Fürstenkinder 2 – Adelsroman - Regine König - E-Book

Fürstenkinder 2 – Adelsroman E-Book

Regine König

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Beschreibung

Sie sind in aller Munde – geliebt, bestaunt, verehrt. Eine Aura umgibt sie, der Reiz des Besonderen, des Unerreichbaren lässt die Augen von uns allen auf sie richten. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. In der völlig neuen Romanreihe Fürstenkinder kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Fürstenkinder steht für einen idealen neuen Romantypus, der zugleich das klassische Erfolgsmodell verwirklicht. Große Schriftstellerinnen, die den Liebesroman seit langem prägen, konnten wir für diese neue Heftreihe gewinnen. "Fräulein… Fräulein… mein Gott, liebes Fräulein… so warten Sie doch nur einen Augenblick!" Der Mann in der hellgrauen Livree des herrschaftlichen Dieners hob beschwörend die Hände gegen das junge Mädchen, mit dem er beinahe zusammengeprallt war. "Bei dem Wetter warten? Ich bin doch keine Selbstmörderin!" Des Mädchens schmale Gestalt mit dem bereits ein wenig abgetragenen Allwettermantel verhielt nun aber doch den Schritt. Aus der Kapuze, die eng unterm Kinn zusammengeknöpft war, lugte ein beinahe kindlich zartes Gesichtchen hervor, das von riesigen dunklen Augen beherrscht war. Man konnte die Farbe dieser Augen nicht angeben. Waren sie braun, waren sie schwarz wie Brombeeren, die ausgereift waren? In diesem Augenblick waren sie einfach nur dunkel und ein wenig ängstlich. Denn hier draußen an der breiten offenen Strommündung, die wie ein Meer erschien, peitschte der Sturm nicht nur in den wenigen hochstehenden Bäumen, sondern versuchte sogar, die spärlichen herbstfahlen Gräser zu knicken. Was hatte der Wetterbericht gesagt? Jasmine im Kapuzenmantel versuchte sich zu erinnern. Sturmflutwarnung! Seit Tagen tobte der Sturm an der Küste, peitschte seine Schrecken bis tief ins Land hinein. Im Hafen lagen hierher geflüchtete Schiffe aus aller Herren Länder. Und sogar zur Zeit der Ebbe stand das Wasser erschreckend hoch. "Gleich kann hier alles überschwemmt sein!" sagte Jasmine und versuchte, den vor ihr stehenden vor Angst keuchenden Mann beiseite zu schieben. "Fräulein… Fräulein… es geht um die Kinder! Haben Sie sie nicht gesehen?"

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Fürstenkinder – 2 –

Bleib bei uns, zärtliche Jasmine

Die Kinder des Fürsten Basserow

Regine König

»Fräulein… Fräulein… mein Gott, liebes Fräulein… so warten Sie doch nur einen Augenblick!«

Der Mann in der hellgrauen Livree des herrschaftlichen Dieners hob beschwörend die Hände gegen das junge Mädchen, mit dem er beinahe zusammengeprallt war.

»Bei dem Wetter warten? Ich bin doch keine Selbstmörderin!«

Des Mädchens schmale Gestalt mit dem bereits ein wenig abgetragenen Allwettermantel verhielt nun aber doch den Schritt.

Aus der Kapuze, die eng unterm Kinn zusammengeknöpft war, lugte ein beinahe kindlich zartes Gesichtchen hervor, das von riesigen dunklen Augen beherrscht war.

Man konnte die Farbe dieser Augen nicht angeben. Waren sie braun, waren sie schwarz wie Brombeeren, die ausgereift waren? In diesem Augenblick waren sie einfach nur dunkel und ein wenig ängstlich.

Denn hier draußen an der breiten offenen Strommündung, die wie ein Meer erschien, peitschte der Sturm nicht nur in den wenigen hochstehenden Bäumen, sondern versuchte sogar, die spärlichen herbstfahlen Gräser zu knicken. Was hatte der Wetterbericht gesagt?

Jasmine im Kapuzenmantel versuchte sich zu erinnern.

Sturmflutwarnung!

Seit Tagen tobte der Sturm an der Küste, peitschte seine Schrecken bis tief ins Land hinein. Im Hafen lagen hierher geflüchtete Schiffe aus aller Herren Länder. Und sogar zur Zeit der Ebbe stand das Wasser erschreckend hoch.

»Gleich kann hier alles überschwemmt sein!« sagte Jasmine und versuchte, den vor ihr stehenden vor Angst keuchenden Mann beiseite zu schieben.

»Fräulein… Fräulein… es geht um die Kinder! Haben Sie sie nicht gesehen?«

Der Fahrer Walter Waschkewitz fuhr sich über das nicht nur vom Regen, sondern auch vom Angstschweiß überperlte Gesicht.

Die Kinder!

Mein Gott, wie sollte er vor seinen Chef, Michail Fürst von Bassarow, den berühmten Kunsthändler, hintreten, wenn er ohne die Kinder zurückkehrte? Michail von Bassarow, der den ererbten Fürstentitel abgelegt hatte, den seine in der russischen Revolution geflüchteten Vorfahren getragen hatten, kümmerte sich zwar gar nicht um seine beiden Kinder Christopher, genannt Stoffel, und die kleine Vronli. Wenn aber die Kinder tot waren…

Weshalb habe ich sie nur mitgenommen? durchfuhr es den alten, treuen Waschkewitz.

Sie haben ihm leid getan, rechtfertigte er sich dann.

Der Stoffel und das Vronli spüren nicht sehr viel Liebe. Michail von Bassarow mag ein berühmter Antiquitätenhändler sein, er mag reich sein – aber für seine Kinder besitzt er weder Herz noch Zeit, und die Erzieherinnen wechseln sehr oft.

Na, und wenn sie dann zu mir in die Garage kommen…

Der Mann in der Livree schnaufte noch stärker. Ja, wenn sie mich dann bitten, mitgenommen zu werden, wer könnte dann nein sagen? Schließlich hat man ja auch ein Herz.

Vor allem für Kinder, die keine Mutter mehr haben.

Wie lange war sie schon tot, die Frau des Fürsten Bassarow?

Auf jeden Fall lebte Barbara Bassarow schon lange nicht mehr.

Lebenslustig war sie gewesen, hatte den Sport geliebt, hatte sich gern bewundern lassen. Keinem Flirt war sie abgeneigt gewesen, obgleich Fürst Michail zu einem der bestaussehendsten und begehrtesten, dabei reichsten Männern in der Gesellschaft gehörte.

Aber es gab eben solche Frauen, die eine Unzahl von Verehrern brauchten.

Und dieses Temperament, oh, dieses Temperament!

Das hatte sie das Leben gekostet. Damals, als sie das dritte Kind unter dem Herzen trug und in rasendem Tempo in ihrem Sportkabriolett mit weit über 200 Stundenkilometer in die Kurve ging.

Tot!

Der Fahrer Waschkewitz schob an diesem fürchterlichen Sturmnachmittag, der die Millionenstadt an der Elbe bedrohte, die Hände in die Taschen. Und seit der Zeit hatten der heute zehnjährige Stoffel und die siebenjährige Vronli keine Mutter mehr.

Und auch keinen Vater!

Er kümmerte sich nicht um sie!

Der Mann in der hellgrauen Livree begehrte innerlich wild auf.

Und deshalb kommen der Stoffel und das Vronli immer wieder in das Personalzimmer der großen Villa an der Elbchaussee. Und wir alle haben diese Kinder lieb. Die Haushälterin, die Köchin, das Stubenmädchen. Na, und ich ganz gewiß!

Ich hätte die beiden nicht mitnehmen sollen,als ich an diesem späten Nachmittag hierher fuhr, um die Statue einer kleinen holzgeschnitzten Madonna von einem Verkäufer abzuholen.

»Fräulein!« keuchte der Mann und sah wie ein Verzweifelnder dem Mädchen im Kapuzenmantel in das schmale Gesicht mit den riesigen dunklen Augen. »Fräulein, so helfen Sie mir doch! Ich bin ja nur ganz kurz im Haus Hollenberg gewesen. Nur um die hölzerne Madonna abzuholen. Und in dieser Zeit… ja, da sind sie verschwunden, der Stoffel und das Vronli. Und… und dieser Kater, dieser Julius, ohne den sie nicht leben können. Verschwunden sind sie, alle drei!«

Der Sturm pfiff jetzt nicht mehr, er raste, er versuchte, alles Aufrechtstehende zu Boden zu werfen.

Die kleine, schmale Jasmine klammerte sich plötzlich unbewußt an den Fahrer.

»Aber ich habe sie ja auch nicht gesehen, die Kinder, die Sie suchen!« schrie sie.

Der Sturm heulte jetzt so laut, daß man sich nur schreiend verständigen konnte. Das Schreien aber klang wie ein Flüstern.

Mehr aber noch als die Worte sprachen in Jasmines Gesicht die dunklen Augen. Die waren warm, herzlich. Und in ihnen spiegelte sich plötzlich auch die Fürsorge für zwei Kinder, die spurlos verschwunden waren.

Der nahende Abend war erfüllt von Schrecken, Angst, Furcht.

Sirenen begannen jetzt laut zu heulen.

»O Gott, die Flut!« Jasmine faltete die zarten Hände, die in einfachen roten Strickhandschuhen steckten.

»Die Flut!«

Der Fahrer Waschkewitz sank in sich zusammen. »Die Flut, Fräulein, und die Kinder…«

Da raffte sich die kleine Jasmine auf.

»Sagten Sie nicht, die Kinder hätten einen Kater bei sich gehabt?«

Waschkewitz nickte stumm.

»Julius!« schrie er dann jäh. Sein Schreien glich einem Flüstern.

»Ich werde Ihnen suchen helfen!« schrie Jasmine und beugte sich zum linken Ohr des hilflosen Mannes. »Man kann Kinder ja nicht diesem Chaos aussetzen.«

Jasmine strich sich übers Gesicht. Ihr glattes kastanienbraunes Haar war so kurz geschnitten, daß es aus der Kapuze hervorschaute. »Wie eine Kappe liegt es an!« hatte vor einer knappen Viertelstunde die Ballettmeisterin Curschmann geäußert, bei der sich Jasmine hatte melden sollen. »Und deshalb können Sie die Rolle besonders gut übernehmen.«

Oh, das Katzenballett im Kinderweihnachtsmärchen des Opernhauses.

Jede der Schülerinnen der Frau Curschmann träumte davon, in ihm auftreten zu dürfen.

Natürlich bestritt das Ballett der Oper diesen Tanz der Katzen. Aber bei den Tänzerinnen gab es Erkrankungen, Ausfälle. Die Oper hatte sich an die bewährte Ballettmeisterin gewandt, die seit etlichen Jahren nicht mehr selber auftrat, sondern nur Schülerinnen ausbildete.

»Und du bist meine begabteste Schülerin, Jasmine!« hatte die gütige grauhaarige Adela Curschmann vor einer halben Stunde geäußert. »Und du wirst tanzen, großes kleines Mädchen.«

»Auf der riesigen Bühne der Oper?«

»Ja, du«, hatte Adela Curschmann lächelnd bestätigt. »Und – das rate ich dir – Schande hast du mir nicht zu machen.«

»Mach’ ich nicht!« Jasmine hatte den Kopf mit dem bubenhaft kurzgeschnittenen Haar gesenkt. »Ich will ja, ich will…!«

»Primaballerina willst du werden wie alle!« Die grauhaarige Frau hatte gelächelt. »Also, einen Start hast du nun… Kätzchen, kleine Jasmine. Nimm ihn wahr, den Start!«

Wie lange lagen diese Worte nun schon zurück?

Jasmine fuhr sich mit den Handschuhen übers Gesicht, in das der einsetzende Regen peitschte.

Eine Ewigkeit! dachte das Mädchen.

Denn nun tritt die Gegenwart an mich heran. Eine Gegenwart, in der nicht getanzt wird, sondern in der zwei Kinder verschwunden sind.

Immer schauriger heulten die Sirenen.

Eine Millionenstadt war auf den Beinen. Mit Polizei. Mit Suchdienst. Mit Militär. Mit Rettungsmannschaften.

»Ich helfe Ihnen«, versprach Jasmine dem völlig ratlosen und verwirrten Fahrer Waschkewitz, der seine Gutherzigkeit tausendmal bereute.

»Also, dann auf!« Jasmine lachte plötzlich. »Heute habe ich meinen Katzentag.«

Graziös erhob sie sich auf den langschäftigen Stiefeln, die ihr ein wenig zu groß waren. Eine Bekannte hatte sie ihr zu diesem Weg geliehen. Wie der gestiefelte Kater komme ich mir vor! dachte Jasmine, während sie mit dem Fahrer Waschkewitz verabredete, sich pünktlich nach einer halben Stunde hier wieder zu treffen. Hier am Auto, das seine riesigen Scheinwerfer über die ganze Landschaft zu werfen schien.

Es sollte lieber dunkel sein! durchfuhr es Jasmine. Schön sieht’s hier nicht aus. –

Die Wohnung der Ballettmeisterin Curschmann lag in einer jener alten Villen, die einmal gute Zeiten mit immer stärker abblätternder Schäbigkeit vertauscht hatten.

Es gab hier bereits Schuppen, Fabrikhallen, Lagerräume, die sich in unentwirrbarem Durcheinander ausbreiteten.

Und es war so dunkel, daß man kaum die Hand vor den Augen sehen konnte.

Jasmine drehte die kleine Taschenlampe n, die sie für diesen Weg bei sich getragen hatte. Sie gab zwar keinen Lichtschein wie die Scheinwerfer des Wagens, aber man konnte mit ihm in die hintersten Ecken kriechen.

Und sich verirren!

Jasmine war es plötzlich nicht mehr ganz geheuer.

Draußen legte sich der Sturm immer mehr in die Riemen, preßte die Wolken beinahe bis auf den Strom hinab.

Er drängte auch die Flut unbarmherzig in die Flußmündung.

Gefahr – höchste Gefahr!

Sirenen begannen jetzt rundum zu heulen.

Vronli, Stoffel! Veronika, Christoph!

Jasmine rief die Namen der beiden Kinder, bis sie sich klarmachte, daß dies ein zweckloses Bemühen war.

Wer schon konnte in diesem Chaos eine Kinderstimme hören, die antwortete!

Und im übrigen: Hatte sie sich nicht in eine andere Richtung gedreht?

Jasmine spürte plötzlich hr Herz laut und heftig gegen die Rippen schlagen, von denen einmal ein Kommilitone gesagt hatte: »Kleines Fräulein Doktor in spe, lassen Sie sich nie in einen Kampf ein, sonst zerdrückt man Sie völlig!«

Jasmine lehnte sich einen Augenblick gegen eine Wand.

Der Kommilitone – es war schon lange her, daß er so zu ihr gesprochen hatte.

Das war damals noch, als die Eltern lebten. Papa, der große, international berühmte, aber auch höchst eigenwillige Dirigent Joachim Rasmussen. Und Mama. Ach, die zierlich mädchenhafte Mama, die einer bekannten französischen Professorenfamilie entstammte und die keinen sehnlicheren Wunsch gehabt hatte, als daß die einzige Tochter auch einmal Ärztin würde.

»Mache ich, Mama!« Jasmine hatte nach dem Abitur zu diesem Vorschlag genickt. »Kinderärztin. Das schaffe ich gewiß. Aber – das Tanzen – ja das brauche ich doch nicht aufzugeben?«

»Das will ich mir ausgebeten haben!« Das war Papas Stimme. Er schien bei diesen Worten gleichsam mit dem Taktstock zu klopfen. Er war es gewesen, der die noch ganz winzige, graziöse kleine Tochter, noch ehe sie lesen und schreiben konnte, zur Ballettschule gebracht hatte. Sie besaß ein Talent, das man ausbilden mußte, ganz gleich, welchen Berufsweg sie einmal einschlagen würde.

»Man läßt nichts verkümmern«, behauptete er. »Es wäre die größte Sünde.«

Und nun war heute die erste Möglichkeit zum Auftreten gekommen. Die große Möglichkeit. Denn in Kindermärchen einiger kleiner Bühnen war Jasmine schon aufgetreten.

Aber das Katzenballett an der großen Oper – ja, das war eine Chance, eine große Chance! Ich tanze in der ersten Reihe als größte Katze, als Katzenprinz sozusagen.

Ja, als Katerprinz.

In diesem Augenblick krachte es dröhnend hinter dem Mädchen, das in dieser Sturmnacht hier in einem alten Lagerschuppen verzweifelt nach den Kindern suchte.

Dumpf drohend begannen einige umgestürzte Fässer zu rollen.

Jasmine sprang noch rechtzeitig zur Seite. Die kleine Lampe in ihrer Hand flackerte wie ein Irrlicht, suchte sich selbst einen Weg, beleuchtet eine Ecke, aus der plötzlich das Miauen eines Katers an Jasmines Ohr klang.

Katzenballett… Katerprinz…

Waren das Träume?

Aber der große, wunderschöne graue Kater mit den schneeweißen Hängebacken unter den steil aufgerichteten Schnurrhaaren war Wirklichkeit, greifbare Wirklichkeit!

Na, um dich geht’s doch! Du bist doch wohl der Gesuchte!«

Jasmine hob jetzt die Lampe und leuchtete die ganze Ecke aus.

In diesem Schuppenwinkel hatte sich nicht nur der wie ein verzauberter Prinz aussehende Kater geflüchtet, sondern in ihm hockten auch zwei Kinder, eng aneinandergedrängt. Zerzaust fielen dem Jungen dunkle Haare in seine Stirn. Im Schein des Lichtes schimmerten daneben die seidenweichen Locken eines kleinen Mädchens.

»Da seid ihr ja«, sagte Jasmine erleichtert und stand nun ganz dicht vor der kleinen Gruppe. Sie zweifelte nicht daran, daß sie die Kinder gefunden hatte, die der Fahrer Waschkewitz suchte.

»Und was tut ihr hier?« fragte sie und gab ihrer Stimme einen ernsten Ton.

Schließlich gehörten die Kinder in diesen Sturmstunden nicht in diesen Lagerschuppen, der sich weit außerhalb des Hafengeländes befand.

»Julius«, versuchte jetzt der Junge zu erklären.

»Ja, Julius!« echote das blondlockige Mädchen, das eine Puppe fest an sich drückte.

»Julius wollte nicht mehr im Wagen bleiben und warten. Waschkewitz war auch so lange weg.«

Christoph, der sich niemals anders als Stoffel hatte nennen hören, rechtfertigte sich. Jasmine sah, daß er groß und kräftig gebaut war und sich ein wenig linkisch gab, im Gegensatz zu der sehr graziösen kleinen Schwester, die sich jetzt ganz eng an Jasmine drängte.

»Du«, das Kind schluckte ein paarmal, »weißt du, wie wir hier herauskommen?«

Jasmine legte den Arm um das Kind und zog es zärtlich an sich.

»Natürlich weiß ich das, Schätzchen. Ganz einfach durch die Tür, durch die wir schließlich alle gekommen sind.«

Das klang beruhigend.

»Wie kommst du hierher?« erkundigte sich Stoffel sehr nüchtern.

»Na, man sucht euch. Und ich traf gerade euren Fahrer.«

»Waschkewitz!« Nun weinte die kleine Vronli laut auf.

»Ja, Waschkewitz!« bestätigte Jasmine, die nun wußte, wie der verzweifelte Mann in der grauen Livree hieß, der seines Herrn Kinder verzweifelt suchte.

»Gut, daß wir Julius wiedergefunden haben«, erklärte jetzt Stoffel. »Denk mal, der lief einfach weg und war verschwunden!«

»Und ihr seid auch weggelaufen!« ergänzte Jasmine. »Und wenn ich eure Mutter wäre, würde ich euch die Hosen strammziehen.«

»Hahaha!« Nun lachte der kleine Bursche plötzlich. »Als ob du eine Mutter wärest. Du bist doch auch nur ein Mädchen, ein kleines Mädchen«,

betonte er und reckte sich hoch auf.

Ich habe einige Semester Medizinstudium hinter mir, ich tanze in der großen Oper den Katerprinzen in der ersten Reihe, wollte Jasmine sagen.

Aber es war wohl nicht der Augenblick, jetzt den Kindern zu beweisen, daß sie nicht ihresgleichen, sondern schon erwachsen war. »Los, kommt!« sagte sie nur. »Eure Mama wird schon wissen, was sie zu tun hat.«

»Sie lebt nicht mehr«, erklärte Stoffel nüchtern und ließ den schnurrenden Kater Julius auf seine Schulter springen.

»Na, dann der Papa!«

»Der weiß sicher nicht einmal, daß wir weg sind«, sagte Vronli mit einem traurigen Gesichtchen.

»Na, was sagst du nun? schienen die Blicke beider Kinder Jasmine zu fragen.

Die aber ließ sich in kein Streitgespräch ein.

Es galt allein, aus dieser Hölle herauszukommen.

»Los, schnell!« schrie sie, denn der Sturm war nun zum Orkan geworden.

Der winzige Lichtkegel der Taschenlampe zeigte den Weg zu der Tür. Sie war durch den Orkan so fest zugedrückt, daß es Jasmine fast unmöglich schien, sie aufzustoßen, um dann den Weg ins Freie zu gewinnen.

Gefangen – gefangen wie in einer Mausefalle! dachte das Mädchen, das sich mit aller Kraft gegen die Tür stemmte.

»Stark bist du wohl nicht«, behauptete Stoffel.

»Und du auch nicht!« verwies ihn Jasmine. Denn sie sah, daß nun auch der Junge sich vergeblich gegen das Holz stemmte.

»Was tun wir?« Vronlis Stimmchen wimmerte.

Ja, was tun?

Noch ehe Jasmine aber einen Gedanken fassen konnte, öffnete sich die Tür plötzlich wie von selbst. Doch sie gab keinen Weg ins Freie preis, sondern durch ihre Öffnung flutete Wasser, immer höher steigendes Wasser.