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Richard Frey erbt von seinem Vater ein riesiges Vermögen, sieht aber keinen Sinn darin, dieses weiter zu vermehren und ein Leben im Luxus zu führen. Gemeinsam mit einem Professor nutzt er das Geld, um eine Kulturorganisation aufzubauen, deren Zweck darin besteht, aus der großen Zahl von Menschen besonders befähigte Kulturpersönlichkeiten auszuwählen, die sich aus innerer Überzeugung und mit ganzer Kraft für das Wohl der Allgemeinheit einsetzen. Was anfangs belächelt wird, entwickelt eine Dynamik, der sich am Ende selbst Kaiser, Könige und Staatspräsidenten nicht entziehen können — mit der Folge, dass ein drohender Weltkrieg abgewendet wird. Die Geschichte, die im Europa des beginnenden 20. Jahrhunderts spielt, wird ausschließlich in Form von Zeitungsartikeln erzählt. Dadurch vergisst man beim Lesen zuweilen, dass es sich um Fiktion handelt, und nicht um wirkliche Ereignisse. Die detaillierten Schilderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeigen, wie eine klug durchdachte Organisationsstruktur dazu führt, dass sich die Menschen wieder auf eine Kultur des Miteinanders besinnen und den Krieg als Inbegriff der Unkultur überwinden.
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Seitenzahl: 427
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Heinrich Nienkamp
Fürsten ohne Krone
Fast ein Roman
Hinweise zu dieser Neuausgabe
Während der Zeit, in der die Geschichte entstanden ist, gab es in Deutschland Zeitungen mit ausgesprochen antisemitischer Haltung, und in diesem Roman werden auch aus solchen Zeitungen (erdachte) Zitate wiedergegeben. Es sei betont, dass der Verfasser ein strenger Gegner von Rassismus und Antisemitismus war und diese Zitate lediglich als Stilmittel benutzt hat. Wie aus diesem und anderen seiner Werke hervorgeht, hat er sich dafür eingesetzt, eine Verständigung der Menschen über alle ethnischen, religiösen und nationalen Grenzen hinwegzu ermöglichen.
Der Text dieser Neuausgabe entspricht dem der Auflage 7.–9. Tausend, die 1918 bei Vita Deutsches Verlagshaus, Berlin, erschienen ist. Die Rechtschreibung wurde an die heutigen Regeln angepasst; Textstellen, die im Original gesperrt waren, sind in Kursivschrift gesetzt; die Schreibweise des Namens „Fry“ wurde, entsprechend später geäußerten Wünschen des Verfassers,in „Frey“ geändert.
Copyright
© 2025 by Martin Wandelt
www.martins-buecher.de
Nachwort des Verfassers
Dieses Buch war in Druck gegeben und sollte gerade erscheinen, als der Krieg1 ausbrach. Der Verlag hielt es zurück, weil er fürchtete, dass es in der allgemeinen Aufregung unbeachtet bleiben würde. Der Krieg brachte ja eine so große Umwälzung in das Leben und die Anschauungen der Menschen, dass die Fantasien eines Kulturträumers schlecht zu der blutigen Wirklichkeit zu passen schienen.
Aber wenn irgendetwas so hat der Krieg den Gedanken dieses Buches recht gegeben, und ihre Verwirklichung, die erst für eine spätere Zeit geträumt war, kann durch den Krieg in ungeahnter Weise beschleunigt werden.
Ich hatte, wie viele andere, nicht geglaubt, dass die Kulturvölker Europas es zu einem Weltkriege kommen lassen würden, weil ja seine ungeheuren Opfer an Gut und Blut vorauszusehen waren, und weil keine der großen Mächte so von einer anderen in ihren Lebensinteressen bedroht war, dass sie notwendigerweise zum Kriege schreiten musste, dass nicht die vorhandenen Gegensätze durch eine friedliche Verständigung hätten ausgeglichen werden können. Frankreich konnte auch ohne Elsass-Lothringen glücklich sein. Es hätte sich und der Welt das namenlose Elend dieses Krieges ersparen können, wenn es nicht die kulturwidrige Revanche-Idee zum Leitstern seiner Politik gemacht hätte. Ohne diese Politik, an der keineswegs die große Mehrheit des französischen Volkes ein Interesse hatte, hätte Frankreich mit Deutschland verbündet sein können, und es ist schwer anzunehmen, dass dann Russland in Feindschaft mit Deutschland gekommen wäre und dass England den Weltbrand hätte entfachen können. Deutschland bedrohte weder Frankreich noch Russland, und ohne diese beiden Reiche, oder gar wenn sie mit Deutschland einig gewesen wären, hätte England nichts gegen Deutschland wagen können. Jeder vernünftige Mensch musste sich sagen, dass bei der heutigen Technik, der Entwicklung des Verkehrs und den Riesenmassen der Heere ein europäischer Krieg zu einem durch nichts zu rechtfertigenden Wahnsinn werden würde und dass unbedingt jeder Zusammenstoß zweier Völker bei der vorhandenen Gruppierung der Mächte zu einem allgemeinen Kriege führen müsste. Und jeder Kenner des Volkslebens wusste ferner, dass überall die große Mehrheit der Völker den Frieden wollte, dass überall nur eine verschwindende Minderheit eigensüchtiger Menschen ein Interesse am Kriege haben konnte. Die einzige Gefahr bestand in den fortgesetzt gesteigerten Rüstungen, die für die Masse der Völker von gegenseitiger Furcht betrieben wurde; wenigstens wurde diese Furcht von den wenigen treibenden Mächten, die planmäßig auf einen Krieg hinarbeiteten, zum Vorwand genommen und durch eine verderbte Presse lebendig erhalten, durch falsche Darstellung von den Absichten der Gegner genährt.
Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder wurde weiter und weiter gerüstet, bis die Spannung zu einer gewaltsamen Entladung kam, vielleicht zu einem Zeitpunkte, der selbst denen nicht passte, die den Krieg wünschten, – oder man sah ein, dass die Rüstungen nicht so weiter gehen konnten, ohne das ganze Kulturleben in unerträglicher Weise leiden zu lassen, und bemühte sich, durch eine Verständigung unter den Hauptmächten einem Zustande ein Ende zu machen, der nicht nur die Menschenwürde zweitausend Jahre nach Christus auf das tiefste beleidigte, sondern bei weiterer Dauer auf jeden Fall zu dem entsetzlichsten Unglück führen musste, das die Weltgeschichte zu verzeichnen hätte.
Gab es so wenige vernünftige Menschen auf Erden, dass man erst das Unglück hereinbrechen lassen wollte, um dann auf Besserung zu sinnen, statt dafür zu sorgen, dass das Unglück von vornherein verhindert würde? Als der Krieg da war, da ertönte in allen Ländern der Ruf, dass alle Kräfte daran gesetzt werden müssten, dass ein solches Kulturverbrechen sich nicht wiederholen könne, dass dieser Krieg der letzte zwischen den großen Völkern Europas sein müsse! Musste man wirklich das Unglück erst erleben, um es als Unglück, ja Verbrechen zu erkennen?
Nein, es gab schon genug vernünftige Menschen, die sich sagten, man müsse und könne dem Übel vorbeugen und brauche nicht erst durch Schaden klug zu werden. Es gab ihrer bei allen Völkern eine größere Anzahl als von denen, die aus Eigennutz oder Verblendung den Krieg wünschten. Aber sie waren überall machtlos, weil es an einer Organisation fehlte, die sie zu starker Einheit zusammenfasste, weil das Geld, die stärkste Macht der Welt, nicht einer solchen Organisation zur Verfügung stand, sondern einer kleinen Minderheit von Männern, die durch den Zufall der heutigen Machtverteilung zu dem Einfluss gekommen waren, den sie, unterstützt durch eine feile Presse, zum Unglück der Menschheit geltend machen konnten.
Auf den Unsinn und die Gefahren dieser Machtverteilung hinzuweisen, zu zeigen, wie es möglich ist, dem Zufall die Giftzähne auszubrechen, den kulturlosen Menschen das ihnen durch das Geld gewährte Übergewicht zu nehmen und die wertvollen Menschen an die ihnen gebührenden Stellen des Lebens zu bringen, war der Zweck meines Buches. Vielleicht war es in zwölfter Stunde noch möglich, soviel Vernunft zusammenzufassen, um den drohenden Krieg zu vermeiden und die Völker frei zu machen für den Ausbau der Kultur, nach der die besten Geister der Menschheit sich sehnen. Es war zu spät.
Dennoch hält der Verlag mit mir gerade jetzt die richtige Stunde für gekommen, die Gedanken dieses Buches hinausgehen zu lassen, nicht wie es vor dem Kriege hätte scheinen können, als der Verwirklichung fernstehende Träume, sondern als ernst gemeinte Richtlinien für das uns fehlende, dringend nötige Kulturreich. Wäre das Buch nach Kriegsausbruch entstanden, so wäre freilich die Form anders geworden aber der einsichtige und nachdenkende Leser wird auch in der vorliegenden Form erkennen, worauf es ankommt. Und er wird in den Lehren dieses Krieges die kräftigsten Beweise für die Richtigkeit aller Grundgedanken des Buches finden. Ja, der Krieg hat manche der aufgestellten Forderungen, an die man früher kaum gedacht hat, geschweige, dass man sich ernstlich damit beschäftigt hätte, nicht nur dem allgemeinen Verständnis näher gebracht, sondern auch als Notwendigkeiten erwiesen, die früher oder später verwirklicht werden müssen, um die Menschheit von der herrschenden Unkultur zu befreien und ihr den Aufstieg zu höheren Stufen des Lebens zu ermöglichen.
Der Krieg hat noch weit greifbarer, als in meinem Buche angedeutet, die unheilvolle Macht des Geldes und die schmähliche Vergewaltigung der Kulturmenschheit durch eine kulturlose Minderheit aufgedeckt und hat den Kern meiner Gedanken auch dem blödesten Auge sichtbar gemacht: die Notwendigkeit einer höheren Organisation auf staatlichem wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete. Wer meine Kulturorganisation für durchführbar hält, muss zugeben, dass der Krieg nicht möglich gewesen wäre, wenn diese Organisation schon bestanden hätte. Und was hätten wir während des Krieges alles erspart, wenn wir auch nur eine ähnliche Einrichtung wie die „Ligilo“ gehabt hätten! All das Improvisieren der verschiedenen Kriegsorganisationen, all die Mangelhaftigkeiten und Ungleichheiten in der wirtschaftlichen Versorgung unseres Volkes mit der ungerechtfertigten Not auf der einen Seite und den ungebührlichen Gewinnen auf der anderen Seite, die unzähligen Fälle des Kriegswuchers in seiner verschiedensten. Gestalt, wären zu vermeiden gewesen. Wir hätten den wirtschaftlichen Generalstab gehabt, dessen Fehlen man erst nach Kriegsausbruch bedauerte. Immer als es zu spät war, hat man eingesehen, woran es gefehlt hat, und Vorschläge gemacht, die – für den nächsten Krieg bessere Vorsorge treffen sollten. Das Geld, das auf diese Weise der Staat verloren hat, und das nicht gerade den besten Menschen zugeflossen ist, übersteigt weit das Kapital, das zur Gründung einer „Ligilo“ erforderlich ist, und würde dauernd reiche Früchte tragen.
Sogar anscheinende Kleinigkeiten, die ich in meinem Kulturreiche geschildert habe, hat die Kriegsnot verwirklicht, wie z. B. den Pranger, an den durch öffentliche Namensnennung Leute gestellt wurden, die sich unwürdig benommen hatten. Und so wird der Leser sich an vielen Punkten sagen: Ja, hätten wir das vor dem Kriege gehabt!
Schließlich, und das ist nicht das Unwichtigste, hat der Krieg uns daran gewöhnt, mit riesigen Geldsummen zu rechnen; die Milliarde ist zu einer geläufigen Einheit geworden wie früher die Million. Freunde, die mein Buch früher gelesen hatten, sagten mir, es wäre alles sehr schön und gut, wenn man nur wüsste, woher das Geld kommen sollte, das, ich für die Gründung meines Kulturreiches brauchte. Und doch waren es nur ein paar lumpige Milliarden, die ich Richard Frey stiften ließ. In der Dichtung musste ich noch dazu aus dem Vollen schöpfen, um die Entwicklung sich in einem nicht zu langen Zeitraum vollenden zu lassen. Aber was ist das ganze Vermögen Freys im Verhältnis zu der Unsumme von Milliarden, die dieser Krieg allein durch die unmittelbaren Kriegskosten verschlingt, zu schweigen von den unschätzbaren Verlusten an unersetzlichen Menschenleben und Gütern aller Art! Was ein einziger Kriegstag der Menschheit raubt, sowohl an vorhandenen Werten als an solchen, die geschaffen werden könnten, würde mehr als genügen, um die Anfänge des Kulturreiches so auszubauen, dass es sich aus sich selber dauernd weiter entwickeln könnte.
Und wie ich klar genug, glaube ich, nachgewiesen habe, ist außer dem Willen zur Kultur nichts anderes nötig als Geld und allein Geld, um die notwendige Organisation zu schaffen. Das unterscheidet mein Buch von jeder Utopie. Das Ziel der Utopisten ist mehr oder minder dasselbe wie mein Kulturreich, so mannigfach die Wege dahin auch gezeichnet waren. Aber keiner war bisher gangbar. Nur ein Weg, der von der Grundlage unserer wirtschaftlichen Verhältnisse ausgeht, und nur von dieser, kann zum Ziele führen. Eine Utopie wäre es, wenn mein Kulturreich irgendwelche Voraussetzungen hätte, die nicht in der Natur der Menschen lägen, wenn ich die Menschen ändern wollte, für ihre Handlungen Beweggründe verlangte, die zwar bei einzelnen hin und wieder vorkommen, aber nie als Stützen gesellschaftlicher Einrichtungen dienen können. Für diese bleiben Hunger, Liebe und Eitelkeit maßgebend. Und wenn die richtigen Auswahlvorrichtungen getroffen sind, um die wertvollen Menschen aus der Masse heraus an Stellen zu bringen, in denen sie ihrer Persönlichkeit gemäß leben und wirken können, – für jeden das höchste Ziel auf Erden! – so besteht keine Gefahr, dass die Kulturgeister sich von den kulturlosen Mächten unterdrücken lassen. Es kommt nur auf die Organisation an, die sie frei und unabhängig macht und zu einer kraftvollen Einheit zusammenfasst. Da sollte es doch wohl möglich sein, die Kosten eines Kriegstages aufzubringen, um sich endlich einmal auf die Kultur zu besinnen und ihr die Herrschaft auf Erden zu erobern, damit sich die Menschheit von den entsetzlichen Wunden dieses Krieges erholen kann und vor der Wiederkehr eines ähnlichen Unglückes gesichert ist. Spielen doch für die Fortsetzung des Krieges um einen Tag – und um viel längere Zeit – bei keinem Volke die Kosten eine Rolle.
Ob ein Richard Frey erstehen wird, ist sehr zweifelhaft; jedenfalls haben wir keine Zeit, auf ihn zu warten. Der Krieg hat auch die Bande der internationalen Kultur so gelöst, dass kaum damit gerechnet werden kann, dass das Kulturreich gleich auf internationaler Grundlage errichtet werden könne. Jedes Volk wird bei sich selber anfangen müssen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass das Volk, das am frühesten damit beginnt, den größten Vorteil über die andern damit gewinnen wird. Das hat die hohe Überlegenheit Deutschlands über jedes einzelne der feindlichen Länder, ja sogar über ihre Vereinigung bewiesen, die sich als Folge seiner höheren Kultur und seiner Organisationsfähigkeit in diesem Kriege offenbart hat. Deutschland muss auch hier in der Welt vorangehen, die anderen Völker werden folgen. Neue Fäden werden sich von Volk zu Volk knüpfen, bis in Europa die über den einzelnen Staaten stehende Kultureinheit entstanden ist, zu der sich schon vor dem Kriege auf manchem Gebiete die Keime regten. Vielleicht sind diese Keime durch den Krieg nur wie durch einen furchtbaren Schneesturm verschüttet worden, und wenn der Frühling des Friedens kommt, sprießen sie mit verstärkter Lebenskraft weiter, und neue kommen hinzu, wenn die Menschen, durch die Not belehrt, sich auf ihre Würde und Vernunft besinnen.
Wenn sich in Deutschland nicht genug wohlhabende Menschen finden, die das Geld für die Anfänge der Kulturorganisation zusammenlegen, so muss danach gestrebt werden, dass das Reich durch eine Kultursteuer die Mittel aufbringt, etwa in der Weise, wie ich den Gang der Entwicklung in Amerika angedeutet habe. Ja, sie können sogar ohne jede Steuer, wenigstens für den Anfang, aufgebracht werden, wenn man sich dazu entschließt, dem Vorschlage zu folgen, den ich in meiner kleinen, im September 1914 erschienenen Schrift „Die Reichs-Aktien-Gesellschaft“ (Verlag Vita)2 gemacht habe, um eine Milliarde Mark oder noch mehr für die deutsche Wohlfahrtspflege nutzbar zu machen. Diese Schrift ist in mancher Beziehung eine wirtschaftliche Ergänzung zu den „Fürsten ohne Krone“.
Über die zweckmäßigste Form der Kulturorganisation in ihren Anfängen wird sich streiten lassen; es wäre aber von großem Schaden, wenn man erst jahrelang nach der besten Form suchen wollte. Das Wichtigste ist, irgendwie anzufangen. Ist überhaupt eine Organisation geschaffen, die wertvolle Kräfte freimacht und zusammenfasst, so kann man es diesen überlassen, für die Weiterentwicklung zu sorgen. Die Verbesserungen ergeben sich aus dem Leben selbst auf die beste Weise, wenn nur jeder tüchtige Mensch mit Kulturgewissen Anschluss an die Organisation hat und den freien Weg zu dem Aufstieg, der seinen Fähigkeiten entspricht.
Wie uns der Krieg viele schmutzige Kanäle gezeigt hat, durch die das Geld seinen die Herzen der Völker vergiftenden Weg genommen hat, so hat er uns die furchtbare Macht der Presse in früher nicht geahnter Weise enthüllt. Als sich mein Verleger zur Übernahme des Verlages dieses Werkes entschlossen hatte, schrieb er mir, das Buch werde viele Widerstände finden, weil die Presse in ihm nicht besonders gut wegkomme. Ich habe manches Übel in der Presse beobachtet und weiß, dass in den Fällen, wo Kultur und reines Erwerbsinteresse oder einseitige Parteianschauungen zusammenstoßen, immer die Kultur der leidende Teil ist. Aber ebenso weiß ich, dass jede Verallgemeinerung vom Übel ist, und mit der Freude an allen Vorzügen des Deutschtums, die sich in diesem Kriege offenbart haben, habe ich wahrgenommen, wie hoch gerade die deutsche Presse die der uns feindlichen Länder überragt hat. Möge sie auch die Führung für die Verwirklichung des Kulturreiches übernehmen und damit beweisen, dass sie besser ist, als ich die Mehrzahl der Zeitungen gezeichnet habe, die die Helden meiner Dichtung sind.
Anfang 1916
Heinrich Nienkamp
1 [Anm. d. Hrsg.] Gemeint ist der Erste Weltkrieg, der im Sommer 1914 begann.
2 [Anm. d. Hrsg.] Nienkamp hat seine Gedanken zur Organisation der Wirtschaft später noch weiter ausgearbeitet und in dem Buch „Wohlstand für Alle!“ veröffentlicht.
Herrn Andrew Carnegie
Berlin, Pfingsten 1914
Sehr geehrter Herr Carnegie3,
als ich vor einer Reihe von Jahren einige Wanderungen im Innern Afrikas machte, hatte ich auf langen, einsamen Ritten und in den stillen Abendstunden vor meinem Zelte Muße, alte Gedanken, die mich schon in früher Jugend beschäftigt hatten, weiterzudenken, bis sie mir so klar waren wie die Sterne, die über der weiten Steppe leuchteten, und ich bedauerte, dass ich nicht das Vermögen eines Carnegie oder Rockefeller4 hatte.
Als ich nach Europa zurückkehrte und zum ersten Male wieder die Eisenbahn bestieg, fand ich auf meinem Platze ein französisches Zeitungsblatt. Mein Blick fiel auf Ihren Namen, und ich las, dass Sie vor längerer Zeit die Bitte veröffentlicht hätten, man möge Ihnen Vorschläge machen, wie Sie Ihr Vermögen am fruchtbarsten für die Kultur verwenden könnten. Darauf wären Ihnen so und so viele Zuschriften zugegangen, die das und das empfohlen hätten. Ich fand nichts, was mit meinen Gedanken auch nur entfernte Ähnlichkeit gehabt hätte, und verstand sehr wohl, dass keiner der Vorschläge Ihren Beifall gefunden hätte.
Ein merkwürdiger Zufall, dachte ich, der mich wieder an Sie verwies, und schrieb Ihnen davon nach Schottland mit der Bitte, Sie ein Stündchen sprechen zu dürfen, ich hätte in nächster Zeit in England zu tun und würde Sie gerne aufsuchen. Ich käme nicht als Bittsteller, weder für mich – dafür bürge Ihnen meine Stellung – noch für andere; ich wollte Ihnen nur einige Gedanken vortragen, die ich in einem Briefe nicht erschöpfen könnte, er müsste denn ein Buch werden, und ich wäre glücklich, wenn ich es nicht zu schreiben brauchte.
Sie haben mir nicht geantwortet. Wäre das in dem Reiche Richard Freys möglich gewesen?
Und weil wir einen Richard Frey nötig haben, deshalb muss das Buch hinausgehen, ihn zu erwecken. Kommen wird er, weil er kommen muss, tausend Zeichen künden ihn an. Verlangt es Sie nicht selbst nach seinem Ruhm, wollen Sie dann nicht wenigstens sein Johannes sein?
Möglich, dass Ihnen mein voriger Brief nicht zu Händen gekommen ist: Ihr Sekretär hat ihn vielleicht beiseite gelegt; ich hoffe, dass dieser Brief Ihnen nicht entgehen wird.
Ich verbleibe in verehrungsvoller Ergebenheit
Ihr
Heinrich Nienkamp
3 [Anm. d. Hrsg.] Andrew Carnegie (1835–1919) war ein US-amerikanischer Stahlindustrieller, der als der reichste Mann seiner Zeit galt.
4 [Anm. d. Hrsg.] John Davison Rockefeller Sr. (1839–1937) war ein US-amerikanischer Ölmagnat, der als der reichste Mensch der Neuzeit gilt.
Vorwort des Herausgebers
Mein Vater, der das Wirken Richard Freys von seinen Anfängen an mit verständnisvollem Vertrauen auf seine Ziele verfolgt hat, legte sich eine Sammlung von Zeitungsausschnitten an, um ein Bild von dem Kampfe der Meinungen zu behalten und einen Überblick über die einzelnen Stufen der Entwicklung. Er hoffte, damit Bausteine für eine Geschichte der Begründung des Kulturreiches zu sammeln, die ich schreiben sollte, falls er nicht dazu käme. Bei einem Umzug ist ihm ein Teil seiner Sammlung bis zur Unkenntlichkeit beschädigt worden. Trotzdem ordnete er den verbliebenen Stoff und begann, ihn geschichtlich zu verarbeiten; aber der Tod nahm ihm bald die Feder aus der Hand. Seinen Wunsch, ich möchte das eben begonnene Werk vollenden, kann ich leider nicht erfüllen, da mir die Begabung zum Geschichtsschreiber fehlt. Dagegen dachte ich daran, vielleicht in einem Roman das Leben Freys und die Verwirklichung seiner Gedanken zu schildern. Aber dabei hätte ich vieles weglassen müssen, worauf mein Vater gerade besonderen Wert legte, Einzelheiten der Entwicklung, die am Ende als unbedeutende Kleinigkeiten oder als Selbstverständlichkeiten übersehen werden, die aber während der Entwicklung von großer Bedeutung waren, Einzelheiten, wie sie bei den meisten Kulturfortschritten von den Zeitgenossen noch nicht und von einer späteren Nachwelt nicht mehr richtig gewürdigt werden.
Ich habe mich deshalb darauf beschränkt, die Sammlung meines Vaters so weit sie noch gut erhalten war, etwas anders zu ordnen und sie ohne jedes erklärende oder verbindende Beiwerk herauszugeben. Ich hoffe, dass auch so ein Bild von den Werken Freys entstanden ist, das teilweise wie ein Roman anmutet, nur dass es sich weniger um die Schicksale einzelner Personen handelt, als vielmehr um die Schicksale von Gedanken und Werken, widergespiegelt in den Zeitungen, die verschiedene Interessenrichtungen vertreten und in gewisser Hinsicht die Stelle der sonst üblichen Romanhelden einnehmen.
Man sieht, was früher der Wert der sogenannten öffentlichen Meinung außerhalb des Kulturreiches war, man sieht die Macht der von bestimmten Interessen begründeten Vorurteile und sieht vor allem, wie wenig man die Grundlehre Richard Freys „Die Menschen sind verschieden“ im wirklichen Leben beachtet hat, trotz ihrer so oft verlachten Selbstverständlichkeit.
Wenn die anspruchslose und unvollkommene Sammlung meines Vaters dazu beiträgt, die Erkenntnis dieser Lehre zu vertiefen und den Ruhm Freys zu mehren, der zum ersten Male in der Weltgeschichte aus dieser Selbstverständlichkeit die richtigen Schlüsse für eine Umgestaltung der Kultur gezogen hat, so wäre weder die Anlegung der Sammlung noch ihre Herausgabe ein unfruchtbares Werk.
Berlin, zum 100. Geburtstage Richard Freys
Der Herausgeber
I. Richard Frey
Neueste Nachrichten
Telegramm aus New-York: John Benjamin Frey ist heute an einem Herzschlag gestorben. Er soll kein Testament hinterlassen haben. Alleiniger Erbe wäre sein Sohn Richard.
Handel und Wandel
Wir haben unsern Lesern erst vor einigen Tagen ein Bild der Persönlichkeit John Benjamin Freys gebracht, als er das 60. Lebensjahr vollendet hatte. Wir haben gezeigt, wie er in einem arbeitsreichen, vom Glücke begünstigten Leben ein Vermögen geschaffen hat, das auf über eine Milliarde Dollar geschätzt wird. Und ein Mann von seinem Ordnungssinn, ein Mann, dessen unermüdlich tätiges Gehirn eine Welt von Unternehmungen umspannte, sollte kein Testament hinterlassen haben? Wir bezweifelten daher zuerst diese Nachricht, müssen sie aber jetzt bestätigen; ob leider oder glücklicherweise, wird die Zukunft lehren. Was wird aus diesem Riesenvermögen, über das ein 25-jähriger Jüngling so plötzlich unumschränkte Verfügung erhalten hat? Der Zufall kann hier einen folgenschweren Streich gespielt haben.
Frey galt für sehr hartherzig. Es ist bekannt, wie skrupellos er bei seinen Geschäften vorging und wie kühl rechnend er seine Unternehmungen ausbaute, ohne Rücksicht darauf, ob andere darüber zugrunde gingen. Dem Zureden seiner sehr frommen und wohltätigen Frau soll es aber gelungen sein, ihn zu bestimmen, dass er wenigstens für den Fall seines Todes einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Vermögens zu wohltätigen Stiftungen verwandte. Als jedoch seine Frau gestorben war, vernichtete Frey sein Testament, um ein neues auf anderer Grundlage zu errichten. Er besprach den Entwurf mit seinem Sohne, den er inzwischen trotz seiner Jugend zu weitgehender Mitarbeit bei seinen Geschäften herangezogen hatte. Vater und Sohn schienen aber in wichtigen Punkten verschiedener Meinung zu sein. Und so zogen sich die Vorarbeiten hin, bis sie durch den Tod des Vaters ein plötzliches Ende fanden.
Das Vermögen ist also ungeteilt und durch Stiftungen nicht vermindert auf den Sohn übergegangen. Dieser soll das harte Herz seines Vaters geerbt haben. Wenn er ebenso geschäftstüchtig ist wie dieser, kann er das Vermögen noch hübsch vergrößern.
Der Sozialdemokrat
Die kapitalistische Presse feiert in dem verstorbenen John Benjamin Frey einen der hervorragendsten Könige des Unternehmertums. Uns ist er einer der größten Räuber und Mörder, der Tausende ins Unglück gestürzt hat, um Reichtum und Macht für sich und die ihm verbündeten Ausbeuter zu vermehren. Er beweist recht deutlich, wohin eine Staatsordnung führen kann, in der nicht Vernunft und Gerechtigkeit, sondern nur das Kapital regiert. Nicht allein, dass ein einzelner Mann ein Einkommen bezieht, von dem hunderttausend Menschen leben könnten, so wird ihm dadurch, und das ist viel schlimmer, eine Macht verliehen und durch die Gesetze gesichert, die nur korrumpierend wirken kann.
Weil das Geld, und das Geld allein, ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit des Besitzenden Macht und Ansehen verleiht, so wird dem Streben nach dem Gelde alles andere untergeordnet, und wer das Gute und Edle im Menschen, das der brutalen Macht des Geldes widerstrebt, am besten unterdrücken kann, der kommt am weitesten. Hier kann eine Besserung erst dann eintreten, wenn die geheiligten Säulen des Kapitalismus gestürzt sind. Weil es am System liegt, so kommt es auf die einzelne Persönlichkeit weniger an, und ob es nun Frey oder Cardon ist oder ein anderer König von Mammons Gnaden, sie sind als Menschen gleich unbedeutend, da sie ja kaum mehr als Maschinen sind. Sie nützen weder sich noch der Menschheit. Die wirtschaftlichen Leistungen, die man ihnen als Verdienst anrechnet, sind nichts so Außergewöhnliches, dass ihnen deshalb dieser Riesenlohn an Geld und Macht gebührte. Jedenfalls haben sie mit wahrer Kultur nichts zu tun. In einer anderen Gesellschaftsordnung würden die Kräfte ihrer besonderen Begabung umso mehr der Allgemeinheit zugutekommen, je höher der Wert des Menschen unabhängig von seinem Besitz eingeschätzt wird. Oder leistet z. B. der Präsident der Vereinigten Staaten in seiner Stellung deshalb weniger als irgendein gekröntes Staatshaupt, weil er keine nach Millionen zählende Zivilliste hat? Danach müssten die Frey, die Cardon, ja viele weniger reiche Männer die mächtigsten Könige und Kaiser an Wert für die Allgemeinheit weit überragen, von den Präsidenten großer Reiche ganz zu schweigen; denn deren Einkommen wird von dem vieler Bankdirektoren oder Leiter anderer Unternehmungen in Handel und Gewerbe übertroffen. Die Begabungen sind verschieden, und Genies sind auf allen Gebieten selten, aber es wäre wunderbar, wenn weniger Menschen zur Leitung einer Erwerbsgesellschaft fähig wären als zur Leitung eines großen Staatswesens. Wer da die heutigen Verhältnisse nicht als beschämenden Unsinn empfindet, der ist ihrer würdig und verdient, Kommerzienrat zu werden.
Und das traurige Bild wird nicht im Geringsten dadurch gemildert, dass viele dieser reichen Leute „hochherzige“ Stiftungen machen. Wir wollen nicht Gnade, wir wollen Gerechtigkeit. Deshalb haben wir auch kein Wort des Bedauerns dafür, dass Frey gestorben ist, ohne die großen Stiftungen zu machen, die man von ihm erwartet hatte. Wir könnten uns nur freuen, wenn der Sohn auf den Wegen seines Vaters erfolgreich fortschreitet. Sie besorgen schließlich unsere Geschäfte, wenn sie das Kapital weiter konzentrieren.
Wahrheit und Recht
Je mehr Einzelheiten aus dem Leben des kürzlich verstorbenen Milliardärs John Benjamin Frey bekannt werden, umso unwahrscheinlicher wird es, dass er germanischer Herkunft sein soll.
Sein Großvater war ein kleiner Händler in Süddeutschland und nannte sich Frey. Wenn er nicht reiner Jude war, so floss doch sicher jüdisches Blut in seinen Adern. Dass er katholischen Glaubens war, spricht eher dafür als dagegen. Die Juden nehmen eben die Religion an, die ihnen in ihrer Umgebung die meisten Vorteile verspricht. Dass es der Enkel so weit hat bringen können, kann er nur der ererbten jüdischen Geschäftstüchtigkeit zu danken haben. Der Verstorbene soll mit einer wahren Affenliebe an seinem Sohne gehangen und keinen größeren Ehrgeiz gehabt haben, als ihm ein recht großes Vermögen zu hinterlassen, – alles echt jüdische Züge: Hartherzigkeit gegen alles nicht zur Sippe Gehörige, aufopfernde Liebe für das eigene Fleisch. Freys Ehe soll nicht sehr glücklich gewesen sein, das will aber nicht viel sagen. Bei den Juden ist eben auch die Ehe ein Geschäft, bei dem man sich einmal verrechnen kann. Dass es der junge Frey verstanden hat, seinen Vater zu einer Änderung seines Testaments zu bestimmen, oder vielmehr es ganz zu verhindern, spricht weder für den Sohn noch für den Vater. Das germanische „Ein Mann, ein Wort!“ ist solchen Leuten unbekannt.
Jedenfalls hat der Sohn schon trotz seiner Jugend einen Beweis von einer Schlauheit gegeben, mit der es dieser „Benjamin“ noch weit bringen kann.
Katholische Volkszeitung
Gott lässt seiner nicht spotten. Das lehrt wieder das Schicksal des amerikanischen Milliardärs John Benjamin Frey.
Trotz guter streng katholischer Erziehung hat er sich von der teuflischen Geldgier so verblenden lassen, dass er das Heil seiner unsterblichen Seele im späteren Leben ganz vernachlässigte. Wäre er regelmäßig zur heiligen Beichte gegangen, so wäre er sich seiner Sünden bewusst geworden, und sein Beichtvater hätte ihn von dem Wege abgehalten, der ihn zu so viel Unrecht gegen seine Mitmenschen, die er sogar zum Selbstmorde getrieben hat, führen musste. Wäre er den Lehren seiner Jugend treu geblieben, so hätte er nicht zeitlebens nur dem Mammon gedient; er hätte daran gedacht, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr kommt, als ein Reicher ins Himmelreich. Zuletzt glaubte er, durch ein paar milde Stiftungen alles wiedergutmachen zu können, dem Himmel gewissermaßen ein Schnippchen zu schlagen. Gott hat aber zeigen wollen, dass er sich nicht bestechen lässt, und hat ihn abgerufen, noch ehe er durch sein Testament den Schein eines frommen Herzens hervorrufen konnte, das er nie besessen hat. Der Herr wollte lieber auf die Gaben für die Armen und Kranken verzichten, als eine Heuchelei gestatten, die in seinen Augen eines der größten Gräuel ist.
Katholische Volkszeitung
Wir brachten vor einiger Zeit ein paar Zeilen über das angeblich gottlose Leben John Benjamin Freys. Wie uns von hochgeschätzter Seite mitgeteilt wird, befanden wir uns in einem Irrtum, der aber deshalb so verbreitet und darum entschuldbar ist, weil der Verstorbene wie ein echter Christ seine strenge Frömmigkeit nie zur Schau getragen hat, sondern seinem Herrn im Stillen diente. Frey hat als gläubiger Katholik gelebt und ist auch so gestorben. Am Sonntag vor seinem Tode war er noch zum heiligen Abendmahl gegangen, so dass anzunehmen ist, dass ihn der plötzliche Tod noch im Stande der Gnade getroffen hat.
Gottes Wege sind unerforschlich. Wer weiß, ob die Stiftungen, die Frey geplant hatte, wirklich Gutes gewirkt hätten. Jedenfalls hat der Herr den guten Willen für die Tat genommen. Freys Leben ist ein Beweis dafür, dass man es auch bei strenger Religiosität zu großem Reichtum bringen kann. Wenn dasselbe Geld, das ihm zu so hohem Segen geworden ist, anderen Unglück gebracht hat, so wissen wir nicht, welcher Sünden Strafe dies war.
Neueste Nachrichten
Die amerikanische Presse verbreitet folgende Erklärung Richard Freys, des Erben von John Benjamin Frey:
„Seit dem Tode meines Vaters sind mir Tausende von Bittschriften aller Art zugegangen, und täglich bringt mir die Post aus allen Ländern neue Briefe, darunter wohlgemeinte Ratschläge über die beste Verwendung meines Vermögens. Ich bitte dringend, mich ferner damit verschonen zu wollen. Ich habe meinen bestimmten Plan, wie ich das Ererbte, von mir nicht verdiente Vermögen verwenden will, und ich gebe die Versicherung ab, dass ich es ganz in den Dienst der Kultur stellen werde, sobald ich den Zeitpunkt für gekommen halte. Bis dahin betrachte ich es als meine Pflicht, mein Vermögen möglichst zu vergrößern und sicherzustellen und es nicht durch Zuwendungen an sogenannte Bedürftige, welcher Art immer, zu verkleinern. Wollte ich auch nur die Wünsche aller wirklich Bedürftigen erfüllen, so bliebe von dem ganzen Vermögen nach wenigen Tagen kein Cent übrig, ohne dass der Menschheit im Geringsten geholfen wäre. Mein Reichtum ist aber groß genug, dass ich daran denken darf, der ganzen Menschheit einen dauernden Dienst zu erweisen. Wenn ich dann Mitarbeiter brauchen werde, so werde ich sie rufen.“
Freie Presse
Die vergangene Woche stand unter dem Zeichen der Weltverbesserer. Die Tischherren, die sonst in Verlegenheit waren, wie sie ihre Damen unterhalten sollten, hatten diesmal ein dankbares Thema. In jeder Gesellschaft hörte man die Frage erörtern: Was würden Sie tun, wenn Sie Richard Frey wären? Mathematisch veranlagte Köpfe stellten allerlei Berechnungen an, was man mit dem Vermögen alles machen könnte, wenn es „nur“ eine Milliarde Dollar oder rund vier Milliarden Mark betrüge, dass dann z. B. auf jeden der 40.000 Kilometer Erdumfang 10.000 Mark gelegt werden könnten. Konservative Stützen von Thron und Altar glaubten, dass Frey am besten der Kultur dienen würde, wenn er sein Vermögen zur Bekämpfung der internationalen Sozialdemokratie hergäbe. Die Katholische Volkszeitung riet kurz und bündig, das Vermögen dem Papst zu schenken. „Wahrheit und Recht“ empfahl, ein Königreich der Juden damit zu begründen und dann alle Juden zu zwingen, sich dort niederzulassen; erst dann könnte man von einem Beginn der Kultur reden. Die Zeitschrift der Friedensfreunde weist darauf hin, dass Europa jedes Jahr für Kriegsrüstungen, also für kulturwidrige Zwecke, ungefähr doppelt soviel ausgebe wie das ganze Vermögen Freys ausmache, das heißt die Zinsen eines Kapitals, das etwa 50-mal so groß sei wie das Freysche. Wenn ein solches Kapital in eine internationale Stiftung umgewandelt würde, derart, dass ihr alljährlich die Steuern zuflössen, die jetzt jedes Land für Heer und Flotte aufbringt, so würde damit nicht nur die Barbarei des Krieges beseitigt, sondern es würde auch sonst so viel für die Kultur geleistet werden können, dass allmählich das ganze Leben unter die Herrschaft der Vernunft gebracht werden würde. —
Man kann sich denken, dass auch andere Bestrebungen glauben, die Welt würde ein anderes Aussehen gewinnen, wenn gerade sie mit dem nötigen Gelde unterstützt würden. Die Esperantisten behaupten, ein neuer Abschnitt in der Kulturgeschichte würde herbeigeführt, wenn jeder Mensch auf der Erde Esperanto verstünde. Die Antialkoholiker und die Vegetarier würden die Menschheit zu einem gesunden Leben und zu besseren Sitten führen, der Verein für Schönheitspflege und Nacktkultur würde ein edleres Menschengeschlecht züchten usw. usw.
Man sieht, die Auffassungen von dem, was uns fehlt, sind sehr verschieden. Es wird nichts anderes übrig bleiben, als das Spiel der Kräfte weiter mit- und gegeneinander wirken zu lassen. Ein Einzelner wird auch mit Milliarden nichts daran ändern. Mag auch eine großartige Stiftung hier und da von nicht zu unterschätzendem Nutzen sein, die Menschen bleiben Menschen. In tausend Kleinigkeiten arbeiten sie an dem Fortschritte der Kultur, und was die edelsten Weltverbesserer träumen, kann eben nur in Utopia verwirklicht werden.
Vielleicht hat jener Pessimist nicht so unrecht, der in einem Witzblatt einen Vorschlag machte, die Menschheit mit einem Schlage von allem Elend zu befreien: Man lasse das Vermögen Freys hinreichend lange mit Zins auf Zins anwachsen, fabriziere eine genügende Menge Dynamit, bohre die Erdkugel von allen Seiten an und sprenge sie dann in die Luft.
Handel und Wandel
Unser New-Yorker Korrespondent hat durch einen günstigen Zufall Gelegenheit gehabt, eine längere Unterredung mit Richard Frey zu führen, über die er uns folgenden interessanten Bericht sendet:
Ich glaube, es ist leichter, vor den Thron des Dalai Lama zu gelangen, denn als Fremder zu einer Unterredung mit Mr. Richard Frey zu kommen. Nach dem Tode seines Vaters ist er fast unsichtbar geworden. Er arbeitet mit unermüdlichem Fleiß und hat sich in erstaunlich kurzer Zeit so in das Geschäft hineingelebt, dass der Vater nirgends vermisst wird, was natürlich unmöglich schiene, wenn er nicht schon zu Lebzeiten seines Vaters zur Mitarbeit herangezogen worden wäre. Bei verschiedenen Geschäften hatte die Konkurrenz gehofft, der Tod des alten Frey würde ihr das Heft in die Hand geben, aber mit derselben Sicherheit, die den Alten auszeichnete, führte der Sohn die Leitung weiter. Die Börse rechnet mit ihm als einem Manne, der die meisten seiner bedeutend älteren Berufsgenossen an Begabung und Arbeitskraft weit übertrifft und die vom Vater überkommene Machtstellung eher stärken als schwächen wird. Es ist also nicht Stolz, sondern wohlerkannte Notwendigkeit, die ihn von der Welt abschließt.
Bekanntlich hat der junge Frey von seinem 18. Lebensjahre ab, als seine Ausbildung durch Schule und Privatlehrer beendet war, sich einige Jahre in Europa aufgehalten, sich überall im Leben und in der Wissenschaft umsehend, ohne in einem bestimmten Fache das sogenannte abgeschlossene Studium zu erstreben. Natürlich ist er als der Sohn des bekannten Milliardärs in alle Kreise gekommen und hat viel und vielerlei Menschen kennengelernt. In besonders reger Verbindung ist er mit dem Heidelberger Kulturphilosophen Professor Linnert geblieben, der jetzt als Austauschprofessor hier war. Als dem Professor Linnert bei seinem Abschiede von Amerika in New York ein Fest gegeben wurde, erschien auch Richard Frey, und der Professor, dem auch ich von meiner Studienzeit her bekannt bin, stellte mich auf meine Bitte ihm vor.
Richard Frey ist eine schlanke, nicht sehr große und deshalb besonders jugendlich aussehende Erscheinung mit sympathischem Gesicht und sehr klugen Augen. Der erste Eindruck enttäuschte meine Erwartung. Ich hatte das Gefühl, wenn dieser junge Mann sich als unbekannter Mensch um eine einfache Prokuristenstellung bewürbe, so würde der Chef ihm väterlich auf die Schultern klopfen und ihm raten, erst etwas älter zu werden. Je länger ich ihn aber beobachtete, umso mehr gewann ich die Überzeugung, einem außergewöhnlichen Manne gegenüberzustehen. Mag sein, dass der Nimbus, den der Besitz eines solchen Riesenvermögens und der damit verbundenen Macht auch einem unbedeutenderen Menschen verleihen würde, mit auf mich wirkte, wie wir ja auch bei gekrönten Häuptern unter einer ähnlichen Suggestion stehen. Würden wir manchem Könige, ohne ihn zu kennen, als einfachem Bürger begegnen, so würde uns nicht entfernt in den Sinn kommen, Majestät zu ihm zu sagen. Frey hat auch ohne Krone etwas Königliches an sich. Sein Auftreten ist zurückhaltend, doch mit unverkennbarem Machtgefühl und Selbstbewusstsein, so dass er namentlich in der Unterhaltung würdiger und älter und vor allem bedeutender erscheint als bei dem ersten Eindrucke. Seine Sprache ist wohlüberlegt und zeugt von einem scharfen und klaren Denken.
In dem mit schönen Palmen ausgestatteten Wintergarten des Hotels gingen wir nach dem Diner, unsere Zigarre rauchend, auf und ab. Wir sprachen zuerst von deutschem Studentenleben, und der Gegenstand unseres Festes brachte es ungezwungen mit sich, dass sich unsere Unterhaltung bald auf Fragen der Kultur erstreckte. Frey äußerte dabei ungefähr folgende Gedanken:
Kultur ist auf das Leben angewandte Vernunft, durch und für die Menschen. Der Mensch ist ihr höchster Zweck und ihr wertvollstes Mittel. Eine ihrer Hauptaufgaben ist die möglichste Einschränkung des Zufalls, die Beseitigung jener schädlichen und die Herbeiführung jener nützlichen Wirkungen, deren Ursachen von den Menschen erkannt und unter ihre Herrschaft gebracht werden können. Die Menschheit hat es gegenüber früheren Zeiten schon recht weit darin gebracht. Sie hat den Kompass und den Blitzableiter gefunden, versichert sich gegen Hagel, Feuer, Tod, Unfall, Einbruch und die Schäden sonstiger zufälliger Ereignisse. Was die Natur zufällig schafft, hat man gelernt, planmäßig zu erzeugen. Man verbessert die Arten von Pflanzen und Tieren, macht künstliche Edelsteine und hat im Esperanto eine Sprache erfunden, die für die Verständigung der Menschen untereinander den natürlichen Sprachen in nichts nachsteht, an Einfachheit, Regelmäßigkeit und Klarheit ihnen überlegen ist. Nur an den Menschen selbst hat man zu wenig gedacht. Man ist noch nicht dahin gekommen, planmäßig die wertvollsten Menschen für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.
In einem kleinen Kreise von Menschen wird immer dem Tüchtigsten wie selbstverständlich die Führerrolle zufallen, in einem Reiche von hundert Millionen Bewohnern kann ein Kind, ein Schwächling, ein Blödkopf, ein grausamer Menschen- und Kulturfeind auf dem Thron sitzen. In Russland mag in mancher Bauernhütte ein staatsmännisches Genie verkommen, das sein Vaterland zu einem menschenwürdig regierten Reiche machen könnte, wenn ihm nicht der Zufall den Weg zu den Stellen der Macht versperrt hätte.
Unsere ganze gesellschaftliche Ordnung hat sich wie die Sprache zufällig entwickelt. Einige wenige durch den Zufall der Geburt, des Reichtums, der Macht begünstigten Herrschernaturen haben die Geschicke ganzer Völker und Zeiten bestimmt. Nach den Führern richtet sich die Masse, und diese kann durch anhaltendes schlechtes Beispiel, durch Gewohnheit an schädliche Einrichtungen in ihrer Trägheit auch dann nicht mehr in ihrem Verderben aufgehalten werden, wenn der Zufall einmal einen edlen und tüchtigen Führer an ihre Spitze stellt. So ist die Entwicklung aufgehalten worden, sind blühende Reiche vernichtet worden. So ist vor allem die Unvernunft in unserm gesellschaftlichen Leben, die eben auf der Herrschaft des Zufalls beruht, zur „natürlichen Ordnung“ geworden, die von den meisten Menschen als unabänderlich hingenommen wird.
Den größten Fortschritt wird die Entwicklung der Menschheit machen, sobald die Erkenntnis, dass die Menschen verschieden sind, zu lebendiger Wirksamkeit geworden sein wird. Man wird Mittel und Wege finden, allen wertvollen Menschen die Bahn zu freier Entfaltung ihrer Kräfte zu öffnen und wird die wertlosen und schädlichen von dem Einfluss ausschließen, den sie jetzt auf allen Gebieten des Lebens dank äußeren Zufällen haben. In der Menschheit liegen viele Schätze brach. Ein einziger Mensch zu rechter Zeit an die rechte Stelle gebracht, kann der Menschheit Gedanken und Taten bringen, die mehr wert sind als alle Goldminen der Erde. Also lasst uns Menschen suchen, diese werden uns dann schon weiterbringen. —
Meine mehr oder minder schüchternen Versuche, Mr. Frey zu einer Äußerung darüber zu bewegen, in welcher Weise er sein Vermögen in den Dienst seiner Ideen stellen wolle, waren vergebens.
„Ich bin so eingebildet“, sagte er lächelnd, „dass ich glaube, mit meinen Ideen der Kultur einen großen Dienst erweisen zu können, der freilich erst in einer späteren Zeit seinen eigentlichen Nutzen zeigen wird. Ich bin aber auch klug genug, zu wissen, dass alle Ideen, die ihrer Zeit voraus sind, die also nicht das sofortige Verständnis der Zeitgenossen finden, von der Mehrzahl, selbst der Gebildeten, verlacht werden. Sehen Sie, ich habe Sie vorhin selbst lächeln sehen, als ich von Esperanto sprach. Freilich, ich bin stark und mächtig genug, den Spott der Nichtverstehenden zu ertragen. Aber ich bin mir erst des weit in die Zukunft reichenden Zieles bewusst, ohne mir schon ganz klar über die Wege dahin zu sein. Und ehe ich diese Klarheit gewinne, wird noch eine Zeit vergehen. So lange will ich auch nicht darüber sprechen, nur das eine kann ich sagen, dass meine Pläne auf dem Gebiete der Organisation liegen. Was Organisation bedeutet, habe ich in dem Geschäfte meines Vaters gelernt.“
Damit verabschiedete er sich oder vielmehr mich. Unwillkürlich verneigte ich mich vor dem so viel jüngeren Manne tiefer, als ich sonst gewohnt bin.
Preußische Post
Einige Äußerungen des jungen Frey, die eine hiesige, der Börse nahestehende Zeitung zuerst gebracht hat, machen gegenwärtig die Runde durch die Blätter.
Frey zeigt sich darin, ganz seiner Jugend entsprechend, als ein fantastischer Schwärmer, als ein Weltverbesserer, der sicherlich Sozialdemokrat geworden wäre, wenn er nicht Millionen geerbt hätte. Wohin wir kommen, wenn wir die Vernunft zum Maßstabe der Kultur und der gesellschaftlichen Ordnung machen wollten, das hat die Französische Revolution gezeigt. Unsere Ordnung ist geschichtlich bedingt und durch die Tradition geheiligt, und die sogenannten Vorrechte der Geburt, die natürlich im einzelnen Falle auch einem Unwürdigen zukommen können, haben sich in ihrer dauernden Einrichtung als segensreich, ja als notwendig erwiesen. Ohne sie gäbe es nicht die feste Einheit in der wechselnden Reihe der Geschlechter, die Stützen der Familie, die ja wieder den Grundpfeiler des Staates bildet. Der Staat steht über dem Individuum, und was für dieses als Zufall erscheint, ist für das Ganze ein notwendiges Glied dauernder Ordnung. Wie der König seine Krone von Gottes Gnaden hat und ein Instrument des Herrn ist, ganz gleich, welche Persönlichkeit er als einfacher Mensch wäre, so ist das Leben des ganzen Volkes, seine Geschichte, seine Kultur, seine Mission unter den Völkern der Erde von Gottes Willen bestimmt, und daran kann kein Einzelner etwas ändern, und hätte er noch so viele Millionen. Gerade die Erbmonarchie hat von den einfachsten patriarchalischen Zuständen unkultivierter Stämme bis zu dem entwickeltsten Staatswesen unserer Zeit alle Wechselfälle der Entwicklung überdauert. Oder wollte man behaupten, dass unter dem Wahlkönigtum die Völker besser regiert worden seien? Herrscht mehr Weisheit und Vernunft in den Republiken, in denen sich ein Kuhjunge bis zum Präsidenten hinaufarbeiten kann?
Rütteln wir also nicht an Jahrtausende alten Einrichtungen und weisen wir alle Fantastereien zurück, die gerade in unserer sowieso schon zu neuerungssüchtigen Zeit Unheil stiften können.
Der Sozialdemokrat
Der junge Frey hat gnädig geruht, dem Berichterstatter eines bürgerlichen Blattes seine Ideen über Kultur mitzuteilen, und der Berichterstatter hat sie entgegengenommen wie die Äußerungen eines Königs von Gottes Gnaden. Was doch der Besitz eines großen Vermögens aus dem Menschen machen kann! Die bürgerliche Gesellschaft sollte doch gleich mit einer bestimmten Anzahl von Millionen den Titel Majestät verbinden. Das wäre keine unsinnigere Zumutung an die Nichtbesitzenden, als sie hinsichtlich der gekrönten Staatsoberhäupter besteht, denen man oft ganz andere Namen geben möchte, wenn man nicht dafür ins Gefängnis käme.
Im Übrigen hat Mr. Frey zum Teil ganz vernünftige Gedanken, was schon daraus hervorgeht, dass die Preußische Post ihn innerlich zu uns rechnet, da er es gewagt hat, unsere gesellschaftliche Ordnung unvernünftig zu nennen. Unsere Junker überläuft ein kalter Schauer, wenn sie das Wort Vernunft hören, da sie dabei gleich an Revolution denken und für ihre geheiligten Köpfe fürchten. Vor Mr. Frey können sie aber sicher sein, er wird keine allgemeine Umwälzung herbeiführen. Er scheint die Bedeutung der einzelnen Persönlichkeit zu überschätzen und nicht zu wissen, dass Führer und Masse immer eins sein müssen, aber nicht so, dass der Führer das Leben der Masse bestimmt, sondern dass der Führer sich nach der Masse richtet, dass er nur der Exponent ihres Lebens ist.
Mögen daher auch die Menschen verschieden sein, und sie sind es sicherlich nach ihren persönlichen Kräften und Begabungen, als Menschen gelten sie alle gleich und können in der Masse nicht durch ihre Verschiedenheit, die ja trennt, sondern durch die Gleichheit, die vereinigt und stark macht, dem Leben der Allgemeinheit nützen. Wenn also Mr. Frey ein gutes Werk tun will, so denke er nicht an einzelne, wenn auch an sich noch so wertvolle Menschen, sondern unterstütze die Masse in ihrem Bestreben, die gesellschaftliche Ordnung zu ändern, dann werden sich die Menschen, die er sucht, von selber finden, ohne seiner Hilfe zu bedürfen.
Wahrheit und Recht
Der Erbe von John Benjamin Frey hat sich in einer Unterredung als Freund internationaler Bestrebungen erklärt. Kein Wunder, Geld ist trotz aller nationalen Prägungen international. Dem richtigen Geschäftsmenschen ist es gleich, woher er es nimmt, und er lässt es da arbeiten, wo es ihm am meisten einbringt. Diese internationale Geldwirtschaft, der wir es zu danken haben, dass es von einem Pariser Rothschild abhängt, ob zwei Völker Krieg führen können oder nicht, wird natürlich am meisten von denen ausgenützt, die kein Gefühl für völkisches Eigenleben haben. In internationalem Zusammenhang arbeiten sie einander in die Hände und verstärken dadurch ihre Macht gegenseitig zum Schaden ihrer Wirtsvölker.
Freilich die modernen Verkehrsmittel haben die Völker näher aneinandergerückt; unsere Kultur ist verwickelter geworden, und in vielen Beziehungen ist ein Volk auf das andere angewiesen. Aber wie wir das Gute von anderen Völkern übernehmen dürfen, soweit unsere Eigenart nicht darunter leidet, so müssen wir uns gegen schlechte Einflüsse wehren, umso mehr, je leichter wir ihnen durch die allgemeine Verkehrsentwicklung ausgesetzt sind. Deshalb müssen wir alles Bodenständige unterstützen, müssen in der Landwirtschaft das Rückgrat unseres Volkstums schützen und die Masse unserer Bevölkerung in der Liebe zum Vaterland und dem angestammten Herrscherhaus so erziehen, dass sie sich von selbst allen modernen Aufklärungs- und Weltbeglückungsversuchen widersetzt.
Wir brauchen auf die einzelnen Äußerungen des jungen Herrn Frey nicht näher einzugehen; unsere Leser werden über das geistige Niveau derselben klar sein, wenn wir erwähnen, dass er für die künstliche Weltsprache Esperanto eintritt. Nebenbei bemerkt, muss dieses Jammerprodukt internationaler Sprachmengerei schon deshalb jeden anständigen Menschen abschrecken, weil es von einem Warschauer Juden erfunden ist.
Katholische Volkszeitung
Wir müssen fürchten, dass das von John Benjamin Frey unter Gottes Segen erworbene Riesenvermögen für sehr unheilige Zwecke verschwendet wird. Der Sohn und Erbe beabsichtigt, eine Organisation zu gründen, die, man kann es nicht anders bezeichnen, sich gegen Gottes Vorsehung richten soll.
Richard Frey spricht von Unvernunft und Zufall im Leben und maßt sich an, mit seinem armseligen Menschenverstand weiser zu sein als der Herr, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dach fällt, der die Haare auf unsern Häuptern gezählt hat und der allein weiß, welche Wege er uns führt.
Frey nennt den Menschen den höchsten Zweck und das wertvollste Mittel der Kultur. Ach, der Mensch würde weit kommen, wenn er nichts anderes hätte als die sogenannte eigene Kraft und wenn alle Kultur nur Menschenwerk wäre. Und wie traurig flach und leer wird das Leben da, wo der Mensch sich selbst als höchsten Zweck ansieht! Es ist nur natürlich, dass der einzelne Mensch, der alle Dinge vom Standpunkt seines irdischen Eintagsdaseins betrachtet, überall nur Zufall und Unvernunft erblickt. Gerade diese Tatsache ist der beste Beweis dafür, dass es ein höheres Wesen geben muss, das die Welt regiert, ein Wesen, vor dem tausend Jahre wie ein Tag sind. Soll die Welt und alles, was auf ihr lebt und webt, überhaupt einen Sinn haben, so kann sie dies nur in einem Geiste, der dem menschlichen so weit überlegen ist, wie das Universum dem Staubkorn, die Ewigkeit der Zeit. Und wenn alle Staubkörner der Erde sich organisieren wollten, um den Lauf der Sonne zu ändern, so bleiben sie so ohnmächtig, wie menschlicher Witz und Wille gegen die ewigen Pläne des Allmächtigen.
Noch ein Wort über Esperanto, als dessen Anhänger sich Frey bekannt hat. Wir lasen neulich die Bemerkung, dass der Versuch, durch eine künstliche Weltsprache die Übel zu beseitigen, die sich aus der Vielsprachigkeit der Völker ergeben, ein Frevel gegen Gott sei, der ja durch die Sprachenverwirrung in Babylon diese Übel gewollt habe; hier heiße es, was Gott getrennt hat, soll der Mensch nicht zusammenfügen.
Wir können uns dieser Ansicht nicht ganz anschließen. Gott hat zur Erlösung der Welt seinen eingeborenen Sohn auf die Erde gesandt; damit war die Zeit des alten Testamentes zu Ende, und das neue verkündet, dass es einmal einen Hirten und eine Herde geben wird. Schon das Pfingstwunder symbolisiert den Gegensatz: Dort wurde man von den eigenen Sprachgenossen nicht verstanden, hier verstand man, was in fremden Zungen gesprochen wurde. Gottes Wille offenbart sich in den Menschen und ihren Bestrebungen. Wer also auch scheinbar gegen die Vorsehung arbeitet, kann damit gerade ihre Pläne ausführen helfen als Instrument des Herrn. Christus war nach der Anschauung seiner Richter ein Verbrecher, und seine Henker waren Werkzeuge des göttlichen Willens, als sie ihn ans Kreuz schlugen. Denn ohne Christi Tod wäre die Welt nicht erlöst worden.
II. Kultur und Wirtschaft
Neueste Nachrichten
Richard Frey, der Erbe des vor zwei Jahren gestorbenen Milliardärs John Benjamin Frey, hat sich mit Eveline Cardon, der einzigen Tochter des bekannten Eisenbahnkönigs vermählt. Die Hochzeitsfeier hat in aller Einfachheit nur in einem kleinen Kreise stattgefunden. Das junge Paar wird auf seiner Hochzeitsreise Europa besuchen.
Freie Presse
Sprechsaal
Sehr geehrter Herr Redakteur!
Die Nachricht, dass der Milliardär Richard Frey die einzige Tochter eines Milliardärs geheiratet hat, hat mich tief erschüttert. So ein reicher Mann hätte es doch gewiss nicht nötig, auf Geld zu sehen. Gerade er hätte ein armes aber anständiges Mädchen heiraten sollen; da wäre noch Liebe, denn bei den Reichen wird ja nicht die Person, sondern das Geld geheiratet. Da das aber nun einmal eine gesetzlich geschützte Einrichtung ist, so frage ich freundlichst an, ob das nicht auch umgekehrt werden kann, also, wenn doch das Geld geheiratet wird, so soll auch das Geld heiraten dürfen und müssen, aber nur auf der männlichen Seite, weil doch das weibliche Geschlecht verbreiteter ist und sonst die Männer noch knapper werden würden. Ein Vermögen von hunderttausend Mark müsste einfach heiraten oder zur Hälfte unter unbemittelte Jungfrauen verteilt werden, und ein Vermögen von mehr als hunderttausend Mark muss so viele Frauen heiraten dürfen, als anständig davon leben können. Ich kann mir nicht vorstellen, wie viel eine Milliarde ist, aber ein paar hundert Frauen hätte Herr Frey wohl damit heiraten können. Das wäre ein gutes Werk. Wie ich gelesen habe, sucht Herr Frey nach Menschen, da diese das wertvollste Kapital sind; nach meinem Vorschlage könnte er doch jedes Jahr eine ganze Menge haben, und jung ist er auch noch. Mit einem solchen Gesetze würde die soziale Frage gelöst werden, wo es doch reiche Männer genug gibt.
Es gibt viele Gründe, weshalb das Leben dann schöner wäre, die ich aber nicht aufzählen kann, weil ich sie nur so im Gefühle habe und nicht gelehrt genug bin, was ich aber sicher geworden wäre, wenn ich bessere Gelegenheit gehabt hätte.
Was die Monotonie oder Monogamie betrifft, ich verwechsele das immer, weil ich nicht Lateinisch kann, so steht nichts in der Bibel drin, dass sie zur Seligkeit notwendig wäre. Die alten Patriarchen hatten doch auch mehrere Frauen, und die Männer von heute sind auch nicht anders, bloß dass man das jetzt Verhältnis nennt. Vielleicht ist aber mein Vorschlag sehr dumm, weil ich noch zu jung bin.
Hochachtungsvoll
Anna Mettens
Anmerkung der Redaktion. An dieses einfache Mittel zur Lösung der sozialen Frage haben wir allerdings noch nicht gedacht. Die Gesetze werden eben nur von Männern gemacht, und wir fürchten, dass Ihr Vorschlag erst dann die verdiente Beachtung finden wird, wenn die unverheirateten Frauen in den Parlamenten die Mehrheit haben werden.
Handel und Wandel
An der Börse werden viele Kombinationen daran geknüpft, dass Richard Frey seinen Wohnsitz offenbar dauernd in Paris behalten will.
Er hat sich dort ein schönes sehr großes Palais gekauft und gibt sich anscheinend nicht viel mit Geschäften ab. Er führt ein sehr offenes Haus wobei ihm seine junge, sehr anmutige Gattin in immer freundlicher, ungezwungener Art zur Seite steht. Er hat fast immer Gäste bei sich, indem er zum Frühstück, zum Tee oder zum Abendessen Leute, die ihn
