Grundlagen der Fürsten ohne Krone - Heinrich Nienkamp - E-Book

Grundlagen der Fürsten ohne Krone E-Book

Heinrich Nienkamp

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Beschreibung

Nachdem sein Roman »Fürsten ohne Krone« auf begeisterte Zustimmung gestoßen war, schrieb Heinrich Nienkamp dieses Sachbuch, das die theoretischen Grundlagen der Kulturorganisation erklärt, die im Mittelpunkt der Romanhandlung steht. Der Autor führt hier näher aus, wie er sich den Aufbau der Organisation dachte, und welche Überlegungen hinter den einzelnen Strukturentscheidungen standen. Am Schluss des Buches stellt er eine vollständig ausgearbeitete Satzung vor, die als Grundlage dienen kann, um die Kulturorganisation in Form eines eingetragenen Vereins zu gründen.

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2025

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TitelseiteHinweise zu dieser NeuausgabeVorwortIIIIIIIVVVIVIIVIIIIXXXISatzungen des Deutschen Frey-Bundes

Landmarks

CoverTitle Page

Heinrich Nienkamp

 

 

Grundlagen derFürsten ohne Krone

 

 

Leitsätze zur Reform der Gesellschaft

 

 

 

Der Text dieser Neuausgabe entspricht dem der 1. Auflage, die 1916 bei Vita Deutsches Verlagshaus, Berlin, erschienen  ist. Die Rechtschreibung wurde an die heutigen Regeln angepasst; Textstellen, die im Original gesperrt waren, sind in Kursivschrift gesetzt; die Schreibweise des Namens „Fry“ wurde, entsprechend später geäußerter Wünsche des Verfassers,in „Frey“ geändert.

 

 

 

 

Copyright

© 2025 by Martin Wandelt

www.martins-buecher.de

Vorwort

Das Buch „Fürsten ohne Krone“ erschien im Mai 1916 und löste sofort eine Wirkung aus, wie ich sie in gleicher Stärke noch nie erlebte. Führende Männer und Frauen des geistigen Deutschlands, ebenso wie einfache Leute aus dem Volke überwanden die gewohnte Gleichgültigkeit und schrieben dem Verlage sowohl wie dem Verfasser Briefe begeisterter Zustimmung und fragten nicht ob, sondern wann Versuche zur Verwirklichung der dem Buche zugrunde liegenden Kulturorganisation begonnen würden. Vereine, die sich mit praktischer Kulturarbeit befassen, veranstalteten besondere Vortragsabende, in denen die Möglichkeit einer Verwirklichung erörtert wurde, und auch in der Presse fanden sich vielfach Anregungen, die Grundgedanken des Buches ins Leben um­zu­setzen.

Andere Kreise wieder fassten das Buch als eine mehr oder minder interessante Utopie auf, die zwar manchen wertvollen Gedanken enthalte, im übrigen aber undurchführbar sei, und hierbei zeigten sich, ganz wie in der romanhaften Entwicklung der Idee des Richard Frey, die sonderbarsten Missverständnisse, die so weit gingen, dass hervorragende Finanzmänner und Gelehrte den Verfasser einen Idealisten nannten, der im Geldverdienen einen Schaden sähe, während führende Leute der ethischen Kultur sich empört von dem „amerikanischen Geschäftsgeist“ des Verfassers abwandten, der im Geldverdienen ein Mittel zur Förderung der Sittlichkeit erblickte.

Wie können so verschiedene Anschauungen zustande kommen? Teilweise mag ein Vorzug des Buches daran schuld sein, der mich mitbestimmt hat, es in Verlag zu nehmen: der flüssige Stil und die ungewöhnliche Form, bei welcher auch der aufmerksame Leser leicht an der Oberfläche bleibt und die schwierigen Probleme gar nicht bemerkt, die dem Verfasser vorgelegen haben. Aus diesem Grunde habe ich, wie viele Freunde der Sache, geglaubt, es könne zur zweifelsfreien Aufklärung über die Bedeutung, den Ernst und den Zweck des Buches von Nutzen sein, wenn seine Grundgedanken in anderer Form so dargelegt und kurz zusammengefasst würden, dass Missverständnisse wie die vorerwähnten ausgeschaltet, und dass vor allem auch die Wissenschaft angeregt würde, sich mit den Ideen Richard Freys zu beschäftigen. Ich hoffe, dass weite Kreise dem Verfasser danken werden, weil er unserer Bitte Raum gegeben und durch die folgende Schrift in wissenschaftlicher Begründung auf die wesentlichen Unterlagen des Freyschen Werkes hingewiesen und gezeigt hat, wie es aussieht, wenn es allen Romanhaften und Utopischen entkleidet, auf die Möglichkeit beschränkt wird, die sich schon heute verwirklichen lässt.

Freunde und hoffentlich auch bisherige Gegner der „Fürsten ohne Krone“ werden danach überrascht sein, zu sehen, welche neuen und weittragenden Gedanken diesem Werke zugrunde liegen, und ich hoffe, dass nicht nur die Wissenschaft, sondern jeder, dem die Zukunft unseres Volkes am Herzen liegt, diese Gedanken einer ernsten Prüfung unterzieht. Halten sie, wie ich überzeugt bin, der Prüfung stand, so sollten sie zu einem der wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte führen können.

 

Berlin-Charlottenburg, September 1916

 

                Felix Heinemann

                (Vita Deutsches Verlagshaus)

I

Der Glaube kann Berge versetzen und andere Wunder verrichten. Wo aber nicht der Glaube allein, besonders nicht ein religiöser Glaube, Schöpfer eines Werkes sein kann, wo nicht ein Prophet Dinge verkündet, die nicht von dieser Welt sind, sondern ein Mensch als Entdecker oder Erfinder auftritt, um Tatsachen der irdischen Wirklichkeit zu zeigen oder zu schaffen, da ist die Erreichung seines Zieles um so schwieriger, je mehr die neuen, der Welt unbekannten Tatsachen von den alten, bekannten abweichen und kein Glaube eine Brücke vom Alten zum Neuen schlägt, sondern nur die wissenschaftlich beweisbare Erkenntnis, dass sich das Neue aus bestimmten Voraussetzungen des Alten ergeben muss.

Das Neue liegt zuerst nur in der Vorstellung des Entdeckers oder Erfinders, er sieht seine Notwendigkeit oder Möglichkeit, indem er Zusammenhänge überblickt, die zwar in ihren Teilen auch anderen bekannt sind, nicht aber gerade in den Zusammenhängen von ihnen gesehen werden, die eben das Neue ergeben, da ergeht es manchem wie einem Maler, der ein bestimmtes Bild vor seiner Seele sieht und es einem anderen so beschreiben möchte, dass er es genau so sieht. Er kann es nicht, es bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Bild zu malen und dann zu sagen: So habe ich es gemeint. Dabei wird der Maler meistens erleben, dass das Bild auf der Leinwand doch etwas anders geworden ist, als das Bild in der Vorstellung war. Es ist nur ungefähr dasselbe, es wird in der Regel ärmer, kann aber auch reicher sein. So hat auch Kolumbus etwas anderes gefunden, als er gesucht hatte, und hat doch in der Hauptsache recht behalten.

Handelt es sich um eine künstlerische oder um eine technische Erfindung, für die der Schöpfer keiner fremden Hilfe bedarf, so kann ihm der Glaube oder der Zweifel anderer gleichgültig sein, er überzeugt sie mit der vollendeten Tat. Je mehr Menschen er aber für die Vorbereitung und Durchführung seines Werkes braucht, um so größere Schwierigkeiten hat er zu überwinden, um so notwendiger ist es, dass er die Menschen, ohne deren Mithilfe er nichts schaffen kann, davon überzeugt, dass seine Idee sich in die Wirklichkeit umsetzen lässt. Den schwierigsten Standpunkt hat deshalb derjenige, der Einrichtungen für das gesellschaftliche Leben der Menschen schaffen will, die die Wohlfahrt eines ganzen Volkes oder gar der Menschheit erhöhen sollen, wo also die Menschen selber Mittel und Zweck des Werkes sind. Der Künstler kann an einer Skizze, der Techniker an einem Modell zeigen, was er will und was er kann, der Sozialreformer aber kann nichts Ähnliches vorweisen. Bei der Verschiedenheit der Menschen und ihrer Interessen sieht jeder die gesellschaftlichen Einrichtungen mit anderen Augen an, und gewöhnlich ist es so, dass diejenigen, die ein Interesse an einer Änderung der gesellschaftlichen Einrichtungen haben, nicht über die Machtmittel verfügen, für die Änderung einzutreten, und diejenigen, die die Machtmittel haben, gerade deshalb einer Änderung widerstreben, weil sie ihre Herrschaft den bestehenden Zuständen verdanken.

So ist es denn in der Regel bei jeder wichtigeren Änderung in den Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens, die gegen die Interessen einer größeren Mehrheit von Machthabern verstößt oder zu verstoßen scheint, dass Jahre und Jahrzehnte vergehen, ehe die Gedanken der ersten Anreger auch nur bei einem so beträchtlichen Teile des Volkes Wurzel geschlagen haben, dass ihr Weiterleben gesichert ist, und dass dann wieder eine geraume Zeit verläuft, bis diese Gedanken verwirklicht sind. Die Geschichte ist überreich an Beispielen dafür, dass um Fortschritte der menschlichen Gesellschaft, die uns heute zu Selbstverständlichkeiten geworden sind, lange und schwere Kämpfe geführt werden mussten, obwohl sie schließlich aus denselben Gründen verwirklicht wurden, aus denen sie zuerst gefordert worden waren. Nicht jeder Fortschritt, den ein vorausschauender Geist im Schoße der Entwicklung erkennt, ist sofort durchführbar, oft sind erst bestimmte Errungenschaften der Wissenschaft oder der Technik, eine besondere Stufe des wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Lebens als Voraussetzungen nötig, so wie der alte Traum des lenkbaren Luftschiffes sich erst verwirklichen konnte, als die Technik die geeigneten Motoren geschaffen hatte.

Aber es ist ein Irrtum, allgemein anzunehmen, dass jeder vernünftige, der Entwicklung förderliche Gedanke auch zur rechten Zeit sich durchsetzt. Mancher Fortschritt ist zu unberechenbarem Schaden für die Menschheit deshalb verzögert worden, weil sich die Interessen einer kleinen Minderheit gegen ihn stemmten, und weil die Mehrheit derer, die ihn hätte herbeiführen können, nicht von seiner Möglichkeit oder Nützlichkeit zu überzeugen war. Hätte mancher von denen, die zuerst den Gedanken an eine später verwirklichte Änderung der gesellschaftlichen Einrichtungen in die Welt gebracht haben, auch gleichzeitig die Macht gehabt, sie mit eigenen Mitteln als ein Krösus oder durch seinen entscheidenden Willen als unbeschränkter Herrscher einzuführen, so wäre sie genauso gut möglich gewesen, wie jetzt die Einführung der Sommerzeit, die auch schon vor Jahrzehnten gefordert worden ist und noch bis zum Tage ihres Beginnens von vielen für praktisch undurchführbar gehalten wurde.

Gerade bei gesellschaftlichen Einrichtungen ist es meist nicht die Natur der Dinge, die den Menschen Schwierigkeiten macht, sondern die Meinung der Menschen über sie. Wenn es aber Tatsache ist, dass es bei jeder bedeutenderen Sozialreform weniger Schwierigkeiten macht, sie einzuführen, sobald die entscheidenden Machthaber dafür gewonnen sind, als die Überzeugung von ihrer Möglichkeit und Nützlichkeit so weit zu verbreiten, dass die Machthaber ihrem Drucke nachgeben müssen, wenn gar manche Anregung überhaupt nicht einmal so weit in die Öffentlichkeit dringt, dass sie von verständnisvollen und einflussreichen Menschen aufgenommen und gefördert werden kann, dann wäre es einer der größten Fortschritte der Menschheit, wenn man eine Einrichtung schaffen könnte, die es den schöpferischen Geistern erleichtert, sich für ihre Anregungen Gehör zu verschaffen und Verständnis zu gewinnen, und die ihnen die Macht verleiht, sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit gegenüber allen widerstreitenden Tagesinteressen für ihre Gedanken einzusetzen. Das zu erreichen, ist aber einer der Hauptzwecke des Werkes von Richard Frey, und schon deshalb ist es für jeden, dem das Wohl der Menschheit am Herzen liegt, notwendig, dieses Werk auf seine Möglichkeit zu prüfen, und wenn er die Möglichkeit anerkennt, dazu beizutragen, die Hauptschwierigkeit seiner Durchführung zu beseitigen, den Mangel an Einsicht bei denen, ohne deren Mithilfe das Werk nicht durchzuführen ist.

II

Richard Frey will eine Organisation schaffen, die sich zu dem „Kulturreich“ entwickelt, das als dritte der höchsten menschlichen Organisationen neben Staat und Kirche tritt. Sein Kulturreich soll sich auf die Gebiete des Gemeinschaftslebens erstrecken, auf denen der Mensch nur als Persönlichkeit, als Mensch schlechthin, nicht als Angehöriger eines Staates, als Bürger, in Betracht kommt. Während der Staat in der Hauptsache nur der negativen Freiheit dient, d. h. das Volk gegen Angriffe und Vergewaltigungen anderer Völker schützt, die einzelnen Menschen gegen gewisse Schädigungen an Leib und Gut durch andere, im übrigen aber jeden den Kampf ums Dasein mit den Mitteln kämpfen lässt, die ihm die Zufälle der Geburt, des Besitzes, der Stellung gewähren, will das Kulturreich für die positive Freiheit sorgen; es trägt der Verschiedenheit der Menschen Rechnung und will jedem die Möglichkeit geben, den besonderen Anlagen und Bedürfnissen seiner Persönlichkeit gemäß zu leben, soweit er dadurch nicht schädigend in die Freiheit anderer ein­greift.

Der Staat schützt das historisch Gewordene, das zufällig Bestehende, das, was der Einzelne hat, ohne danach zu fragen, ob es ihm nach dem Werte seiner Persönlichkeit gebührt; er schützt den Reichtum, den Geiz oder Habgier nutzlos anhäuft oder den ein Nichtsnutz unsinnig vergeudet, aber es ist ihm gleichgültig, ob ein Talent oder ein Genie verkümmert, weil es nicht soviel hat, wie es zum dürftigsten Lebensunterhalte braucht. Der Staat kennt nur die äußerliche Gerechtigkeit, die juristische, deren Göttin die Binde vor den Augen hat, und vor der Mensch gleich Mensch und hundert Mark (eines Reichen) gleich hundert Mark (eines Armen) ist. Das Kulturreich strebt nach der inneren Gerechtigkeit, nach der Tugend des Maßes, das Menschen und Dinge nach dem Werte misst, den sie füreinander haben, nicht nach den zufälligen Verknüpfungen der gegebenen Verhältnisse, sondern nach dem Nutzen, den sie füreinander und für das Gemeinwohl haben könnten, wenn sie in die zweckmäßigste Beziehung zueinander gesetzt wären.

Um dem Ideal der positiven Freiheit und der inneren Gerechtigkeit näherzukommen, als der Staat bisher vermocht hat und nach seinem Wesen überhaupt vermag, schafft Frey in seiner Organisation Einrichtungen, die einer planmäßigen Auslese der für das Gemeinwohl wertvollen Menschen dienen sollen. Nicht der Zufall der bestehenden Macht- und Güterverteilung soll darüber entscheiden, wer aus der bunt zusammengewürfelten Masse seine Persönlichkeit zu der Entfaltung im privaten und der Geltung im öffentlichen Leben emporbringt, die ihren Anlagen und Kräften entsprechen, sondern jeder soll die Möglichkeit haben, den für ihn geeigneten Lebens- und Wirkungskreis sich selbst zu suchen und in den Kämpfen um Macht und Ansehen in der Gesellschaft um so höher zu steigen, je reicher seine Persönlichkeit ist.

Heute ist das Geld das stärkste Machtmittel. Je mehr Geld jemand hat, um so leichter ist es ihm, auf allen Gebieten des Lebens seinen Willen durchzusetzen und über andere Menschen zu herrschen, ja, bestimmenden Einfluss auf das Leben des Volkes und der Völker zu gewinnen. Der Besitz und der Erwerb des Geldes hängen aber nicht von dem Werte der Persönlichkeit ab, sondern von Zufällen und einseitigen Fähigkeiten, die oft gerade bei den unedelsten Naturen am erfolgreichsten sind.

Deshalb nimmt Frey mit demselben Machtmittel den Kampf gegen die Unvernunft dieser gesellschaftlichen Ordnung auf. Den Adel der Persönlichkeit, den er durch seine Auslese schafft oder hervortreten lässt, fasst er durch seine Organisation zu einer geschlossenen Einheit zusammen und gibt ihr den Reichtum, der erforderlich ist, um die edlen Naturen von der Geldmacht der unedlen freizumachen und ihnen innerhalb der Gesamtheit die Stellung zu sichern, in der sie als einzelne für ihre Umgebung und ihren bestimmten Wirkungskreis und in ihrer Vereinigung für das ganze gesellschaftliche Leben die Herrschaft der Unkultur brechen und für die innere Gerechtigkeit sorgen können.

Das Wort „Kultur“ umfasst recht verschiedene Vorstellungen, und mancher Einwand, der gegen die Bestrebungen Richard Freys erhoben worden ist, rührt daher, dass man in einer inneren Gebundenheit an eine bestimmte Vorstellung von dem Sinn des Wortes keinen freien Blick für die Zwecke hatte, die Frey verfolgt, und deshalb auch kein Verständnis für seine Mittel. Namentlich wo man nach ethischen Anschauungen bei Kultur an innere Sittlichkeit dachte, an das von allen Äußerlichkeiten des irdischen Lebens unabhängige „Reich Gottes, das inwendig in uns ist“, da vermochte man nicht einzusehen, wie Frey mit Geld Kultur schaffen kann, ja, man empfand die Verquickung von Geld und Kultur geradezu als widerwärtig und empörend.

In Wirklichkeit strebt die Kultur Freys nicht nach irgendeiner bestimmten Beschaffenheit des Menschen oder einem bestimmten Inhalte seines Lebens, sondern ist ein Verfahren, die Menschen je nach ihrer Beschaffenheit in die ihnen gebührende Stellung in der Gesellschaft zu bringen, so dass die Menschen von der edleren und reicheren Beschaffenheit mit dem Streben nach einem edleren und reicheren Lebensinhalte bestimmend für die Richtung der Entwicklung des Volkes und der Menschheit werden.

Es ist Menschenkultur in dem Sinne des Wortes Kultur, wie man es in der Landwirtschaft versteht. Der Landwirt kann und will nicht aus Unkraut Edelfrucht machen, aber er kann verhindern, dass das Unkraut die Edelfrucht überwuchert, sie erdrückt oder in ihrer Entwicklung hemmt, und kann durch zweckmäßige Auswahl und Bestellung des Bodens jeder Frucht die für ihr Wachstum geeigneten Bedingungen schaffen. Er wirft nicht bunt gemischten Samen aufs Geratewohl über die Erde hin und überlässt es dem Zufall, was daraus wird, indem er der weitverbreiteten Meinung folgt: Das Gute bricht sich immer selber Bahn! –, sondern er weiß, dass seine Kultur um so bessere Früchte trägt, je mehr es ihm gelingt, den Zufall auszuschalten und nach den Eigentümlichkeiten jeder Frucht planmäßig mit künstlichen Mitteln da nachzuhelfen, wo aus zufälligen Gründen etwas fehlt. Wohlverstanden, diese künstlichen Mittel sind nichts Unnatürliches oder Widernatürliches, nichts Unsittliches, sondern es sind Stoffe und Kräfte der heiligen Natur selbst. Das Künstliche liegt nur darin, dass der Mensch die Mittel, mit denen die Natur arbeitet, von einer Stelle, wo sie im Überfluss vorhanden sind, an eine andere Stelle, wo es an ihnen mangelt, schafft, oder ihre Verwendung dadurch erleichtert, dass er sie, wiederum mit rein natürlichen Mitteln, in die Form und zu der Wirkung bringt, wie sie die Natur am besten und schnellsten verwerten kann. Auch hier ist es die Überwindung des Zufalles, wodurch der Menschengeist der Natur Umwege und Verluste erspart und ihre Kräfte fruchtbarer macht.

So geht auch Frey bei seiner Menschenkultur zu Werke, indem er sich nur an die Tatsachen der Natur hält. Es sind fol­gende grundlegenden Tatsachen:

Die Menschen sind verschieden

a) nach natürlicher Veranlagung: gut-schlecht, stark-schwach, klug-dumm, begabt-unbegabt, fleißig-faul, schnell-langsam, genügsam-anspruchsvoll usw.

Diese Eigenschaften machen das Wesen der Persönlichkeit aus; sie sind in ihrem Kern unveränderlich.

b) nach Erziehung und gesellschaftlicher Stellung: gebildet-ungebildet, reich-arm, hoch-niedrig, angesehen-unbekannt, mächtig-einflusslos, selbständig-abhängig, verheiratet-unverheiratet usw.

Diese Eigenschaften haben mit dem Wesen der Persönlichkeit nichts zu tun, können es aber günstig oder ungünstig beeinflussen; sie sind veränderlich.

Die Verhältnisse, unter denen ein Mensch lebt, sind nach Zeit, Ort, Rechts- und Wirtschaftsordnung, Sitte, Beruf, Gesellschaftsklassen usw. verschieden.

Das Leben jedes Menschen wird bestimmt durch seine persönlichen Eigenschaften und die Verhältnisse seiner Umgebung. Wegen der Verschiedenheit der Menschen können dieselben oder ähnliche Verhältnisse zu verschiedenen, verschiedene Verhältnisse zu ähnlichen Lebensschicksalen führen. Alles ist relativ.