Führend durch Wertschätzung - Andreas Otterbach - E-Book

Führend durch Wertschätzung E-Book

Andreas Otterbach

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  • Herausgeber: UVK
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Die Personalgeheimnisse der Hidden Champions Hidden Champions haben es geschafft in ihrer Branche eine herausragende Stellung zu erreichen. Häufig sind es Familiengesellschaften, die es zum Weltmarktführer gebracht haben. Besonders viele davon findet man im deutschsprachigen Raum. Bei näherer Betrachtung sind es jedoch nicht die Unternehmen, sondern ihre Mitarbeiter und Führungskräfte, die alle zu den herausragenden Ergebnissen beitragen. Die Autoren gehen der Frage nach, inwieweit wertschätzende Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur für deren Entwicklung eine entscheidende Rolle spielen. Sie identifizieren dabei sieben Faktoren, die erfolgreiche Führung durch Wertschätzung ausmachen - eine Erkenntnis, die sich auf jedes mittelständische Unternehmen übertragen lässt. Das Buch richtet sich an heutige und künftige Führungskräfte sowie an Mitarbeiter in Personalabteilungen.

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Seitenzahl: 185

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Prof. Dr. Andreas Otterbach lehrt Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Unternehmensführung an der Hochschule der Medien in Stuttgart.

Corinna Wenig ist Master of Science der Hochschule der Medien. Ihre Forschungsgebiete sind Personalführung und Hidden Champions in Deutschland.

Vorwort

Der Arbeitsmarkt in Deutschland befindet sich in einem spürbaren Wandel. Die „Generation Y“ – Jahrgänge von 1980 bis ungefähr 1995 – legt bei der Berufswahl ihren Schwerpunkt kaum noch auf das Gehalt. Flexible Arbeitszeiten und besonders die Wertschätzung ihrer Arbeit stellen bei der Arbeitsplatzsuche wichtige Komponenten dar. Doch warum gewinnt der Faktor Wertschätzung immer mehr Bedeutung und wie praktizieren erfolgreiche Unternehmen Führung durch Wertschätzung? Was für Vorteile haben Unternehmen durch wertschätzende Führung?

Dieser Frage sind wir mit einem speziellen Fokus auf sehr erfolgreiche Unternehmen nachgegangen, den sogenannten „Hidden Champions“. Sie verfügen gegenüber den meisten mittelständischen oder familiengeführten Unternehmen über einen internationalen wirtschaftlichen Vorteil. Wir haben uns dabei auf Hidden Champions aus Baden-Württemberg konzentriert. Rund ein Viertel aller deutschen Weltmarktführer aus unterschiedlichsten Branchen hat hier ihren Sitz.

Wie praktizieren diese Unternehmen nun wertschätzende Führung und welche Vorteile ergeben sich daraus? In unserer Untersuchung haben wir uns besonders auf die individuelle Umsetzung der Unternehmen fokussiert und die daraus resultierenden ökonomischen und sozialen Erfolge herausgearbeitet. Die Auswertung dieser Studien gibt Führungskräften wertvolle Hinweise, wie sie Führung durch Wertschätzung bestmöglich in ihr Unternehmen implementieren und noch erfolgreicher werden können.

Wir danken den Unternehmensvertretern, die sich zu einem Experteninterview bereit erklärt haben, sowie Frau Verena Egner für die Durchführung einiger Interviews. Herzlichen Dank an Frau Birte Otterbach, M.A., und Frau Dipl.-Kffr. Christiane Stadelbauer für das Korrekturlesen und viele wertvolle Anregungen.

Inhalt

Vorwort

Prolog

Teil A: Warum brauchen wir Wertschätzung in der Personalführung?

1 Motivation als Schlüssel zum Unternehmenserfolg

2 Demografischer Wandel: Uns gehen die Fachkräfte aus!

3 Man spricht über Sie: Ihre Arbeitgebermarke ist gefragt

4 Gesellschaftlicher Wertewandel als Begleiter der Wertschätzung

Teil B: Führung durch Wertschätzung als Erfolgsfaktor bei Hidden Champions

5 Personalführung in Unternehmen

5.1 Viele Führungsstile – welcher könnte passen?

5.2 Die ideale Führungskraft: Welche Kompetenzen benötigt sie?

5.3 Neue Muster braucht das Land – auch in der Personalführung

6 Wertschätzung was sie ist – und was nicht

6.1 Wertschätzung als Grundbedürfnis

6.2 Anerkennung als Form von Wertschätzung

6.3 Wertschöpfung durch Wertschätzung

6.4 Fehlende Wertschätzung – was dann?

7 Hidden Champions als Untersuchungsobjekt wertschätzender Führung

8 Ein Blick durchs Schlüsselloch: Die Praxis wertschätzender Führung ausgewählter Hidden Champions

8.1 Das Untersuchungsdesign

8.2 Strategie und Besonderheiten der Hidden Champions....

8.3 Stellenwert und Auswirkung der Wertschätzung im Unternehmen

9 Das ERFOLGs-Modell wertschätzender Führung

9.1 E für Eigenwertschätzung

9.2 R für Rundgang

9.3 F für Fördern und Fordern

9.4 O für Offenheit und Kommunikation

9.5 L für Lob

9.6 G für Gemeinsam – Mehrwert durch Hochleistungsteams

9.7 Die Verpackung: Vertrauen

10 Weitere kritische Erfolgsfaktoren wertschätzender Führung

10.1 Eigenschaften der Führung

10.2 Soziale Verantwortung

10.3 Systemdenken

10.4 Empathie

10.5 Kritikfähigkeit

10.6 Authentizität

Epilog

Abildungen

Literatur

Interviewpartner der Experteninterviews

Endnoten

Index

Prolog

Worin unterscheiden sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen? Neben Fragen nach dem Unternehmerbild, dem Einfluss von Megatrends sowie dem Stellenwert des HR-Managements geht es ganz wesentlich um die Führungs- und Leistungskultur eines Unternehmens. Sie stellt den zentralen Faktor einer handlungsbestimmenden Unternehmenskultur dar. Sie ist der Boden, auf dem eine Organisation gedeiht oder darbt.

Wie die PIPS-Studie1 deutlich macht, zahlt sich der respektvolle Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen auch wirtschaftlich aus. Das Modell zeigt dabei sehr deutlich, wie sich das Leitbild eines ertragsstarken vom Leitbild eines ertragsschwachen Unternehmens unterscheidet. Denn während die ökonomisch erfolgreichen Firmen ihre Mitarbeiter als Wertschöpfungspotenzial ansehen und diese aktiv weiterentwickeln, ist die Belegschaft bei den ertragsschwächeren Firmen dagegen ein reiner Kostenfaktor. Darüber hinaus zeichnen sich die Erfolgreichen unter anderem durch Vertrauen, Integrität, Chancengerechtigkeit und Innovationskraft aus, während die ökonomisch Schwächeren eher von Misstrauen, Opportunismus und Phantasielosigkeit geprägt sind.

In vielen Unternehmen herrscht noch immer der Irrglaube, dass man es den Mitarbeitern vom Yoga-Kurs bis zum Bio-Gericht des Tages nur möglichst komfortabel machen muss, damit der Laden schon läuft. Mitarbeiter verlassen jedoch nicht ihre Kantinen, sondern ihre schlechten Chefs. Bei den Führungskräften eine echte Verhaltensveränderung zu erreichen, ist natürlich wesentlich anstrengender und zeitintensiver als sich ein fertiges Feel-good-und Gesundheitsmanagement von außen einzukaufen. Wenn eine Unternehmensleitung allerdings nicht nur ihr Gewissen beruhigen, sondern langfristig wirtschaftlich erfolgreich sein möchte, kommt sie an dieser Investition nicht vorbei. Gelebte Wertschätzung kostet wenig und wirkt mit großem Hebel!

Führungsverantwortung. Unter diesem Stichwort finden sich in Buchläden und Bibliotheken mehrere Regalmeter an Ratgebern unterschiedlicher Couleur und Güte. So vielfältig die beschriebenen Methoden in diesen Werken sein mögen, über die Notwendigkeit von „Führung“ herrscht Einigkeit: Ihr Fehlen verursacht gemeinhin Chaos wie auf Witwe Boltes Hühnerhof von Wilhelm Buschs Erster Streich von „Max und Moritz“: Die beiden Schlitzohren vergreifen sich am Federvieh der alten Dame: „Ihrer Hühner waren drei! und ein stolzer Hahn dabei“2. Gierig stürzen sich alle vier auf die ausgelegten Brotkrumen, um im Anschluss jeweils in eine andere Richtung fortzulaufen. Dabei wird ihnen die Schnur, mit der die Köder verbunden sind, zum Verhängnis: „Ach, sie bleiben an dem langen, dürren Ast des Baumes hangen“. Der tragische Schluss ist bekannt: „Jedes legt noch schnell ein Ei! und dann kommt der Tod herbei“. Hätte Führung dies verhindert?

In Deutschland sind etwa 43 Millionen Menschen erwerbstätig3. Man stelle sich das Spektakel und den volkswirtschaftlichen Schaden vor, geschähe dies ohne Führung wie im beschaulichen Hof der Witwe Bolte! Im realen Wirtschaftsleben kann aber davon ausgegangen werden, dass mehrere Millionen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich durchaus ihrer Verantwortung bei der Führung auf allen Hierarchiestufen bewusst sind. Es beginnt in der Organisation von Kleinteams und setzt sich fort bis ins oberste Management. Nun liegt die Vermutung nahe, dass das, was alle tun, nicht kompliziert sein kann. Stimmt das, kann „Führung“ jeder? Braucht es unter dieser Voraussetzung also ein weiteres Buch zum Thema?

Berichte und Statistiken schildern eine erschreckende Realität, wonach drei von vier Mitarbeitern unter „unfähigen“ Führungskräften leiden. Doch hier beginnt die Krux: Ab wann ist ein Leitwolf unfähig? Und wie viel Subjektivität steckt in der Bewertung des Vorgesetzten durch den Mitarbeiter? Subjektive und situativ abhängige Einschätzungen bilden die Grundlage der Bewertung und müssen deshalb mit Vorsicht betrachtet werden. Unbestritten ist, dass es durch mangelnde Führungskompetenz zu emotionalen Belastungen bei Mitarbeitern kommt. Doch selbst angesichts steigender Zahlen von Burnout-Opfern fehlt es auch hier wieder an belastbaren Argumenten: Einerseits spielt erneut die persönliche Belastbarkeitsgrenze des Mitarbeiters eine große Rolle, andererseits kann nur in wenigen Fällen Ursache und Wirkung der Erkrankung zweifelsfrei zugeordnet werden. Einigkeit herrscht in der Forschung lediglich über die Tatsache, dass aus mangelhafter Mitarbeiterführung ein enormer betriebswirtschaftlicher Schaden entsteht. So wie im Busch‘schen Lausbubenstück. Hätte dort einer der Vögel – wohlgemerkt: Es muss nicht immer der Hahn sein! – Führungsverantwortung übernommen, hätte Schlimmeres abgewendet werden können.

Noch stark von der kapitalistischen Epoche geprägt, wird allerdings in einigen deutschen Betrieben auch heute noch der Ansatz „Mensch als Maschine“ praktiziert. Diese Sichtweise darf sicher als überholt gelten. Einige Studien namhafter Institute, wie Gallup oder dem Institut für Beschäftigung und Employability belegen, dass die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter in Deutschland viele Defizite aufweist, die Mitarbeiter weniger motiviert sind und teilweise innerlich bereits gekündigt haben. Diese fehlende Einsatzbereitschaft kostet die deutsche Wirtschaft viele Milliarden Euro pro Jahr! Durch die stetig wachsende Anzahl an Krankheitstagen und psychischen Erkrankungen, die auf Unlust und mangelnde Motivation zurückzuführen sind, steigen die Kosten der Betriebe und reduzieren somit die Unternehmensgewinne.

Ein leuchtendes Gegenbeispiel sind die sogenannten „Hidden Champions“. Damit werden kleinere Weltmarktführer bezeichnet, die in der breiten Öffentlichkeit oftmals unbekannt sind. Es sind häufig mittelständige und/oder familiengeführte Unternehmen, die weltweit erfolgreich und wettbewerbsfähig sind.4 Sie stehen in besonderem Maße für den Erfolg der Exportnation Deutschland. Die Bezeichnung „Hidden Champions“ wurde Ende der 1980er Jahre vom Unternehmensberater und Wirtschaftsprofessor Hermann Simon geprägt.

Hidden Champions liefern überdurchschnittliche Ergebnisse hinsichtlich Gewinn und Qualität und besetzen Nischenmärkte auf der ganzen Welt. Im deutschlandweiten Vergleich haben ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich geringere Fluktuationsquoten, Krankheitsquoten und Fehlzeiten. Da viele dieser Betriebe von Generation zu Generation weitervererbt werden, pflegen die Unternehmer besonders soziale Werte in ihrer Unternehmenskultur: Weg von der kapitalistischen Direktive, hin zu einer individuellen, werteorientierten Führung, in der der Mitarbeiter im Fokus steht.

Unsere These ist: Wertschätzende Führungskultur führt zu besserer Motivation der Mitarbeiter. Sie ist die Grundlage einer besonders erfolgreichen Geschäftsentwicklung, die letztendlich zum „Hidden Champion“ geführt hat. Dazu haben wir Hidden Champions hinsichtlich ihres wirtschaftlichen und sozialen Erfolgs untersucht und ihre Erfolgsfaktoren in Bezug auf wertschätzende Führung herausgearbeitet. Es soll gezeigt werden, warum sie in Zeiten des Arbeitsmarktwandels als Vorbild für andere Unternehmen gelten können und damit auch für potenzielle Arbeitnehmer attraktiv sind. Dieses Konzept kann dadurch als ein Leitfaden für wertschätzende Führung in jedem Unternehmen dienen.

Teil A:

Warum brauchen wir Wertschätzung in der Personalführung?

1 Motivation als Schlüssel zum Unternehmenserfolg

Jedes soziale Gefüge benötigt Führung. Aber wie soll diese aussehen? Autoritär oder eher demokratisch, patriarchalisch oder doch besser partizipativ, beratend oder kooperativ?5 Früher gab es da kaum Gesprächsbedarf: Ein Entscheider stand einer Gruppe vor und legte die Marschroute für die Mannschaft fest. Auch heute noch gibt es Situationen, in denen ein Kommandant autokratisch, weil situativ, das Handeln bestimmt. Steigt das Wasser in einem überfluteten Keller, kann die Mannschaft des Technischen Hilfswerks schließlich nicht erst anfangen, Strategien des Auspumpens zu diskutieren. Doch solange in einem Betrieb die Abläufe geklärt sind, haben gerade besser qualifizierte Mitarbeiter ein großes Interesse daran, in Entscheidungen mit einbezogen zu werden. Eigenverantwortliches, selbständiges Arbeiten zeichnet sie aus, oktroyierte Lösungen empfinden sie hingegen als demotivierend.

Betrachtet man die aktuellen Fakten, können sich Personalverantwortliche noch lange nicht entspannt zurücklehnen. Die jährlich erscheinende Gallup-Studie6 gibt Aufschluss über die durchschnittliche Motivation von Arbeitnehmern in deutschen Firmen. Obwohl die Zahl der Mitarbeiter mit niedriger emotionaler Bindung zu ihrem Unternehmen seit zehn Jahren wieder leicht gesunken ist, dümpeln sie 2016 immer noch bei 15 Prozent. Jeder Siebte hat sich also innerlich von seinem Job verabschiedet. Addiert man die 70 Prozent der Arbeitnehmer hinzu, die lediglich „Dienst nach Vorschrift“ machen, ergibt sich ein düsteres Bild für deutsche Unternehmen. Die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund von innerer Kündigung belaufen sich auf eine Summe von ca. 100 Milliarden Euro jährlich7. So warnen die Macher der Studie und bestätigen damit erneut die Notwendigkeit von Wertschätzung im Beruf. Wo sie fehlt, übt der Arbeitnehmer „Selbstjustiz“ und zieht sich in die „Innere Kündigung“ zurück. In der Literatur wird dieses Phänomen seit Jahrzehnten diskutiert; die leichte Entspannung heute scheint ein Indiz dafür zu sein, dass Ursachen dafür gefunden und tendenziell beseitigt werden.

Die Presse und die Beratungsbranche diskutieren diese Themen aktiv: Ein Schwerpunkt des Beraterangebots für Führungskräfte sind Coaching-Programme mit dem Fokus Wertschätzung. Von Anerkennung ist da die Rede, von Lob und Vertrauen, von Teambuilding und Selbstwertgefühl. „Kindergeburtstag“ schimpfen die einen, „Mädchenkram“ lästern andere und führen ihre Überzeugung mit sich, echte Kerle bräuchten Derartiges nicht. Gilt doch nach wie vor in vielen Betrieben – vor allem im Schwabenland – die Devise, „Nicht geschimpft ist genug gelobt“. Mancher Chef vertritt unbeirrt die Ansicht, im Business müsse auch mal Tacheles geredet werden – eine klare Ansage für einen klaren Erfolg. „Danke“ und „Bitte“ also nur in einem Salon voller Friseurinnen oder bei der Teambesprechung von Erzieherinnen? Das wäre fatal und liefe den Erkenntnissen der neurobiologischen Forschung zuwider. Es ist sicherlich richtig, dass unterschiedliche Charaktere verschiedene Formen der Anerkennung bevorzugen. Doch letztlich ist bewiesen, wie sehr wir Menschen davon abhängig sind: „Kern aller menschlichen Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung und erst recht Liebe zu finden und zu geben“8, lautet daher eine der zentralen Lehren von Joachim Bauer, Psychotherapeut und Arzt für psychosomatische Medizin in Freiburg.

Und da gerade manch harter Kerl sich mit dieser Aussage immer noch schwer tun dürfte, sei die biochemische Erklärung des Wunsches nach Anerkennung gleich mit angefügt: Erfahren wir von unserem Gegenüber Lob und Bestätigung, wird Dopamin ausgeschüttet. Dopamin ist ein Glückshormon aus dem zerebralen Belohnungssystem, das dafür sorgt, dass wir motiviert und antriebsstark sind. Die etymologische Ähnlichkeit zu Doping, also der Einnahme leistungssteigernder Substanzen, ist kein Zufall, denn auch Dopamin bewirkt ein Hochfahren des Leistungsvermögens – allerdings auf legalem Weg. Menschen wiederholen am liebsten, wofür ihnen eine Belohnung in Aussicht gestellt wird. Bei einer wertschätzenden Haltung gegenüber Ihren Mitarbeitern geht es also nicht um sentimentale Freundlichkeiten. Sie nutzen vielmehr die Errungenschaften der Evolution für Ihre betriebswirtschaftlichen Zwecke aus. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte selbst in den härtesten Männerberufen nichts gegen Anerkennung und Vertrauen einzuwenden sein.

In meiner (Andreas Otterbach) Verwandtschaft gab es bis vor einigen Jahren ein kleines Familienunternehmen. Nach dem Krieg hatte der Großvater eine regionale Entsorgungsfirma gegründet, die im Lauf der Jahre auf die Logistikbranche ausgeweitet wurde. Abends, wenn die Lastwagen auf den Hof zurückkehrten, herrschte ab und an ein rauer Umgangston unter den hemdsärmeligen Müllkutschern und so manch derber schwäbischer Fluch hallte von den Garagenwänden. Im Verwaltungsbüro allerdings ging man schon früh andere Wege: Noch bevor alle Welt davon redete, kürte man hier unter der gesamten Belegschaft den „Mitarbeiter des Monats“. Für jeweils 30 Tage zierte dann dessen Porträt für alle Hereinkommenden gut sichtbar den Eingangsbereich. Und auch die Weihnachtsfeiern mit obligatorischem Nikolausbesuch waren bezeichnend. Denn hier bekam nicht nur jeder auf heiterironische Weise zunächst sein Fett ab, sondern es wurde auch viel gelobt. Für Außenstehende ging es da vielleicht um Kleinigkeiten, um Pünktlichkeit, Sauberkeit oder Höflichkeit. Doch das Besondere war, dass jeder noch so harte Kerl eben auch mit einer positiven Sache im vergangenen Jahr erwähnt wurde, die sehr persönlich und damit umso wertvoller war. Dann wurde es still im Saal und die Kollegen klatschten anerkennend, während der jeweilige Kandidat stolz die versammelte Mannschaft angrinste.

Überhaupt praktizierte die Geschäftsleitung – ohne je einen Managementkurs absolviert zu haben – einen sehr persönlichen Umgang zur Belegschaft. Das zeigte sich in dem mehrmals täglichen Rundgang über den Hof, den kurzen privaten Plaudereien mit den Männern, dem gelegentlichen Schulterklopfen. Kritik wurde deutlich aber stets fair und sachlich vorgebracht, mit aufmunternden Worten wurde nicht gespart. Und wenn der Umzug eines Mitarbeiters anstand, stellte die Firma ihm kostenlos einen LKW zur Verfügung. Die Belegschaft honorierte diese Wertschätzung mit großer Loyalität. Gerade durch die vertraute, persönliche und am Menschen interessierte Art des Firmeninhabers erlebten viele Mitarbeiter erstmals nach zum Teil schwierigen Biografien, dass sie als Person wichtig waren. In Worte hätten sie das wohl nicht fassen können, aber ihrem „Chef“ folgten sie treu durch manchen Sturm.

Die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen ist aus vielerlei Hinsicht wichtig. Durch Anerkennung der individuellen Leistung und mittels des Respekts vor den Kollegen, wird das urmenschliche Verlangen nach Aufmerksamkeit gestillt, die da lautet: „…der Wunsch, von anderen gesehen zu werden, die Aussicht auf soziale Anerkennung, das Erleben von positiver Zuwendung“9. Wo diese fehlt, fahren die Motivationssysteme herunter, ist Bauer überzeugt. Wer allerdings Wertschätzung im Beruf erfährt, für den ist die „innere Kündigung“ kein Thema. Das ergab eine Umfrage der Karriereplattform CareerBuilder unter 1.000 Arbeitnehmern aller Altersgruppen10. Sie wählten Wertschätzung als Instrument zur Mitarbeiterbindung zum zweitbesten Argument, der Firma die Treue zu halten! Getoppt wurde es nur noch durch den Wunsch nach mehr Gehalt, der mit nur einem Prozentpunkt Vorsprung (64 Prozent) das Ranking anführt.

Auf den Rängen folgten Instrumente der Selbstbestimmung, wie eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit oder mehr Mitbestimmung – also Maßnahmen, mit denen die Unternehmensleitung den Mitarbeitern Vertrauen signalisiert und auf diesem Weg zeigt, wie sie die Angestellten wertschätzt.

Echte Anerkennung quittieren diese dann auch mit einer deutlich höheren Einsatzbereitschaft. Ungeliebte Arbeiten oder Sonderschichten werden eher übernommen, das Engagement steigt sichtbar an. Selbst schwierige Aufgaben können aufgrund des gesteigerten Selbstbewusstseins besser gemeistert werden.

Das alles führt wiederum zu einer größeren Identifikation mit dem Unternehmen. „Anerkennung und Wertschätzung sind die wichtigsten Mitarbeiterbindungsinstrumente, die wenig kosten müssen“11, stellt auch Rosemary Haefner, Vice President Human Resources bei CareerBuilder, fest. Klar wird: Ein Gießkannen-Lob nach dem Motto „Das haben Sie gut gemacht!“ führt noch nicht zum Erfolg, Wertschätzung zeigt sich auf differenzierten Wegen: Wo der Mitarbeiter von ihr überzeugt ist und ehrliches Vertrauen spürt, wird er sich aus dem Anteil der Belegschaft, der „Dienst nach Vorschrift“ macht, verabschieden und wirklich im Unternehmen anwesend sein. Hohe Fehlzeiten lassen sich so merklich reduzieren.

Problematisch ist es nach wie vor, diese Einflussgrößen zu messen. Gerade manch „faktenorientierter Kerl“ reagiert skeptisch angesichts der Tatsache, dass sich der Einfluss wertschätzenden Verhaltens nicht unmittelbar am Geschäftsergebnis ablesen lässt. Allenfalls kann man diesen über sozialwissenschaftliche Erhebungsinstrumente wie Mitarbeiterbefragungen ermitteln. Zweiter und dritter Kritikpunkt: Jede Befragung spiegelt subjektive Komponenten wider und vermeldet Ergebnisse erst mit einer zeitlichen Verzögerung. Aber selbst die größten Zweifler können sich der betriebswirtschaftlich allgemeingültigen Formel nicht widersetzen, wonach Leistung die Differenz aus persönlichem Potenzial und Störfaktoren von außen ist. Im Privaten wie im Beruflichen gilt: Wer den Kopf voll hat mit anderen Dingen, kann sich nicht auf eine Aufgabe konzentrieren. Die Leistung sinkt.

Es ist also an den Führungskräften, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür zu sorgen, Störfaktoren wie Stress, Konkurrenzdruck, Angst um den Arbeitsplatz, mangelndes Feedback abzubauen. Im Umkehrschluss hilft wertschätzendes Verhalten am Arbeitsplatz, das Potenzial der Mitarbeiter voll zu entfalten. Wer Spaß statt Störung erfährt, zeigt seine beste Leistung, ist engagiert und motiviert. Das Betriebsklima wird positiv beeinflusst und auch das Thema „Fluktuation“ hat in diesem Betrieb seinen Schrecken verloren.

Quintessenz

Motivierte Mitarbeiter leisten mehr. Eine wesentliche Grundlage, um für Motivation zu sorgen, ist ein wertschätzendes Verhalten durch den Arbeitgeber, durch den Vorgesetzten (m/w). Gerade in Zeiten, in denen durch Prozessoptimierung keine großen Wettbewerbsvorteile erzielt werden können, hat sich Motivation durch Wertschätzung zu einem wichtigen Produktionsfaktor entwickelt.

2 Demografischer Wandel: Uns gehen die Fachkräfte aus!

Konnten Sie bislang die „weichen“ Argumente nicht für die Notwendigkeit von wertschätzender Führung in Ihrem Unternehmen überzeugen? Spätestens bei den folgenden Fakten sollte sich ein Sinneswandel vollziehen:

Eine banale wie unumstößliche Erkenntnis der Bevölkerungswissenschaftler ist die Gewissheit über den demografischen Wandel. In den nächsten Jahrzehnten wird die Pyramide unserer Gesellschaft weiter „umgebaut“12. Die drei Grafiken des Statistischen Bundesamtes zeigen, wie sich die Bevölkerungspyramide über die Jahre 1950, 2015 und 2050 in eine Art Bevölkerungspilz verwandeln wird.

Abbildung 1: Altersaufbau der deutschen Bevölkerung 1950/2017/2050

Zeigte sich hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch eine klare Dreieckstruktur mit einem bereiten Sockel an jungen Menschen und einer deutlichen Abnahme nach oben hin, je älter die Deutschen wurden, so hat sich ihr Bild bis zur Jahrtausendwende in eine Art „Weihnachtsbaum“ verwandelt. Ein schmaler Sockel (Bevölkerung bis 20/30 Jahre) trägt einen ausladenden, sich nach oben hin verjüngenden Bauch (Erwachsene bis zum Eintritt ins Rentenalter).

Die Spitze des Baumes, also der Anteil der „Alten“, läuft deutlich spitz zu. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte wird eine weitere Metamorphose erwartet: Der Baum „wächst“ sich aus, sein Bauch mit den heutigen Berufstätigen verschiebt sich als Krone der künftigen Rentner weiter in die Höhe. Von unten rückt eine „Stamm-Mannschaft“ nach, die in Zahlen ausgedrückt deutlich unter der der Alten steht. So wird aus dem aktuellen „Tannenbaum“ das Bild eines „Laubbaumes“.

1964 war der geburtenstärkste Jahrgang. Die Mädchen hießen damals Sabine, Susanne, Martina, die Jungen Thomas, Michael oder Andreas. Im Jahr 2014 ist die stärkste Kohorte immer noch die 1964er. Und da sie nicht die Neigung haben, früh zu sterben, werden sie es auch noch im Jahr 2040 sein, Frauen sogar 2050!

Das bedeutet, dass schon in naher Zukunft die jüngeren Jahrgänge zu einer seltenen Spezies gehören – den Arbeitsfähigen. Da sie rar sind, sind sie begehrt. Viele werden es sich heraussuchen können, wo sie arbeiten. Der Fachkräftemangel ist schon heute in vielen Branchen Tatsache, und er wird sich noch weiter verschärfen.

Was hat das Ganze mit Wertschätzung zu tun? Wer es sich heraussuchen kann, wo er arbeitet, wird eher einen Arbeitgeber wählen, bei dem er sich wohl fühlt. 55 Prozent der unzufriedenen Mitarbeiter nennen mangelnde Wertschätzung im Betrieb als einen wichtigen Grund, über einen Jobwechsel nachzudenken13. Auch bei einer Neueinstellung gehört sie, neben einer guten Work-Life-Balance, zu einem großen Ausmaß zu den Dingen, die ein künftiger Arbeitnehmer sich wünscht. Die jüngere Generation, namentlich die Generation Y, die heute auf den Arbeitsmarkt drängt, hat dies als ein wesentliches Ziel.

Zahlreiche Studien kommen immer zum gleichen Schluss: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nimmt bei den Jungen einen höheren Stellenwert ein, als das Erreichen persönlicher Karriereziele. Gleichzeitig fühlen sie sich in ihrem Beruf motiviert, wenn ihre individuellen Stärken und Begabungen genutzt und gefördert werden. Wer als Arbeitgeber also einen der zahlenmäßig raren Bewerber ergattert, tut gut daran, sich ihm wertschätzend gegenüber zu verhalten. Denn auch das konnte eine aktuelle Studie14 belegen: Studenten, die ihren Berufseinstieg planen, sind durchaus wechselfreudig. Immerhin zwei Drittel der Befragten geben an, im Höchstfall vier Jahre bei ihrem ersten Arbeitgeber bleiben zu wollen; nur zehn Prozent können sich ein Verweilen bis zehn Jahre vorstellen.

Nun ehrt es Sie als Arbeitgeber, wenn Sie sich der Höflichkeit und Menschenliebe verpflichtet sehen. Wir haben ja auch zuvor bereits gesehen, warum Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern unbedingt angezeigt ist. Doch auch aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus zahlt sich Achtung, Respekt und Empathie aus: Nur wenn sich Ihr Angestellter bei Ihnen wohlfühlt, bekommen Sie über sein Verweilen in der Firma das wieder als Output zurück, was Sie zuvor in Aufbau und Schulung des Mitarbeiters investiert haben.

So gesehen empfehlen wir Ihnen ein klein wenig Eigennutz: Wer in diesem Sinn berechnend ist, sündigt nicht. Wer Wertschätzung nicht nur predigt, sondern auch praktiziert, wird künftig deutlich bessere Chancen haben, die umworbenen potenziellen Arbeitskräfte einzufangen und zu halten. Zur Illustration hier die Kerneigenschaften der Generation Y:

Abbildung 2: Kernelemente der Generation Y

Quintessenz

Der demografische Wandel in Deutschland hat bereits zu einem starken Fachkräftemangel geführt, und die Situation wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch verschlimmern. Die geburtenstarken Jahrgänge sind um 2030 weitgehend im Ruhestand und stehen dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Arbeitskräfte werden immer mehr zu einem knappen Gut. Sie werden es sich in vielen Branchen aussuchen können, wo sie arbeiten möchten. Wo Wertschätzung kein Fremdwort ist und Mitarbeiter sich wohlfühlen, fühlen sich Mitarbeiter deutlich mehr angezogen als anderswo.

3 Man spricht über Sie: Ihre Arbeitgebermarke ist gefragt

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