Fukushima und vulkanische Gebirge - Margarete Franz - E-Book

Fukushima und vulkanische Gebirge E-Book

Margarete Franz

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Beschreibung

Für die 85-jährige Reisende Margarete Franz ist kein Land auf diesem Erdball zu weit entfernt. Zusammen mit ihrem Guide bereiste sie Tokyo, bestaunte den Fuji, Japans bekanntesten Vulkan, machte Halt in Saitama, Nagano, Kyoto und Hiroshima. Japan, ostasiatischer Staat im Pazifik, zählt zu den am dichtesten besiedelten Ländern Asiens. Mit 127 Millionen Einwohnern liegt das Land auf Platz elf der bevölkerungsreichsten Länder der Erde. Nachdem ein schweres Seebeben mit nachfolgender Flutwelle die Ostküste Japans erschütterte, havarierte in Fukushima ein Atomkraftwerk. Für Margarete Franz war die Katastrophe allerdings kein Hindernis, sondern vielmehr ein Grund, das Land zu besuchen. Die Autorin wollte herausfinden, wie die Bevölkerung das Erlebte bewältigt und wie die Menschen mit der ständig lauernden Gefahr eines erneuten Unglücks umgehen. Dabei war sie auch ganz allgemein an Land, Leuten und Kultur interessiert. Sie suchte Antworten auf Fragen, die sie seit ihrer Jugendzeit beschäftigten. Von der japanischen Lyrik gefesselt, begab sie sich auf die Spuren von Ryókan, einem Mönch und Dichter des Zen-Buddhismus. Alles, was die Autorin auf dieser Reise antrieb, war pure Entdeckerlust. Mutig machte sie sich auf den Weg und bewies, dass sich in jedem Lebensalter Abenteuer erleben lassen – auch noch mit Mitte achtzig.

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Die Bilder des Textteils: Margarete Franz und auf

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© 2016 traveldiary Verlag

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Der Inhalt wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Bei Interesse an Zusatzinformationen, Lesungen o.ä. nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.

traveldiary Verlag, Mady Host und Cornelia Reinhold GbRBrauereistraße 4, 39104 Magdeburg

Umschlagentwurf und Layout: Jürgen Bold, Jens Freyler,

Hintergrundfoto © Carola Vahldiek / Fotolia

Satz: traveldiary Verlag, Mady Host und Cornelia Reinhold GbR

Druck: „Standartu Spaustuve“ www.standart.lt, Tel. 37052167527

ISBN 978-3-942617-01-7

eISBN 978-3-942617-08-6

Margarete Franz

Fukushima und vulkanische Gebirge

Eine 85-jährige Reisende unterwegs in Japan

„Hebt man den Blick,so sieht man keine Grenzen.“(Japanisch)

Vorwort

Anlass für meine Reisen ist meist eine gewisse Skepsis gegenüber gängigen Meinungen, gepaart mit Neugier. So auch bei meiner Japanreise wegen der bei uns noch immer gängigen Auffassung, dass man in Japan wegen des Fukushima-Unfalls verstrahlt werden könne. Vor allem aber wollte ich herausfinden, wie die Japaner dieses Problem und andere lauernde Gefahren, die von Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Tsunamis ausgehen, in den Griff bekommen. Schließlich ist dieser beeindruckende Inselstaat mit seinen vier großen und etwa viertausend kleinen Inseln von vulkanischen Bergregionen durchzogen. Die vielfältigen Küstenstreifen werden zudem häufig von mehr oder weniger starken Tsunamis heimgesucht. Verständlich, dass mich nicht allein die Neugier auf das Leben der Menschen, sondern auch auf diese zwar gefährliche, doch offensichtlich reizvolle Natur bewegte.

Vielerlei Fragen waren in meinem Gepäck, als ich das Flugzeug nach Tokyo bestieg, besonders die nach der japanischen Höflichkeit, nach alten Traditionen auch im Umgang miteinander, vor allem mit Senioren. Gibt es überhaupt den technischen Perfektionismus, der den Japanern nachsagt wird? Ist er eine Last oder erleichtert er ihnen das Leben, hilft er beispielsweise mit geologischen Problemen wie Erdbeben, Tsunamis oder Vulkanausbrüchen schneller, effektiver umzugehen? Eines jedoch stand für mich als Bergsteigerin im Vordergrund: der Mount Fuji, bei uns auch Fujiyama genannt, oder, wie ihn die Japaner ehrfurchtsvoll nennen, der Fuji San. Den wollte ich in jedem Fall „unter den Füßen“ gehabt haben, erleben, was es mit diesem, als heilig geltenden Berg auf sich hat.

Um es vorweg zu nehmen: Verstrahlt wurde ich nicht, weil die Region Fukushima selbstverständlich für Touristen gesperrt ist. Denn in Fukushima und rund um das Kernkraftwerk herrscht nach wie vor etwa das Hundertfache der „normalen“ Strahlenbelastung, obwohl die Japaner mit ihrem umfangreichen, vorzüglichen technischen Wissen dieses Problem bekämpfen und zudem durch schärfste Nahrungsmittelkontrollen auch auf diesem Gebiet für Sicherheit sorgen.

Im Übrigen stellte sich die Reise als Herausforderung an mitgebrachte Vorstellungen heraus. So manche meiner Erwartungen musste ich neu justieren.

Inhalt

Der Fuji San

Onsen – Das Bad in heißen Quellen

Ryokan oder Minshuku?

Kurzbesuch in den Japanischen Alpen

Zwei alte Damen und Ryōkan, der Dichter

Mt. Misen auf Miyajima

Wakayama und der Mount Kii

Kaiserpalast in Kyoto und der Inari-Schrein

Im Städtchen Uji - Matcha und der Genji-Roman -

Tokyo

Dank

Karte

Über die Reisende

Der Fuji San

Ein japanisches Sprichwort sagt: „Wer einmal auf den Fuji San steigt, ist weise. Wer es zweimal tut, ist ein Narr.“ Warum nur gilt man nach einer zweiten Besteigung als Narr? Einen Japaner nach dem Grund zu fragen, schickt sich nicht. Vermutlich bekäme man keine oder eine sehr höflich verpackte, nichtssagende Antwort. Sicherlich hat dies mit bestimmten Traditionen zu tun. Vielleicht möchte man dem Fragenden die Möglichkeit geben, seine eigene Meinung zu finden. Ist es doch beispielsweise auch in der japanischen Kunst und Literatur üblich, nicht alles zu sagen und dem Leser oder Betrachter eine Ergänzung zu überlassen. Obwohl mich die Lösung dieses Rätsels vor der Fahrt zum Fuji San beschäftigte, war sie bald vergessen. Denn es ging an jenem Tag um meine erste Bergtour an diesem besonderen Berg und vorerst weder um Kunst, Literatur oder Kommunikationsverhalten. Ich hatte mit anderem zu kämpfen.

Es war August, das ist in Japan einer der wärmsten Monate. Wir hatten 31 Grad Hitze – im Schatten, so es welchen gab. Die Möglichkeiten, den knapp 4.000 Meter hohen Berg, den höchsten Japans, zu anderen Zeiten zu besteigen, sind begrenzt. Es blieb für mich nur noch der Juli. Denn aus Sicherheitsgründen sind ausschließlich Juli und August für Aktivitäten am Berg freigegeben, weil bereits ab September starke Winde, Schnee oder sogar Lawinenabgänge die Bergsteiger und Wanderer bedrohen können. Der Zug, der meinen Begleiter und mich nach Kawaguchiko, einem der Ausgangspunkte für Ausflüge zum Berg, brachte, war klimatisiert. So merkte ich von der Hitze erst einmal nichts. Dafür erlebte ich etwas anderes, etwas sehr Seltenes, wie man mir später verriet: Kurz vor der Endstation schälte sich nach und nach ein unbeschreibbar schöner Bergkegel aus den ihn umgebenden Wäldern: der Fuji San. Seine fast perfekte Symmetrie kann einem den Atem nehmen. Sogar im Zugabteil wurde es mucksmäuschenstill. Dieser schönste Vulkan der Welt hat eine besondere Ausstrahlung. Er kann offensichtlich Gefühle wecken, recht individuelle Gefühle, wie inneren Frieden, Ruhe, sogar so etwas wie stilles Glück. Warum der beeindruckende Blick vom Zug aus für uns eine Seltenheit war, erklärte mir mein Begleiter später, als wir auf den Bus zum Start meiner Wanderung warteten. Der Fuji San hüllt sich oft in Wolken oder dichte Nebelschwaden, bestenfalls in leichte Nebelschleier. Einen solchen Anblick, wie wir ihn erleben durften, gäbe es selten. Das schien zu erklären, warum derjenige, der diesen einmalig schönen Berg erklimmt, als weise gilt. Offensichtlich kann sein Anblick, falls man ihn derartig schön verpackt geschenkt bekommt wie wir, Menschen wandeln. Und wenn man ein zweites Mal hinaufgeht, wird man zum Narren – aber warum nur? Viel Zeit blieb mir nicht, darüber nachzudenken, denn der Bus kam.

Auf dem Fuji San Wanderweg

Und während der Fahrt zum Start meiner Wanderung, gab es kaum Zeit zum Nachdenken. Der Bus fuhr auf einer gut ausgebauten Straße durch eine hügelige Waldlandschaft, die mich an ähnliche Fahrten in den heimischen Alpen erinnerte. Am Ziel angekommen, traute ich meinen Augen nicht.

Unser Bus hielt auf einem riesigen Busparkplatz neben einem noch größeren mit unzähligen Autos vollgeparkten Pkw-Parkplatz.

„Ist das hier eine Zwischenstation?“, erkundigte ich mich vorsichtig.

„Keineswegs!“, lächelte mein Begleiter, „Wir sind am Ziel.

Dies ist die fünfte Station des Fuji-Wanderweges und der Ausgangspunkt für Ihre Wanderung.“

Ungläubig betrachtete ich die Szenerie. Nicht nur die zahllosen Fahrzeuge, auch die Menschenmenge auf dem weiträumigen Platz irritierte mich. „Wollen die alle auf den Berg?“ Meine Fassungslosigkeit ließ den Begleiter wiederum lächeln.

„Einige sind Touristen, die einmal im Leben hier oben gewesen sein wollen, andere sind wegen einer uralten Legende hier, die erzählt, dass längs dieser, der fünften Station, die Grenze zwischen profaner und heiliger Welt verläuft. Manche Besucher aber sind ausschließlich wegen der schönen Aussicht hierhergekommen oder sie wollen, anstatt auf den Fuji San zu steigen, von hier aus in einer Höhe von 2.300 Metern eine Runde um den Berg drehen.“

Japanische Bergwacht am Fuji San

Am Rande der Menschenmenge entdeckte ich einige Gruppen und Grüppchen, deren Mitglieder leichte Bergkleidung trugen und einfache Holzstöcke oder Bergstöcke dabei hatten. Neugierig ging ich zu ihnen hinüber, um sie zu fragen, ob sie gleich mir den Fuji San besteigen wollen. Kaum, dass ich sie erreicht hatte, brachen sie auf. So blieb meine Frage unbeantwortet. Kurzentschlossen folgte ich ihnen und mein Begleiter schloss sich uns wortlos an. Folglich hatte ich das Richtige getan und war vorerst endlich auf dem sogenannten Fuji-San-Wanderweg mit dem Ziel, mindestens die nächste, die sechste Station dieses Weges zu schaffen. Abgesehen von der Hitze – wir hatten 31 Grad in dieser überwiegend schattenlosen Region – glich das Bergsteigen vorerst einer gemütlichen Bergwanderung.

Die Sicht auf eine waldreiche Hügellandschaft am Fuße des Berges bis hinüber zu den schneebedeckten Gipfeln der japanischen Alpen, ließ mich allmählich die Enttäuschung über diesen so gar nicht meinen Erwartungen entsprechenden Weg vergessen. Unmerklich wurde er steiler. Hochalpine Flora, nur unterbrochen von einigen alten Lavafeldern, begleitete ihn. Es sah zwar alles schön und harmonisch aus, hatte aber einen Haken: die Rückstrahlung der tiefschwarzen Lava. Sie steigerte die Hitze um einige Grade. Dessen ungeachtet, nahm der Betrieb auf dem Weg zu. Von oben kamen erste Wanderer, die den Sonnenaufgang, „Goraiko“ genannt, erlebt hatten. Vermutlich waren sie bereits weit mehr als zwei Stunden unterwegs. Dennoch wirkten sie fröhlich beschwingt. Sicherlich keineswegs nur, weil sie den Gipfel erreicht hatten und es nun bergab ging. Ursache war vermutlich das Erlebnis des Sonnenaufgangs auf dem Gipfel dieses Berges. Das soll nämlich Glück bringen!

Mit asiatischen Freunden auf der Wanderung

Eines jedoch machte mich stutzig: Man grüßte mich freundlich und streckte mir immer wieder den aufgerichteten rechten Daumen entgegen. Begriffsstutzig fragte ich meinen Begleiter nach der hiesigen Bedeutung dieser Geste. „Sie hat dieselbe Bedeutung wie bei Ihnen zu Hause“, lächelte er. „Die Menschen schenken Ihnen Bewunderung, weil Sie in Ihrem Alter und bei diesen ziemlich hohen Temperaturen den Berg hinaufgehen.“ Damit schlug er eine kurze Rast vor. Diese war auch dringend nötig. Ich hätte am liebsten ganze Bäche austrinken mögen, um meine Energien wieder aufzuladen. Langsam wurde mir klar, dass dies hier mit dem Bergsteigen in unseren Alpen wenig zu tun hatte. Zielsetzung und Schwierigkeiten waren andere. Denn ich befand mich auf einem der ältesten shintoistischen und buddhistischen Pilgerwege. Wenngleich wir moderne Outdoor-Kleidung trugen, statt – wie früher üblich – lange weiße Pilgergewänder und kegelförmige Reisstrohhüte, so war hier vor allem das aus alten Zeiten übernommene achtsame Gehen wichtig. Das bedeutet, langsam, geduldig und der Natur angepasst zu wandern. So etwas kann übrigens wundersam und entschleunigend wirken, um es mit einem modernen Wort zu beschreiben.

Und dennoch: Trotz allem achtsamen Gehens kam ich nur bis zur sechsten von insgesamt acht Stationen. Ein Gipfelsieg war bei solch einem Tempo und der Hitze nicht möglich. Ohnehin hätte ich wegen der kritischen Höhe von 3.000 Metern unterhalb des Gipfels in einer der beiden Hütten auf der achten Station übernachten müssen. So viel Zeit hatte ich nicht. So saß ich auf der Plattform der sechsten Station, genoss eine unvergleichlich schöne Aussicht auf die den Fuji San umgebenden Wälder und Seen, ahnte in der Ferne die schneebedeckten japanischen Alpen, konnte am Kiosk meinen Durst löschen und kehrte zufrieden zur fünften Station zurück.

Jetzt verstand ich den Sinn des uralten japanischen Sprichworts: „Würde ich ein zweites Mal hinaufsteigen, wäre ich ein Narr.“

Onsen – Das Bad in heißen Quellen

„Schnee-Affen“ nennen die Medien jene Makaken, die im Winter in den heißen Quellen der Japanischen Alpen baden. Zudem hatte ich gehört, dass die schlauen Tiere sich dies vom Menschen abgeschaut hätten. „Haben sie!“, bestätigte mein Begleiter, als ich ihn danach fragte. „Das Baden in heißen Quellen gehört zum Leben der Japaner wie bei uns das tägliche Brot. Denn der Vulkanismus hat diesem Land unzählige Thermalquellen geschenkt. Diese Quellen, ‚Onsen’ genannt, sind für Japaner ein ebenso heilsames wie preiswertes Vergnügen. Und die Makaken haben sehr schnell erkannt, dass so etwas auch für sie angenehm sein kann.“