Führen ist menschlich - Ruth Peyer - E-Book

Führen ist menschlich E-Book

Ruth Peyer

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Beschreibung

Zwei Lager stehen sich im Thema Personal- und Organisationsführung nach wie vor gegenüber: das eine will die "Human Ressources" mit Zahlen und Zielen führen. Das andere will die "Menschen" für ihre Ziele motivieren, nicht selten gepaart mit einem Schuss Esoterik oder Exotik. Alle paar Jahre wechselt die Mode und die Management Literatur folgt verlässlich dem Ausschlag des Pendels in die eine oder andere Richtung. Keiner der beiden Positionen wird den Anforderungen des täglichen Geschehens in Praxis gerecht: Vereinfachende Entweder-Oder-Konzepte und ihre Modeerscheinungen laufen sich zwangsläufig tot. Denn Führung dreht sich zentral darum, die alles andere als einfache Verbindung zwischen den Sachzwängen (Markterfordernisse, Kostendruck, Effizienz, Qualität etc.) und den Eigengesetzlichkeiten von Menschen, Gruppen und der Organisation herzustellen. Es ist eher die Minderheit der Trainer, Berater und Fachautoren, die diese etwas unbequeme Position ihrem Publikum zumutet. Zu dieser Minderheit zählen die fünf Autorinnen und Autoren dieses Buches. Alle sind langjährige Praktiker im Bereich Führung - teils selbst erfolgreich in Führungsverantwortung, teils zusätzlich in Beratung und Weiterbildung dazu tätig. Alle kennen beide Seiten der Medaille "Führung" und alle versuchen den erfolgreichen Spagat, diese nicht alltägliche Verbindung beider Welten lesbar und nachvollziehbar zu beleuchten. Deshalb dieses etwas "andere" Buch über Führung.

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Seitenzahl: 89

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhaltsverzeichnis

Management und Leadership zwei Seiten einer Medaille

Claudius Fischli

Wozu braucht man in der Führung Gruppendynamik

Ewald E. Krainz

Teameinsatz in Organisationen

Ja oder Nein?

Christoph Warhanek

Schule im Wandel? 50 Jahre Schulentwicklung – ein Ausblick

Ruth Peyer

Vom Appendix zum Pulsschlag

Claudius Fischli

In Projekten liegt viel Potenzial

Ute Langthaler

Was zählen Menschen in Unternehmen?

Christoph Warhanek

Claudius Fischli

Management und Leadership: Zwei Seiten einer Medaille

Begriff und Phänomen «Führung» sind – gemessen an deren täglichen Bedeutung – erstaunlich unübersichtlich: Was Führung ist, ist sehr umstritten. Philosophie, Psychologie, Betriebswirtschaft und andere Disziplinen arbeiten in einer langen Tradition an der Frage, wie man richtig führt. Schon Plato und Aristoteles verfassten Schriften über die Frage, wie das Staatswesen zu regeln sei. In den folgenden Jahrhunderten gaben feudale, absolutistische, aufgeklärte, bürgerliche, proletarische, moderne, postmoderne Zeiten und schliesslich auch die Informations- Gesellschaft ihre je spezifischen Antworten auf die Frage nach der richtigen Führung: Geburt, «Gottes Gnade», Abstammung, «Charisma», Eigenschaften, Verhaltensstile, Fachkompetenz und zünftiges systemisches Verständnis boten in der Folge den Stoff aus dem die «Anleitung zur richtigen Führung» geschrieben wurden.

Die eigentlich interessante Frage ist allerdings weniger, was Führung «ist». Denn für die tägliche Arbeit als Führungskraft – und nicht zuletzt für die einzelne Mitarbeiterin oder Mitarbeiter - ist vielmehr wichtig, dass Führung den geplanten Erfolg hat: Dass die Organisation/Institution, die beteiligten Systeme und Personen unter den jeweiligen Rahmenbedingungen, Veränderungen und Herausforderungen nachhaltig operieren und sich weiter entwickeln. Was aber können Erfolgsbedingungen von Führung sein?

Management

Eine erste «Wahrheit» in Führungsbelangen besagt, dass es Normen, Gesetze, Standards, Policies, best practice etc. braucht, um die tägliche Arbeit so zu strukturieren und in Bahnen zu lenken, dass Resultate erzielt werden. Führung bedeutet in diesem Sinn einerseits, für die korrekte Anwendung der aus Erfahrung gesammelten und festgesetzten Regeln durch die Beteiligten zu sorgen (retrospektiv). Probleme in der täglichen Anwendung dieser Regeln zeigen sich als ärgerliche Missverständnisse, Pannen und Pleiten, als kleinere und grössere Krisen und «Unfälle». Führung heisst darum auch, durch Kontrolle Abweichungen zu beseitigen.

Auf dieses Verständnis, auf Management, bezieht und beschränkt sich das gängige Bild von Führung zu einem bedeutenden Teil. Mackenzie (1969) hat dieses Verständnis in seinen inzwischen «klassischen» Management Funktionen differenziert:

Planung: Entwurf einer Soll-Ordnung

Organisation: Schaffung eines zielgerichteten Handlungsgerüsts

Personalbesetzung: Besetzung der Stellen mit kompetentem Personal

Personaleinsatz: Zielgerichtete Abstimmung und Ausrichtung der Einzelhandlungen

Kontrolle: Ist-Soll-Vergleich

Führung als Management verantwortet Ergebnisorientierung und das Tagesgeschäft (daily business) im engeren Sinn und ist ausserordentlich gut dokumentiert. Sehr bewährte Modelle, Techniken, Prozesse und Abläufe geben weitgehend verlässliche Orientierung im Bestreben, zweckmässige und angemessene Ordnung und Berechenbarkeit in das tägliche Funktionieren arbeitsteiliger Leistungen zu bringen.

Ein Begriff von Führung ist einer zu wenig

Mit zunehmend anspruchsvollen Produkten, Prozessen und organisationalen Verhältnissen sinkt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die «richtige» Vorgehensweise, die «beste» Lösung von vornherein bekannt sind. Was, wenn Vorgaben fehlen oder dem Problem nicht angemessen sind? Was, wenn die Routine, die Erfahrung und die Rahmenbedingungen keine Antworten auf dringende Fragen geben? In solchen Situationen ist eine andere Art von Führung gefragt: Nicht «Anwendung» bzw. «Sicherstellung» von vordefinierten Regeln, sondern die «Neu-Erfindung» von Betrachtungs-, Bewertungs- und Verhaltensperspektiven. Eine zweite Führungswahrheit ist also, dass das Neue, das Unbekannte, notwendige Widersprüche und Irritation und die immer mitbeteiligten Stimmungen, Gefühle und Emotionen erschlossen werden können. Dies geschieht über erfolgreiche Kommunikation, die in diesem Zusammenhang im Wesentlichen bedeutet, durch kommunikative «Engführung» die einzige reelle Chance zu packen, das Unbekannte und Unsichere soweit «in den Griff» zu bekommen, dass es fruchtbar werden kann (prospektiv). Das ist der Kern von Leadership.

«Zwei Wahrheiten» der Führung (n. Schwarz, 2003)

Die beiden Führungswahrheiten kennzeichnen zwei gleichermassen wichtige wie auch widersprüchliche Pole eines dynamischen (Unternehmens-) Geschehens. Stabilität und Veränderung, Rahmen und Bewegung, Berechenbarkeit und Turbulenz, Sicherheit und Risiko. Es sind jeweils die zwei Seiten der gleichen Medaille, bedingen sich gegenseitig und stellen doch einen Widerspruch dar. Management und Leadership konstituieren in ihrem Zusammenspiel Führung und dabei DAS zentrale Dilemma von Führung: Bewährtes wandlungsfähig zu halten und den Wandel auf Dauer zu stellen. Denken und Handeln in dieser Art von Widersprüchen ist darum eine der zentralen Anforderungen und Kompetenzen von Führungskräften – und das hauptsächliche Merkmal, das nachhaltig erfolgreiche von weniger erfolgreichen Führungskräften unterscheidet.

Leadership – Führung der Zukunft

Leadership verwaltet mit Kommunikation und Zukunft/Innovation die «unsicheren» Dimensionen im täglichen Arbeiten, was von einiger Tragweite für das Verständnis von Führung ist. Denn in diesen Dimensionen kann es keine eindeutigen, beliebig wiederholbaren und klar definierten Planungen, Abläufe und Ergebnisse geben: Die Zukunft wird immer unsicher sein und Kommunikation ein prekäres, unwahrscheinliches Phänomen bleiben (Luhmann, 1997, S. 190).

So nachvollziehbar wie ungünstig ist, dass Unsicherheit fast regelmässig den Reflex auslöst, dieser Unsicherheit mit Planung, Organisation und Kontrolle «zu Leibe zu rücken», diese «managen» zu wollen, sie so lange zu drehen und zu wenden, bis sie mit den bestehenden Werkzeugen bearbeitbar scheint.

Diesem Reflex erliegen Führungskräfte mit Leadership-Kompetenzen weniger schnell. Denn sie haben sehr viel mit Künstlern und anderen kreativen Köpfen gemeinsam: Sie halten Unsicherheit und fehlende Gewissheiten besser aus, sie stellen sich Widersprüchen und springen nicht ganz so vorschnell in die erst beste Lösung. Stattdessen akzeptieren sie, wenn bestehende Lösungen und Routinen an Grenzen stossen und leiten die notwendigen Schritte ein, um neue Wege zu finden. Sie haben sich im Lauf ihrer Tätigkeit mit eigenen Reaktions- und Gefühlsmustern auseinander gesetzt. Darum verfügen sie über die notwendige Menschenkenntnis und Reife und bleiben handlungsfähig – auch unter Druck.

Management und Leadership: Führung als dynamische Balance (n.Riemann, 1986)

Leadership basiert auf einer bewussten und respektvollen Beziehung zu sich, den Menschen rundherum sowie zur Umwelt. Es geht nicht darum, Recht zu haben, sich in Szene zu setzen, zu triumphieren. Im Vordergrund steht vielmehr Erfolg in einem umfassenderen Sinn: Erfolgreiches Operieren des Unternehmens in Verbindung mit einem konstruktiven, kreativen und gemeinsamen «Guten» im Zusammenwirken der Kräfte in der täglichen Arbeit.

Um die Möglichkeiten der Zukunft nutzbar zu machen UND Arbeitsfähigkeit trotz unsicheren Rahmenbedingungen zu erhalten, braucht es Führungskräfte, die aus Überzeugung und mit Engagement entlang folgender Themen arbeiten und kontinuierlich lernen:

Bilder

Mut und Fähigkeit, Bilder der Zukunft zu entwickeln

Werte

Anerkennung, Kooperation, Konsequenz, Klarheit

Haltung

Vertrauen, Lösungsorientierung, Problemakzeptanz

Verhalten

Handeln und Reflexion, Offenheit und Feedback, Verantwortung übernehmen, Verantwortung übertragen, Befähigen, Rahmen geben und Rahmen setzen

Funktionen von Management und Leadership

Führungserfolg

Management und Leadership sind zwei unterschiedliche Perspektiven auf die Praxis, die sich nur allzu oft in wechselseitigem Unverständnis gegenüber stehen. Zu begreifen, dass und wie auf Ordnung und Perfektion gerichtetes Management und an Erneuerung und Dynamik orientierte Leadership Hand in Hand gehen können, ist zugleich wichtige Verantwortung, (Lern-) Herausforderung und Schlüssel zum Führungserfolg.

LITERATUR

Mackenzie, R.A.: The management process 3-D, in: Harvard Bsusiness Review, 47/1969, S. 81-86

Luhmann, N. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt (Suhrkamp) 1997

Riemann, R.: Grundformen der Angst. München (Reinhard Verlag) 1986

Schwarz, G.: Konfliktmanagement. Wiesbaden (Gabler) 2013

Ewald E. Krainz

Wozu braucht man in der Führung Gruppendynamik?

Braucht man ja gar nicht, denken nicht wenige. Es genügt ja, wenn man sich durchsetzt und die Leute das machen, was man von ihnen haben möchte. Natürlich sagt man das nicht so, es klingt ja auch zu zynisch, dennoch liegt darin mindestens eine «Restwahrheit». Man kann dies aber auch als eine Art von Verlegenheit sehen, die daraus resultiert, dass man – obwohl «Führungskraft» – mit dem Führen in Bereiche des «Zwischenmenschlichen» kommt, für die man in der Regel nicht systematisch ausgebildet worden ist. Man greift auf Gewohnheiten zurück, auf Hausverstand, und wenn man mit diesem Latein am Ende ist, behilft man sich (meistens) mit Ignorieren oder (Plan B) mit hierarchischen Durchgriffen. Eingestandenermassen ist aber allen klar, dass die Schlüsselkategorie in der Kommunikation liegt. Was immer man in der Führung erreicht, erreicht man durch Kommunikation. Und schon beginnen die Schwierigkeiten. «Wir müssen das besser kommunizieren», heisst es dann z.B., wobei man aber häufig eine kommunikative Einbahnstrasse im Sinn hat, eine Art von Überzeugungsrhetorik, also eine recht eingeschränkte Vorstellung von Kommunikation. Die nur eingeschränkte Wirksamkeit oder das Nichtfunktionieren solcher informationellen Manöver ist Alltagserfahrung in Organisationen. Man meint, etwas ohnehin «klar» zum Ausdruck gebracht zu haben, mangels Rückkopplung aber bemerkt man nicht einmal, wie sehr man nicht verstanden worden ist.

Warum also nicht offene Kommunikation in Gruppen? Hier gibt es zwei Gründe, die dagegen sprechen. Zum einen haben wir ja eine (vermeintlich) verlässliche Ordnung in jeder Organisation, die auch die kommunikativen «Bahnen» definiert, die Hierarchie. Sie ist eine strukturelle Notwendigkeit, die sich daraus ergibt, dass die Arbeitsleistungen einer grösseren Anzahl von Personen sinnvoll aufeinander zu beziehen ist (= Steuerung). Deshalb richtet sich die vorrangige Konzentration des Managements darauf, dass die Kommunikation top-down (Anweisungen, Befehle, Aufträge) und bottom-up (Reports, Meldungen, Berichtswesen) funktioniert. Im Prinzip sind diese Kommunikationen immer bilateral, sie ereignen sich zwischen einer Führungskraft und den ihr zugeordneten Mitarbeitern, und zwar jeweils individuell. Wesentlich schwerer tut sich die hierarchische Ordnung mit dem Zulassen oder gar der aktiven Installierung von «crossfunctional» bzw. Querkommunikation und von Gruppenkommunikation, gewissermassen aus Mangel an Übung.

Der zweite Grund ist psychologisch vertrackter und hat mit der Angst vor Kontrollverlust zu tun. Wenn man Gespräche zu zweit mit Gruppengesprächen vergleicht, sieht man sofort den Unterschied. In Zweiersituationen kann man viel leichter das Gefühl aufrechterhalten, dass man «Chef im Ring» ist und seine Botschaften unmissverständlich absetzt. (Nebenbei bemerkt: Wenn man sprachanalytisch die Rhetorik der Managementsprache analysiert, bemerkt man, dass sehr viel mehr gesagt als gefragt wird. Das lässt den Schluss zu, dass meist von einer Position des Wissens aus sprachlich agiert wird. Zu fragen würde ja bedeuten, von einer Position des Nichtwissens aus zu agieren, was vielfach als Blösse empfunden wird.) In einer Gruppensituation hingegen kann alles Mögliche entstehen. Man geht z.B. mit einer bestimmten Vorstellung ins Gespräch, muss aber dort im Verlauf der Diskussion zur Kenntnis nehmen, dass diese eigene Vorstellung durchaus veränderungsbedürftig ist. Möchte man so etwas? In vielen Fällen nicht. Zumindest lässt die gängige Struktur von Meetings genau diesen Eindruck aufkommen. Um eine substanzielle Diskussion aller Beteiligten zu verhindern, hat man eine Agenda, die man möglichst straff durchmarschiert. Alibihalber gibt es als letzten Tagesordnungspunkt noch «Allfälliges» oder «Sonstiges», aber da kommt auch nichts auf, weil alle froh sind, dass die Sitzung vorüber ist. (Solchen Phänomenen verdankt sich die spöttische Bemerkung, ein Meeting sei etwas, wo viele hineingehen, aber nichts herauskommt.)