Fühl dich reich und werde reich - Suh Yoon Lee - E-Book
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Fühl dich reich und werde reich E-Book

Suh Yoon Lee

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Beschreibung

Als sich die Journalistin Jooyun Hong auf die Suche nach dem Geheimnis für Reichtum macht, hätte sie es nicht für möglich gehalten, dass es so einfach ist. Am Comer See in Italien trifft sie auf die koreanische Finanz-Expertin Suh Yoon Lee, die sich bereits seit ihrer Kindheit mit uralten philosophischen Texten befasst. Sie hat unzählige Studien analysiert, um der Frage, wie man reich wird, auf den Grund zu gehen. In diesem Buch ist das Interview der Expertin und Journalistin zu einem Finanz-Ratgeber mit spiritueller Note verwoben. Darin wird die emotionsbasierte Methode, wie man finanzielle Freiheit und Unabhängigkeit erreicht, vorgestellt. Indem wir unsere Gefühle und Gedanken gegenüber Geld verändern, ändert sich auch unsere Einstellung dazu. und das Geheimnis der Fülle wird spürbar. Laut Lee besitzt nahezu jeder Mensch die Fähigkeit, mehrere Millionen zu verdienen. Die bekannte Finanz-Expertin Suh Yoon Lee hat bereits vielen Menschen weltweit zu Reichtum und Wohlstand verholfen. Mit ihrer Methode kann man das Geheimnis der Fülle lüften und sich so seine Wünsche erfüllen und Träume verwirklichen.

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Seitenzahl: 309

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Suh Yoon Lee / Jooyun Hong

Fühldich reich und werde reich

Das Gesetz der Fülle

Aus dem amerikanischen Englisch von Alexandra Baisch

Knaur e-books

Über dieses Buch

Reichtum entsteht aus emotionaler Fülle. Die bekannte Finanzexpertin Suh Yoon Lee hat bereits vielen Menschen weltweit zu Reichtum und Wohlstand verholfen. Die Journalistin Jooyun Hong hat den Finanzguru in Italien getroffen. Sie hat von ihr das geheime Wissen, wie man bereits in kürzester Zeit sein Vermögen vermehren kann, erworben und selbst erfolgreich getestet. Innerhalb von zwei bis zwölf Wochen erlebt man die ersten Anzeichen von finanzieller Fülle. Dafür ist eine emotionale Grundhaltung notwendig. In diesem Buch macht sie diese Methode für alle zugänglich.

Inhaltsübersicht

VorwortErster TeilDer GuruDen Guru findenWiedersehenDie FülleDas Geheimnis der FülleJeder kann reich seinEs dauert gar nicht so langeVergeudung und AngebereiZweiter TeilSonnenschein in VeronaWahrhaft reiche MenschenVermeintlich reiche MenschenDas Leben der wahrhaft ReichenGui-inDritter TeilMit der Fülle beginnenSchuhe kaufen, während man die Fülle praktiziertDas SchlüsselwortGefühleZeichen der FülleVierter TeilEin rotes SignalSich wohlfühlenTrainieren Sie Ihre GehirnmuskelnWenn man die Nervosität nicht in den Griff bekommtWenn Sie etwas zu sehr wollen, wird es nicht eintretenNotizen zur FülleFünfter TeilLebensveränderungenGlückBaliWas ist Glück?Der Fluss des GlücksDie Weggabelung des GlücksDie Macht des UnterbewusstseinsKoexistenzSechster TeilDer BambuswaldDas Ende des WartensSaturns WiederkehrFixe IdeenIst es schwierig, in dieser Welt reich zu werden?Der Matrix entkommenWas ich wirklich willDen Pfad gehenDanksagung
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Vorwort

»Sie ist eine Frau, dazu bestimmt, andere reich zu machen.«

Diese Worte hallten in meinem Kopf nach, als ich aus dem Flugzeugfenster auf die endlose Bergkette blickte. Vermutlich befanden wir uns über Asien. Ich war unterwegs nach Europa, um mich mit Suh Yoon Lee zu treffen, auch »Guru der Reichen« genannt. Wenige Monate zuvor war mein Vater verstorben, der sein Leben lang versucht hatte, Geld anzusparen. Bevor er starb, hatte er mich angefleht, einen Weg zu finden, wie ich reich werden könnte, ohne die Gegenwart für die Zukunft zu opfern. Als ehemalige Journalistin hatte ich mich umgehört und herausgefunden, dass mir wohl nur dieser Guru eine Antwort darauf würde geben können. Ich sah aus dem Flugzeugfenster und dachte: Wenn ich sie treffe … kann dann auch ich reich werden?

Master of Mindset (M.o.M.), Königin der Erkenntnis, La Divina, Oase der Hoffnungslosen, Oberste Seherin … Das war eine Liste von Spitznamen, durchaus einer Daenerys Targaryen (einer Protagonistin in Game of Thrones) würdig, und diejenige, der all diese Namen gehörten, war Suh Yoon, eine attraktive, faszinierende Frau um die dreißig. Im Alter von sechs Jahren hatte sie begonnen, sich der Aufgabe ihres Lebens zu widmen: das Leben der anderen zu beobachten und dem Geheimnis von Reichtum auf den Grund zu gehen. Schon als Jugendliche hatte sie Wohlhabende beraten, und bereits mit Mitte zwanzig hatte sie sich bei namhaften Geschäftsleuten, Immobilienkonzernen und Investoren einen Namen als Guru gemacht. Es hieß, man müsse sich über ein Jahr gedulden, um von ihr beraten zu werden, und angeblich wurde sie selbst von Präsidentschaftskandidaten und Managern weltweit agierender Unternehmen aufgesucht. Sie hatte über 100000 Fälle von Wohlstand analysiert und mithilfe der Resultate das Geheimnis von Reichtum ergründet.

Ein Zeitungsartikel über ihr Schicksal war mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Traditionell lesen chinesische Händler einander das Schicksal, ehe sie einen Handel eingehen. Suh Yoons Großmutter, die für ihr Stoffgeschäft mit chinesischen Händlern zu tun hatte, hatte das Schicksallesen von ihnen gelernt und las somit auch das Schicksal ihrer vielen Enkelkinder. Suh Yoons Schicksal überraschte sie. Diese sechsjährige Enkelin besaß eine außergewöhnliche Gabe. In dem Artikel wird die Großmutter mit den Worten zitiert: »Dieses Kind ist dazu bestimmt, andere reich zu machen. Suh Yoon wird viele Menschen in den Wohlstand führen und ihre Herzen heilen.«

Nachdem ich so weit gediehen war, machte ich mir auf einmal Sorgen. Was, wenn Suh Yoon mir sagte, es sei unmöglich, in dieser neuen Welt reich zu werden; was, wenn sie mir sagte, ich solle aufhören, davon zu träumen? Oder wenn sie mir einen Ratschlag gab, der gar nicht funktionierte – oder wenn es mir danach schlimmer erging als zuvor? Was, wenn ich ihre Worte missverstanden hatte und sie gar nicht wollte, dass ich diesen langen Weg zurücklegte, um sie zu treffen?

Um die verwirrenden Gedanken loszuwerden, schaltete ich das Oberlicht an, holte meinen Laptop heraus und notierte mir die Fragen, die ich Suh Yoon stellen wollte:

Was kann ich tun, um reich zu werden? Vorausgesetzt, ich kann reich werden.

Kann ich reich werden?

Wann werde ich reich sein?

Wie viel Geld kann ich überhaupt erlangen?

Könnte ich reich werden, ohne dafür das Heute opfern zu müssen?

In der Zwischenzeit war das Flugzeug im Landeanflug. Durch die Vibrationen begannen meine Hände und Füße zu zittern.

»Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass sich mein ganzes Leben verändern wird.«

***

Mein Vater war ganz versessen auf gelben Corvina. Das ist ein handtellergroßer, getrockneter Fisch, der in Zehner-Packungen für etwa 300 Dollar verkauft und in der Regel zu den traditionellen koreanischen Feiertagen aufgetischt wird. Fragte man meinen Vater, was sein Lieblingsessen sei, fiel die Antwort stets gleich aus: gelber Corvina. Er schwärmte von dem salzigen Geschmack, den er als Kind im Haus von Verwandten gekostet hatte. Nach einem Moment der sehnsüchtigen Erinnerung erzählte er immer dieselbe Sage.

»Vor langer Zeit lebte einmal ein Geizhals, der gelben Corvina liebte. Weil es ihm aber widerstrebte, sich diese teure Delikatesse zu genehmigen, auch dann noch, als er reich geworden war, hängte er einen gelben Corvina so auf, dass er von der Decke baumelte. Wann immer er einen Bissen Reis nahm, betrachtete er den gelben Corvina und sagte: ›Mhmm … wie salzig.‹ Das machte er Tag um Tag, er aß seinen Reis und starrte dabei auf den verderbenden Fisch. Irgendwann war der Fisch völlig verrottet, ohne dass der Mann auch nur einen Bissen davon gegessen hätte.«

Nun könnte man annehmen, die Moral dieser Geschichte sei, dass wir die Freuden des Lebens genießen sollen, solange uns das möglich ist. Weit gefehlt. Mein Vater erzählte diese Sage, weil er den Geizhals bewunderte. Er wollte mir beibringen, dass man sein Geld sparen und seine Sehnsüchte beherrschen sollte.

Als ich ein Kind war, lautete das Motto in meiner Familie: »Jeder Cent, den man spart, ist ein gewonnener Cent.« Während jeder Mahlzeit predigte mein Vater, ich solle kein einziges Reiskorn und keinen Tropfen Suppe übrig lassen. Ich durfte mir keine Süßigkeiten kaufen und nie mehr als drei Blätter Toilettenpapier verwenden, sogar mit dem Duschwasser musste ich sparsam umgehen. Mein Vater lebte uns dieses genügsame Leben vor; auch als er es sich hätte leisten können, kaufte er gelben Corvina nur sehr widerstrebend.

Mein Vater wurde in Seoul, Korea, geboren, in dem Jahr, als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, und als 1950 der Koreakrieg ausbrach, lebte er in ärmlichen Verhältnissen. Mein Großvater versteckte sich, um nicht eingezogen zu werden, und somit waren mein sechsjähriger Vater und sein älterer Bruder damit beauftragt, Essen aufzutreiben. Nachts schlichen sich die beiden nach draußen und sammelten Reiskörner und Hülsenfrüchte ein, tagsüber verdienten sie etwas Geld, indem sie auf der Straße Eis verkauften. Mein Vater wäre fast verhungert, er ernährte sich von nichts als Suppe mit ein paar Reiskörnern. Das Abendessen auszulassen war für ihn schrecklicher als die Schelte meiner Großmutter, wenn er nicht genug Eis verkauft hatte.

Seit jener Zeit war er in allen Geldangelegenheiten ängstlich. In späteren Jahren sagte mein Vater häufig: »Lieber würde ich sterben, als noch einmal arm zu sein.« Während seiner Kindheit hatte der Geldmangel für ihn Hunger, Angst und den möglichen Tod bedeutet.

Eines Nachts weinte sich mein Vater als Kind in den Schlaf, weil sein Magen seit ein paar Tagen leer war. Dann wachte er plötzlich auf, weil jemand anderes weinte.

»Es tut mir so leid, dass du hungrig bist. So unsäglich leid.«

Es war mein Großvater, der die Hand meines Vaters hielt und weinte wie ein Kind. Das Gesicht meines Großvaters war von Hunger gezeichnet und tränenüberströmt. Mein Vater hat immer gesagt, das sei die traurigste Erinnerung seines ganzen Lebens.

Ich sehe noch das furchige Gesicht meines weinenden Vaters vor mir, als er mir diese Geschichte erzählte, und seitdem bedrückt sie mich.

***

Schon als Kind hatte mein Vater immer fleißig gearbeitet und gelernt. Er war der Einzige von fünf Brüdern, der einen Hochschulabschluss hatte, und arbeitete in einer der größten Schwerindustriefirmen von Korea als Ingenieur. Die Siebziger- und Achtzigerjahre waren in seiner Branche eine Ära des schnellen Wirtschaftswachstums. Wie viele Männer zu dieser Zeit arbeitete mein Vater viel, nachts und auch am Wochenende. Egal, wie müde er war, immer sagte er, für mich und meinen Bruder zu sorgen verleihe ihm neue Kraft. Er gab als Oberhaupt der Familie sein Bestes und klagte nie darüber, dass er erschöpft sei. Nicht ein Mal kam es vor, dass wir vor Hunger geweint hätten.

Auch an seinen Erkenntnissen über Geld ließ er uns teilhaben. So sagte er: »Die Menschen können ihr Geld jederzeit verlieren und völlig mittellos dastehen. Wenn du dein Geld verschwenderisch ausgibst, ruinierst du dein Leben. Geld ist dazu gedacht, angespart zu werden, nicht zum Ausgeben.«

Bis er in Rente ging, hatte er genug Geld für ein angenehmes Leben zusammen. Er besaß ein Haus, hatte eine Lebensversicherung, und hätte er den Drang verspürt, dann hätte er jederzeit ins Ausland reisen können. Seine Kinder waren finanziell unabhängig. Doch nach wie vor trieb meinen Vater die tief sitzende Angst um, sein Geld könnte ihm unter den Händen zerrinnen, also verfolgte er mit großem Interesse Geschichten von Konkursen und Misserfolgen, um selbst keine unnötigen Ausgaben zu tätigen und stets achtsam zu bleiben.

Im höheren Alter hatte er einen sehr einfachen Tagesablauf. Er wachte auf, machte einige leichte Körperübungen und spielte am Computer Go. Dann nahm er im Sozialzentrum für Senioren ein kostenloses Mittagessen ein, und nachmittags ging er am Fluss spazieren. Nie unternahm er etwas, das Geld kostete, und aus diesem Grund begleitete er auch seine Freunde nicht zum Golfen oder auf Auslandsreisen. Sein einziges Hobby war Wandern. Zweimal pro Woche schnürte mein Vater die Wanderstiefel und verließ das Haus früh am Morgen. Dabei grinste er und sagte: »Nichts ist so umsonst wie das Wandern. Man braucht nur kräftige Beine und eine Flasche Wasser.«

Außerdem ertrug mein Vater Kälte und Hitze, so weit es möglich war. Er schaltete die Klimaanlage nicht ein, auch wenn es so heiß war, dass die Butter schmolz. An eisig kalten Tagen zog er einen dicken Pulli oder eine Winterjacke an. Er vergeudete kein Wasser, sondern sammelte das, was er zum Waschen oder Zähneputzen gebraucht hatte, in einem Eimer, um damit die Toilette zu spülen und so ein paar Cent Wassergeld einzusparen.

Ein anderes Hobby meines Vaters war es, Sachen aufzuheben, die andere Leute weggeworfen hatten. Er sammelte Kleidung, Schuhe, Möbel oder elektrische Geräte vom Müll anderer Leute oder aus leer stehenden Häusern. Ein ganzes Zimmer im Haus meines Vaters war voll mit solchem Zeug, und dieser Raum, der an einen Ramschladen erinnerte, war für ihn eine Schatztruhe. Jedes Mal, wenn er die Tür zu diesem Raum öffnete, freute sich mein siebzigjähriger Vater wie ein kleines Kind.

Doch eines Tages nahm sein Leben eine unerwartete Wendung.

Mein Vater hatte wegen seines Gewichtsverlusts einen Termin im Krankenhaus, und der Arzt verkündete ihm mit ausdruckslosem Gesicht: »Sie haben Bauchspeicheldrüsenkrebs, und er ist bereits weit fortgeschritten. Wir können nicht operieren.«

Vor Schreck konnte mein Vater nicht klar denken. Er bekam den Mund kaum auf und stammelte nur: »Aber, was … wie lange habe ich, bis …?«

Die letzten Worte kamen ihm nicht über die Lippen.

Der Arzt mied den verzweifelten Ausdruck in den Augen meines Vaters und nuschelte: »Nun ja, das ist schwer zu sagen. Alles hängt vom Patienten ab. Für gewöhnlich gehen wir in Fällen wie Ihrem von drei bis sechs Monaten aus …«

Schweren Schrittes schleppte sich mein Vater aus dem Krankenhaus. Die Augustsonne schien, die Welt war voller Energie. Menschen liefen geschäftig an ihm vorbei, während sie telefonierten, Kinder spielten fröhlich miteinander. Die Welt meines Vaters aber stand still. Stundenlang lief er ziellos durch die Gegend. Als er sich wieder gefasst hatte, sah er, dass er über zwanzig Anrufe von meiner Mutter verpasst hatte. Kraftlos drückte er auf die Anrufen-Taste und sagte stockend: »Ich habe Krebs … Bauchspeicheldrüsenkrebs.«

***

Als ich erfuhr, dass mein Vater Krebs hatte, wurde ich panisch. Nie zuvor war er krank gewesen, nicht einmal eine Erkältung hatte er gehabt. Für mich war mein Vater so stark wie ein Fels, so beständig wie ein Berg. Ich konnte nicht glauben, dass dieser Mann demnächst nicht mehr sein sollte. Was konnte ich tun? Wie konnte ich helfen? Das Erste, was mir in den Sinn kam, war gelber Corvina: sein Lieblingsfisch, der zu teuer war. Ich düste in ein Lebensmittelgeschäft. Als ich dort nach diesem Fisch fragen wollte, brach ich in Tränen aus; sie quollen aus meinem tiefsten Inneren hervor.

Es kam mir dumm vor, dass ich mich erst jetzt entschloss, ihm den begehrten Leckerbissen zu besorgen. Wie oft würde ich noch die Gelegenheit haben, ihm sein Lieblingsessen zu kaufen?

Leider war das die erste und letzte Packung gelber Corvina, die ich ihm schickte. Meine Mutter servierte zu jeder Mahlzeit etwas davon, aber mein Vater schaffte nicht einmal die Hälfte der zehn Fische. Die Krebszellen vermehrten sich rasch und breiteten sich in seinem Magen aus.

Selbst als er krank war, hielt mein Vater an seinem lebenslangen Sparkurs fest. Auf der Krebsstation drängte er darauf, in einem Sechserzimmer untergebracht zu werden, das mit der Zuzahlung von der Krankenversicherung weniger als zehn Dollar kostete. Waren die anderen Patienten laut, benutzte er Ohrstöpsel und machte die Augen zu. Er konnte nicht fernsehen, wann ihm danach war, und es war sogar schwierig für ihn, sich mit seiner Familie zu unterhalten. Doch wie sehr meine Mutter ihn auch anflehte, er möge sich ein Einzelzimmer nehmen, mein Vater bestand darauf, im Sechserzimmer zu bleiben.

Mit jedem Tag dort wurde er schwächer. Sein Rücken bestand nur noch aus Haut und Knochen, und seine Beine schwollen an.

Eines Tages nahm er meine Hand und sagte, als habe er eine Vorahnung: »Mein Leben lang wollte ich reich sein, also habe ich immer gespart. Dennoch bin ich nicht reich geworden. Rückblickend bereue ich das. Vielleicht habe ich ein paar wunderbare Momente verpasst, weil ich so darum bemüht war, zu sparen … Ich nehme alles, was ich dir über ein genügsames Leben gesagt habe, zurück. Konzentrier dich nicht aufs Sparen – finde stattdessen lieber einen Weg, wie du wahrhaft reich werden kannst. Finde die Antwort, nach der ich mein ganzes Leben gesucht, die ich aber nie gefunden habe.«

Zum ersten Mal, seit ich erwachsen war, hielt mein Vater meine Hand. Die Hände, die mich als Kind so spielend hochgehoben hatten, waren nun abgemagert, ausgetrocknet und schmal.

»Das schwöre ich dir. Ich werde einen Weg finden. Ich werde nicht zulassen, dass dein Leben und das, was du gelernt hast, vergebens war.«

Dann sagte ich, was ich ihm schon immer hatte sagen wollen, aber nie hatte sagen können. »Ich liebe dich, Dad.«

Sein Blick ging zur Decke, aber ich sah die Tränen in seinen Augen.

Er starb an einem Januarabend. Als ich nach draußen ging, nachdem wir meinen Vater ins Leichenschauhaus gebracht hatten, fiel feiner Schnee vom nächtlichen Himmel. Ich stellte mir vor, das Gestöber von Schneeflocken sei das Universum, das seine Seele willkommen hieß. Ich starrte in den Himmel, und der beißende Winterwind fegte mir ums Gesicht. In dem Moment wurde mir klar, dass mein Vater die Welt, in der ich lebte, für immer verlassen hatte.

Nach der Beerdigung sortierte ich die Sachen meines Vaters aus. Ich öffnete den Gefrierschrank und entdeckte die fünf gelben Corvina, die ohne Besitzer zurückblieben.

Endlich brach der Damm, und die Tränen, die ich seit seinem Tod zurückgehalten hatte, rannen mir übers Gesicht. Ich ließ mich zu Boden sinken und weinte bitterlich, wie ein Kind. Mir wurde klar, wie sehr ich meinen Vater geliebt hatte, und es schmerzte mich, dass er sich so viele Annehmlichkeiten, die greifbar gewesen wären, versagt hatte. Er war verstorben, ohne regelmäßig sein Lieblingsessen zu sich genommen zu haben. In diesem Moment begriff ich etwas, das schon bald zu einem Versprechen mir selbst gegenüber wurde: So wollte ich nicht leben. Ich würde die letzte Bitte meines Vaters ehren. Ich musste einen Weg finden, wie ich reich werden konnte.

[home]

Erster Teil

1

Der Guru

Kurz nachdem mein Vater gestorben war, hatte ich Geburtstag. Mit nunmehr vierzig Jahren und nach dem Verscheiden meines Vaters sah ich mein Leben mit anderen Augen. Ich stammte aus einer Mittelschichtfamilie, hatte an einer namhaften Universität studiert und zehn Jahre lang für eine der größten Zeitungen des Landes als Journalistin gearbeitet. Ich hatte an der Wharton School der Universität von Pennsylvania einen MBA erworben und war inzwischen für die Außenbeziehungen einer amerikanischen Firma tätig. Mein Leben war weder durch übergroßen Erfolg noch durch desaströses Versagen bestimmt. Ich hatte ein geregeltes Einkommen und erfuhr genug Wertschätzung für meine Arbeit; ich war mit einem warmherzigen Mann verheiratet, der im öffentlichen Dienst tätig war, und wir hatten einen Sohn. Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen, dass wir ein Leben in Armut würden führen müssen, aber sorgenfrei war es in finanzieller Hinsicht keineswegs.

Außerdem war mein Leben starr geregelt. Meine Freundinnen, die mit einem reichen Arzt oder einem Anwalt verheiratet waren oder geerbt hatten, führten ein entspanntes Dasein, ich hingegen gab niemals auch nur zehn Dollar unbekümmert aus. Sobald die Zeitung eintraf, schnitt ich die Supermarktcoupons aus oder hastete los, um kurz vor Ladenschluss preisreduziertes Fleisch oder günstigen Fisch zu kaufen. War ich mit dem Auto unterwegs, verglich ich die Benzinpreise an den verschiedenen Tankstellen. Kaufte ich etwas für meinen Sohn, suchte ich stundenlang im Internet nach dem günstigsten Angebot; ich wollte es einfach nicht hinnehmen, teurere Produkte zu kaufen. Ging es darum, Geld erstattet zu bekommen, so drängte ich darauf, indem ich Kassenbons ans Einkaufszentrum oder Kaufhaus schickte oder stundenlang am Telefon blieb, um die Forderung durchzusetzen.

Obwohl ich genügsam lebte, verschwand mein Gehalt wie von selbst von meinem Konto. Statt finanzielle Stabilität zu erlangen, war ich einfach nur froh, wenn ich nicht im Minus landete. Die Nervosität war mein ständiger Begleiter. In meinem Leben lief alles darauf hinaus, das Heute für ein besseres Morgen zu opfern. Aber wann würde dieses Morgen sein? Hätte mich jemand gefragt, ob ich so weiterleben wolle, hätte ich ganz entschieden geantwortet: »Nein!«

Nach dem Tod meines Vaters machte ich mich also auf die Suche nach dem besten Weg, reich zu werden. Ich las alles Mögliche zu diesem Thema und stattete mit meinem Hintergrund als Journalistin Experten Besuche ab, um sie nach der besten Technik fürs Reichwerden zu befragen, doch von allen erhielt ich dieselbe Antwort: Die Treppe zum Reichtum sei zusammengebrochen.

Die Kapitalrendite liege deutlich über der Wachstumsrate, schreibt Thomas Piketty. Das bedeute, dass ererbte Vermögen sich schneller vergrößerten als Produktion und Einkommen. Egal, wie sehr man sich anstrenge, es werde einem nicht mehr gelingen, Menschen mit einer Erbschaft einzuholen, erklärt er.

Oder: Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz oder Robotern werde Arbeitsplätze abschaffen. Reicher würden nur noch einige wenige Kapitalisten, wohingegen der Durchschnittsmensch ärmer werde.

Bei meiner Suche traf ich auch auf viele junge Erwachsene, die sich verzweifelt mit derselben Frage herumschlugen wie ich.

»Die älteren Generationen sind der Meinung, ihre Gehälter müssten für ihren Ruhestand aufgespart werden. Aber ich will meine Jugend nicht für meine Zukunft opfern.«

»Nachdem ich von meinem Gehalt das Geld für Miete und Studiendarlehen überwiesen und meinen Lebensunterhalt bestritten habe, bleibt nichts mehr übrig. Sollte ich heiraten oder Kinder bekommen, würde das noch größere Kosten verursachen. Ich glaube nicht, dass ich einmal viel Geld für mich ausgeben oder mir irgendwann in der Zukunft ein Haus kaufen kann.«

»Warum gibt es immer mehr Menschen, die von heute auf morgen reich werden, obwohl es heißt, es werde so langsam schwierig, reich zu werden? Was ist das Geheimnis dieser Leute? Werde ich jemals reich sein?«

Nachdem ich, wohin ich auch sah, auf Entmutigung gestoßen war, erzählte mir jemand, die einzige Person weltweit, die mir diese Frage definitiv beantworten könne, sei »der Guru der Reichen«. Sowie mir diese Idee unterbreitet worden war, hätte ich mich in den Hintern beißen können, denn ich war diesem Guru zehn Jahre zuvor schon einmal begegnet.

Ende 2006 gehörte ich zur Redaktion der Wochenendbeilage einer Zeitung und suchte ständig nach neuen Themen, über die ich eine leichte Wochenendlektüre schreiben konnte. Bei einer Weinverkostung mit anderen Journalisten hörte ich die Geschichte von einem »Guru für Wohlhabende« namens Suh Yoon Lee. Diese Frau, bei der jede bekannte reiche Person einen Termin haben wollte, war damals erst Anfang, Mitte zwanzig und hatte ihren Abschluss an einer renommierten Universität gemacht. Bereits im Alter von sechs Jahren hatte sie die klassische Asiatische Schicksalsdeutung beherrscht, mit der man anhand des Geburtsdatums und der Geburtszeit eines Menschen dessen Schicksal vorhersagt, bekannt unter dem Namen »Vier-Säulen-Astrologie«. Es hieß, sie sei mit den osteuropäischen und asiatischen Klassikern vertraut und analysiere Daten von Tausenden von Menschen, um zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen. Ihre Bücher über Reichtum sind alle auf den Bestsellerlisten gelandet.

»Wahnsinn! Das klingt faszinierend. Erzähl mir mehr von diesem Guru«, bat ich.

Mein Kollege trank einen Schluck Wein und fuhr fort: »Weißt du, was das Faszinierendste ist? Jeder, der sie trifft, hat das Gefühl, einen völlig anderen Menschen kennengelernt zu haben.« Meine Neugier war geweckt, ich wollte unbedingt mehr erfahren. Er sagte: »Manche behaupten, sie ähnele einem weisen Lehrer, andere hingegen finden, sie sei eher wie eine Hexe, die Menschen anlocke, und wieder andere beschreiben sie als unschuldiges Kind. Ich habe gehört, dass mehrere Männer ihrer Anziehungskraft erlegen sind und sie regelrecht anhimmeln. Aber natürlich haben sie keine Chance bei diesem Guru.«

»Ach, tatsächlich?«

»Ja. In einem sind sich jedoch alle, die sie getroffen haben, einig. Alle sagen, ihr Leben habe sich verändert. Mit einem Mal hätten sich ihnen gute Gelegenheiten geboten, sie hätten die Gunst der Stunde genutzt und seien letztlich reicher geworden.«

Mein Bauchgefühl sagte mir, dass diese Story ein gefundenes Fressen sein könnte. Ich wollte den Guru unbedingt treffen und herausfinden, was für ein Mensch sie war, denn ich war sicher, dass sie bei den Lesern gut ankommen würde. Also vereinbarte ich einen Termin.

Am Tag des Interviews musste ich nicht lange warten, bis jemand durch die breite Glastür in den Empfangsbereich des Gebäudes trat. Es gibt Momente, an die erinnert man sich so deutlich, als hätten sie sich erst gestern ereignet, so lebhaft sind die Eindrücke von Atmosphäre, Luft und Geräuschen. Nie werde ich den Augenblick vergessen, in dem ich Suh Yoon zum ersten Mal sah.

Zunächst konnte ich ihr Gesicht nicht genau erkennen, dennoch war mir auf den ersten Blick klar, dass sie der Guru war. Die gesamte Atmosphäre um sie herum war anders, fast mystisch, als wäre sie von einem frühmorgendlichen Nebel umgeben. Das war das erste und einzige Mal, dass mir ein anderer Mensch ein solches Gefühl vermittelte. Ohne mir meiner Nervosität tatsächlich bewusst zu sein, stand ich wie angewurzelt da, als wäre ich zu Stein erstarrt.

Suh Yoon kam auf mich zu und streckte mir die Hand entgegen. Überrascht stellte ich fest, dass in mir ein Beschützerinstinkt geweckt wurde, so feingliedrig war sie.

»Sie müssen Ms. Hong sein. Schön, Sie kennenzulernen.«

Zögerlich sagte ich: »Hallo … Wie soll ich Sie ansprechen?«

»Nennen Sie mich einfach beim Vornamen.«

Ihre Stimme hatte einen schönen, melodischen Klang. Ihre Haltung war graziös und würdevoll, sie hatte ungewöhnlich dünne Arme und Beine und war auch sonst gertenschlank. Ihr eher rundes Gesicht war milchig weiß, sie hatte eine Nase wie gemeißelt, und ihre mandelförmigen Augen funkelten, wenn sie lächelte. Obwohl sie keine typische Schönheit war, hatte ihre Erscheinung etwas Betörendes. Sie war Mitte zwanzig, wirkte aber, mit Ausnahme ihres geradezu stechenden Blicks, deutlich jünger.

Das Interview verlief magisch. Ich ging ganz in der Unterhaltung mit Suh Yoon auf, bemerkte kaum, was um mich herum war. Suh Yoon brachte mich mit ihren Erkenntnissen zum Staunen. Sie führte die Unterhaltung, bei ihr zählte jedes Wort, und sie lieferte weise Antworten und sanften Trost in Formulierungen, die einfach zu verstehen waren.

Als sich unsere Unterhaltung dem Ende näherte, fragte ich sie: »Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?«

»Ich habe Fälle von reichen Menschen weltweit gesammelt und analysiere die Verbindung zwischen Reichtum und der darauf basierenden Einstellung.«

»Das klingt faszinierend. Diese Analyse könnte das Geheimnis enthüllen, wie man Reichtum erlangt!«

Suh Yoon hielt meine Hand behutsam fest und sagte: »Es ist Ihnen vielleicht noch nicht bewusst, Ms. Hong, aber Sie sind noch immer in einem Käfig gefangen. Sollten Sie sich innerhalb der nächsten zehn Jahre entschließen, sich aus Ihrem Käfig zu befreien, werden wir einander erneut begegnen.«

Ich hatte nicht verstanden, was sie damit sagen wollte, also achtete ich nicht weiter darauf, doch jetzt, zehn Jahre später, musste ich wieder daran denken.

Wo sie wohl gerade war? Ob sie sich noch an das erinnerte, was sie mir damals gesagt hatte?

2

Den Guru finden

In dem Bemühen, aktuellere Informationen zu Suh Yoon zu erhalten, durchforstete ich das Internet und erkundigte mich überall nach ihr. Nach unserem ersten Treffen hatte sie sich dem Schreiben von Büchern zugewandt und Vorträge gehalten. Je mehr sich ihre Erkenntnisse vertieft hatten, desto weiter war ihr Ansehen gestiegen, und es hieß, man müsse über zwei Jahre warten, um einen Termin bei ihr zu bekommen. Menschenmengen versammelten sich um ihr Haus, Leute versuchten, sie in Sachen Wirtschaftskrise oder beim Wechsel von Vorstandsmitgliedern zu konsultieren.

Dann verschwand Suh Yoon plötzlich von der Bildfläche.

Sie stand nicht mehr für Beratungen zur Verfügung. Durch ihr Abtauchen kamen viele reiche Menschen ins Straucheln. Ein internationales Unternehmen hatte sich so sehr auf Suh Yoons Führung verlassen, dass ein paar Vorstandsmitglieder, denen es nicht gelang, ihren Rat einzuholen, entlassen wurden. Kandidaten der bevorstehenden Abgeordnetenwahl zur Nationalversammlung kampierten vor ihrem Haus, trafen sie jedoch nicht an. War es ein Zufall, dass sie eine verheerende Niederlage hinnehmen mussten?

Es gab viele Gerüchte bezüglich Suh Yoons Aufenthaltsort. Manche sagten, sie stünde kurz davor, basierend auf den Ergebnissen ihrer Analysen und Beratungen erstaunliche Geheimnisse zu enthüllen, andere wiederum meinten zu wissen, dass sie sich irgendwo im Ausland erholte. Mal hieß es, sie habe sich nach Europa zurückgezogen, dann wieder, sie berate reiche Menschen in Japan.

Meiner Recherche zufolge war Suh Yoon zum letzten Mal 2013 in den Medien aufgetaucht. Das Interview, das sie einer großen koreanischen Zeitung gegeben hatte, nahm eine ganze Seite ein. Auf dem Foto war sie mit einem strahlenden Lächeln abgebildet, und sie wurde zitiert mit dem Satz: »Beim Analysieren der Daten, die ich über reiche Menschen zusammengetragen habe, merkte ich nach und nach, dass ihnen allen ein Geheimnis gemein ist.« Sie enthüllte jedoch nicht, was dieses Geheimnis war.

Jetzt, da ich mir eine Aufgabe gestellt hatte, war ich ungeduldig und wollte Suh Yoon so schnell wie möglich treffen. Es gelang mir, ihre E-Mail-Adresse ausfindig zu machen, und ich schüttete ihr in einer Mail mein Herz aus. Ich schrieb von unserem Treffen zehn Jahre zuvor und fragte sie, ob sie sich an mich erinnere. Außerdem brachte ich die Trauer über den Verlust meines Vaters zum Ausdruck und erklärte, ich wolle unbedingt reich werden, um mein Versprechen zu halten und seinen Wunsch zu erfüllen. Ich schrieb, sie sei die Einzige, die mir helfen könne. Im Rückblick war das sehr viel für eine E-Mail an jemanden, den ich nur ein einziges Mal getroffen hatte.

Ehe ich auf »Senden« klickte, schloss ich die Augen und betete. »Bitte, bitte … lass Suh Yoon diese Nachricht erhalten …« Dann erst schickte ich die E-Mail ab.

Einige Tage verstrichen. Es war wie das Warten auf die Zusage einer Universität. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, machte mein Herz einen Satz. Nach und nach wurde ich unruhig und überlegte, ob sie meine E-Mail nicht erhalten hatte oder sich nicht an unsere Begegnung erinnerte, oder aber sich an mich erinnerte und mich jetzt für verrückt hielt. Etwa eine Woche später hatte ich eine Nachricht in meinem Posteingang. Ich sprang auf wie ein Schachtelteufelchen. Suh Yoon hatte mir geantwortet.

»Wie schön, von Ihnen zu hören. Ich erinnere mich an Sie und beglückwünsche Sie dazu, es geschafft zu haben.«

Ihre Worte wirkten besonnen, so als wisse sie, wie sehr ihre Antwort mich berührte. Sie sprach mir ihr Beileid aus und offenbarte mir, dass sie in Europa weile. Was dann folgte, überraschte mich.

»Der Moment ist gekommen. Erinnern Sie sich daran, dass ich Ihnen sagte, es gebe keinen Zufall? Alles ist Teil eines Wunders, das sich schon lange vorbereitet.«

Tatsächlich schrieb sie, ich könne sie jederzeit besuchen. Sobald ich diesen Satz gelesen hatte, setzte ich mich an den Computer, verfasste meine Antwort, um einen Termin auszumachen, und kaufte mir ein Ticket nach Italien.

***

Sanft landete mein Flugzeug in Mailand, nachdem es zwölf Stunden zuvor in Seoul gestartet war. Suh Yoon wohnte in einem Hotel in der Nähe des Comer Sees, etwa eineinhalb Stunden von der Stadt entfernt. Ich nahm mir einen Mietwagen und fuhr zum See. Während der Fahrt dachte ich an unser Treffen zehn Jahre zuvor.

Suh Yoon und ich hatten das Interview beendet und tranken noch einen Kaffee. Damals steckte ich mitten in der Entscheidungsfindung, ob ich nun weiter als Journalistin arbeiten oder mich um ein MBA-Studium bewerben sollte. Ich hätte Suh Yoon gern dazu befragt, traute mich aber nicht so recht.

Selbst die Reichen müssen lange warten, bis sie einen Termin bei diesem Guru bekommen … Darf ich sie persönlich um Rat fragen, wo ich sie doch nur getroffen habe, um ein Interview mit ihr zu führen? Andererseits ist diese Entscheidung wirklich wichtig für mich, und vielleicht habe ich nie wieder die Gelegenheit, sie dazu zu befragen …

Als ich dann zu Suh Yoon aufsah, war meine Nervosität verschwunden. Sie blickte mich aufmunternd an und machte ganz den Eindruck, als würde sie keine Frage, die ich ihr stellen könnte, kritisieren.

Nachdem ich mein Dilemma vor ihr ausgebreitet hatte, erzählte Suh Yoon mir eine Fabel aus den buddhistischen Schriften:

In den buddhistischen Schriften (岸樹井藤) gibt es eine Fabel um eine an der Küste wachsende Rattanpalme und einen Brunnen. Ein Mann rannte vor einem Elefanten davon, der ihn auf einem Feld angegriffen hatte, und kam auf der Flucht an einem Brunnen vorbei. Er benutzte den Stamm einer Rattanpalme, um sich in den Brunnen hinabzulassen. Als er nach unten sah, entdeckte er dort Schlangen mit weit aufgerissenen Mäulern. Oben am Brunnenrand knabberten schwarz-weiße Mäuse an dem Baumstamm, an dem der Mann sich festhielt. Dann tropfte etwas völlig Unerwartetes auf seinen Kopf. Süßer Honig. Der Mann, dem in egal welcher Richtung der Tod drohte, aß den Honig, ohne darüber nachzudenken, und vergaß all seine Furcht.

Suh Yoon drehte sich zu mir um und fragte freundlich: »Wie sollte dieser Mann seinem Dilemma entkommen?«

»Nun ja, er wird bald sterben, aber trunken vor Honig … Ich weiß nicht, wie es anders enden sollte als mit seinem Tod.«

Suh Yoon hörte sich meine Antwort aufmerksam an. Dann sagte sie: »Es gibt nur einen einzigen Ausweg. Er muss hinausklettern und mit dem Elefanten kämpfen. Sobald er diese Entscheidung getroffen hat, wird das Bezwingen des Elefanten nicht so schwer sein wie der Umgang mit der Angst. Auf den Sieger wartet der spektakuläre Anblick der wunderschönen Erde.«

Später begriff ich, dass ich nicht ganz verstanden hatte, was Suh Yoon damit ausdrückte. Aber schon als ich ihr zuhörte, spürte ich, wie die Hoffnung sich in mir ausbreitete wie ein Sonnenstrahl. Die Ängste, die in meinem Geist gelauert hatten, verschwanden wie dunkle Wolken, die sich vom Himmel verziehen. Ich spürte, wie mich der Mut zu einem Neustart ergriff, und ehe ich mich versah, saß ich in einem Flugzeug nach Philadelphia, um mein MBA-Studium anzufangen.

Während der vergangenen zehn Jahre hatte ich mich immer dann, wenn ich auf Schwierigkeiten stieß, an ihre Worte erinnert. Hat man erst einmal eine Entscheidung gefällt, ist es tatsächlich nicht mehr so schwer, den Elefanten zu besiegen. Ein Aufstieg kann einem noch so unbezwingbar erscheinen, macht man aber einen Schritt nach dem anderen, liegt die Qual irgendwann hinter einem, und man betrachtet die Welt in einem anderen Licht. Mir war klar geworden, dass ihr Ratschlag der wichtigste war, den ich in zehn Jahren bekommen hatte, und ich staunte darüber, wie diese Meisterin des Denkens geradewegs in mich hineingesehen hatte.

Als ich aus meinen Tagträumereien erwachte, fuhr ich bereits durch die Innenstadt von Como, vorbei an kleinen Kirchen und Häusern mit roten Dächern, mit Blick auf den blauen, von weißen Wolken durchzogenen Himmel. Hinter der Stadt tauchte links der Straße ein wunderschöner See auf. Malerische Häuser säumten ihn, und das mediterrane Licht wurde von der Wasseroberfläche zurückgeworfen. Ich fühlte mich beschwingt. Wie wird sie jetzt aussehen? Was hat sie in der Zwischenzeit gemacht?

Als ich beim Hotel ankam, war es fast schon an der Zeit für unser Treffen. Das Hotel war luxuriös, es erinnerte an einen Palast. Ein Fenster der marmornen Eingangshalle ging zum See. Ich fragte mich, wie teuer eine Übernachtung hier wohl war. Ohne dass es mir klar war, schüchterte dieses exquisite Haus mich ein. Mein schwarzes Jackett und die weiße Bluse schienen nicht hierherzupassen. Mit verkrampften Schultern stand ich da und umklammerte den Griff meiner Laptoptasche mit beiden Händen.

Genau da hörte ich eine Stimme, so klar wie das Wasser des Sees.

»Ich weiß es zu schätzen, dass Sie die lange Reise auf sich genommen haben.«

3

Wiedersehen

Automatisch drehte ich mich um. In der Richtung, aus der die silberhelle Stimme gekommen war, erschien die elegante Silhouette einer selbstsicheren Frau. Ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, da sie mit dem Rücken zum See mit der spiegelglatt glänzenden Oberfläche stand, doch ich wusste sofort, wer sie war. Sie war der Guru, Suh Yoon.

Wie bei der Begegnung zehn Jahre zuvor schien die sie umgebende Aura auch jetzt eine besondere zu sein. Sie trug ein elegantes knielanges, schwarzes Hängerkleid, und ihr halblanges dunkelbraunes Haar beschrieb eine glänzende Welle. Sie war nicht groß, aber sie hatte vor der Kulisse des Sees eine sehr würdevolle Haltung eingenommen. Es sah aus, als sei sie von einem Nimbus umgeben, vielleicht lag das aber auch nur an den Sonnenstrahlen.

Langsam kam Suh Yoon näher. Während dieser Sekunden sah sie in jedem Moment anders aus. Blumiger Frühling, leidenschaftlicher Sommer, flatteriger Herbst und eisiger Winter spiegelten sich in ihren Augen.

»Es ist eine ganze Weile her. Ich bin dankbar, dass Sie sich trotz Ihres vollen Terminkalenders Zeit genommen haben.« Ich versuchte, meine Aufregung in den Griff zu bekommen.

Mit leichtfüßigen Schritten kam sie auf mich zu. Sie roch nach einer betörenden Mischung aus Ylang-Ylang, Jasmin und Moschus. Mit Mitte zwanzig war sie frisch gewesen wie eine Frühlingsrose, inzwischen war sie eine voll erblühte Mitsommerrose im Sommersonnenlicht. Sie war intensiv, aber angenehm.

»Sie sehen besser aus, als ich gedacht hatte. Das freut mich.«

Ich musste an meinen Verlust denken, hielt die Tränen aber zurück.

Suh Yoon lächelte warm und führte mich zu ihrer Suite. Während sie Kaffee bestellte, sah ich mir das Zimmer an, das mit einem dunkellila Sofa ausgestattet war, einem leuchtenden Farbklecks inmitten der Eichenholzmöbel. Der Blick aus dem Fenster ging hinaus auf den Comer See. Hatte sie sich all die Jahre hier versteckt? »Was für ein wunderschöner Ort! Sind Sie schon lange hier?«, fragte ich.

Sanft schüttelte sie den Kopf. »Nein. Ich bin erst vor drei Tagen angekommen.«

»Ach, tatsächlich? Viele Leute fragen sich, weshalb Sie nicht zu erreichen sind …«

Suh Yoon lächelte rätselhaft und sah mich einen Moment lang gelassen an, dann beugte sie sich vor und legte mir die Hand auf den Arm. »Menschen, die einander treffen sollen, treffen einander letztendlich auch.«

Als stünde ich unter ihrem Bann, vertraute ich ihr meinen Kummer über den Verlust meines Vaters an und schilderte, wie eingeschränkt mir mein Leben seitdem erschien. Ich erzählte ihr, dass mein Vater sich ein besseres Leben für mich gewünscht hatte, und als halte ein Damm nicht länger stand, brach ich vor ihr in Tränen aus. Seit dem Tod meines Vaters hatte ich noch nie vor jemand anderem geweint, doch in ihrer Nähe ließ ich den Schmerz zu.

Suh Yoon hielt meine Hand und reichte mir schweigend ihr Taschentuch. Als sie wieder sprach, klang sie sehr nachdenklich.

»Es ist äußerst wichtig, die Traurigkeit so wahrzunehmen, wie sie ist. So, und nur so, stagniert sie nicht, sondern fließt dahin wie ein Fluss. Unterdrücken Sie hingegen Ihre Gefühle, werden sie Ihren Verstand vergiften, genau wie stehendes Wasser umkippt.«

Mein Geist wurde ruhiger, und ich ließ meinen Tränen freien Lauf. »Ich habe über das Leben meines Vaters nachgedacht und dabei viel gelernt. Mein Vater hat so viel für mich getan. Aber ich will nicht mein Leben lang Opfer bringen wie mein Vater. Ich will mich frei fühlen und das Leben genießen.«