Fünf Jahre und vierzehn Zentimeter - Claudia Stoffers - E-Book

Fünf Jahre und vierzehn Zentimeter E-Book

Claudia Stoffers

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Beschreibung

„Wenn nur die Nachbarn nicht wären …“ – diesen Stoßseufzer von Gerlinde Möchtegern, Fast-Vierzigerin, von kleiner Statur, dafür um so größerem Mundwerk, hört ihre Familie in letzter Zeit öfter als ihr lieb ist. Dabei könnte alles so schön sein … Man lebt im erst kürzlich gekauften Haus und beschließt eine Terrasse zu bauen. Diese Entscheidung sorgt für Krisen. Der Höhepunkt des Szenarios gipfelt im regelrechten Kampf gegen Nachbarn und Baubehörde. Was die Heldin Gerlinde Möchtegern alles erlebt, erzählt die Autorin mit viel Humor und Ironie. Claudia Stoffers beschreibt humorvoll den alltäglichen Wahnsinn, den viele Bauherren kennen. Auch so mancher von Nachbarn Geplagte kann das Lied von Gerlinde Möchtegern mitsingen.

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Seitenzahl: 170

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Inhaltsverzeichnis
Cover
Fünf Jahre und vierzehn Zentimeter
Originalausgabe
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Angels – Auftrag des Himmels Band 1
Angels – Auftrag des HimmelsBand 2
Die Katze, die ein Engel war
Unmenschlich
Schnecken an der Kaffekanne
Wir sehen uns auf der Lichtbrücke Mama
Das Tarot der Unsterblichkeit
Das Tarot der Unsterblichkeit Band 2
Gefährliche Entwicklungen

Fünf Jahre und vierzehn Zentimeter

Claudia Stoffers

Originalausgabe

Claudia Stoffers – Fünf Jahre und vierzehn Zentimeter

ISBN 978-3-940868-33-6

© copyright 2009 Claudia Stoffers

© Coverillustration: Siemaja Sue Lane

© copyright 2008 Hierophant-Verlag

© Cover: Torsten Peters

1. Auflage Mai 2009

Hierophant-Verlag

Im Bollerts 4 - 64646 Heppenheim

http://www.hierophant-verlag.de

Digitalausgabe

Claudia Stoffers – Fünf Jahre und vierzehn Zentimeter

ISBN 978-3-944163-30-7

© copyright 2009 Claudia Stoffers

© Coverillustration: Siemaja Sue Lane

© copyright 2008 Hierophant-Verlag

© Cover: Torsten Peters

Digitalausgabe Februar 2013

Hierophant-Verlag

Im Bollerts 4 - 64646 Heppenheim

http://www.hierophant-verlag.de

Alle Rechte, auch der fotomechanischen Vervielfältigung und des auszugsweisen Abdrucks, vorbehalten.

Widmung

In Gedenken an meine Eltern

Hans und Margot Stoffers

und in Liebe für meine Lieben

Kapitel 1

Mein Name ist, so sagen wir mal, Gerlinde Möchtegern. Er erklärt sich nach ein paar Seiten dieses Buches von allein. Die Jahre, die meine zierlichen Schultern tragen, zählen unglaubliche 35 und doch würden die meisten Menschen, bei einer flüchtigen Begegnung mit mir, behaupten, ich wäre eben um die 20 Jahre alt. Was, so kann ich Ihnen sagen, nicht immer von Vorteil ist.

Meine größten Vorbilder sind Kylie Minogue, Madonna und Anastacia, um nur einige zu nennen. Wir haben nämlich eines gemeinsam und das ist die geringe Körpergröße. Nach meinem Wissen kommen wir alle nicht über 1,58 m hinaus. (Gott sei Dank nur im Einzelzustand, es ist nicht unsere Stapelhöhe gemeint.) Ich muss zu meiner Schande gestehen, auch kein bisschen leiser zu sein. Eigentlich wollte ich es gar nicht erwähnt haben, aber meine Familie wollte schon eine Überflug-Genehmigung beantragen, da ich, was die Lautstärke angeht, mit jedem Düsenflugzeug konkurrieren konnte. Man glaubt es kaum, doch sie wurde nicht genehmigt. Leider ist um unser Grundstück herum auch kein Platz für einen Lärmschutzwall. Den hätten meine Lieben sonst schon längst errichten lassen, damit sie unsere Nachbarn von den durch mich entstandenen Ruhestörungen schützen konnten.

Wenn ich mit unseren 3 Kindern, mittlerweile sind sie 11, 9 und 6 Jahre alt, spazieren gehe, werde ich nicht selten bewundernd angesprochen: „Du spielst ja so schön mit deinen Geschwistern!“, oder; „Da hat deine Mutter aber eine große Hilfe! Ich habe mich auch immer um meine Geschwister bemüht!“

Meistens erntete ich nur noch ein Kopfschütteln, nachdem ich den netten, meistens älteren Herrschaften klar gelegt hatte, wessen Kinder es waren.

Ich möchte natürlich auf keinen Fall undankbar erscheinen und natürlich gibt es auch Vorteile, (mir fällt gerade keiner ein), für so jung gehalten zu werden. Dennoch kann es sehr diskriminierend sein, sich stets rechtfertigen zu müssen. Ich habe mich daher entschlossen, solche Vorwürfe wie dieser: „Mein Gott, die werden immer jünger, wenn die Kinder in die Welt setzen!“, oder: „Musste das denn sein? Schon so früh?“, zu überhören.

Manchmal werde ich jedoch auf eine harte Probe gestellt.

Können sie sich vorstellen, Ihre mit Ihrem Vor- und Zunamen versehene Tür zu öffnen und es wird nach ihren Eltern gefragt? Nicht, weil ein alter Bekannter vor Ihnen steht, der Ihre Eltern aus den Augen verloren hat und glücklich darüber ist, wenigstens Sie ausfindig gemacht zu haben? Nein! Dieser Mensch steht vor Ihnen und fragt Sie nach Ihren Eltern, da er vor hat, ein banales Haustürgeschäft abzuschließen und Sie noch nicht für geschäftsfähig hält.

Nein? Das können Sie sich nicht vorstellen? Mir passieren solche Sachen.

Es ist erst ein Paar Wochen her. Wie man das so im Allgemeinen macht, habe auch ich gleich, nachdem an meiner Tür geklingelt wurde, die selbige geöffnet. Vor ihr stand ein junger Mann.

(Ich würde das Alter eigentlich schätzen, aber Sie verstehen, warum ich an dieser Stelle zögere, mein Votum abzugeben.)

Nach einem kurzen „Hallo!“ von meiner Seite, hörte ich mein Gegenüber in dem Sprachrhythmus von Dieter-Thomas Heck sagen: „Hallo! Ich bin von der Telekom. Ist vielleicht Mama, Papa oder Oma und Opa zu Hause?“ Angesteckt von der Geschwindigkeit seiner Worte entgegnete ich ihm ein knappes und zudem noch wahrheitsgetreues: „Keiner da!“, und schloss die Tür.

Und als wenn das nicht schon schlimm genug gewesen wäre für eine fast 40jährige Frau, war mir das doch tatsächlich innerhalb einer Woche gleich zwei Mal passiert. Zugegeben, das zweite Mal trug sich ein wenig anders zu. Dieses Mal war die Person vor meiner Tür eine Frau und darum hat sie wahrscheinlich etwas früher gemerkt, wen sie dort vor sich hat.

Sie sind der Meinung, dass ich Ihnen ein Märchen aufgetischt habe? Sie sagen, das ist vollkommen unglaubwürdig?

Mir würde das genau so gehen! Dennoch können Sie mir glauben, schließlich war ich dabei!

Wenn ich so darüber nachdenke, hatte ich selber Schuld, dass man nicht erkennen konnte, dass die Haustür, die ich in Händen hielt, meine eigene war. Vielleicht war es ein Tag wie jener. Na, eben so einer von diesen, an denen man noch nicht einmal gut gelaunt aus dem wohligen Bett steigt. Einer von diesen, an denen man nicht einmal gute Erwartungen aufzubringen vermag. Und so macht man, weil einem nichts Anderes übrig bleibt, den Kleiderschrank auf und er ruft einem, mit unverschämter Schadenfreude, entgegen: „Es ist nichts, aber auch gar nichts in mir, was du anziehen könntest!“ Mit Überschwang und höhnischem Gelächter ruft er Ihnen beim Schließen der Tür noch entgegen: „Ich wünsche dir einen schönen und nicht zu kalten Tag!“

Nicht, dass ich nichts zum Anziehen gehabt hätte, doch die geeignete Bekleidung für jenen Tag befand sich nur leider wieder in der Dreckwäsche. Den Wäschesack schienen meine Kleider, und auch die meiner gesamten Familie, den Schränken vorzuziehen. (Ich nehme an, dort ist es wohlig warm und weich und sie haben ihre Ruhe. Der Wäschesack ist wahrscheinlich nicht so kiebig wie der Schrank!)

An solchen Tagen bleibt mir meistens nichts Anderes übrig, als mich für meinen rosafarbenen Pulli, die enge blaue Jeans und meine knallroten Turnschuhe zu entscheiden. Zugegeben, ein gewagtes Outfit für eine fast 40jährige Frau, doch ich mag es sehr. Und dennoch, wehe es wagt sich jemand, mich auf mein Alter anzusprechen!

Ich habe einfach keine Lust, meine knappe Zeit mit Make-up und Lidschatten im Badezimmer zu verbringen, damit ich meine noch oberflächlichen Falten heraus arbeite, um mich meinem Alter anzunähern. Mit siebzehn Jahren hatte ich dafür noch genügend Zeit. Damals habe ich es auch für durchaus legitim gehalten, in der Disco meinen Personalausweis vorzeigen zu müssen. Heute bin ich, beinahe ohne nennenswerte Ausnahmen, die Einzige aus unserem Bekanntenkreis, der in unserer Diskothek Einlass gewährt wird, da natürlich junges Publikum erwünscht ist und die Alten nur stören würden.

Ich habe dabei nur ein Problem, was soll ich alleine in der Disco? Und das, obwohl ich meine Zeit immer schon lieber in einer gemütlichen Kneipe oder im Kino mit einem schönen schmalzigen Film mit Meg Ryan verbracht habe.

In meiner Pubertät habe ich mich gerne von der Allgemeinheit abgehoben. Nach dem Ende eines langen Schultages schmiss ich meine Hosen und Sweatshirts, mit den dazugehörigen Konventionen, in eine Ecke meines Zimmers. Ich tauschte sie durch zumeist sehr süße, kleine, lebensbejahende, pechschwarze Miniröcke und die dazugehörige farbenfrohe Kriegsbemalung (wie mein Vater immer zu sagen pflegte) ein. Während meiner Lehrzeit habe ich gelernt, meine Miniröcke lieber im Schrank zu lassen und mich anzupassen. Ich habe mir gesagt: „Jeder muss einmal erwachsen werden!“

Seit diesem Tag ist viel Zeit vergangen und ich habe begriffen, dass zum Erwachsen werden etwas mehr gehört, als ein paar Kleidungsstücke im Schrank verschwinden zu lassen. Der erste Tag, an dem mir das bewusst wurde, war der, an dem wir in unser Haus gezogen sind. Dieser Tag sollte sich als Schlüssel meines Lebens heraus stellen. Irgendwer hatte die Tür hinter mir abgeschlossen und den Schlüssel verschwinden lassen. Genau an diesem Tag, als der Möbelwagen vor unserer Tür stand und der Umzug nicht mehr zu stoppen war, wusste ich, dass sich mein Leben massiv verändern würde.

Wie genau und was sich ändern würde, das wusste ich allerdings nicht.

Kapitel 2

Ich versuchte immer wieder, unserer Situation die guten Seiten abzuluchsen. Ich habe versucht, mich daran zu erinnern, welche Beweggründe wir hatten, uns für ein Haus zu entscheiden.

Viel Platz und einen Garten. Das war es, was wir wollten. Den Platz brauchten wir, damit wir unsere unsägliche Unordnung besser verstecken zu konnten. Doch den Garten wollte ich, um nicht immer neidvoll durch die Kleingartenkolonien in unserer Gegend spazieren gehen zu müssen. Ich wollte mich in unserem eigenen Garten erholen und durchatmen. Ich hatte mir immer wundervoll blühende Rabatten vorgestellt, die mich in all ihrer Farbenpracht anzogen und mich mit ihrem Duft betörten.

Allein die Vorstellung an einen solchen Garten beflügelte meine Phantasie. Ich schloss meine Augen und war in einer anderen Welt. Meine Reise ging durch einen reich blühenden Rosengarten zu einer Lavendelhecke. Wenn ich lauschte, konnte ich die Vögel zwitschern hören, die sich in unserem Garten tummelten. Ab und zu quakte ein Frosch, der in dem kleinen Teich mit den Seerosen ein Zuhause gefunden hatte. Sogar die Bienen konnte ich summen hören. Ich ließ mich dann meistens auf der Baumbank nieder, um all dem zu lauschen, die Düfte wirken zu lassen oder ich las ein schönes Buch auf dem herrlichen Schattenplatz.

Doch irgendwann musste ich meine Augen wieder öffnen und ein Grauen durchzog mich, wenn ich auf das Stück Land hinter unserem Haus sah. Ich wollte mit diesem unsäglichem Stück Besitz und mit mir Frieden schließen. Ich beschloss also, meinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Aus diesem Grund krempelte ich, direkt nach Beendigung meiner Gedanken, meine Ärmel hoch und stürzte mich in die Arbeit.

Nie im Leben wäre mir eingefallen, welche Schwierigkeiten es einer Frau bereiten würde, aus einem verwilderten Stückchen Land ein Paradies der Erholung zu machen. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wie man einen Garten anlegt. An Vorbereitungen dies bezüglich, verschwendete ich überhaupt keinen Gedanken.

Mein Mann hatte schon einiges an Vorarbeit geleistet. Ich sehe heute noch die Faust großen Schweißperlen auf seiner Stirn, als er die Bäume, Koniferen und Sträucher fällte, von ihrem Laub befreite, in handliche Stücke zersägte, um dann die riesigen Wurzeln aus dem Erdreich zu verbannen. Auf diesem Wege kam nach und nach wenigstens ein bisschen Licht in das Urwäldchen unserer Reihenhaussiedlung. Nicht einmal unsere Kinder sagten: „Papa hör’ auf! Du bringst die ganzen Pflanzen um!“

Jetzt, beim Unkraut jäten, muss ich mir den Satz ständig anhören. Trotz der Anstrengung meines Gatten, dem Gartenboden Sonnenlicht zuzuführen, erreichte kein einziger Strahl den selbigen. Er lag nämlich voller Äste, Stämme, Wurzeln und was man sonst noch an Unrat in einem naturbelassenen Flecken Erde finden könnte. Ich war erschüttert. Meine labile Seele bekam einen Schlag mitten ins Zentrum. Das Chaos war perfekt. Es sah aus, als wäre ein Orkan, dessen Ausmaße nicht mehr zu beschreiben waren, über unser kleines Stückchen Land hinweg gefegt und hätte alles zerstört, was dort gestanden hatte.

„Wohin willst du nur mit all dem Mist?“

Sie müssen wissen, dass wir zu jenem Zeitpunkt kein Auto besaßen. Allerdings hatten wir vorher auch kein Auto und werden in Zukunft auch keines besitzen. Das hat nicht nur ökologische Gründe. Es würde sich niemand finden, das Vehikel zu bewegen. Mein Mann fährt nicht gerne Auto und ich habe aufgehört, es zu erlernen. Das wiederum lag natürlich ausschließlich an meinem Fahrlehrer, der nach wiederholtem rückwärtigem Einparken nicht bemerkte, dass ich mehr als gelangweilt war, und daraufhin ihn und sein Gefährt allein lassen musste.

Wie dem auch sei, wir hatten keine Möglichkeit, unseren Gartenabfall einigermaßen kostengünstig der städtischen Müllkippe zuzuführen. Ich fand meine Frage an meinen Mann durchaus berechtigt und fragte ihn nochmals: „Wohin willst du mit all dem Müll?“

Wie es so seine Art ist, bekam ich kurz und knapp zur Antwort: „Das lass mal meine Sorge sein!“

Daraufhin kehrte er mir den Rücken zu, nahm seinen Spaten und fing an, riesige Löcher in den Gartenboden zu schaufeln.

Ich stand vollkommen fassungslos da und hatte Panik in den Augen. Nun ist mein Mann übergeschnappt, dachte ich. Jegliche Vernunft hatte ihn verlassen – und das tat ich dann auch.

Ich ging einkaufen! Das erschien mir das vernünftigste zu sein. Außerdem gehe ich davon aus, dass alle meine Geschlechtsgenossinnen mir beipflichten würden.

Was mich allerdings von den meisten Frauen unterscheidet ist, dass ich in solchen Fällen keine Schuhe kaufe, sondern mich eher den Handtaschen zuwende. Na ja, an Hosen, Pullovern, Kleidern, Röcken und ganz besonders an Schlafanzügen und Jogginghosen, Sweatshirts und edlen Accessoires kann ich an solchen Tagen auch nicht unbeschadet vorbei gehen.

Als ich an diesem Tag nun wieder, etwas reumütig – wegen der hohen Geldausgaben – und mit tauben Armen – wegen der hohen Geldausgaben, die in übervollen Tüten an ihnen hingen – nach Hause kam, traute ich meinen Augen kaum.

Mit Erstaunen musste ich feststellen, dass der Garten halb leer gefegt war. Anstelle von riesigen Haufen organischen Mülls hatten wir nun große Löcher, Haufen voller Erde, Steine und Grassoden im Außenbereich unseres Hauses liegen. Mein Gatte ließ allen Unrat in den Löchern verschwinden. So mussten es die Vorbesitzer auch gemacht haben. Diese verzichteten allerdings wohl eher auf die unterirdische Naturbelassenheit und machten daraus eine Müllkippe aus angefallenem Bauschutt. Der Beweis stapelte sich in unserem Garten. Zumindest war es die einzige logische Erklärung für die übermäßig vielen Steine auf die er gestoßen war.

Leider hat er außerdem nur noch einen alten Uniformknopf und einen Reichspfennig gefunden – und einen Hund in einem bedauernswerten Zustand.

Als mein Herzallerliebster abgekämpft herein kam, muss er meinen bewundernden Blick gesehen haben, denn mit einem überlegenen Lächeln auf seinen Lippen sagte er zu mir: „Hast‘ mir nicht geglaubt, dass ich mir Gedanken gemacht habe!“

Oh, ich hätte ihn erschlagen können; jedoch habe ich ihn in den Arm genommen, geküsst und geflüstert: „Du bist doch der Beste deiner Art!“

Nachdem wir uns ein paar Tage erholt hatten, mein Artenbester von der körperlichen Anstrengung und ich von der nervlichen Aufregung und den Anspannungen, ging es mit unserem Kleinod weiter. Die Löcher wurden zugeschüttet und Rasen wurde ausgesät.

Anschließend setzten wir uns gemütlich bei einer Tasse Tee zusammen. Beim friedlichen Zusammensitzen brachten wir unsere jeweiligen Vorstellungen eines blühenden Reiches aufs Papier. Mein Mann versuchte zwei bis drei Mal, meine Ausführungen mit ein paar seiner Ideen zu unterbrechen, jedoch bemerkte er relativ schnell – Entschuldigung, aber er ist immerhin ein Mann – dass dafür gar kein Platz mehr vorhanden war. Ich glaube, ich kann behaupten, dass er etwas ungehalten wurde. Er haute mir den Satz: „Ich habe das Grobe gemacht, jetzt bist du an der Reihe!“, um meine wenig aufnahmefähigen Ohren. Doch dieser Satz hat sich mittlerweile eingeprägt, denn seit jenem Tag bekomme ich ihn andauernd zu hören. Nicht nur in Bezug auf unseren Garten.

Da stand ich nun! Ich war vollkommen vor den Kopf geschlagen und hatte keine Ahnung, wie ich meine Vorstellungen ohne die starken Arme meines Gatten verwirklichen sollte.

Übrigens, es ist sicherlich an der Zeit, Sie mit meinem Herzallerliebsten bekannt zu machen. Das wichtigste, was sie über ihn wissen müssen ist: Er ist ein Mann! Damit wäre sicherlich das meiste gesagt. Jeder von ihnen, der ein Exemplar dieser Gattung zu Hause, hat wird sich damit zufrieden geben und hätte eine genaue Vorstellung im Kopf. Für alle anderen gehe ich ein wenig ins Detail.

Äußerlich unterscheidet er sich kaum von den anderen Geschöpfen seiner Art. Außerdem ist er ziemlich groß. Für meine Verhältnisse ist er sehr groß, da ich, wie schon erwähnt, gerade über die meisten Tischkanten gucken kann oder anders ausgedrückt: an der Fleischertheke meistens übersehen werde. Es wäre vielleicht noch zu sagen, dass er ein wenig untersetzt ist, wie ich es sagen würde. Dass ein paar seiner Freunde: „Da kommt der Dicke!“ schreien, sobald sie ihn in ungefähr hundert Meter Entfernung in einem Menschengetümmel, so groß wie eine Ameisenkolonie, entdecken, spricht eher für seine mitreißende Wirkung als für seine imposante Erscheinung. Er ist kein ungehobelter Klotz, falls Sie auf eine solch absurde Idee gekommen sein sollten. Mein Herzallerliebster ist zumindest nicht ungehobelter als der Rest der männlichen Gesellschaft.

Bevor ich mich jetzt aber dazu hinreißen lasse, mein Wissen über Männer und Frauen auszubreiten, möchte ich nicht vergessen zu erwähnen, dass mein Gatte unheimlich liebenswert ist. Sein Allgemeinwissen ist auch relativ umfangreich, was er mir immer wieder mit solchen Sätzen wie: „Hatte ich doch schon gesagt!“, oder: „Das weiß ich auch!“, in Erinnerung ruft. Alles in allem muss ich sagen, ist mein Liebster ein wirklich liebes Exemplar und äußerst geduldig. Schließlich hält er es schon einige Jahre mit mir aus.

Nun aber erst einmal zurück in unseren Garten.

Wie schon gesagt, da stand ich nun. Ohne Hilfe! Es half auch nichts, herum zu stehen und zu zaudern und mit dem Schicksal zu hadern. Ich nahm die Zügel also wieder in meine zarten Hände. Bestückt mit dem guten alten Spaten. Er hat sicherlich schon bessere Zeiten gesehen, z.B. als Menschen mit ihm gearbeitet haben, die mit ihm umzugehen wussten. Hoffend, er würde noch eine Weile durchhalten, fing ich an zu graben. Allein der Gedanke an so schwere körperliche Arbeit, trieb mir den Schweiß ins Gesicht. Aber die Aussicht darauf, einen schönen Garten zu bekommen und hinterher ein wohliges Schaumbad nehmen zu dürfen, trieb mich an.

Per Augenmaß fing ich an, die Grassoden abzutragen, an der Stelle, wo das erste Blumenbeet entstehen sollte. Nachdem ich damit fertig war, nach etwa einem Arbeitstag für zwei Quadratmeter, bepflanzte ich es sorgsam mit gelbem Sonnenhut und Bodendeckern, die irgendwann rot erblühen sollten. Außerdem vergrub ich noch einige Zwiebeln, aus denen im nächsten Frühjahr Narzissen und Tulpen aufgehen sollten. Der Stolz überkam mich und in allem Übermut sagte ich zu mir: „Wer braucht schon einen Mann? Ich jedenfalls nicht!“

Am späten Nachmittag kam mein Mann von der Arbeit zurück. Kaum das er die Tür betrat, berichtete ich ihm von meinem Beet. Seine Reaktion beim Begutachten meiner Arbeit war niederschmetternd. Er musste sich vor Lachen den Bauch festhalten.„ Was soll denn das sein? Das ist nicht rund, sondern ein Ei. Und hier vorne, ist das ein Burggraben?“ Empört über seine Worte sah ich mich mit dem alten Spaten bewaffnet auf seinen Rücken zulaufen und, ...

Man hätte mich bestimmt nicht anklagen können. Es wäre eindeutig Notwehr gewesen. Ich konnte meine Gedanken nicht weiter ausführen, als ich sah, wie mein Mann einen Faden an den Zaun unserer Nachbarin und das andere Ende an einen Stock band. Kurzer Hand zog er damit einen Halbkreis. Er guckte zu mir hoch, wieder einmal mit diesem selbstsicheren, überlegenen Blick und meinte zu mir: „Das ist ein Kreis!“

Ich hätte meinen Mordgedanken gerne weitere Beachtung geschenkt, doch mein Herzallerliebster nahm den Spaten zur Hand und fragte mich: „Wo und wie möchtest du denn die anderen Beete haben?“

Natürlich hatte er meine freudige Erregung über diese Frage nicht bemerkt, als ich ihm genauestens geantwortet habe.

Danach blieb mir nichts weiter übrig, als ihn zu beobachten, um bei eventuellen Fehlern sofort einzuschreiten. Ab dem Zeitpunkt waren die Fronten wieder klar. Jeder von uns zog sich auf seine Seite der Ehepole zurück und tat das, was er am besten konnte. Mein Liebster grub und ich gab die Anweisungen.

Nach getaner Arbeit kam mein Herzallerliebster etwas abgekämpft ins Haus. Überaus herzlich und mit mir und der Welt zufrieden empfing ich ihn mit einer Tasse frisch aufgebrühten Tees und mit den Worten: „Weißt du, was mir gerade eingefallen ist?“

Mein Mann wischte sich den Schweiß von der Stirn, der sich nun mit dem Erdreich unseres Gartens, den er an den Fingern hatte, vermischte, und fiel mir schnell ins Wort: „Nein, aber erzähl es mir erst in vierzehn Tagen!“ Selbstverständlich höre ich stets die Worte, die mein Mann mir sagt, und natürlich berücksichtige ich seinen körperlichen und geistigen Zustand. Nur mein Mundwerk nicht.

So sprach ich ohne Pause und Luft zu holen weiter: „Ich dachte gerade so bei mir, die kleinen Bäume und Sträucher, die meine Mutter uns vor ein paar Tagen besorgt hatte, könnten wir auch noch eben schnell einsetzen.“