Für immer bei ihm - Grace R. Duncan - E-Book

Für immer bei ihm E-Book

Grace R. Duncan

4,9
6,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Für Tanner könnte das Leben nicht perfekter sein, denn nicht jeder Wolf findet seinen Gefährten bereits in jungen Jahren, wenn überhaupt. Doch genau im Alter liegt auch das Problem, denn Finley ist gerade erst achtzehn geworden und Tanner befürchtet, ihn zu früh in eine lebenslange Bindung zu drängen. Hin- und hergerissen zwischen Verlangen, Sehnsucht und Verlustangst hält Tanner Finley auf Abstand – bis es beinahe zu spät ist und er Finley für immer verlieren könnte... Band 1 der »Für immer«-Serie. Entspricht 278 Romanseiten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 405

Bewertungen
4,9 (18 Bewertungen)
16
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Deutsche Erstausgabe (ePub) Juli 2016

Für die Originalausgabe:

© 2015 by Grace R. Duncan

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Devotion«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2016 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

ISBN ePub: 978-3-95823-600-4

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

Klappentext:

Für Tanner könnte das Leben nicht perfekter sein, denn nicht jeder Wolf findet seinen Gefährten bereits in jungen Jahren, wenn überhaupt. Doch genau im Alter liegt auch das Problem, denn Finley ist gerade erst achtzehn geworden und Tanner befürchtet, ihn zu früh in eine lebenslange Bindung zu drängen. Hin- und hergerissen zwischen Verlangen, Sehnsucht und Verlustangst hält Tanner Finley auf Abstand – bis es beinahe zu spät ist und er Finley für immer verlieren könnte...

Aus dem Englischen von Jessica Hartmann

Gerne würde ich Mary Calmes die Schuld an diesem kleinen Projekt geben, aber stattdessen möchte ich ihr danken. Ich hatte die schlimmsten Vorstellungen über Gestaltwandler-Geschichten, bis ich ihre Change of Heart-Reihe gelesen habe, die meine Ansicht darüber völlig verändert hat.

Für TK, der mir so vieles beigebracht hat und mir zweifellos noch so viel mehr beibringen wird.

Für Sara und Áine, die mich über den gesamten Schreibprozess hinweg bei Verstand gehalten haben. Eure Unterstützung bedeutet mir unglaublich viel.

Und natürlich für Joe, der sich damit rumschlägt, dass ich stundenlang vor dem Computer hocke, und trotzdem noch ein Lächeln und eine Tasse Kaffee für mich hat, wenn ich aufsehe. Ich liebe dich!

Kapitel 1

Tanner betrat den Club und ging einen Schritt zur Seite, damit seine Augen sich anpassen konnten. Selbst mit seiner gesteigerten Sehkraft dauerte es ein wenig, da er den schummrig beleuchteten Raum von der hellen Straße aus betrat. Als er gut genug sehen konnte, ließ er den Blick von einer Gruppe zur nächsten wandern, wobei er sich langsam über die Tanzfläche und die Bar arbeitete. Die Einrichtung sah für ihn wie die eines jeden anderen Schwulenclubs auf diesem Planeten aus.

Er widerstand dem Drang, tief einzuatmen und nach dem Duft zu suchen, den er so gut kannte. Seine hochsensible Nase wurde bereits mit zu viel Schweiß, Deo, Parfüm, Alkohol und Erregung bombardiert. Egal wie gut er den Duft seines aufmüpfigen Gefährten kannte, derart von anderen Gerüchen überdeckt, würde er nie in der Lage sein, ihn zu finden.

Er ließ die Bar aus und ging Richtung Tanzfläche.

Zum Glück hatte dieser Schwulenclub nur eine Etage. Die letzten zwei, in die Finley verschwunden war, waren mehrstöckige Clubs mit mehreren Nebenzimmern und Aufenthaltsräumen gewesen.

Wenn ich das noch ein einziges Mal machen muss, schwöre ich, versohle ich ihm den Hintern, bis er eine Woche lang nicht sitzen kann! Tanner schob die Verärgerung beiseite, um sie sich für den Zeitpunkt aufzuheben, wenn er Finley gefunden hatte. Als eine Hand über seinen Hintern glitt, widerstand er dem Bedürfnis zu knurren, wischte sie vorsichtig beiseite und beschloss, dass es vielleicht dauern könnte, bis er seinen Gefährten nach Hause – zum Haus von Finleys Eltern – gebracht hatte, bevor er seine Wut halbwegs unter Kontrolle hatte.

Zudem konnte er Finley noch nicht den Hintern versohlen. Nicht in den nächsten vier Jahren. Falls er die nächsten vier Jahre unter diesen Umständen überlebte.

Der Besitzer der Hand lächelte ihn verführerisch an, doch der spindeldürre, elfenähnliche Twink, der zu ihm aufsah, hatte keinerlei Reiz für ihn. Selbst wenn er wie Finley gebaut gewesen wäre, wäre er für Tanner nicht reizvoll. Finley war sein Gefährte, derjenige, der ihm von Diana, ihrer Schutzgöttin, geschenkt worden war, und der Einzige, den er wollte.

»Sorry, kein Interesse«, grunzte Tanner und fühlte sich beinahe mies, als das Lächeln verschwand. »Tut mir leid, wirklich. Äh, ich bin mit meinem Partner hier.« Er glaubte nicht, dass er deutlich gehört werden konnte, doch der Kleine lächelte leicht und nickte, bevor er weiterlief, weil er offenbar zumindest das Wesentliche verstanden hatte.

Tanner widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Tanzfläche. Es sollte nicht so schwierig sein, Finley zu finden, und Tanners Blutdruck und Ärger stiegen rasant an, je länger er suchte.

Dann erblickte er schwarzes Haar und atmete langsam aus, in dem Versuch, seinen Ärger ein wenig abzukühlen. Er knirschte mit den Zähnen, um seine neu gewonnene Ruhe beizubehalten, als er über die Tanzfläche marschierte und dabei Händen und Ärschen und anderen Körperteilen auswich. Er konnte den Mann, der sich gerade Schenkel an Schenkel an seinem Gefährten rieb, nicht in Stücke reißen, ganz egal wie sehr er es auch wollte.

Sein Wolf – die andere Hälfte seiner Seele – widersprach.

Er erinnerte seinen Wolf daran, dass er eine menschliche Seite hatte und einen Menschen in Stücke zu reißen, eine böse Sache war. Sein Wolf grollte, rollte sich jedoch zusammen, auch wenn er immer noch von Weitem zusah. Mein, knurrte er in Tanners Kopf und Tanner gab ihm recht.

Finley war sein. Finley wusste das. Und diese Nummern, die er abzog, wurden langsam langweilig.

Er stand vor dem Mann und verschränkte die Arme. Finley fuhr herum und seine grünen Augen weiteten sich überrascht, dann trat er von seinem Tanzpartner weg. Der Tanzpartner, bemerkte Tanner, war ähnlich gebaut wie er selbst, wenn auch mit blondem statt dunkelbraunem Haar.

Und er war ein Mensch. Selbst ohne einzuatmen, konnte er es von hier aus riechen.

Besagter Mann streckte einen Arm nach Finley aus, doch Tanners Hand schoss vor und packte sein Handgelenk. »Er gehört zu mir«, knurrte er. Über die Musik hinweg konnte er nicht gehört worden sein, nicht mit menschlichen Ohren, doch der Typ schien es zu verstehen.

Eine blonde Augenbraue hob sich. »Hab dich gerade noch nicht hier gesehen.«

»Ich bin jetzt hier«, entgegnete Tanner, ließ das Handgelenk des Mannes los und griff nach Finleys Hand.

Finley nutzte es aus, drängte seinen Körper gegen ihn und rieb sich im Takt der Musik an ihm. Tanner versuchte – versuchte es wirklich –, sich unter Kontrolle zu halten. Doch sein Wolf war bereits frustriert darüber, dass der andere Typ Finley angefasst hatte, und ihn noch länger zu besänftigen, war beinahe unmöglich. Er musste seinen Geruch wieder auf seinen Gefährten übertragen.

Und er war nun mal ein normaler, gesunder, vierundzwanzigjähriger Mann. So wie Finley sich an ihm rieb, konnte er nicht lange dagegen ankämpfen, bis er darauf ansprang. Er gab nach, schlang seine Arme um ihn, drängte ein Bein zwischen Finleys und passte sich dem Rhythmus an.

Selbst mit seinem verbesserten Gehör fühlte er Finleys zustimmendes Stöhnen mehr, als dass er es hörte. Tanner schob seine Hände auf Finleys Hüften und umfasste sie, während sie sich bewegten. Finley hielt Tanners Schultern fest, um das Gleichgewicht zu halten, doch Tanner störte dies absichtlich und zwang ihn damit, sich gegen Tanners Körper zu lehnen.

Er schlang einen Arm um Finleys Taille, drückte ihn an sich und stöhnte, als Finleys harter Schwanz durch ihre Jeans an seinem rieb. Er konnte nicht widerstehen, mit der anderen Hand Finleys atemberaubenden Hintern zu umfassen. Gott, Finley fühlte sich in seinen Armen, an ihn gepresst, so verdammt gut an.

Er neigte den Kopf, vergrub das Gesicht an Finleys Hals und atmete seinen Duft tief ein. Sein Wolf knurrte zufrieden und Finley – und zweifelsfrei Finleys Wolf – knurrten zurück.

Eine von Finleys Händen fand ihren Weg in Tanners Haar, die andere legte er an Tanners Gesicht. Er lehnte sich vor und zog an Tanner, der sich einfach nicht widersetzen konnte. Ihre Lippen trafen sich, ihre Münder heiß und feucht, und der Geschmack ließ Tanner aufstöhnen. Finley schob seine Zunge in Tanners Mund und sie rangen um die Oberhand des Kusses.

Tanner unterbrach den Kuss und sah sich um. Er erspähte eine ruhige Ecke in der Nähe und tanzte sie dorthin, dann schob er Finley gegen die Wand, als sie sie erreicht hatten. Er hielt Finley mit seinem Körper fest und rieb ihre harten Schwänze aneinander. Wieder fing er Finleys Lippen zu einem heißen, feuchten Kuss ein, so voller Verlangen, dass er kaum atmen konnte.

Finleys Hände flogen über Tanners Körper, umfassten seinen Po und zogen an seinem Haar. Er stieß Tanner das Becken entgegen und passte sich seinen Bewegungen an. Tanner löste den Kuss, während er den Anblick seines Gefährten in sich aufnahm: zerzauste Haare, feuchte und vom Küssen geschwollene Lippen, vor Erregung tiefschwarze Augen, hervorstehende Fangzähne. Tanners eigene Sicht war grau geworden, da sich seine Augen wegen seiner eigenen Erregung verwandelt hatten.

Tanner knurrte wieder, stürzte sich auf Finleys Hals und knabberte einen Pfad über seine Haut. Er musste seine gesamte Willenskraft aufbringen, um seine Fangzähne nicht in Finleys Hals zu bohren. Stattdessen saugte er an der Haut und biss mit seinen menschlichen Zähnen zu, unfähig sich zurückzuhalten, wenigstens eine kleine Markierung zu hinterlassen.

Seinem Wolf gefiel dies nicht. Er drängte Tanner, ihren Gefährten herumzuwirbeln, seine Jeans runterzureißen, ihn hart zu vögeln und ihn zu beißen, während er Finley mit seinem Sperma füllte. Als er bemerkte, dass er einen Schritt zurückgetreten war, um genau das zu tun, schüttelte er heftig den Kopf, packte Finleys Hand und zerrte daran.

»Lass uns von hier verschwinden«, sagte er, ohne sich die Mühe zu machen, seine Stimme zu heben. Er wusste, dass Finley ihn ganz deutlich hören konnte.

Finley hob erschrocken die Augenbrauen. »Du nimmst mich mit nach Hause?«

»Zum Haus deiner Eltern.«

Der Schock wandelte sich zu Wut. »Nein«, sagte Finley und zog seine Hand aus Tanners Griff.

Tanner seufzte. »Sieh mal. Ich habe morgen viel zu tun. Ich habe für so was heute Abend keine Zeit.«

Fin zuckte mit einer Schulter. »Dann geh heim. Ich brauch dich hier nicht.« Er drehte sich auf dem Absatz um und wollte zur Tanzfläche zurückgehen.

Tanner atmete tief ein und bereute es sofort. Er verzog die Nase bei dem Angriff auf seinen Geruchssinn und griff stattdessen wieder nach Finley. »Ich lasse dich nicht hier. Du kommst mit mir.«

»Fick dich«, antwortete Finley zu fröhlich und verschmolz wieder mit der Menge.

Tanner zählte leise bis zehn, bevor er ihm folgte. Diesmal gab er Finley nicht einmal die Chance zu widersprechen. Er zog ihn mit einem Ruck zurück an sich, bevor er ihn hochhob und über seine Schulter warf. Es war gut, dass er so stark war, denn Finley war kein kleiner Mann. Tatsächlich war Tanner lediglich etwa fünf Zentimeter größer und fünfzig Pfund schwerer als Finley. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, wie gut sie zusammenpassen würden, wenn Finley ausgewachsen war.

»Tanner!« Finley schlug mit beiden Fäusten auf seinen Rücken ein, doch Tanner ignorierte ihn. »Lass mich runter!«

»Nein.« Die Tänzer machten ihm Platz und mit seinen langen Beinen überwand er zügig die Strecke bis zur Tür.

»Problem?«, fragte einer der Türsteher, als er in seinen Weg trat. Der Typ sah aus, als hätte er sich die Muskeln redlich verdient – anders als in einem Fitnessstudio –, aber für übernatürliche Stärke wäre er dennoch kein Hindernis.

»Ich bringe ihn nur nach Hause. Jemand hat was in sein Getränk getan«, log Tanner glatt.

Der Türsteher hob eine Augenbraue und beugte sich um Tanner herum. »Sagt er die Wahrheit?«

Zunächst antwortete Finley nicht. »Ich weiß nicht. Vielleicht.«

Das reichte offenbar aus. Er trat zur Seite und winkte sie durch. Tanner war erleichtert, dass Finley zumindest vor dem Türsteher keine Szene gemacht hatte. Er wusste es besser, als irgendeine Art Amtsgewalt auf sie aufmerksam zu machen. Sie würden da zwar rauskommen, aber bis dahin wäre es eine Riesensauerei. Tanner stellte Finley auf dem Bürgersteig ab und drehte ihn sofort zu sich herum, um ihn finster anzustarren. »Was zum Teufel?«

»Was?«, motzte Finley und verschränkte die Arme vor der Brust.

Tanner erkannte, dass Finley fuchsteufelswild war. Er blinzelte. »Was meinst du mit was?«

»Was meinst du mit was zum Teufel? Es ist ja nicht so, als ob ich nicht herkommen dürfte, wenn ich das will.«

»Du bist noch nicht volljährig.«

Finley verdrehte die Augen. »Hierfür bin ich alt genug. Ich bin vor zwei Monaten achtzehn geworden, wie du sehr genau weißt. Du warst auf meiner verdammten Party.«

Tanner knurrte diesmal nicht, obwohl er es wollte. »Einundzwanzig, du Genie.«

Finley seufzte und zeigte mit dem Daumen auf das Schild neben der Tür: U-21-Nacht. Nur 18- bis 21-jährige.

Verdammt. Tanner rieb sich übers Gesicht. Er wusste nicht, wie er reingekommen war, doch er gab nach und seufzte. »Warum?«

»Warum nicht?«

Tanner machte ein finsteres Gesicht. »Weißt du was? Nein. Wir machen das nicht schon wieder. Lass uns gehen.« Er griff nach Finleys Handgelenk, doch Finley wand sich aus seinem Griff.

»Nein. Ich fahre nicht nach Hause. Ich nehme mir ein Taxi und gehe woanders hin, da du mir diesen Club ja für heute ruiniert hast.«

»Nein, das wirst du nicht!«, brüllte Tanner.

Finley sah ihn nur an, während seine Kiefer mahlten, um seinen eigenen Zorn zurückzuhalten. Tanner kannte die Anzeichen. Obwohl Finley normalerweise ein fröhlicher Mensch war, mit dem man gut klarkam, war er dafür bekannt, hin und wieder fuchsig zu werden, was Tanner bereits erlebt hatte.

»Bist du fertig?«, fragte er zu ruhig.

Tanner beschloss, das Feuer zu ignorieren, das in Finleys grünen Augen loderte. »Nein. Können wir das bitte nicht auf der Straße ausdiskutieren?« Er blickte sich um und entdeckte ein paar andere Clubgänger, die sie anstarrten.

»Sicher. Du gehst nach Hause und ich nehme mir ein Taxi.«

»Muss ich dich wieder über die Schulter werfen?«

Diesmal war Finley derjenige, der knurrte. Er stach einen Finger hart in Tanners Brust. »Nein. Du wirst mich nicht über die Schulter werfen. Du wirst mich nicht nach Hause bringen. Ich kann verdammt noch mal tun, was immer ich will. Ich bin erwachsen. Ich habe die Erlaubnis von meinen Wandlerpaten. Und bis du mich markiert hast, kannst du absolut nichts dagegen tun.« Er umrundete Tanner und stolzierte davon.

Trotz seiner Verärgerung, trotz seiner Frustration kam er nicht umhin, die geschmeidige Eleganz von Finleys Bewegungen zu registrieren. Genauso wie er dem Tanz nicht hatte widerstehen können. Jedes Mal, wenn er in Gesellschaft seines Gefährten war, preschte sein Wolf vor und sein Instinkt, ihn zu markieren, setzte ein, sodass er darum ringen musste, beides in Schach zu halten. Sein Schwanz war jedoch trotzdem schmerzhaft hart.

Er seufzte und ließ den Kopf hängen. Das Frustrierendste an der Sache war... Finley hatte recht.

Nach dem Gestaltwandlergesetz war er für Finley verantwortlich, sobald er seinen Anspruch auf ihn geltend machte – auch als Minderjähriger, was er laut diesem Gesetz bis einundzwanzig war. Doch bis dahin hatte Finley seinen Eltern zu gehorchen, die, wie Tanner fand, völlig bekloppt waren.

Denn sie sahen kein Problem darin, dass er ihren Sohn markieren. Sie waren fast genauso wütend darüber wie Finley, aber nicht, weil sie ihn loswerden wollten oder dergleichen. Weil sie ihn liebten und sahen, wie frustriert Finley war. Oder wenigstens behaupteten sie das. Tanner verstand es nicht. Finley war jung – zu jung. Er musste verdammt noch mal erst erwachsen werden, ganz zu schweigen davon, die Schule zu beenden, aufs College zu gehen, Erfahrungen zu sammeln – nicht sexuelle, vielen Dank auch –, bevor sie als Gefährten zusammenlebten.

Davon abgesehen, musste er als zukünftiger Alpha an bestimmten, halböffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, wenn er seinen Gefährten für sich beanspruchte. Finley war viel zu jung für so was. Also tat Tanner sein Möglichstes, um dafür zu sorgen, dass sie warteten.

Und Finley tat sein Möglichstes, um es ihm so schwer wie möglich zu machen.

Er würde nie die Nacht vergessen, in der sie sich kennengelernt hatten. Sie hatten sich angesehen und heftig aufeinander reagiert, als sie sich beide augenblicklich zum Teil verwandelt hatten. In diesem Moment hatte es keine Fragen gegeben: Finley war sein vorbestimmter Gefährte. Und der erste Teil ihres Bandes hatte sich bereits zu bilden begonnen. Er war so was von am Arsch – oder in diesem Fall auch nicht, denn Finley war viel zu jung dafür.

Seinen oder ihren vorbestimmten Gefährten zu finden, geschah nicht gerade häufig, schon gar nicht in diesem Alter. Vorbestimmte Gefährten waren nicht unbedingt selten, doch manche Gestaltwandler fanden sie nie. Tanner hatte angenommen, dass er keinen vorbestimmten Gefährten hatte, weil er schwul war. Soweit er wusste, war er der erste schwule Gestaltwandler in ihrem Rudel. Jedenfalls der erste geoutete schwule Gestaltwandler.

Er hatte sich die Lektionen über Gefährten der Lehrer ihres Rudels angehört. Seinen Gefährten zu finden, war einer der wichtigsten Bestandteile im Leben eines Gestaltwandlers. In ihrer Welt gab es zwei Arten von Gefährten: vorbestimmte und auserwählte.

Ein Gestaltwandler besaß die Fähigkeit, seinen vorbestimmten Gefährten auf der Stelle zu erkennen – ihre Wölfe würden sich erkennen und ihre Düfte einander verrückt machen. Allein sich zu begegnen, setzte den Bindungsprozess in Gang, der durch den Geschlechtsakt und das Beißen abgeschlossen wurde.

Auserwählte Gefährten formten ein ähnliches Band, doch erst nach dem Sex und dem Biss. Sie erkannten sich nicht so wie vorbestimmte Gefährten, aber sie waren normalerweise dennoch sehr glücklich, ebenso wie ihre Wölfe, und ihr Band war beinahe genauso stark.

Sein Lehrer, einer der Ältesten des Rudels, hatte das Band wie eine dicke Weinranke mit ineinander verdrehten Strängen beschrieben. Finley zu treffen, hatte sie durch erste Stränge miteinander verbunden und ihr Band hatte sich zu formen begonnen. Wenn sie sehr starke Gefühle durchlebten, konnte der andere es spüren. Beschützer- und Besitzinstinkte kamen auf und der Drang, sich mit seinem Gefährten zu verbinden und ihn zu dem seinen zu machen, entwickelte sich gewöhnlich schnell.

Tanner kämpfte seit zwei Jahren dagegen an. Zwei Jahre, in denen er mit seinem Gefährten zusammen gewesen war – zwei Jahre, in denen er ihn gerochen hatte, zwei Jahre, in denen er starke Gefühle mit ihm geteilt hatte –, und er konnte seinen Anspruch auf den Mann noch immer nicht geltend machen, denn er war ja erst gerade so ein Mann. Sein Wolf fand das lächerlich, nicht dass er so deutliche Gedanken hegen würde, aber Tanner verstand die Nachricht dennoch. Sein Wolf wollte ihren Gefährten, Punkt. Er verstand nicht, warum Tanner zögerte.

Doch Tanner glaubte, dass er einen verdammt guten Grund hatte. Er hatte hautnah miterlebt, wie zerstörerisch das Ergebnis sein konnte, wenn zwei Gefährten sich zu früh vollständig aneinander banden, und er würde nicht zulassen, dass ihnen das Gleiche geschah. Er seufzte, drehte sich auf dem Absatz um und folgte Finleys Geruch um die nächste Ecke herum zu dem kleinen Treppenabsatz, auf dem er saß, setzte sich neben ihn und sah ihn an.

Finleys Ärger war offenbar verraucht. Tanner konnte den Ausdruck auf dem hübschen Gesicht nicht lesen und die Gefühle waren zu schwach, um sie zu spüren, doch er war definitiv nicht glücklich. »Warum?«, fragte Finley zum wahrscheinlich millionsten Mal in den letzten zwei Jahren. Und zum tausendsten allein im letzten Monat.

Tanner seufzte wieder und fühlte sich gerade verdammt alt, auch wenn er nur sechs Jahre älter als Finley war. »Wir hatten das schon, Fin.«

»Tja, wenn du es mir noch mal erklärst, verstehe ich es vielleicht besser als vorher.«

Tanner schüttelte den Kopf. »Es hat sich nichts geändert, Fin. Du musst erst mal erwachsen werden. Du musst –«

»Aufs College gehen, Dinge erleben, bla bla bla.« Finley schüttelte den Kopf. »Erstens bin ich erwachsen. Zweitens... sollte nicht ich diese Entscheidung treffen?«

Obwohl Tanner wusste, dass Finley damit recht hatte – genauso wie schon seit zwei Jahren –, konnte Tanner ohne Weiteres sehen, wie Finley ihm übel nahm, dass er sie so früh aneinander gebunden hatte. Um es noch schlimmer zu machen, würde Finley sich selbst die Schuld geben, denn er hatte ihn dazu gedrängt. Dann würde er sich wegen der ganzen Sache noch schlechter fühlen und es würde in einem riesigen Schlamassel enden, falls Finley Tanner oder sich selbst nicht gleich durch und durch hassen würde.

»Hör zu, ich habe zugestimmt, bis zu meinem achtzehnten Geburtstag zu warten. Das habe ich verstanden. So gut wir uns auch aus einigem rauswinden können, kommen wir nicht um alles herum, was die Gesetze der Menschen betrifft. Also habe ich zugestimmt zu warten, damit niemand uns für Unzucht mit Minderjährigen drankriegen kann. Aber Tan, verdammt noch mal, ich bin jetzt über achtzehn.«

Und immer noch zu jung für einiges davon. Er hatte es noch nicht über sich gebracht, Finley von dem letzten Teil zu erzählen. Obwohl es für ihn nicht die größte Blockade war, die er bei der Sache hatte, glaubte er dennoch nicht, dass Finley dafür bereit war. Er rieb sich übers Gesicht. »Pass auf, ich –«

»Vergiss es. Bring mich einfach nach Hause«, sagte Finley, während er aufstand.

Tanner runzelte die Stirn, aber er würde nicht widersprechen. Er streckte den Arm aus, um Finleys Hand zu nehmen, doch Finley stopfte beide in die Taschen seiner Jeans, um klarzumachen, dass er nicht angefasst werden wollte. Tanner schluckte bei dieser Abweisung und konzentrierte sich aufs Laufen. Nachdem sie das Auto erreicht hatten und eingestiegen waren, musste er es noch mal versuchen. Er hasste es, wenn sie stritten, was sie oft taten, seit Finley achtzehn geworden war.

»Baby, ich –«

»Komm mir nicht mit Baby! Fahr einfach«, sagte Finley mit zusammengebissenen Zähnen.

Tanner unterdrückte ein weiteres Seufzen und startete das Auto.

Auf der Fahrt zum Haus seiner Eltern kochte Finley stumm vor Wut auf dem Beifahrersitz. Er hatte es satt zu warten. Zwei Jahre wurde er jetzt schon von seinem Gefährten, den das Schicksal für ihn ausgesucht hatte, hingehalten. Zwei Jahre voller heftiger, sexueller Frustration – sich einen runterzuholen, brachte nur wenig Erleichterung –, in denen er wusste, wen er wollte, wen er haben sollte, aber nicht in der Lage war, ihn zu bekommen. Er würde mit niemand anderem vögeln, nicht wenn er einen Gefährten hatte – selbst wenn er diesen Mann nicht wirklich hatte –, aber er war es leid, ihn nicht zu haben, überhaupt nichts zu haben. Zwei Jahre, in denen er mit angesehen hatte, wie die Person, die dazu bestimmt war, sich nicht von ihm fernhalten zu können... sich von ihm fernhielt. Immer und immer wieder.

Er hielt sich an seiner Wut fest, solange er konnte. Alle anderen Gefühle würde er nicht zulassen, bis er in seinem Zimmer war, außer Sichtweite von seinen Eltern und seinen Schwestern, und Tanner wieder gefahren und weit genug weg war, damit sie nicht über ihr Band übertragen wurden.

Er hatte die eingeschränkte Reichweite immer bedauert, denn er liebte das Gefühl, eine Verbindung zu haben, wenn auch nur schwach. Doch jetzt war er froh darüber, denn er konnte Tanner nicht wissen lassen, wie sich all das anfühlte. Er konnte es nicht. Er konnte Tanner nicht sehen lassen, wie sehr es wehtat, immer und immer und immer wieder abgewiesen zu werden.

Er begann, daran zu zweifeln, dass Tanner ihn wirklich wollte. Er verstand nicht, warum Tanner nicht einsehen konnte, dass er all diese Erfahrungen machen und trotzdem mit seinem Gefährten zusammenleben konnte. Dass er sie ohne Tanner gar nicht machen wollte. Dass er mit Tanner zusammen sein wollte, wenn er seinen Abschluss machte, Tanners Stolz sehen wollte, weil er gut abgeschnitten hatte.

Er wusste, dass Tanner irgendwann Alpha wäre und damit für ihn als Gefährte des Alphas Verpflichtungen einhergingen. Doch Tanners Vater war nicht mal annähernd bereit zurückzutreten. Es kämen noch Jahre, bis das überhaupt ein Thema wäre. Da sie so langlebig waren, wurde Tanners Vater unter den Gestaltwandlern mit zweiundvierzig noch immer als jung angesehen. Sie hatten noch Zeit bis dahin.

Also konnte er nicht verstehen, warum. Tanners Ausreden waren genau das: Ausreden. Das Einzige, was Finley aus ihnen schlussfolgerte, war, dass Tanner ihn nicht wirklich wollte und nur noch nicht rausgefunden hatte, wie er es ihm sagen sollte.

Oh, er wusste, dass Tanner ihn körperlich wollte. Die paar Male, die er es geschafft hatte, Tanner zu küssen und mit ihm rumzumachen, hatte er Tanners Reaktion deutlich gespürt. So wie im Club. Tanner war gewöhnlich genauso hart wie er selbst. Doch mehr als einen beiderseitigen Handjob hatte er von ihm noch nicht bekommen können, geschweige denn mehr.

Er verstand es nicht. Er hatte verstanden, warum sie gewartet hatten, bis er achtzehn war, auch wenn es ihm nicht gefallen hatte. Es war unmöglich, dass sie in einem menschlichen Gefängnis landeten. Ihre Wölfe würden diese Art von Gefangenschaft nicht ertragen und wenn sie sich durch den Stress spontan verwandelten... nun, das würde einfach nicht funktionieren.

Also hatte er gewartet, denn er wusste, dass immer das Risiko bestand, dass jemand von seiner menschlichen Highschool die Behörden alarmieren könnte und selbst seine Eltern sie da nicht wieder rauskriegen könnten.

Doch das Warten brachte ihn um. Vor allem seit er sehr viel mehr investierte als seinen Schwanz. Er hatte sich längst in seinen Gefährten verliebt, längst sein Herz mit ins Spiel gebracht. Und zu wissen, dass die Liebe nicht erwidert wurde, fraß ihn auf.

Er hatte mit seinen kleinen Ausflügen in die Clubs kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag begonnen, nachdem Tanner neue Ausreden – College, Erfahrungen, der ganze Mist – vorgebracht hatte. Also hatte Finley beschlossen, die Dinge etwas voranzutreiben, Tanner etwas mehr zu provozieren. Er wollte sehen, ob er Tanner dazu bringen konnte, irgendetwas zu tun.

Doch bisher war alles, was er bekommen hatte, ein gelegentlicher Tanz wie heute Nacht, öfter jedoch genervte Blicke und viele Seufzer, während er am Haus seiner Eltern abgesetzt wurde und Tanner nach Hause fuhr. Allein.

Und Finley ging ins Bett, um sich einen runterzuholen. Schon wieder.

Er schien nicht mal irgendwas Besitzergreifendes aus Tanner kitzeln zu können.

Als er heute Nacht die Hand des blonden Typen gepackt hatte, war zum ersten Mal etwas in der Richtung passiert. Sonst schnappte Tanner ihn sich einfach und zerrte ihn aus dem Club.

Finley hatte es satt zu warten. Er hatte es satt, um diesen ganzen Mist herumzutanzen. Er hatte es satt, hingehalten zu werden. Er war achtzehn, hatte gerade mal den Schwanz eines anderen Mannes berührt, noch nie Sex gehabt – und er war es leid.

Die meisten ihrer Art lebten in diesem Alter mit ihren Gefährten zusammen. Er wusste, dass einige länger warteten, meistens weil sie aufs College gingen und solche Sachen. Und Finley wäre vielleicht auch glücklich zum College aufgebrochen und hätte noch vier Jahre gewartet – wenn er seinen vorbestimmten Gefährten nicht getroffen und sich so drängend zu ihm hingezogen gefühlt hätte.

Doch das tat er und es machte ihn verrückt. Es war Zeit, eine Entscheidung zu erzwingen. Wenn Tanner ihn nicht wollte, war es Zeit, jemanden zu finden, der es tat. Er wollte seinen vorbestimmten Gefährten. Er wollte den Mann, den er liebte. Aber er konnte und würde das Band trennen, das sie begonnen hatten, und eins mit jemand Neuem formen.

Mit jemandem, der ihn wollte.

Vielleicht war es Zeit für einen Tapetenwechsel. Niemand anderes in ihrem Rudel war schwul oder interessierte ihn. Tatsächlich waren die einzigen anderen beiden Teenager in seinem Alter in der Schule hirnlose Sportler gewesen und definitiv niemand, mit denen er rumhängen wollte. Seine Großeltern hatten angedeutet, dass sie es toll fänden, wenn er sie besuchen käme, und seine Großmutter – die diese Alterssache auch nicht nachvollziehen zu können schien – hatte ständig von dem neuen Welpen in ihrem Rudel erzählt, der schwul war.

Als Tanner vor dem Haus von Finleys Eltern hielt, konnte er sich nicht dazu durchringen, etwas zu sagen. Er stieg aus dem Wagen, warf die Tür hinter sich zu und ging, ohne zurückzusehen, ins Haus.

Er rief nach seiner Mutter, um sie wissen zu lassen, dass er zu Hause war, bevor er immer zwei Stufen auf einmal nach oben nahm. Als er in seinem Zimmer war, zog er sich bis auf die Boxershorts aus, rollte sich in seinem Bett ein und starrte an die Decke. Er lauschte dem Geräusch von Tanners Auto, das aus der Einfahrt fuhr, dann gab er nach und ließ sich von der Erinnerung ihres Kennenlernens durchfluten, wie so oft in letzter Zeit. Und sobald Tanner weit genug weg war, konnte er den Rest seiner Emotionen ebenfalls rauslassen.

Tanner beobachtete, wie Finley beinahe ins Haus seiner Eltern rannte, und seufzte. Er verstand nicht, warum Finley so verdammt ungeduldig war. Sicher, nach zwei Jahren, in denen er seine Hände von seinem Gefährten gelassen hatte, standen seine eigenen Eier kurz vorm Platzen. Doch Finley war es mehr als wert.

Der Mann war wunderschön, lustig und fantastisch. Mit ein wenig – okay, mehr als nur ein wenig – sexueller Frustration konnte er leben, wenn er dadurch sicherging, dass er mit diesem wunderschönen Mann nichts überstürzte. Wenn es bedeutete, dass Finley am Ende nicht das Gefühl hatte, einen Fehler begangen zu haben, indem er sich so jung an seinen Gefährten gebunden hatte, kam er auch mit einem Samenstau klar.

Manchmal wünschte Tanner sich, dass er Finley vor zwei Jahren nicht getroffen hätte.

Manchmal wünschte er sich, dass er Finley erst später getroffen hätte, sodass das hier überhaupt kein Problem wäre. So viel Glück hatte er jedoch nicht gehabt und er hatte Finley kennengelernt, als dieser noch nicht mal per Gesetz in ihrem Staat alt genug für Sex mit einem Erwachsenen gewesen war.

Tanner ließ seinen Kopf kurz auf das Lenkrad fallen, dann fuhr er aus der Einfahrt. Er musste rausfinden, wie er das mit Finley auf die Reihe bekam und wie er es schaffte, dass sie aufhörten, so viel zu streiten. Er hatte das Gefühl, dass er jedoch bis morgen warten musste. Er war schon müde und die Erinnerung daran, wie er Finley kennengelernt hatte, lag zu dicht unter der Oberfläche.

Kapitel 2

Zwei Jahre zuvor

»Tanner! Lass uns los! Wir müssen heute Abend noch ein paar Leute treffen!«, rief seine Mutter aus dem Erdgeschoss.

Sie brauchte nicht zu schreien. Tanners Gehör war sensibel genug, um eine normal sprechende Stimme wahrzunehmen. Daher wusste Tanner, dass sie nicht glücklich war. »Fahrt los, wenn ihr müsst. Ich kann selbst fahren!«

»Wir warten. Beeil dich einfach!«

Kopfschüttelnd fuhr Tanner fort, sich die Haare zu kämmen. Er wusste nicht, warum er sich die Mühe machte. Es würde sowieso durcheinandergeraten, sobald er sich verwandelte. Und es war ja nicht so, als würde er plötzlich ein heißes, schwules, neues Rudelmitglied treffen. Ja, er würde heute neue Mitglieder kennenlernen, doch die Wahrscheinlichkeit, dass sie schwul waren, war sehr gering.

Dennoch warf er den Kamm zur Seite und schnappte sich seine Zahnbürste. Er beeilte sich, dann ging er schließlich nach unten. »Bin da. Sorry«, sagte er kopfschüttelnd. Er musste bei seinen Eltern ausziehen und sich eine eigene Wohnung suchen, er hatte bisher nur noch keinen wirklich guten Grund dazu gefunden.

Sie stiegen in den Jeep seines Dads und Tanners Gedanken verloren sich im Design einer Webseite, als er herauszufinden versuchte, womit er seinem Kunden wohl helfen könnte. Tatsächlich war er so darauf konzentriert, dass er nicht mal mitbekommen hatte, wann sie auf die private Zufahrtsstraße zu ihrem Rudelgebiet eingebogen waren. Erst als sein Dad langsamer wurde, nahm er seine Umgebung wieder wahr.

Sobald sein Dad geparkt hatte, sprang er aus dem Auto und griff nach dem Saum seines Shirts, als seine Mutter eine Hand ausstreckte.

»Neue Rudelmitglieder, erinnerst du dich?«

»Oh, stimmt.«

»Ja. So offen wir auch sind, vielleicht wäre es nett, sie erst in menschlicher Gestalt und bekleidet kennenzulernen, hm?«

Tanner wurde rot, nickte jedoch. »Ja, tut mir leid.« Er sah sich auf der Lichtung um, erkannte aber alle Autos wieder, die gerade dort parkten.

»Suchen wir uns einen Platz, Liebling«, schlug seine Mom vor und sie gingen die kurze Strecke zu dem kleinen Platz auf der anderen Seite der Baumlinie. Er war so hergerichtet, dass er für jemanden, der zufällig darüber stolperte, wie ein Campingplatz aussah, damit sich niemand darüber wunderte. Für Lagerfeuer hatten sie einen großen Steinkreis in der Mitte gebaut. Auf der einen Seite standen drei Picknicktische – hauptsächlich für die anwesenden älteren Wölfe. Auf der anderen bildeten Baumstämme einen Halbkreis zum Sitzen am Lagerfeuer. Auf der anderen Seite der Lichtung war Platz für Stühle und genug freie Fläche für Decken und dergleichen.

Das Rudel versammelte sich hier den Sommer über gerne zu gesellschaftlichen Zwecken. Tatsächlich verbrachten sie hier gewöhnlich die menschlichen Feiertage – den Volkstrauertag, den 4. Juli und den Tag der Arbeit –, grillten, spielten Gesellschaftsspiele der Menschen und später, nach Einbruch der Dunkelheit, tollten sie als Wölfe herum. Es war der Hauptschauplatz für ihre religiösen Feste – wie das Fest für Diana oder den Tag zur Ehrung Romulus. Sie hatten auf der Lichtung mehr als eine Gefährtenvereinigung und sogar ein paar menschliche Hochzeiten gefeiert.

Es war Vollmond, also hatten sich bereits einige Rudelmitglieder um das Feuer versammelt, das jemand angezündet hatte. Ein paar der älteren Mitglieder saßen an einem Picknicktisch und Tanners Dad – Alpha Noah – war hinübergegangen, um sie zu begrüßen. Ein paar Wölfe an dem Tisch gehörten zum Ältestenrat seines Dads und würden auch in Tanners sein, wenn er das Rudel übernahm. Er hoffte jedoch, dass es bis dahin noch eine Weile dauerte. Er war noch nicht annähernd bereit für irgendwas in der Art.

Erst einmal wollte er einen Gefährten.

Er war sich nicht sicher, ob er einen bekommen würde. Er hatte noch nie von gleichgeschlechtlichen vorbestimmten Gefährten gehört. Auf einer Alpha-Konferenz hatte er ein paar gleichgeschlechtliche Paare in der Gestaltwandler-Gemeinschaft getroffen, doch sie hatten sich als Gefährten auserwählt. Aber nur, weil er noch nicht davon gehört hatte, hieß das nicht, dass es sie nicht gab. Das wusste er, er hatte nur noch seine Zweifel.

Er schüttelte den Gedanken ab und ging hinüber, um Dads Beta zu begrüßen.

»Hallo, mein Junge«, sagte Bob, während er ihm die Hand entgegenstreckte.

Tanner schüttelte sie. »Hi, Bob. Wie läuft es im Lokal?«

»So wie immer«, antwortete seine Frau für ihn. Sie lächelte und lehnte sich vor, um Tanner zu umarmen. »Du bist jetzt volljährig. Solltest dich öfter mal blicken lassen.«

Tanner lachte leise. »Dad würde mich umbringen, wenn ich dort zu viel Zeit verbringe. Ich soll mich konzentrieren.«

Bob schnaubte. »Das sage ich ihm das nächste Mal, wenn er vorbeikommt.«

»Erzählst du schon wieder Geschichten, Bob?«, fragte Tanners Dad, als er zu ihnen kam.

Tanner grinste zu seinem Dad hoch. »Ich darf also nicht ausgehen, aber du schon?«, fragte er amüsiert.

Sein Dad hob eine Augenbraue. »Ich bespreche dort lediglich Rudelgeschäfte.«

»Die Frage, wer zu den Steelers wechselt, betrifft nicht das Rudelgeschäft«, sagte Bob lachend.

»Du bist mein Beta. Du solltest mir den Rücken freihalten.«

Der durchdringende Alpha-Blick schien Bob nicht zu stören. Er schnaubte nur. »Hab nie versprochen, deinen Ruf zu beschützen. Nur deinen jämmerlichen, grauen Hintern.«

»Vielen Dank auch. Hey, Laura, hat Bob dir erzählt –«

»Okay, hey, ist das nicht die neue Familie?«

Tanner schnüffelte und bemerkte einen neuen Duft. Zusammen mit seinem Dad drehte er sich um, um die Neuankömmlinge in Augenschein zu nehmen, und der Duft, der ihn umfing, hätte ihn beinahe von den Füßen gefegt. Pinien, Wärme und Sonnenschein. Etwas Tieferes und Männliches war darin verwoben.

Gefährte.

Tanner blinzelte, als er den hochgewachsenen, jungen Kerl bei der neuen Familie sah. Er war genauso groß wie der ältere Mann bei ihm – wahrscheinlich sein Dad –, aber wo sein Dad braunes Haar hatte, war seins schwarz. Als sie näher kamen, sah Tanner die umwerfendsten leuchtend grünen Augen. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf dem jungen Gesicht aus, während er sich auf der Lichtung umsah.

Sein Dad sagte etwas, doch Tanner konnte sich nicht mal annähernd darauf konzentrieren. Der Mann vor ihm – der junge Mann vor ihm – war sein Gefährte. Sobald er noch einen Atemzug genommen hatte, wurde sein Schwanz schmerzhaft hart und gleich darauf wurde seine Sicht schwarz-weiß und seine Krallen und Fangzähne schossen hervor. Er musste seine gesamte Beherrschung aufbringen, damit er sich nicht in genau dieser Sekunde gänzlich verwandelte.

Mit bebenden Nasenflügen sah der Typ zu ihm rüber und starrte Tanner mit offenem Mund an. Er blinzelte. Auch seine Augen waren tiefschwarz und seine Zähne hervorgetreten. Tanner musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass der Mann hart war. Er konnte seine Erregung aus drei Metern Entfernung riechen.

Tanner fühlte, dass sich etwas zwischen ihnen bildete, das sie miteinander verband, und erkannte, dass es der Anfang des Bandes zwischen vorbestimmten Gefährten war.

»Du bist mein Gefährte«, sprudelte es aus Tanner heraus, dann errötete er sofort.

Der Typ sah ihn blinzelnd an, während sein Gesicht dunkler wurde. Mit der Schwarz-Weiß-Sicht konnte Tanner das Rot nicht sehen, doch er war sich ziemlich sicher, dass sein Gefährte rot wurde.

»Äh... hallo?«, sagte der Typ und schielte auf die beiden älteren Leute bei ihm.

Tanner fiel ein, dass sein Gefährte nicht alleine gekommen war. Seine eigenen Wangen wurden dunkler und es kostete ihn einige Mühe, seinen Wolf wieder zurückzudrängen. Er räusperte sich und bei den Gesichtsausdrücken der vier Elternteile wurde sein Gesicht noch wärmer. »Hi«, brachte Tanner schließlich hervor.

Alle, bis auf die zwei kleinen Mädchen bei ihnen, lachten.

»Mommy?«, sagte das kleinere. »Was ist so lustig?«

»Nichts, Beth. Das erzählen wir dir später.«

Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Das sagst du immer.« Sie verschränkte die Arme und sah zu ihrem Bruder auf. »Fin? Was ist so lustig?«

»Mom und Dad lachen über etwas, das mein... G-Gefährte gerade gesagt hat.«

Beths Augen wurden riesig. »Wer ist dein Gefährte?« Sie sah sich um, als würde sie jemanden vermissen.

Fin deutete auf Tanner. »Offensichtlich ist das mein Gefährte. Äh, Mom, Dad? Ich bin schwul.«

Tanners Kinnlade fiel nach unten, seine Augen wurden riesig, als er erkannte, dass er Fin gerade vor seinen Eltern geoutet hatte. »Oh, Sch‒ äh, Mist.« Tanner korrigierte sich, als sein Vater knurrte. »Das tut mir leid!«

Fins Vater lachte nur und winkte ab. »Finley, das haben wir seit Jahren gewusst.«

Er sah seinen Vater an. »Habt ihr?«

Seine Mutter antwortete: »Ja, Schatz. Du fandest Jungs immer süßer als Mädchen. Als du nicht aus der Mädchen-sind-doof-Phase rausgewachsen bist, war es uns irgendwie klar.« Sie kicherte, als Finley errötete, dann wandte sie sich zu Tanner um. »Nun, irgendetwas sagt mir, dass es kein Zufall war, dass du den Job hier bekommen hast, Liebling«, sagte sie und blickte ihren Gefährten an.

»Nein, ich glaube nicht. Ich bin der Vater deines Gefährten. Jacob Cooper«, sagte er und streckte ihm die Hand entgegen.

»Äh, Tanner Pearce. Ich bin der Sohn des Alphas. Schön, Sie kennenzulernen.«

»Ich habe mich schon gefragt, wann du deine Manieren wiederfindest«, grummelte sein Dad.

»Noah! Er hat gerade seinen Gefährten getroffen. Sei ein bisschen nachsichtiger mit dem Jungen!«, sagte seine Mom kopfschüttelnd. »Warum geht ihr zwei nicht und redet ein wenig, bevor der Mond aufgeht?«

»Danke, Mom«, murmelte Tanner, dann drehte er sich zu... seinem Gefährten um. »Hi, äh, willst du reden?«

Finley wandte sich an seine Eltern.

Mrs. Cooper scheuchte ihn mit einer Handbewegung fort. »Natürlich!«, sagte sie, bevor er etwas sagen konnte. »Geh! Ich bin so aufgeregt und freue mich für dich!« Sie umarmte ihn, dann schob sie ihn auf Tanner zu.

»Okay.« Er drehte sich um und lächelte Tanner ein bisschen schüchtern an. »Hi. Äh, das wäre schön.«

Tanner warf einen Blick auf seine Eltern, die ihn beide anstrahlten. Er drehte sich weg und zeigte auf einen Baumstamm etwas weiter entfernt von den anderen Rudelmitgliedern. Als sie sich setzten, brachte Tanner plötzlich keinen einzigen Ton mehr heraus. »Uh... hi.«

Das ließ Finley lächeln. »Selber hi, äh, Gefährte. Ich... habe nicht damit gerechnet, einen vorbestimmten Gefährten zu finden«, murmelte er.

Tanner schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht. Ich dachte, weil ich schwul bin...«

»Ja, ich auch. Wohl nicht, hm?«

Tanner lachte. »Ja, wohl nicht. Ähm... wie alt bist du denn, wenn ich fragen darf?«

Finley lachte leise. »Du bist mein Gefährte. Ich denke, du solltest alles über mich wissen.«

»Das ist wahr«, sagte Tanner und entspannte sich etwas. Nun, zumindest bis auf seinen Schwanz, der noch immer hart war, weil Tanner seinen Gefährten roch.

»Ich bin sechzehn«, sagte er und legte den Kopf schief. »Du siehst ein bisschen älter aus.«

Tanner machte ein gespielt finsteres Gesicht. »So alt bin ich auch wieder nicht. Zweiundzwanzig.«

Finley schüttelte den Kopf. »Definitiv nicht alt. Zu heiß, um alt zu sein.«

Tanners Gesicht wurde warm. »Äh... danke. Freut mich, dass mein Gefährte mich heiß findet.«

Er ließ seinen Blick über Finleys Körper gleiten. Jung, ja, doch er hatte bereits ein paar Muskeln und wenn die Beule in seiner Jeans ein Indiz war, war er auch gut ausgestattet. Er riss seinen Blick los und sah hinauf in Finleys amüsiertes Gesicht.

»Gefällt dir, was du siehst?«

Tanner hörte das leichte Zittern in der Frage, streckte den Arm aus und ließ seine Finger über Finleys Wange gleiten. »Sehr. Ich glaube, ich hab im Gefährten-Lotto gewonnen.«

Das Lächeln auf Finleys Gesicht war blendend. »Da muss ich widersprechen. Ich hab gewonnen.«

Tanner grinste. »Das müssen wir vielleicht irgendwann mal ausdiskutieren.«

»Vielleicht.« Er sah zum Himmel hinauf. »Ich glaube nicht, dass wir jetzt Zeit dafür haben.«

»Möchtest du heute Nacht mit mir zusammen laufen?«

Finley nickte. »Sehr gerne.«

»Ich auch. Sieht so aus, als müssten wir später weiterreden.« Tanner sah hinauf und dann zurück zu Finley. »Darf ich dich noch schnell küssen, bevor wir uns verwandeln?«

»Das würde mir sogar noch besser gefallen«, flüsterte Finley.

Tanner lehnte sich vor und fing Finleys Mund mit seinem ein. Die Verbindung, die er vorher gespürt hatte, schien sich zu verstärken und zog sie sogar enger zusammen. Ohne es zu bemerken, zog Tanner Finley in seine Arme und ließ seine Zunge über Finleys Unterlippe gleiten. Finley öffnete sich für ihn und mit einem leisen Stöhnen schob er seine Zunge in die Wärme von Finleys Mund.

Finley schmeckte wundervoll. Es lag etwas Süßes, geradezu Dekadentes darin, wie er schmeckte. Tanner hatte das Gefühl, dass er diesen Geschmacks niemals müde werden würde, selbst wenn er tausend Jahre alt werden würde – nicht, dass sie so lange leben konnten. Er erforschte Finleys Mund, genoss das Gefühl, wie sein Gefährte seinen Kuss erwiderte, und wurde von Finleys leisem Stöhnen mitgerissen.

Als er es endlich schaffte, zur Besinnung zu kommen und sich zurückzuziehen, bemerkte er, dass seine Sicht wieder grau geworden war. Er musste einen Weg finden, sich zu beruhigen. So erregend es auch war, seinen Gefährten gefunden zu haben – seinen vorbestimmten Gefährten –, er musste langsamer machen. Er konnte Finley nicht einfach packen, sie beide ausziehen und ihn dann an Ort und Stelle nehmen. Aus vielen Gründen, aber nicht zuletzt, weil sie sich vor gerade mal fünf Minuten kennengelernt hatten.

Dennoch ließ er seine Fingerknöchel über Finleys Wange gleiten und lächelte, als er sah, dass Finleys Augen noch immer geschlossenen waren.

»Das war etwa eintausendmal besser, als ich mir je vorgestellt hatte.«

»Hm?«, fragte Tanner.

Finley öffnete die Augen. »Mein erster Kuss.«

Tanners Augen weiteten sich. »Dein... erster?«

Finley lächelte und nickte. »Ja. Ich bin ziemlich glücklich, dass ich meinen ersten Kuss mit meinem vorbestimmten Gefährten hatte.«

Tanner runzelte die Stirn, als ihm klar wurde, dass er das seinem Gefährten nicht geben konnte, doch Finley legte eine Hand auf Tanners Wange, wodurch er seine Aufmerksamkeit zurückbekam. »Mir ist durchaus bewusst, dass du zu alt bist, um noch ungeküsst zu sein.« Er lachte leise und Tanner lächelte bereits wieder. »Das ist schon in Ordnung.«

»Ich fürchte, Jungfrau bin ich auch nicht mehr«, platzte er heraus. Er musste wirklich damit aufhören, vor allem vor seinem Gefährten.

»Auch das würde ich nicht erwarten, nicht in deinem Alter.« Finley lächelte wieder. »Wirklich, das macht mir nichts aus. Aber jetzt bist du mein.« Das Lächeln wandelte sich in ein Grinsen, in dem nur ein klein wenig Anzüglichkeit lag.

Tanner lachte. »Ja, das stimmt. Hast du es gespürt?«

»Die Verbindung? Unser Band?«, fragte Finley und Tanner nickte. »Ja. Gleich nachdem ich dich gesehen habe.«

»Wenn ich nicht gewusst hätte, was es war, wäre es etwas unheimlich gewesen«, sagte Tanner leise lachend.

»Ohne Zweifel«, stimmte Finley zu. »Also, zeigst du mir heute Nacht das Rudelgebiet?«

»Sehr gerne. Ich kenne da einen tollen Platz, von dem aus man alles überblicken kann.«

Finley lächelte. »Den würde ich gerne sehen.« Er hielt inne und schüttelte sich etwas. »Es ist so weit. Ich zieh mich lieber aus, bevor ich meine Klamotten zerreiße.«

Tanner schluckte. »Ich, äh, glaube, ich sollte mich lieber umdrehen.«

Finley hob eine Augenbraue. »Warum?«

Tanner räusperte sich und entschied, ganz und gar ehrlich zu sein. »Mein Schwanz ist bereits so hart, dass ich damit Nägel einschlagen könnte.«

Finley brach in Gelächter aus. »Das ist unbequem, ja«, stimmte er zu. Er stand auf und Tanner konnte das, was er in Finleys Jeans sah, nicht missverstehen. »Ich versteh das.«

Tanner grinste. »Das kann ich sehen.« Er erhob sich ebenfalls und hauchte einen sanften Kuss auf Finleys Lippen. »Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe«, flüsterte er.

»Ich auch«, antwortete Finley, dann gab er ihm ebenfalls einen Kuss. Er kickte sich die Schuhe von den Füßen und Tanner tat dasselbe. Er sah Finley zu, wie er sein T-Shirt auszog, und erhielt einen guten Blick auf die Brust seines Gefährten.

Finley hatte noch die flache Brust eines Teenagers, doch Tanner konnte bereits Andeutungen ausgebildeter Brust- und Bauchmuskeln sehen. Er zwang sich, sein eigenes Shirt auszuziehen, und ließ Finley ebenfalls schauen. Finley starrte ihn mit leicht geöffnetem Mund an.

»Also?«, fragte er, als Finley nichts sagte.

»Äh, tut mir leid, zu sehr mit Sabbern beschäftigt.«

Überrascht lachte Tanner auf und konnte ein Grinsen nicht verbergen. »Na ja, ich nehme das als Kompliment, aber...« Er hielt inne, als er spürte, wie der Wolf in seinem Inneren vehement drängte. »Zeit zu gehen«, sagte er und drehte Fin schnell den Rücken zu. Er schaffte es, Jeans und Unterwäsche abzustreifen, bevor der Mond ihn durch die Verwandlung zwang.

Tanners Augen verwandelten sich immer zuerst und die grünen Bäume wurden grau. Seine Zähne verlängerten sich und als Nächstes kamen die Klauen. Er hatte die Fähigkeit, es wenn nötig dabei zu belassen, sollte er kämpfen müssen. Er hatte sie einmal unten in Pittsburgh eingesetzt, um von einem Arschloch wegzukommen, das ein Nein als Antwort nicht akzeptiert hatte. Generell jedoch riskierte er es nicht, sich in Gegenwart von Menschen zu verwandeln.

Diesmal stoppte er den Prozess nicht – könnte es bei Vollmond sowieso nicht – und nicht mehr als zehn Sekunden später hatten sich Knochen neu geordnet, Muskeln verschoben und war Fell gewachsen, sodass er nun auf vier Beinen stand. Er schüttelte sich ausgiebig, dankbar, dass die Verwandlung so normal wie das Atmen war.

Reumütig bemerkte er, dass sein lächerlicher Ständer sogar mit in die Wolfsform übergegangen war. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann das zuletzt passiert war. Er schüttelte sich wieder – ein bisschen stärker, als eigentlich nötig gewesen wäre – und wandte sich um.

Was ihm entgegenblickte, war der wunderschönste, fast gänzlich schwarze Wolf, den er jemals gesehen hatte. Tanner war bewusst, dass es zum Teil daran lag, dass Finley sein Gefährte war, doch Finleys Wolf war ebenso wunderschön wie seine menschliche Seite. Er war ganz schlank und glänzte seidig, und Tanner würde alles, was er hatte, darauf verwetten, dass verborgene Kraft und Stärke in dem Wolf vor ihm steckte.

Finley legte den Kopf zur Seite und Tanner fiel auf, dass er starrte. Er schüttelte sich wieder, bevor er näher an seinen Gefährten herantrat. Er leckte Finley einmal über das ganze Gesicht, dann rannte er los.

Tanner hörte ein Bellen und kurz danach hatte Finley ihn eingeholt. Wenn er ein Mensch gewesen wäre, hätte er gelacht, als er ein Knabbern an seinem Bein spürte. Stattdessen schnaufte er und erhöhte das Tempo.

Er war begeistert, dass Finley mit ihm mithielt. Er nahm seinen Gefährten mit über ihr gesamtes Gebiet. Er zeigte Finley die verschiedenen Flüsse und Seen, wies ihn – so gut er es in Wolfsgestalt konnte – auf die Straßen hin und nahm ihn mit zu seinem Lieblingsausguck. Sie verbrachten einige Zeit unter dem Sternenhimmel und genossen den tollen Ausblick.

Später erlegten sie einen Bock. Tanner liebte es, wie gut sie zusammenarbeiteten, selbst ohne die Telepathie, derer sie fähig sein würden, sobald sie sich vereinigt hatten. Nachdem sie gefressen hatten, fanden sie einen weiteren Bach und spielten eine Weile im Wasser.

Als sie dazu keine Lust mehr hatten, nahm Tanner Finley mit zu einer seiner Lieblingslichtungen. Dort spielten sie Fangen und er musste sich nicht mal freiwillig zu Boden werfen lassen. Finley schaffte das sehr gut ohne seine Hilfe. Sie kugelten herum, grollten und zwickten und bissen sich, bevor sie schließlich aus purer Erschöpfung aufhörten.