Erträgst du die Wahrheit, Pamela? - Christel Förster - E-Book

Erträgst du die Wahrheit, Pamela? E-Book

Christel Förster

0,0

Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. Pamela war erstaunt, die Tür offen zu finden. Vom Flur aus konnte sie in den Warteraum blicken. Die im Kreis stehenden Stühle und kleinen Sessel waren leer, niemand wartete mehr darauf, ins Sprechzimmer geholt zu werden. Es war sechs Uhr nachmittags, Gräfin Pamela war versucht, trotz der geöffneten Tür zu klingeln, dann aber überlegte sie: Wozu? Martin wird nicht böse sein, wenn ich unangemeldet bei ihm eindringe. Ein verschmitztes Lächeln huschte über ihr liebliches Gesicht, als sie die Tür ganz aufschob und das Wartezimmer betrat, wie so oft in letzter Zeit. Heute war es nicht mehr nötig, den Mantel abzulegen. Die Untersuchungen lagen hinter ihr, und nun sollte sie nur noch das Ergebnis erfahren. Mein Gott, sie kannte es ja längst, gleich würde Dr. Martin Reimers, der Freund ihrer Kindertage, mit strahlender Miene verkünden, daß sie ein zweites Baby bekäme. Pamela gelangte an jene Tür, an der ein Schildchen mit der Aufschrift ›Behandlungsraum‹ angebracht war. Wieder lächelte die bezaubernd schöne Gräfin, und schon hob sie die Hand, um sich durch behutsames Klopfen bemerkbar zu machen. Aber dann merkte sie, daß auch diese Tür einen Spalt geöffnet war. Deutlich konnte sie die Stimme Dr. Reimers' hören. Unwillkürlich lauschte Pamela, und ganz schnell begriff sie, daß der Jugendfreund telefonierte. Nun, da ging es natürlich nicht, daß sie störte. »Sind Sie absolut sicher, Herr Professor? Mein Gott, das wäre ja entsetzlich! Bitte, Sie müssen sich irren, das darf doch einfach nicht wahr sein!«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 147

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Fürstenkinder – 101 –

Erträgst du die Wahrheit, Pamela?

Unveröffentlichter Roman

Christel Förster

Pamela war erstaunt, die Tür offen zu finden. Vom Flur aus konnte sie in den Warteraum blicken. Die im Kreis stehenden Stühle und kleinen Sessel waren leer, niemand wartete mehr darauf, ins Sprechzimmer geholt zu werden.

Es war sechs Uhr nachmittags, Gräfin Pamela war versucht, trotz der geöffneten Tür zu klingeln, dann aber überlegte sie: Wozu? Martin wird nicht böse sein, wenn ich unangemeldet bei ihm eindringe.

Ein verschmitztes Lächeln huschte über ihr liebliches Gesicht, als sie die Tür ganz aufschob und das Wartezimmer betrat, wie so oft in letzter Zeit.

Heute war es nicht mehr nötig, den Mantel abzulegen. Die Untersuchungen lagen hinter ihr, und nun sollte sie nur noch das Ergebnis erfahren. Mein Gott, sie kannte es ja längst, gleich würde Dr. Martin Reimers, der Freund ihrer Kindertage, mit strahlender Miene verkünden, daß sie ein zweites Baby bekäme.

Pamela gelangte an jene Tür, an der ein Schildchen mit der Aufschrift ›Behandlungsraum‹ angebracht war. Wieder lächelte die bezaubernd schöne Gräfin, und schon hob sie die Hand, um sich durch behutsames Klopfen bemerkbar zu machen. Aber dann merkte sie, daß auch diese Tür einen Spalt geöffnet war. Deutlich konnte sie die Stimme Dr. Reimers’ hören.

Unwillkürlich lauschte Pamela, und ganz schnell begriff sie, daß der Jugendfreund telefonierte. Nun, da ging es natürlich nicht, daß sie störte. Sie wollte sich auf den am nächsten stehenden Stuhl setzen, als sie Martins Stimme hörte:

»Sind Sie absolut sicher, Herr Professor? Mein Gott, das wäre ja entsetzlich! Bitte, Sie müssen sich irren, das darf doch einfach nicht wahr sein!«

Eine kleine Pause entstand, dann fuhr der Arzt fort:

»Ja! Darum schickte ich sie ja zu Ihnen. Ich war unsicher, gewiß, aber an diese grausame Wahrheit dachte ich keinen Augenblick.«

Wieder war es still da drinnen, und ohne sich dessen recht bewußt zu sein, trat Pamela so dicht an die Tür heran, daß ihr selbst das laute Atmen des Arztes nicht mehr entging.

»Aber das würde doch bedeuten, daß sie längstens noch ein halbes Jahr zu leben hat, Herr Professor. Eine so junge Frau muß sterben, und wir sind machtlos? Bedenken Sie doch, sie kam her, weil sie glaubte, ein Baby zu bekommen.«

Wie ein elektrischer Schlag durchfuhr das Entsetzen Pamelas ganzen Körper. Ein Rad begann sich in ihrem Kopf kräftig zu drehen, und ein so heftiger Schwindel überkam sie, daß sie haltsuchend um sich greifen mußte.

Sie faßte nach der Stuhllehne und preßte die Lider ganz fest über die Augen. Für einen Moment drang Martins Stimme verzerrt an ihr Ohr, aber das war sehr bald wieder vorbei, und dann erschien sie ihr lauter und deutlicher als zuvor. »Nein, das kann ich ihr nicht sagen, diese Wahrheit ist einfach zu schrecklich. Nur noch eines liegt in unserer Macht, Herr Professor: Wir können zwei Menschen wenigstens noch für ein paar Monate Sicherheit und Glück schenken. In der Klinik hätte sie das Siechtum dauernd vor Augen. Die Lüge wird auch nicht leicht über meine Lippen kommen, aber es muß sein, und ich bitte Sie, von ganzem Herzen, schweigen auch Sie!«

Gräfin Pamelas Herz schlug wie ein Hammer, und das Blut schien in ihren Adern zu kochen. Sie wollte schreien, aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt.

Sie sprechen von dir! dröhnte es hinter ihrer Stirn. Sie meinen dich! Du wirst in wenigen Monaten sterben, Pamela von Salisch.

Ächzend ließ sie sich auf den Stuhl fallen, und von unbändiger Furcht erfüllt, preßte sie die Hände vors Gesicht. Sie zitterten heftig und waren plötzlich eiskalt.

»Hör auf!« wimmerte sie. »Schweig doch, Martin! Bitte, schweig!«

Der junge Arzt dort drinnen hörte sie nicht. Sicher war er kaum weniger entsetzt als sie, und gewiß ahnte er nicht, daß die Tür zu seinem Sprechzimmer nicht geschlossen war.

»Ich werde ihr ihren Glauben lassen«, erklärte er jetzt dem so sehr von ihm verehrten Professor Werner. »Sie soll auf ein Baby hoffen, und sie wird sich darauf freuen und ihre Unpäßlichkeit tapfer ertragen. Es wird mir dann schon etwas einfallen, um sie zu beruhigen. Natürlich wird sie es glauben.«

Er lauschte eine Weile und antwortete dann: »Auch vor Alexanders Geburt hat man lange nicht gemerkt, daß sie ein Kind trug.«

Alexander! Als der Name ihres Kindes fiel, hatte Pamela das Gefühl, als durchbohrte die Spitze eines Dolches ihr Herz.

Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr! schrie es in ihr. Sie sprechen wirklich von dir. Es ist dein Leben, das unaufhaltsam zu Ende geht!

Sie nahm die Hände vom Gesicht zurück, und wie irr huschte ihr Blick über die hellen Wände. Schwankten sie nicht? Würden sie nicht jeden Augenblick umstürzen?

Endlich konnte Pamela aufstehen. Wie blind stürzte sie auf die Tür zu und riß sie auf. Wie von selbst bewegten sich ihre Füße und trugen sie die steinerne Treppe hinunter. Ihre rechte Hand glitt über das Geländer, und immer lauter dröhnte es hinter ihrer Stirn:

Du bist verloren, Pamela! Bald wirst du die Sonne nicht mehr sehen! Noch ein paar Monate, und du wirst nichts mehr haben! Nicht das Schloß, nicht den wundervollen Park, nicht Holger, deinen Mann, den du über alles liebst, und auch nicht mehr deinen kleinen Alexander! Man wird dich begraben und deinen Namen aus dem Buch des Lebens löschen. Pamela von Salisch gibt es dann nicht mehr!

Heiße Tränen überströmten ihr schmales, überaus liebliches Gesicht, als sie auf die Straße hinaustrat. Schräg stand die Sonne am Himmel und blendete sie. Pamela sah die Menschen, die vorübereilten, und begriff nicht, daß sie es tun konnten, als sei nichts geschehen.

Auf einer versteckt stehenden Bank im Park versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Sie mußte vor allem klaren Kopf behalten, das begriff sie. Sie durfte sich nicht in Verzweiflung und Angst verlieren.

Tief atmete Pamela die würzige Abendluft ein, und endlich spürte sie, daß sie ruhiger wurde. Sie betrachtete ihre Hände. Jetzt zitterten sie nicht mehr, ganz ruhig lagen sie in ihrem Schoß.

Ein kleines Mädchen kam über den Weg gelaufen. Es eilte einem bunten Ball nach, und als es ihn vom Boden aufnahm, rief es jubelnd:

»Ich habe ihn doch nicht verloren! Da ist er!«

Stolz wie eine kleine Königin zeigte sie das Spielzeug der ihr folgenden Kinderschwester vor, und Gräfin Pamela hörte auch deren Antwort:

»Natürlich nicht. Wer gibt denn so schnell etwas verloren?«

Sie nahm ihren Schützling bei der Hand, und ohne die auf der Bank sitzende junge Frau zu bemerken, entfernten sie sich.

»Wer gibt denn so schnell etwas verloren?« sprach Pamela der Kinderschwester sinnend nach, und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, als neue Hoffnung sie mit aller Gewalt überkam. Genau vergegenwärtigte sie sich die Situation in Martins Wartezimmer. Lieber Himmel, hatte der Freund ihrer Kindertage denn wirklich von ihr gesprochen?

Keine Minute länger hielt es sie auf ihrer Bank. Sie fühlte unbändige Kraft in sich erwachen und ertappte sich, daß sie laut vor sich hinsprach:

»Er hat mich nicht gemeint. Nein, ich werde nicht sterben, nicht ich!«

So schnell ihre Füße sie tragen konnten, eilte sie den Weg zurück. Völlig außer Atem erreichte sie das Haus, in dem Martin Reimers seine Praxis hatte. Hinter einigen der Fenster brannte schon Licht. Ob der Freund so lange auf sie gewartet hatte?

Dieses Mal mußte sie klingeln, um eingelassen zu werden. Martin öffnete ihr die Tür, und unverkennbar erschrak er, als er sie erkannte. Es entging Pamela nicht, daß er sich einen ordentlichen Ruck gab, ehe er sie wie gewohnt begrüßte. Vielleicht war es auch der Anblick des Wartezimmers, der ihren Argwohn jäh wieder aufkommen ließ! Ihr Herz tat einen dumpfen Schlag, als der Arzt ihre Hand ergriff und sie in den Vorraum seiner Praxis zog.

»Du kommst spät, aber du kommst«, neckte er. »Hatten wir nicht sechs Uhr verabredet? Inzwischen ist es längst sieben vorbei, verehrte Gräfin.«

Pamela wunderte sich kaum noch, daß er ihrem Blick so geflissentlich auswich. Armer Martin! dachte sie. Wie sehr magst du gehofft haben, ich würde nicht mehr kommen! Noch immer hockt der Schreck in deinen Augen. Ich kenne dich zu gut, um es zu übersehen.

Sicher hast du dir inzwischen genau überlegt, was du mir nun sagen wirst, nicht wahr? Von dem Baby wirst du sprechen, auf das ich mich freuen soll. Du wirst lügen, so wie du es dem Professor ankündigtest.

Und ich? Hältst du mich für so stark, daß ich diese Lüge hinnehmen kann? Auf dem Weg hierher schalt ich mich kopflos und töricht, aber ich war es nicht. Was dein Mund mir verschweigen wird, verraten mir jetzt schon deine Augen.

»So sind wir Frauen nun mal. Pünktlichkeit ist unsere schwache Seite, lieber Freund. Ich hoffe, du hast nicht extra auf mich gewartet.«

Er schüttelte den Kopf, und wieder blickte er wohlweislich an ihr vorbei.

»Bitte, leg ab, Pamela!«

Sie ließ sich aus dem Mantel helfen und glaubte, gut zu wissen, warum er ihn so sorgfältig und ordentlich auf den Haken hängte. Er wollte nur Zeit gewinnen.

Martin schob ihr die Hand unter den Arm und führte sie hinüber in sein Sprechzimmer. Unwillkürlich warf Pamela einen Blick auf das weiße Telefon, ehe sie in dem ihr von Martin angebotenen breiten Ledersessel Platz nahm. Durch dieses Telefon war die Hiobsbotschaft gekommen.

Laß dir nichts anmerken! befahl sie sich. Dies ist ja erst der Anfang!

Martin setzte sich hinter seinen Schreibtisch.

»Fein, daß du noch gekommen bist, Pamela. Ich fürchtete schon, du hättest unsere Verabredung vergessen.«

»Das hätte ich auch fast«, schwindelte sie tapfer. »Wenn ich einmal einzukaufen beginne, finde ich kein Ende, weißt du? In der Stadt gibt es einfach zuviel zu sehen, und alles Schöne lockt und verführt mich nun mal!«

»Und wie geht es uns nun heute? Hat das böse Kopfweh wenigstens etwas nachgelassen?«

»Sehr sogar. Wenn nicht dieser dumme Schwindel immer wiederkäme, würde ich sagen, ich sei topfit, aber… es ist ja natürlich, nicht wahr?«

War es wirklich so leicht zu schauspielern, so einfach, einem anderen etwas vorzumachen?

»Um es mit deinen Worten zu sagen«, erwiderte der Arzt, »sehr natürlich sogar. Wenn einer kleinen Frau wie dir ein bißchen schwindelt, ist das gewiß kein Beinbruch.«

Schmunzelnd sah er zu ihr hinüber, nahm seinen Füllhalter vom Schreibtisch auf und begann, ihn spielend zwischen den Fingern zu drehen. Für Pamela war das ein weiteres Zeichen seiner inneren Unruhe.

»Du meinst, daß ich… daß ich…«

»Ja«, unterbrach er sie. »Du hast richtig vermutet, Pamela. Bist halt doch ein kluges kleines Mädchen. Es stimmt, auf Schloß Salisch wird man bald ein zweites Baby haben.«

Das waren genau die Worte, die Pamela noch vor einer Stunde so hoffnungsfroh erwartet hatte, aber wie anders klangen sie ihr nun in den Ohren? Sie mischten sich mit jenen, die Martin in das weiße Telefon gesprochen hatte. »Die Lüge wird nicht leicht über meine Lippen kommen, aber es muß sein.«

Das Herz der jungen Gräfin klopfte so laut, daß sie fürchtete, Martin könnte es hören. Ganz fest schob sie die Hände ineinander und senkte den Blick, um dem seinen wenigstens für einen kurzen Moment ausweichen zu können.

Martin Reimers, der augenscheinlich eine andere Reaktion erwartet hatte, kam um den Schreibtisch herum.

»Hee! Hast du mich nicht verstanden? Es ist ein Baby, Pamela! Du hast es dir doch sehr gewünscht, nicht wahr?«

Die schöne, junge Frau schluckte, aber das Gefühl, eine eiskalte Hand presse ihr die Kehle ein, wollte nicht weichen. Endlich gelang ihr ein Lächeln, aber sie wußte genau, es mußte kläglich sein.

»Ein Baby«, wiederholte sie und nickte. »Ja, ich habe es mir sehr gewünscht.«

Ihr Verhalten strafte ihre Worte Lügen. Ich muß es ihm erklären, überlegte sie gequält, so werde ich ihn nicht täuschen.

»Gewünscht, aber… nun ja, du hast mir nicht gerade Hoffnung gemacht. All die Untersuchungen! Weißt du, daß ich nahe daran war zu glauben, ich sei… todkrank?«

Sie hob den Kopf und sah den Arzt an. Alles, was ihr Herz zu erdrücken drohte, verrieten ihre schönen Augen. Mußte er es jetzt nicht sagen? Nein, Martin Reimers war ein besserer Schauspieler als sie. Was er sich vorgenommen hatte, führte er mit aller Konsequenz aus.

»Das hast du geglaubt?« Er nahm ihre Hände und drückte sie.

»Aber Pamela! Von einer ernsteren Krankheit habe ich doch nie gesprochen. Natürlich habe ich dich gründlich untersucht. Bei deinem zarten Körper war das auch recht nötig, aber vor allem wollte ich dir eine sichere Auskunft geben. Es ist alles in schönster Ordnung. Du brauchst wirklich nicht mehr zu zweifeln.«

»Und Professor Werner?« forschte sie. »Ist er auch deiner Meinung?«

»Aber ja. Das Ergebnis seiner Untersuchung habe ich natürlich abgewartet.«

»Und… und wann bekamst du es?« fragte die junge Gräfin und sah den Arzt aus großen, prüfenden Augen an.

»Wann?« wiederholte er und schüttelte den Kopf. »Ist das so wichtig? Der Professor rief mich vor einer Stunde an, und ausdrücklich trug er mir auf, dir all seine guten Wünsche zu übermitteln.«

»Danke«, sagte Pamela und schluckte erneut. »Dank für alles, Martin.«

Noch immer hielt er ihre Hände, und Pamela wußte, daß er spürte, wie sie zitterten.

»Wann erwartet mich Professor Werner?« fragte sie, und deutlich glaubte sie zu erkennen, daß ihre Frage ihn erschreckte.

»Gar nicht mehr«, antwortete er viel zu hastig. »Was solltest du noch bei ihm?«

»Nun, ich… ich dachte, er… er würde mir noch Verhaltensmaßregeln geben wollen.«

»Keine Spur! Dein Arzt bin ich. Gegen das Kopfweh verschreiben wir ein paar Tabletten, und der Schwindel wird bald ganz von selbst vergehen. Hin und wieder kommst du her und wir schauen, ob alles seinen rechten Gang nimmt. Freilich solltest du dich ein wenig schonen und am besten nicht mehr Auto fahren. Ruh dich aus, so oft du kannst. Nutze euern wundervollen Park! Licht, Luft und Sonne sind die beste Medizin.«

Etwas schwankend erhob sich Gräfin Pamela. Sie war recht froh, daß Martin ihr eine Hand unter den Arm schob und sie ins Wartezimmer zurückbrachte. Fürsorglich half er ihr in den Mantel, und lächelnd reichte er ihr zum Abschied die Hand.

»Mach’s gut, Pamela«, wünschte er. »Und hab’ keine Angst, hörst du? Einen Gruß an den Herrn Grafen. Sag ihm, daß ich ihn maßlos beneide.«

»Tust du das wirklich, Martin?« fragte Pamela mit leiser Stimme.

»Das weißt du doch, immerhin solltest du ja eigentlich meine Frau werden. Ich werde Holger nie verzeihen, daß er dich mir fortgeschnappt hat.«

Er öffnete ihr die Tür und warnte noch einmal:

»Gib gut acht auf dich, ja? Und komm bald wieder!«

Pamela versprach es und winkte ihm zu, als sie die Treppe hinunterging. Bis er die Tür schloß, lächelte sie, dann aber umschloß sie mit beiden Händen das Treppengeländer. Ein verzweifeltes, wehes Schluchzen rang sich über ihre bebenden Lippen.

*

Lange Minuten saß Pamela von Salisch völlig verstört am Lenkrad ihres schnittigen Sportwagens. Ihr Kopf schmerzte heftig, und ihr Herz schlug rasend schnell. Ein halbes Jahr! dröhnte es ihr in den Ohren. Ein halbes Jahr! Das ist weniger als zweihundert Tage!

Unbändige Angst verkrampfte ihren ganzen Körper, und ihre Lippen bebten wie im Fieber. Gequält schloß sie die Augen.

»Herrgott im Himmel, kannst du dich wirklich meiner nicht erbarmen?« wimmerte sie. »Ich bin noch so jung, gerade erst zweiundzwanzig. Mein Leben sollte doch erst beginnen, mein Leben mit Holger. Und nun soll ich ihn schon so bald verlassen?«

Heiß strömte die Sehnsucht nach dem geliebten Mann in ihr Herz, und nun konnte sie schalten und Gas geben. Wie ein Pfeil schoß der Wagen davon. Nur zwanzig Minuten brauchte die junge Gräfin für den Weg zum Schloß, und immer wieder flüsterte sie vor sich hin:

»Allein werde ich es nicht ertragen. Holger muß es erfahren, und er wird mich halten und stützen.«

Hinter einer scharfen Kurve tauchte das Schloß vor ihr auf. Pamela sah, daß die hohen Fenster im Erdgeschoß hell erleuchtet waren, und jäh besann sie sich: O Gott, dies war doch der Musikabend der Gräfin! Sie hatte ihn vergessen.

Pamelas schlanke Hände zitterten. Sie lenkte ihren Wagen in den Schloßhof, und für einen Moment atmete sie erleichtert auf, als sie sah, daß die Gäste noch nicht erschienen waren. Auf schnellen Füßen eilte sie die Freitreppe hinauf. Das Portal war geöffnet, und ungehindert gelangte sie in die Halle. Schon hoffte sie, ihr spätes Heimkommen bliebe unbemerkt, da aber wurde die Salontür geöffnet, und die Gräfin Judith, die Mutter ihres Gatten, stand vor Pamela.

Sie war schon für den festlichen Abend gekleidet, und die Juwelen, die sie trug, glitzerten im Schein der prächtigen Lüster. Pamela aber richtete ihren ängstlichen Blick auf die Augen der Schwiegermutter, und es entging ihr nicht, wie kalt und hart sie waren.

»Du kommst tatsächlich schon?« höhnte die Gräfin mit dunkler Stimme. »Wie erfreulich! Es ist ja auch gleich erst acht Uhr, nicht wahr? Die Gemahlin des Schloßherrn kann es sich leisten, erst kurz vor den Gästen zu erscheinen.«

»Du bist ungehalten, Mama, ich verstehe es, aber, bitte, ich… ich…«

»Ich erwarte keine Entschuldigung«, wurde ihr das Wort scharf abgeschnitten. »Es gibt nämlich keine. Dein ungebührliches Benehmen wundert mich nicht im mindesten. Es paßt zu dir.«

»Ich wurde aufgehalten, ich…«

»Es interessiert mich nicht, wo du so viele Stunden des Tages verbringst. Vor meinem Sohn wird du es verantworten müssen, aber leider ist Holger ja noch immer blind und taub, wenn es um dich geht. Er hat auf meine Warnungen nicht gehört, und Gott weiß, wann er erkennen wird, daß du niemals eine wirkliche Gräfin Salisch sein wirst. Du bist und bleibst Pamela Hendrick, deren schöne Augen meinen armen Sohn verführten.«

»Jetzt bin ich doch da, Mama. Ich werde mich beeilen und pünktlich zum Empfang deiner Gäste fertig sein. Bitte, verzeih mir doch! Ich… ich wollte dich nicht kränken.«