber, sieh zu, dass du an diesem Bahnhof bist. Ich fühle mich jetzt schon wie in einem alten Kriegsfilm. Im Ernst, versprich es mir.

ARI: Versprochen. Keine Sorge. Ich komme ein paar Stunden nach dir an.

Sie klammerte sich an diese Nachricht. Ließ sie auf dem Bildschirm geöffnet.

Sie hatten also einen Pakt geschlossen. Am Ende dieser Geschichte würden sie als Einzige übrigbleiben. In der neuen Welt ging es nicht um Mode, es ging ums Überleben. Saubere Algorithmen waren die Alchemie.

Ariel Panek war ihr Code. Der Algorithmiker.

Der Zug glitt heran wie ein sich eingrabender Wurm, grunzend, zischend, mit den Geräuschen einer unaufhaltsamen Masse. Sie hielt sich den Bauch, als der Zug ratternd zum Stillstand kam.

2

Das Geräusch der langsamer werdenden Turbinen hallte noch immer unter Ariels Kapuze nach. Ihr abklingendes Jaulen passte zu seinem bisherigen Tag.

»Ich glaube, wir sollten umkehren.« Er nahm eine Tasche auf seinen Schoß. »Ich habe kein gutes Gefühl dabei. Ich warte doch lieber am Flughafen. Wenn sich die Lage verschlechtert, stecken wir hier fest.« Er sah auf die Uhr. Es war zwanzig Uhr zweiundfünfzig.

Das hieß acht vor zehn in Brüssel. Zeva würde gerade in den Zug steigen.

»Wenn sich die Lage verschlechtert«, antwortete der Fahrer, »müssen wir im Wagen schlafen. So was hab ich noch nie erlebt. Erderwärmung nennen sie das, nun, ich hätte echt nichts dagegen, wenn es tatsächlich etwas wärmer würde. Mein Gott, sieh sich das einer an! Flugzeuge umleiten ist ja kein Ding, die haben wenigstens ihre Technik. Aber ich kann hier kaum die Motorhaube von meiner Scheißkarre erkennen.«

Nachdem sie um eine Kurve gekrochen waren, hörten sie außen einen dumpfen Schlag.

»Willkommen in Suffolk«, sagte der Fahrer. »Ist mal wieder typisch.«

»Haben wir ihn umgebracht?« Ariel drückte seine Nase an die Scheibe.

»Sagen wir mal so: Er wird sich schon mal besser gefühlt haben.« Der Mann warf den Kopf zurück und lachte, ein rauer Laut, der allmählich nervte. »Ha-a-a-a.«

»Wir sollten wirklich umkehren. Ich kann bezahlen. Ich meine, wir fahren ja schon Wild an. Ich wusste nicht, dass es so weit ist. Das ist lächerlich.«

»Nichts Besonderes, Fasane. Auf diesen kleinen Straßen.« Der Fahrer blickte in den Rückspiegel. »Die fliegen nicht hoch genug. Und sie brauchen lange, um wegzufliegen.«

Ariel zog sein Handy hervor und berührte das Display. Immer noch kein Signal. Er hätte es früher probieren sollen, am Flughafen; aber die Zeit seit der Landung war nur eine Art schwarzer Fleck, fast als hätte er alles nur geträumt und nicht wirklich erlebt. Das lag wohl an seiner Vorfreude. Am Stress. Es war ihm logisch erschienen, zehn Minuten lang innezuhalten und ein wenig durchzuatmen.

Er hätte dableiben sollen. Wo es Netz gab, Vernunft und gerösteten Kaffee.

Sein Kopf leuchtete im Schein des Displays wie eine Kristallkugel. Er öffnete das Fenster einen Spalt breit und schreckte vor der nach fauligem Laub stinkenden kalten Brise zurück. Als er das Telefon in die Nachtluft streckte, flackerte kurz der Empfangsbalken auf – und verschwand wieder.

»Im Ernst«, sagte er. »Wir müssen umkehren.«

»Normalerweise, Sir, würde ich Ihrem Wunsch sofort Folge leisten – aber die Straße hinter uns ist jetzt gesperrt, erinnern Sie sich an die ganzen Blaulichter? Wir haben Glück, überhaupt so weit gekommen zu sein. Gott weiß, was da los ist. Muss ein Unfall irgendwo am Flughafen sein. Mein Funkgerät zeigt mir, dass hier in der Gegend keine anderen Taxis unterwegs sind. Ich lasse Sie raus und schleiche dann selbst nach Hause.«

Ariel sank in die Rückbank. Der Sitzbezug störte ihn jetzt. Der Kiefernnadelduftbaum, das Knacken des Funkgeräts, die Chipskrümel. Der Wagen musste gute vierzig Jahre auf dem Buckel haben. Er konnte nicht glauben, dass er immer noch als Taxi zugelassen war. All dies trug zu seinem Unwohlsein bei. Seine Haut fühlte sich an, als sei sie mit Gel überzogen, teils mit getrocknetem Schweiß, teils statisch aufgeladen. Er konnte sich selbst riechen.

Und draußen war es grau und totenstill. Er blickte in den Nebel und sah nur ein Universum, das aus Partikeln bestand; und in dieser Nacht waren sie zur Bewegungslosigkeit gefroren.

Ariel zappte durch seine Onlinekontakte, seine Nachrichten, Mails und Chats; aber sie glichen Räumen nach einer Party, Reste einer fremden Stimmung und Zeit.

Als er den gestrigen Chat aufrief, verzog sich sein Gesicht:

ARI: Warte bis Amsterdam. Erste Nacht in einer Suite. Ich will, dass du dich wie Prinzessin Leia fühlst. Ein Butler kann ein Foto von uns machen.

ZEV: Butler? Ich hätte einen Tennisrock einpacken sollen. Hör mal, mein Lieber, sieh zu, dass du an diesem Bahnhof bist. Ich fühle mich jetzt schon wie in einem alten Kriegsfilm. Im Ernst, versprich es mir.

ARI: Versprochen. Keine Sorge. Ich komme ein paar Stunden nach dir an.

Ariel wandte sich an den Fahrer. »Könnten wir wenigstens anhalten? Ich will kurz telefonieren. Ich hab hier kein Netz.«

»Netz«, sinnierte der Fahrer. »So weit ist es schon gekommen. Als ich noch ein Knirps war, fing man damit noch Fische. Ha-a-a. Aber im Ernst, ich kann nicht mal den Straßenrand erkennen. Unter diesen Bedingungen wird das Hotel das Beste sein. Ist nicht mehr weit.«

»Aber wenn Sie etwas sehen? Ich wäre Ihnen wirklich dankbar.«

Der Wagen brummte weiter. Jeder Zweig und Kiesel, den er überfuhr, jede Radumdrehung hallte krachend im Nebel nach, wie die ersten Schritte eines wilden Tieres auf der Erde.

Als sie auf einen Hügel gelangten, erwachte das Handy zum Leben. Ariel klappte es auf.

Die Verbindung war tot, noch bevor er es an sein Ohr gehalten hatte.

Er drückte zweimal vergebens auf Wahlwiederholung, dann beugte er sich vor und fasste dem Fahrer an die Schulter: »Was war die letzte große Stadt? Können wir nicht einfach dorthin fahren? Ich könnte telefonieren, was zu essen kaufen – ich hab noch nicht mal Geld gewechselt. Eigentlich könnten Sie mich gleich dort absetzen.«

»Ipswich? Ich fürchte, das liegt schon weit hinter uns. Klar, per Luftlinie ist es nicht so weit. Aber heute Nacht fliegt keiner mehr durch die Luft. Lehnen Sie sich zurück, Sir – soweit ich mich erinnere, haben Sie ein Hotel in einem Kurort am Meer gebucht. Schon bald werden Sie in Ihrem Whirlpool liegen und von so viel Netz umgeben sein, dass sie kaum durch die Maschen gucken können.«

Das Handy wechselte von Nur Notrufe zu Kein Netz, als sie den Hügel hinabrollten. Es projizierte noch immer einen Heiligenschein über seinen Kopf, aber es hatte keine Kraft. Einen Augenblick später erlosch es. Ariel blickte auf die zwanzig Kilogramm modernes Gepäck – zwei Laptops, ein Tablet, drei Kilo Kabel und Laufwerke sowie ein Android-Gerät.

Auf jedem einzelnen befand sich nicht weniger als sein Leben.

Allesamt waren sie völlig wertlos.

Aus irgendeinem Grund kam ihm die Stimme seiner Mutter in den Sinn: »Als ob du wirklich angerufen hättest«, sagte sie im flachen Tonfall eines Varieté-Komikers. »Als ob ich dir irgendwas bedeuten würde.«

Sein Blick wanderte zu einer Fotografie, die auf dem Armaturenbrett festgeklemmt war. Darauf lächelte der Fahrer schief und hatte seinen dicken Arm um ein schlaksiges Mädchen von etwa zehn Jahren gelegt. Ihr Haar war wie das eines Jungen geschnitten, und sie trug schmutzige Latzhosen; ein Fisch baumelte an einer Angel neben ihrem ausgelassenen Grinsen. Das Foto verriet auf den ersten Blick, dass sie den Sohn ersetzte, den der Fahrer nie hatte. Etwas daran rührte Ariel. Es war kein wärmendes Gefühl. Ganz im Gegenteil, es ließ ihn frösteln. Ihm wurde in gewisser Weise klar, dass seine inneren Tiefen nichts mit Stromkreisen oder Algorithmen zu tun hatten. Seine große Schwäche waren Menschen. Mit all ihrer klobigen, ausgelassenen, dickarmigen Erstaunlichkeit.

Er sah zu Boden.

»Erwartet Sie jemand?«, fragte der Fahrer.

»Nicht hier draußen. Ich nehme an einer Konferenz teil. Meine Freundin ist bereits dort.«

»Oh? Gratuliere. Netter kleiner Zuschlag, das Fräulein dabeizuhaben. Nicht, dass ich meine dabeihaben wollen würde, wenn Sie wissen, was ich meine. Ha-a-a.«

»Wir arbeiten im selben Fachbereich.«

»Und welcher Fachbereich wäre das, wenn ich fragen darf?«

»K.I.«, sagte Ariel. »Ich meine Computerwissenschaften.«

»K.I.? Verraten Sie’s mir nicht – das I muss für International stehen. Nun, viel schlauer bin ich dadurch nicht, aber ich höre, dass Sie aus den USA kommen.«

»Künstliche Intelligenz.« Ariel legte den Kopf in den Nacken. Er schloss die Augen und versuchte, sich mithilfe angenehmer Gedanken aufzuwärmen. Wenigstens stand ihm, wenn er dem Fahrer glauben konnte, ein gehobenes Hotel bevor. Dort würde er den Tag zurückgewinnen. Dort würde er beim Genuss eines Burgers mit Pommes, Kaffee und WLAN die Kontrolle wiedererlangen.

Er ließ die Arme schlapp herunterhängen.

»Künstliche Intelligenz? Im Rugbyclub nennen wir das Bier. Ha-a-a-a. Wirkt aber nicht bei jedem.«

Ariel sank tiefer in den Sitz. Er starrte nach vorn, wo der frostige Nebel im Scheinwerferlicht tanzte. Pläne für die Ankunft im Hotel schossen ihm durch den Kopf: nahegelegene Flughäfen und mutigere Taxifahrer finden, Abendessen, Blumen und Champagner auf ihr Zimmer schicken.

»Ist trotzdem interessant«, fuhr der Fahrer fort. »Also, was meinen Sie als Experte, werden Computer jemals den Menschen ersetzen?«

»Es geht nicht ums Ersetzen. Eher ums Ergänzen.«

»Nein, nein, das weiß ich – aber glauben Sie, die werden jemals unsere, Sie wissen schon, Art zu Denken und so weiter imitieren? Eben was wir unser Menschsein nennen?«

»Warum nicht? Immerhin ist das Gehirn auch nur ein Prozessor.«

»Aber … wie soll ich es ausdrücken: die ganze Vielfalt des Lebens und all das. Zum Beispiel sagten Sie eben: ›Ich habe kein gutes Gefühl dabei‹ – so weit werden die doch nie kommen?«

»Doch, sicherlich. In Wahrheit ist der Instinkt auch nur ein Scan vergangener Ergebnisse. Nichts Besonderes. Bis zum heutigen Tag bestand unser einzig wirkliches Hindernis in der Prozessorleistung.«

»Sind wir nicht mehr als das? Prozessorleistung? Du meine Güte!«

»Wir brauchen nicht mehr. Am Ende sind wir alle gleich, wir lernen einfach nur, dem Angenehmen nachzujagen.«

Der Wagen fuhr knirschend über Kies, wurde langsamer, während der Fahrer sich orientierte. »Nun.« Er reckte den Hals über das Armaturenbrett. »Das muss es sein.«

Ariel blickte in die leere Trostlosigkeit. Da war nichts.

Er tippte auf sein Handy.

Kein Netz.

»Obwohl.« Der Fahrer rieb sich den Kopf. »Vielleicht ist es doch nicht das, das ich meinte.«

3

Achten Sie nicht auf die Katze.« Die wirre graue Erscheinung wühlte unter dem Tresen nach einem Formular. Der Mann war vermutlich erst um die fünfzig, aber ein von Enttäuschung geprägtes Leben schien unter seinen Augen zu hängen und seine Worte zu durchziehen.

»Ach, Herrgott noch mal.« Er strich den orangefarbenen Katzenschwanz unter seiner Nase weg.

Im Hotel The Cliffs roch es leicht nach Lavendel, aber der darunter liegende Gestank verfaulten Kohls war nicht zu überdecken. Ariel fühlte sich an die Methode älterer Leute erinnert, die so mangelnde Hygiene vertuschen. Ein altes Transistorradio in brauner Lederhülle quäkte hinter dem Tresen wehmütig Lieder aus der guten alten Zeit. Der Rezeptionist drehte sich um und schaltete es aus. Stille legte sich wie Schimmel über die Lobby.

»Wünschen Sie ein englisches Frühstück?«, fragte er.

Durch die beschlagenen Scheiben sah Ariel sein Taxi die lange Auffahrt schon wieder hinaufkriechen. Das rote Schlusslicht verglomm im Nebel wie Kohle. Mit dem Handy in der Hand wandte er sich vom Fenster ab. »Was ich dringend brauche, ist WLAN.«

»Wie bitte?«, fragte der Rezeptionist.

»Eine Internetverbindung.«

»Oh? Sie sind der Erste, der danach fragt.« Er legte den Stift beiseite. »Leider neigt das Management dazu, alles zu vermeiden, was der Erholung am Meer im Wege stehen könnte, verstehen Sie. Oder – unter uns – alles, was zum Missbrauch einlädt. Mir persönlich ist das unverständlich, aber ich habe hier nichts zu sagen.«

»Gibt es überhaupt Handyempfang?«

»Bestenfalls unterbrochenen, wurde mir gesagt. Und in diesem Nebel – nun ja. Allerdings habe ich von einem jungen Typen gehört, dass es in den oberen Zimmern besser sei. In Zimmer sechzehn, dem Zimmer unter dem Dach, soll es am besten sein, wenn Sie das Ding in Richtung Meer halten.«

In der Nähe knarrte eine Treppenstufe. Der Rezeptionist erstarrte.

»Dann geben Sie mir bitte dieses Zimmer, ja?« Ariel nutzte sein Bein als eine Art Blitzableiter und schüttelte es, um die Anspannung in den Fußboden zu entlassen. Sonst stand er reglos da, abgesehen von einem Zucken in beiden Wangen, weil seine Kiefer knirschten.

Schritte kündigten einen weiteren Mann an. Mit dem Gebaren eines Hausherrn kam er in die Lobby gepoltert, wobei er seine letzten Haarsträhnen glattstrich. »Ah! Unser verspäteter Gast.« Es war ein merkwürdiger Mann, blass und nervös, mit einer Stimme, so dumpf wie eine Oboe. Er betrachtete Ariel eingehend, und sein Blick blieb an der Kapuze hängen. »Ich fürchte, die Küche ist bereits geschlossen. Aber Rob könnte Ihnen schnell ein paar Chips anrichten?«

»Chips?«, fragte Ariel.

»Kartoffelchips.«

Aus dem Gang hinter dem Mann drang Gelächter herüber.

Ariel lauschte neugierig. »Sie haben eine Bar?«

»Nein, nein«, sagte der Mann. »Nüsse, wenn Sie mögen?«

»Er hat nach der Sechzehn gefragt«, sagte Rob. »Ich könnte ihm etwas raufbringen.«

»Das ist ein Albtraum.« Der Mann kramte das Anmeldeformular hervor. »Und die behaupten, dass das Fliegen bei Nebel normalerweise kein Problem sei. Offenbar können die meisten Flugzeuge ganz wunderbar starten und landen und mit ihrer Technik den Weg finden – nur am Boden können sie sie offenbar nicht auseinanderhalten. Albtraum, Albtraum. Sechzehn?«

»Entschuldigung?« Ariel starrte auf ein Blatt Papier, das hinter dem Tresen an der Wand hing. Darauf stand per Hand geschrieben: Du musst nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten, aber es hilft. »Ja, bitte, wenn es dort Netz gibt.«

»Nun, das ist der Punkt.« Der Mann blickte auf. »Wir befinden uns hier in einer Art Funkloch. Ich kann nicht garantieren, dass es klappt, schon gar nicht heute.«

»So schlimm ist es noch nie gewesen.« Rob lehnte sich vor. »Nun, das werden Sie, nach allem, was Sie ertragen mussten, am besten wissen. Es kommt in allen Nachrichten.«

»Davon gehe ich aus«, sagte Ariel. »Als ich von Boston Richtung Amsterdam losgeflogen bin, habe ich nicht erwartet, dass daraus ein Strandurlaub in Großbritannien wird.«

»O ja, die Pläne einiger Passagiere wurden über den Haufen geworfen, einfach so. Schon vor ihrer Ankunft haben sie den ganzen Tag lang alles umgeleitet. Ich nehme an, der Rest hat die Flughafenhotels gefüllt oder ist nach London gereist. Wir müssen so eine Art letzte Anlaufstelle sein«, sagte er mit einem kläglichen Lächeln.

»Ich muss doch bitten«, schnaubte der Boss. »Wir sind ganz sicher nicht die letzte Anlaufstelle, verglichen mit irgendeinem sterilen Flughafenhotel.«

Ariel schüttelte den Kopf. »Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit.«

»Und eines ist schon lustig.« Rob deutete auf die Tür. »Holland liegt gleich da drüben. Mit einem anständigen Boot wären Sie in wenigen Stunden dort.«

»Dann bestellen Sie eins«, murmelte Ariel. »Bitte.«

»Aber Sie können nicht einmal die Straße erkennen«, wandte der Boss ein. »Lassen Sie uns vernünftig sein. Heute Nacht geht niemand irgendwohin. Wenn Sie ein Zimmer wollen, wir haben welche frei.«

»Er will die Sechzehn«, sagte Rob. »Wegen seines Handys.«

»Ja, ich weiß, dass er die Sechzehn will.«

Ariel schüttelte den Kopf. »Ich kann wirklich nicht die ganze Nacht ohne Empfang vertun, einige Leute warten auf mich. Könnte ich vielleicht Ihr Telefon benutzen?«

»Natürlich. Wenn Sie mir eine örtliche Nummer geben, verbinde ich Sie. Ferngespräche können Sie über das Münztelefon neben den Toiletten führen.« Der Boss warf Rob einen Blick zu. »Uns wurde schon einmal der Anschluss gesperrt, nachdem einige Gäste ihn missbraucht hatten.«

»O ja, da war was los«, schimpfte Rob. »Die Kanadier.«

»Können Sie wenigstens etwas Geld wechseln? Ich komme direkt vom Flugzeug. Oder noch besser – rufen Sie mir einfach ein Taxi?«

»Bei diesem Wetter kriegen Sie hier draußen kein Taxi. Das wäre gegen das Gesetz.«

»Ich bin gerade mit einem hergekommen. Es ist wahrscheinlich noch in der Nähe.«

»Nun, es tut mir leid, es wurde eine strikte Reisewarnung ausgesprochen.«

Wie zur Antwort dröhnte Gelächter in die Lobby. Der Boss runzelte die Stirn.

Es war ein Nullsummenspiel. Ariel blieben zwei Stunden, um Zeva zu erreichen. Dieses Hotel schien weit und breit die einzige Möglichkeit zu bieten. Er griff in eine Tasche, zog eine Kreditkarte heraus und legte sie auf den Tresen.

»Das ist nicht nötig.« Der Boss schob sie zurück.

»Wirklich? Nicht mal zum Ausweisen?«

»Ist alles erledigt, Sir. Wir haben Sie erwartet.«

Ariel nickte dankend, beschloss jedoch, spätestens bei Morgengrauen zu verschwinden. Falls nötig, würde er zu Fuß in die nächste Stadt laufen. Und falls er keine Verbindung bekäme heute Nacht noch.

»Bring ihn nach oben, Rob.« Der Boss hielt einen Schlüssel hoch, der so groß wie ein Stück Pizza war. »Zimmer Sechzehn. Das Superior Deluxe.«

Rob führte den Gast über das Parkett durch den Speisesaal. Der Geruch änderte sich leicht, jetzt stank es nach gekochtem Gemüse mit einer Note Abflussrohr. Auf dem Weg zur Treppe betrachtete Ariel die verblichenen Constable-Drucke, die miserablen örtlichen Meerespanoramen, die Plastikfarne und den scheußlichen Teppichboden. Dazu die alte goldgerahmte Fotografie eines imposanten Mannes mit Schnurrbart.

»Kanadier, Sir?«, fragte Rob. »Wir hatten hier mal Kanadier. Liebenswerte Leute. Der Mann war Mitglied der Trudeau Regierung, und ich glaube, sie züchtete Pferde. Oder etwas in der Art. Auf jeden Fall erinnere ich mich an Regierung und Pferde. Wirklich nette Leute.«

Ariel ging hinter ihm, sein Handy wie eine Waffe vor sich haltend.

»Oh, jetzt hab ich’s verkehrt herum gemacht«, kicherte Rob. »Sie sagten ja Boston. Normalerweise fragt man die Leute, ob sie Amerikaner sind, und beleidigt sie, weil sie Kanadier sind.«