Fußball Athletiktraining - Ryan Alexander - E-Book

Fußball Athletiktraining E-Book

Ryan Alexander

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Beschreibung

Umfassende körperliche Fitness und Athletik ist heutzutage nicht mehr nur für Berufs-Fußballer wichtig - auch im Amateurbereich wird das Training immer professioneller. Dieses Buch vermittelt Fußballtrainern aller Ligen die nötigen Kenntnisse, um das Beste aus ihren Mannschaften herauszuholen. Von der ersten Leistungseinschätzungen über konkrete Übungsansätze für die unterschiedlichen Spielerpositionen bis hin zur Vermeidung von Verletzungen und Regeneration ist dieses Buch der optimale Begleiter. Vorgefertigte Trainingspläne für das optimale Fußballtraining vor, während und nach der Saison runden den Inhalt ab.

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FußballAthletik-training

RYAN ALEXANDER

FußballAthletik-training

COPRESS

Impressum

Copyright © 2021 by Ryan Alexander

First published in 2021 by Human Kinetics, Champaign (USA)Titel der Originalausgabe: »Complete conditioning for soccer«,Ryan Alexander, PhD, CSCS, head of sports science, Atlanta United FC

Redaktion und Lektorat (Originalausgabe): Shawn Donnelly und Janet KieferGrafische Gestaltung: Keri Evans und Joe Buck

Fotos und Illustrationen: Daniel Alvarado/© Human Kinetics

Abbildung Umschlagvorderseite: Sven Simon

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Copress Verlagerschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-7679-1272-4).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2021 der deutschen Ausgabe

Copress Verlag in der Stiebner Verlag GmbH, Grünwald

Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages.

Trainingsprogramme und Empfehlungen stellen die Meinung und Erfahrung der Autoren dar. Sie können eine individuelle Trainingsberatung nicht ersetzen. Eine medizinische Beratung vor dem Beginn intensiver sportlicher Betätigung wird dringend empfohlen. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Schäden, die aus den gegebenen Empfehlungen hervorgehen könnten, in Haftung genommen werden.

Übersetzung, Satz und Redaktion der deutschen Printausgabe:VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Kirchheim-Heimstetten

Umschlaggestaltung: Stiebner Verlag

ISBN 978-3-7679-2098-9

www.copress.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1Körperliche Beanspruchung im Fußball

Kapitel 2Fitnessbeurteilung und -bewertung

Kapitel 3Fußballspezifisches Konditionstraining

Kapitel 4Krafttraining

Kapitel 5Leistungstraining

Kapitel 6Schnelligkeit und Wendigkeit

Kapitel 7Spiel- und Trainingsvorbereitung

Kapitel 8Periodisierung und Programmplanung

Kapitel 9Regeneration

Kapitel 10Prophylaxe, Rehabilitation und Wiedereingliederung

Quellennachweis

Autorporträt

Vorwort

Ich traf Ryan zum ersten Mal während eines Trainingscamps der US-Nationalmannschaft anlässlich der Vorbereitungen zur WM-Qualifikation. Über sein Aufgabengebiet machte ich mir kaum Gedanken, ich hielt ihn für den neuen Datenanalytiker. Dass tatsächlich er es war, der alle Trainingsabläufe bis ins Detail hinein lenkte, wurde erst nach und nach deutlich. Ryans fundiertes Fachwissen und auch die Art und Weise, wie er im Training und in den einzelnen Übungseinheiten wissenschaftliche Methoden und Datenauswertungen einführte, waren beeindruckend.

Die Beteiligung von Sportwissenschaftlern bei der Vorbereitung von Wettbewerben war damals die Ausnahme. Ryan besaß das Vertrauen des Fußballverbands, und zwar zu Recht. Der Respekt des Trainerstabs und der gesamten Mannschaft (mich eingeschlossen) war ihm bald sicher. Alle Spieler verließen sich voll auf das von ihm aufgestellte Trainingsprogramm. Die Zusammenarbeit mit Ryan machte mir klar, wo ich Abstriche machen und wie ich mein Potenzial ausschöpfen konnte, wenn ich längere Zeit auf Eliteniveau spielen wollte.

Einige Jahre später kreuzten sich unsere Wege wieder, aber diesmal längerfristig, und zwar bei Atlanta United in der höchsten US-Spielklasse. Ein Grund für meinen Wechsel zu diesem Verein war, dass der Klub mit Ryan die Dinge professionell angehen wollte und überaus erfolgsorientiert handelte. Natürlich weiß man als Spieler nie, ob Spielzüge funktionieren, dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, und auch ein Sportwissenschaftler ist nur eine Variable in der gesamten Formel. Aber für mich signalisierte Ryans Beteiligung den großen Ehrgeiz des Vereins.

Ryans Professionalität, seine Arbeitsmoral, sein fachliches Engagement und sein Wissen sind nur einige der Eigenschaften, die ihn zu einem der Besten in diesem globalen Sport machen. In den vergangenen vier Jahren konnte ich mich auf ihn in Fragen meines Arbeitspensums, meiner Trainingseinheiten und Regenerationstage voll verlassen, und er hat mich nie enttäuscht. Meine Kraft wächst, ich bleibe gesund und liefere Leistungen auf höchstem Niveau. Ich helfe unserem Klub, nationale Trophäen zu gewinnen, während ich weiterhin auf internationaler Ebene konkurrenzfähig bin.

Brad Guzan

Atlanta United FC

Spieler der US-Nationalmannschaft

Einleitung

Ein Buch über Athletiktraining im Fußball schwebt mir seit Beginn meiner Laufbahn vor. Der Arbeit mit Athleten unterschiedlichsten Kalibers und aller Spielniveaus verdanke ich vielfältige Erkenntnisse, die aus meiner Sicht allen an Fitness Interessierten zugute kommen können. Ich behaupte nicht, jede Facette des Spielbetriebs abzudecken. Was ich hier aus meiner Sicht darstelle, beruht auf Erfahrungen im Jugend- und Amateurbereich, insbesondere aber auf dem Niveau von Hochschul-, Liga- und internationalem Fußball. Mir geht es um allgemein gültige und in jedem Umfeld anwendbare Prinzipien, die ich für die allgemeingültige sportliche Physis für unverzichtbar halte.

Wenn Trainer und Spieler mit den Erkenntnissen aus diesem Buch ihre persönliche Trainings- und Wettkampfkultur hinterfragen und Positives wie Negatives klarer wahrnehmen als bisher, ist bereits viel gewonnen. Wichtig ist das Studium sämtlicher Abläufe. Der Wunsch nach stets reproduzierbaren Erfolgen ist begreiflich, aber auf Dauer nicht zielführend. Eine aufgeschlossene und erkenntnisorientierte Atmosphäre trägt dazu bei, selbst bewährte Abläufe unter neuen Gesichtspunkten zu analysieren und zu verbessern. So lassen sich Schwächen oder Ungereimtheiten aufspüren und mit oft geringen Modifikationen abstellen.

Das heißt jetzt nicht, dass bisher alle auf dem Holzweg waren. Vielmehr geht es mir darum, gemeinsam mit meiner Leserschaft eine solide Basis für verschiedenste Wettbewerbsniveaus zu erarbeiten. Die hier vorgestellten Ideen verschaffen, im richtigen Zeitrahmen umgesetzt, Trainern und Athleten ein neues Grundlagenwissen. Dieses beruht auf etablierten Abläufen, die sich wiederum auf wissenschaftliche Erkenntnisse und ein fundiertes Verständnis physiologischer Abläufe stützen.

Fußball Athletiktraining ist so aufgebaut, dass die gesamte Bandbreite von Fitness über Gesundheit bis zur Wellness von Fußballern angesprochen wird. Zu oft begnügt sich Coaching damit, Spieler athletisch so aufzubauen, dass ihre Fitness mehr Einsätze zulässt. Tatsächlich sind jedoch im Hinblick auf eine Fußballkarriere alle Aspekte der körperlichen Vorbereitung und Regeneration von Bedeutung. Kapitel 1 stellt das Grundlagenwissen für die im Folgenden dargestellten Ausbildungsmethoden dar. Sämtliche Schlüsselelemente der Fitness – Kraft, Schnelligkeit, Wendigkeit, Kondition und Leistung – werden angesprochen. Diese bewirken gemeinsam die optimale körperliche Leistung. Ebenso wesentlich ist das Wissen, wie stark diese Variablen bei den unterschiedlichen Positionen im Spielerteam jeweils zur Geltung kommen. Kapitel 2 beschreibt detailliert die Beurteilung und Bewertung von Spielern. Die darin vorgestellten Tests verschaffen einen akkuraten Überblick über die notwendigen physischen Vorbereitungsmaßnahmen bei den unterschiedlichen Teammitgliedern. In den Kapiteln 3 bis 6 werden die wichtigsten Prinzipien behandelt, die beim Training der einzelnen Fitnessvariablen zu berücksichtigen sind. Obwohl die Gewichtung dieser Variablen von der Spielposition abhängig ist, sollten alle Spieler über ein solides Grundwissen darüber verfügen, worauf die im Trainingsprogramm implementierten Vorgaben aufbauen. Kapitel 7 behandelt die Vorbereitung auf Training und Wettkampf. Kapitel 8 bietet einen Überblick über die Periodisierung und Programmplanung des Trainings. Dieses Kapitel befasst sich mit den verschiedenen Phasen des Spielkalenders und den unterschiedlichen Wettkampfformaten in Bezug auf die Vorbereitung der Spieler. In den Kapiteln 9 und 10 werden die kniffligen Themen der Regeneration, der Verletzungsprophylaxe und des Aufbautrainings zur Rückkehr in den Kader erörtert, um das Spektrum der körperlichen Leistungsfähigkeit abzurunden.

Die mehrmalige Überschneidung von Themen ist beabsichtigt. Es würde mich freuen, wenn Trainer und Sportler sich das ganze Jahr über mit Fußball Athletiktraining beschäftigen; das Buch ist nicht für eine einmalige Lektüre konzipiert. Das Programm arbeitet speziell beim Belastungsvolumen bewusst mit Bandbreiten anstelle von fixen Grenzwerten, damit Trainerteam wie Spieler bedarfsgerecht Vorgaben für Spitzen- oder Amateurfußball erarbeiten können.

Ihr Interesse zeigt mir, dass Sie offen für eine neue Sichtweise sind. Mein Ziel ist es, dass wir in einer aufgeschlossenen Atmosphäre fortwährend voneinander lernen und die körperliche Vorbereitung unserer Teams so effizient gestalten, dass deren Leistungen auf dem Spielfeld qualitativ dauerhaft verbessert werden.

Kapitel 1

Körperliche Beanspruchung im Fußball

Stell dir folgende Situation vor: Du stehst als Außenbahnspieler im WMFinale, vor Zehntausenden Fans im Stadion und Millionen TV-Zuschauern. Es ist die 88. Spielminute, und du hast annähernd zehn Kilometer Laufstrecke hinter dir. Die Partie steht 0:0 unentschieden. Der Gegner hat einen Eckstoß herausgeholt. Du trabst zur Verteidigung des Freistoßes in den eigenen Strafraum zurück. Während des Auslaufens checkst du die Lage dort ab. Zwei gegnerische Verteidiger in der Nähe des Anstoßkreises und zwei weitere im oberen Teil des Strafraums stehen zum Abfangen eines Konters bereit. Deine Mannschaftskameraden teilen sich auf: Eine Viererkette im Strafraum vor dem Tor zur Zonenverteidigung, wobei die Abstände zwischen den Spielern etwa der Torbreite entsprechen. Drei groß gewachsene Teamkameraden, zwei aus der Innenverteidigung und einer aus der Offensive, rangeln als Manndecker mit den Offensivspielern des Gegners um die beste Position. Ein weiterer Mannschaftskamerad postiert sich außen knapp an der Strafraumgrenze, um einen Schussversuch aufs kurze Eck zu blockieren. Du sollst den Teamkollegen direkt am Pfosten bei der Abwehr von Bällen aufs kurze Eck oder schnell von außen ausgeführten Freistößen unterstützen. Der Gegner strebt einen Aufschlag des Balls im Strafraum an, denn der ausführende Spieler tritt ein paar Schritte zurück und hebt als Signal an seine Mitspieler eine Hand. Abgestützt am Pfosten und mit den Fersen auf der Torlinie stehend, beobachtest du die Szene.

Ein Blick zur Ecke. Der gegnerische Spieler wird gleich den Eckstoß ausführen. Die erhobene Hand fällt, und du siehst, wie sich deine drei zur Manndeckung abgestellten Mitspieler auf engstem Raum engagieren, um die gegnerischen Angreifer vom Tor fernzuhalten. Die beiden Gegner im oberen Teil des Strafraums wirken desinteressiert, bis der äußere Spieler plötzlich zum unbesetzten Bereich auf der gegenüberliegenden Seite sprintet. Vor dem Tor wartet die Viererkette gespannt, woher der Ball kommen wird. Dein Torwart ruft noch schnell Anweisungen. Dein Blick ist auf die Ecke gerichtet, um die Flugbahn des Balls zu verfolgen. Der Schuss zielt auf die gegenüberliegende Seite des Strafraums, auf einen Punkt jenseits der Höhe des langen Torecks. Die Spieler der Viererkette, die bisher zur Ecke ausgerichtet standen, wenden sich nahezu im Gleichschritt zur Feldseite um und laufen an. Die Manndecker kämpfen zäh weiter darum, ihre Stellung zwischen dem Gegner und dem Tor, das du mit verteidigst, zu halten. Der Gegenspieler am anderen Ende des Strafraums ist nach seinem Seitenwechsel bereit zur Ballannahme.

Plötzlich ist es still. Deine ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf das unmittelbare Umfeld, während du dich seitlich vom Pfosten wegbewegst, doch stets nah an der Linie. Ein Mitspieler nahe am voraussichtlichen Aufschlagspunkt des Balls wendet sich mit einer Beckendrehung rasch dem gegnerischen Spieler zu, der den Ball annehmen wird. Er läuft los, um ihm den Schusswinkel zu verstellen, noch ehe der Ball nach der kontrollierten Annahme mit der Brust auf dem Rasen landet. Dein Torwart steht nun einsatzbereit, mit angewinkelten Knien und gesenktem Becken, die Hände vor dem Körper etwas außerhalb des Kastens vorgestreckt. Einen Sekundenbruchteil später bemerkst du, dass auch der zweite der beiden Gegner, die sich ursprünglich oben im Strafraum postiert hatten, unbehindert in Richtung des Torraums vor den von dir verteidigten Pfosten läuft. Deine Mitspieler, die den Bereich vor dem Tor zonenweise decken, haben sich zu sehr auf den langen Ball zur anderen Seite des Strafraums konzentriert. Die Manndecker stehen derzeit zu zentral, und die gegnerische Offensive schirmt sie geschickt von jener Stelle ab, die ihr Mannschaftskamerad gerade unbehindert anläuft. Solche Spielzüge kennst du aus der Taktikbesprechung und du reagierst. Der gegnerische Spieler, der den Ball angenommen hat, lässt den Ball einmal aufprallen und wird gleich zum Schuss ausholen. Einer deiner Mitspieler macht einen Ausfallschritt, um einen Abschluss zu verhindern. Der Gegner schlenzt im letzten Moment einen Flugball vor den aus seiner Sicht hinteren Torpfosten, direkt in den Laufweg des unbehindert heraneilenden gegnerischen Spielers.

Du startest von der Linie und hast den Ball im Blick, mit einer Ahnung, wo er landen wird. Der gegnerische Spieler verlangsamt seinen Lauf, um den ankommenden Ball perfekt getimt mit einem einzigen Schuss volley Richtung Tor zu befördern. Alle deine Mitspieler versuchen, ihre Laufrichtung zu korrigieren, aber sie werden auf jeden Fall zu spät kommen. Du hast den Torraum verlassen und hältst deine Schultern so, dass du der Flugbahn des Balls folgen kannst, während dein Becken horizontal auf den Punkt ausgerichtet ist, den der gegnerische Spieler anläuft. Dein Timing ist genau richtig. Während du den Schwung in der ursprünglichen Richtung beibehältst, drehst du deine Brust. Noch eine Schrittlänge, dann vollziehen deine Füße und dein Becken die Wende in einer gemeinsamen Bewegung mit. Du verlagerst dein Gewicht auf die Fußballen und springst so hoch wie möglich, um den Ball mit dem Kopf zu treffen. Wenn dir das gelingt, ist die Gefahr gebannt. Einer deiner Mannschaftskameraden kann den geköpften Ball in der Zone außerhalb des Strafraums annehmen, die der Gegner durch seinen Spielzug entblößt hat.

Beim Landen registrierst du, dass noch jemand von deinem Team den Strafraum verlässt und in Richtung Mittelfeld sprintet, um den von Anfang an dort postierten Mitspieler zu verstärken, der während der ganzen Aktion die beiden dort wartenden gegnerischen Abwehrspieler beobachtet hat. Jetzt liegt eine 2-gegen-2-Situation vor. Der Schwung deiner Aktion hat dich aus dem Strafraum getragen, und mit einem raschen Schulterblick erkennst du, dass du von allen auf dem Feld deinen beiden Mitspielern am nächsten bist. Jetzt ist ein 3-gegen-2 drin. Bis zum Mittelkreis ist alles frei. Dafür hast du trainiert, darauf haben dich deine Trainer vorbereitet. In solchen Momenten übernimmst du Verantwortung und wirst den athletischen Anforderungen des Spiels gerecht. Jetzt musst du fit genug sein, um den Lauf zu machen und die Gelegenheit zu ergreifen. Mit gesenktem Kopf sprintest du los, um deine Teamkameraden zu unterstützen, die den Ball bereits in die gegnerische Hälfte treiben.

Dieses extreme Beispiel besteht aus einer in ihre Einzelteile zerlegten Abfolge von Ereignissen, die die vielfältigen Herausforderungen während eines Fußballspiels illustriert. In diesem Buch kommt es uns auf genau solche Herausforderungen an. Ihnen müssen sich Trainer und Spieler im modernen Fußball bei der Jagd nach dem ultimativen Erfolg stellen, wenn es um die physische Vorbereitung auf Training und Wettkampf geht. »Wie trainiert man Fußballspieler am besten?« Würde man als Neuling im Profifußball hundert in einem Raum versammelten ehemaligen und aktiven Trainern und Spielern diese Frage stellen, kämen ganz sicher hundert individuelle Lösungsvorschläge heraus, jeweils beeinflusst von der Erfahrung, Kultur und Ausbildung jeder einzelnen Persönlichkeit.

Es gibt keinen Königsweg zur richtigen Methodik oder Philosophie für Fußballtrainer oder -spieler. Manche Profis befürworten ein traditionelles Konditionstraining ohne Ball, losgelöst vom eigentlichen Fußballtraining. Das beinhaltet lange Läufe mit mäßigem Tempo plus einer einzelnen Belastungsspitze oder hochintensives Intervalltraining mit einem Wechsel aus progressiver Belastung und Regenerationsphasen. Diese Philosophie kann auf jahrzehntelange Erfolge in Lateinamerika und bei traditionsreichen Vereinen in Westeuropa zurückblicken. Wieder andere beziehen den Ball umfassend in ihr Training ein, weil sie die spielerischen Fähigkeiten parallel zur körperlichen Entwicklung durch Wettkämpfe auf dem Kleinfeld und andere simulierte Spielsituationen einüben wollen. Das ist der »Totale Fußball« der Niederländer, mit bekannten Erfolgen auf Vereins- und internationaler Ebene. Wir wollen die beiden Philosophien nicht wertend einander gegenüberstellen. Unsere Absicht ist es, die Grundlage für ein strukturiertes Verständnis einer Vielzahl von Trainingsphilosophien zu schaffen, damit Spieler und Trainer selbst entscheiden können, was zu ihrem Wissensstand und der Kultur ihrer Mannschaft passt.

Im Hinblick darauf gibt es nur einen Ansatzpunkt für das Training mit Fußballern. Dieses Kapitel skizziert den aktuellen Stand der körperlichen Beanspruchung im Spiel anhand der verfügbaren Literatur und schafft damit die Voraussetzungen für das Verständnis der Programme und Übungen, die wir vorschlagen werden.

Im Allgemeinen setzt sich ein Fußballspiel aus abwechselnden Aktivitätsphasen mit ungleicher Belastung zusammen, verteilt auf etwa 90 Spielminuten. Der Großteil der Spielzeit vergeht mit Gehen, Traben oder Stehen bei niedriger Belastungsintensität, ungleichmäßig zwischen technischen Aktionen wie Pässen, Dribblings, Schüssen und Kopfbällen vorkommend. Die kritischen Momente, wie beschleunigtes Absetzen vom Gegner, um ein Tor zu erzielen, oder Blocken des Gegners, um einen Angriff zu verhindern oder abzuwehren, führen zum Erfolg in einem Spiel. Diese herausragenden Momente werden als Aktionen mit hoher Intensität bezeichnet, die etwa 10 bis 15 Prozent der absolvierten körperlichen Belastung ausmachen (Bradley et al. 2009): Beschleunigen, Abbremsen, Sprints, Richtungswechsel, Sprünge und andere explosive Aktionen, in denen Spieler schlagartig Kraft einsetzen müssen. Abhängig von der Position der Spieler auf dem Spielfeld wechseln die Anforderungen all dieser hochintensiven Aktionen über die gesamte Spieldauer und bestimmen die physiologische Belastung in einem Fußballspiel.

Die vorherrschende Rolle des Fußballs im Sport eröffnet der akademischen Forschung viele Betätigungsfelder, um die verschiedenen Aspekte sportlicher Leistung zu untersuchen. Diese Entwicklung ist für Trainer von Vorteil, stellt sie aber auch vor große Herausforderungen: Körperliche Anstrengung im Fußball weiterhin nach subjektiven Kriterien zu bewerten und zu beurteilen, reicht nicht mehr aus. Um Trainingsmethoden und Abläufe auf dem Weg zur optimalen körperlichen Vorbereitung zu verstehen, müssen wir ein grundlegendes Verständnis für die physiologischen Anforderungen entwickeln, auf die sich Athleten vor einem Wettkampf vorbereiten müssen.

Es gibt weder ein einheitliches Messsystem noch objektive Daten, um die körperlichen Anforderungen im Fußball auf jedem Spielniveau und obendrein geschlechtergerecht abzubilden. Diese Erkenntnis ist bei der Vorbereitung auf das Training von Fußballern aller Spielklassen von zentraler Bedeutung. Es bestehen signifikante Unterschiede bei den athletischen Anforderungen des Spiels, je nach Herkunftsregion, Spielstil, Position, Spielklasse und Geschlecht. Diese Unterschiede bestimmen darüber, welche Trainingsmethoden angemessen umgesetzt werden können. Wie sonst könnten wir einschätzen, ob unsere Vorgehensweise die physische Vorbereitung unterstützt, statt sie zu behindern?

Fußballspieler werden bereits so lange gecoacht, wie es offizielle Wettbewerbe gibt. Wo unsere Bemühungen im Spektrum körperlicher Vorbereitung auch angesiedelt sein mögen: Je umfassender unsere Kenntnisse des Wettbewerbs sind, auf den wir uns vorbereiten, desto wirksamer ist unsere Arbeit. Deshalb möchte ich zu Beginn zeigen, wie weit unser Verständnis von den körperlichen Anforderungen beim Fußball inzwischen gediehen ist.

ZEITSTUDIEN

Aktivitätsprofile von Fußballern werden mittels Zeitstudien unter Wettbewerbsbedingungen erstellt. Sie stellen eine Beziehung zwischen Zeitmessungen und der Belastung beim Gehen, Traben, Laufen, Sprinten, Beschleunigen usw. zu den einzelnen Positionen und Aufgaben im Spiel her (Bangsbo, Nørregaard, Thorsøe 1991). Im späten 20. Jahrhundert erweiterten erste, aus Videoanalysen einzelner Spieler während des Wettkampfs gewonnene Erkenntnisse unser Verständnis der athletischen Anforderungen im Fußball. Forscher konzentrierten sich während eines Wettkampfs auf einzelne Spieler, deren Verhalten mithilfe von Videos oder anderen Methoden aufgezeichnet wurde. Dazu zählten Messverfahren mit Mehrpunkt-Kalibrierung, die sich an Länge und Breite der Spielfläche und bekannten Abständen innerhalb des Spielfelds orientierten.

•Tiefe des Strafraums: 16,5 Meter (durch Linien markierte Fläche des Spielfelds vor den beiden Toren, umgangssprachlich als »Sechzehner« bezeichnet)

•Breite des Strafraums: 40,32 Meter

•Teilkreis am Strafraum: 9,15 Meter

Die Leistung jedes einzelnen Spielers wurde dann hinsichtlich eines spezifischen Bewegungsablaufs (vom Gehen bis zum Sprint) untersucht, gestützt auf kalibrierte Werte aus früheren Testreihen. Anschließend wurden die Anteile der verschiedenen Bewegungsabläufe im Rahmen der gesamten Spielzeit berechnet. Die zurückgelegte Gesamtstrecke ergab sich aus der Multiplikation der für einen bestimmten Bewegungsablauf gemessenen Zeiten mit der Durchschnittsgeschwindigkeit. Diese im Grunde simplen, aber mühsamen Analysen dauerten im Einzelfall Stunden. Solche Pionierarbeiten trugen enorm zu unserem heutigen Verständnis von Fußball bei. Technische Fortschritte bei Kameras und verbesserte Kodierungsverfahren konnten die Detailgenauigkeit der gewonnenen Informationen inzwischen erheblich steigern.

Die Beschäftigung mit diesen älteren Analysen trägt dazu bei, manche heute kaum nachvollziehbare Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Trainingsmethode dennoch zu verstehen. Im Zusammenhang mit Abläufen bei Training und Vorbereitung fällt immer wieder der Satz: »Wir haben das schon immer so gemacht.« Solche Äußerungen signalisieren allerdings nicht Desinteresse am Fortschritt, wie ich als Berufsanfänger noch fälschlich unterstellte. Wir sollten die Arbeit unserer Vorgänger respektieren; die Methoden der Vergangenheit verdienen es, überprüft zu werden und als Grundlage für die Arbeit zukünftiger Spieler und Trainer zu dienen. Konzentrieren wir uns lieber auf die positiven Seiten anscheinend überholter Vorgehensweisen. Die ersten Zeitstudien sind ein gutes Beispiel dafür.

Ein anhaltendes und gleichmäßig ausgeführtes Konditionstraining galt früher – und gilt in manchen Bereichen noch heute – als beste Wahl. Als sich die Idee durchzusetzen begann, verstärkt an der Athletik von Spielern zu arbeiten, standen hauptsächlich Informationen über Laufstrecken zur Verfügung. Aber diesen Erkenntnissen fehlte die Exaktheit, weil sie kaum echte Spielsituationen abbildeten. Das Wissen über die subtilen, eher selten vorkommenden Bewegungsabläufe während eines Spiels war dürftig. Was lernen wir daraus? Wir dürfen unsere Perspektive nicht einengen und sollten uns auf angemessen individualisierte Übungsvorschriften auf Basis mehrerer Variablen konzentrieren. Offenheit bei der Suche nach optimalen Lösungen, die am besten zum Trainingsumfeld des Teams und seiner Spieler passen, wird im Ergebnis wohl dazu führen, dass mehrere Trainingsprogramme mit unterschiedlichen Philosophien umgesetzt werden. So sieht die Realität aus, wenn Spitzenleistungen in einer Mannschaftssportart trainiert werden: Ein durchwegs gleicher Trainingsreiz bewirkt nicht automatisch identische Anpassungen, geschweige denn positive.

Moderne Spielanalysen verzerren die tatsächliche Belastung der Spieler häufig, weil in der Vergangenheit Verallgemeinerungen vorgenommen wurden. Beispielsweise legen Fußballspieler während eines Spiels 10 bis 15 Kilometer zurück, wobei sie in hochintensiven Laufphasen ungefähr 750 Meter zurücklegen und in 90 Minuten 20 bis 30 Sprints absolvieren. Aus Sicht eines Laien sind 9,5 Kilometer in 90 Minuten wahrscheinlich nicht bemerkenswert. Tatsächlich ergibt dies unterm Strich magere 9,4 Minuten pro Kilometer. Selbst Spieler, die unter erhöhter Belastung an die 14 Kilometer zurücklegen, kommen allenfalls auf eine Durchschnittszeit von 6,25 Minuten pro Kilometer.

Nur zur Verdeutlichung: Der Weltrekord über 1500 Meter bei den Männern beträgt 3:26,00 Minuten und wurde 1998 von Hicham El Guerrouj aufgestellt. Weltrekordhalterin bei den Frauen über 1500 Meter ist Genzebe Dibaba mit 3:50,07 Minuten. Eliud Kipchoge absolvierte als professioneller Marathonläufer den Berliner Marathon (42 km) 2018 in 2 Stunden, 1 Minute und 39 Sekunden. Paula Radcliffe benötigte für ihren Rekord beim Londoner Marathon 2003 2 Stunden, 15 Minuten und 25 Sekunden. Im Fußball werden also keineswegs die körperlichen Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit ausgelotet, was Ausdauer und Leistung angeht.

AUF DEM VORHANDENEN AUFBAUEN

Ohne die mühsame Berechnung der individuellen Belastung von Spielern wäre es uns kaum gelungen, Unterschiede in der körperlichen Beanspruchung im Wettkampf wahrzunehmen. Uns hätte schlicht der Ausgangspunkt gefehlt. Diese frühen Untersuchungen schufen eine Grundlage für die Evaluierung des Trainings. Ältere Methoden waren nicht falsch, aber ihre Wirksamkeit war durch die verfügbare Technik begrenzt. Die magere Datenbasis, auf die wir uns damals stützen konnten, floss zwar schon in der Vergangenheit vereinzelt in die Trainingsabläufe ein. Diese wurden aber häufig noch wesentlich von der bestehenden Spielkultur bestimmt, die wiederum stark von den persönlichen Erfahrungen älterer Trainer und Spieler geprägt war. Die vielen detaillierten Informationen, die uns heute bei der Analyse unserer Leistungen helfen, sollten Ansporn sein, auch weiterhin Erkenntnisse darüber zu sammeln, welche Übungen und Trainingsmethoden in einem gegebenen Umfeld angemessen sind.

Der Vergleich mit den Profiläufern führt uns aber deutlich vor Augen, was im Fußball während eines Spiels den Sportlern auf dem Platz läuferisch abverlangt wird. Deren Ziel ist es nicht, in einem Zeitraum von 90 Minuten die weiteste Strecke zurückzulegen. Als Athletiktrainer würde ich niemals Laufleistung als alleiniges Ziel für Fußballspieler ausgeben. Um die körperliche Beanspruchung beim Spiel und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vorbereitung auf diese Anforderungen genauer zu definieren, müssen wir nämlich zuerst die teils erheblichen Unterschiede zwischen den einzelnen Positionen auf dem Spielfeld kennen.

DIE UNTERSCHIEDLICHEN SPIELPOSITIONEN

In der Fachliteratur herrscht Uneinigkeit darüber, wie aussagefähig die Unterteilung nach Spielpositionen ist. In diesem Buch folgen wir der Einteilung von Di Salvo et al. (2007) (siehe Abbildung 1.1).

Für mich gibt es kein stichhaltiges Argument, Torhütern eine eigenständige konditionelle Vorbereitung zu verweigern. In den Kapiteln über Trainingsmethoden werden wir auf diese Position und ihren explosiven und kraftvollen Charakter gesondert eingehen. Einstweilen konzentrieren wir uns auf die Feldspieler und darauf, wie die klaren Unterschiede zwischen ihren spielerischen Aufgaben sich in optimalen Trainingsprogrammen widerspiegeln.

1.1Die klassische Aufstellung im Fußball: Innenverteidigung, Außenverteidigung, zentrales Mittelfeld, Außenbahn und Offensive

Kommen wir noch einmal kurz auf die Frühzeit der Spielanalyse und die seinerzeitige mühevolle Berechnung der individuellen Belastung zurück. Die Laufleistung galt als zentraler Maßstab für die Überprüfung körperlicher Leistungen in Wettkämpfen. Trainer und Wissenschaftler orientierten sich über die Jahrtausendwende hinaus mit Vorliebe an der aeroben Komponente. Dank technischer Fortschritte und verbesserter Analysemethoden wird die Laufleistung inzwischen allgemein als Gesamtheit aller Reize betrachtet. Auch unter diesen Vorzeichen bleibt sie ein zentraler Bestandteil von Analysen und Überwachungsprozessen. Die letzten 40 bis 50 Jahre standen im Zeichen einer ständig wachsenden Erforschung athletischer Belastungen im Fußball. Tabelle 1.1 zeigt durchschnittliche Laufleistungen, aufgeschlüsselt nach Klassifizierungen, wie sie in der Fachliteratur verwendet werden.

Tab. 1.1Laufstrecken von Feldspielern abhängig von ihrer Position

Tab. 1.2Laufstrecken von Feldspielern abhängig von Position und Geschlecht (in Metern)

Die Daten in Tabelle 1.1 stellen eine Zusammenschau verschiedener Studien dar, die bis ins Jahr 1967 zurückreichen. Manche Autoren verzichten in ihren Arbeiten bis heute auf eine Unterscheidung nach Positionen auf dem Spielfeld. Deswegen enthält unsere Vergleichstabelle an erster Stelle eine neutrale Rubrik. Lange Zeit fand auch keine Differenzierung zwischen Innen- und Außenverteidigung, zentralem Mittelfeld und Außenbahnen statt. Eine genauere wissenschaftliche Definition dieser Positionen geht erst auf Di Salvo et al. (2007) zurück, und jüngere Arbeiten verfolgen diesen Ansatz inzwischen ebenfalls. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Positionen werden zwar deutlich, aber Alter, Spielklasse oder Geschlecht wurden in den Angaben nicht berücksichtigt. In Tabelle 1.2 vergleichen wir die Durchschnittswerte nach Geschlechtern getrennt.

Bei geschlechtsspezifischer Betrachtungsweise – noch ohne Berücksichtigung von Spielklasse und Alter – fällt auf, dass Frauen auf den meisten Positionen vergleichbare oder sogar weitere Laufstrecken als Männer zurücklegen. Nur zentrales Mittelfeld und Außenbahnen stechen als Ausnahmen hervor. Leider ist die Zahl der Fachpublikationen, die sich mit solchen Vergleichen zwischen beiden Gruppen befasst, sehr unterschiedlich. Frauen sind deutlich unterrepräsentiert. Ich hoffe, dass das wachsende Interesse am Frauenfußball einen Wandel einleitet, und dass Qualität und Reichweite der gewonnenen Informationen unser Wissen und damit die Grundlagen individueller Trainingsansätze im Frauenfußball erweitern werden.

Wie können wir solche Informationen zu den unterschiedlichen Spielpositionen sachgerecht ins Konditionstraining einfließen lassen? Mir geht es darum, anhand von Unterschieden bei Faktoren wie Geschlecht oder Alter potenzielle Charakteristiken einzelner Spielertypen in verschiedenen Spielsituationen herauszuarbeiten, ohne dabei das Training bestimmter Aspekte körperlicher Leistung für einzelne Positionen zu vernachlässigen. Beispielsweise legt ein Innenverteidiger in hochintensiven Laufphasen deutlich weniger Distanz zurück als Spieler auf den meisten übrigen Positionen. Dennoch müssen Innenverteidiger in der Lage sein, Fähigkeiten wie Sprint oder Beschleunigen auf Höchsttempo wiederholt abzurufen. Beim Training wiederholter Sprints sollten also das Verhältnis zwischen Belastung und Regeneration sowie die pro Sprint zurückgelegten Distanzen angepasst werden – selbst wenn dieser Aspekt verglichen mit Außenverteidigern oder einer Position im Mittelfeld nachrangig ist. Angesichts der Häufigkeit und Intensität beim Beschleunigen und Abbremsen in einem Spiel und unter Berücksichtigung der Situationen, in der solche Aktionen stattfinden, legen wir größeres Augenmerk auf Kraftanstieg und verbesserte Wendigkeit von Innenverteidigern. Darauf gehen wir in den Kapiteln »Konditionstraining« sowie »Periodisierung und Programmplanung« ausführlich ein. Zunächst wollen wir jedoch die Trends und individuellen Merkmale der verschiedenen Spielpositionen untersuchen.

DENKANSTOSS

Frauen, Jugend und Amateure sind in der fußballerischen Sportleistungsdiagnostik üblicherweise kaum präsent. Vermutlich stehen für diese Gruppen kaum Forschungsmittel zur Verfügung, anders als beim professionellen Männerfußball. Das betone ich deswegen, weil selbst die wenigen vorliegenden Studien signifikante Unterschiede bei den jeweiligen Leistungsniveaus aufzeigen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Trainingsmodelle aus dem Profifußball nicht allgemein anwendbar sind. Eine zunehmend ausgefeilte Leistungsüberwachung führt auf allen Ebenen zu einem Austausch von Informationen und erfolgreichen Methoden. Das gilt insbesondere für die körperliche Vorbereitung der Spieler und kann theoretisch eine Optimierung der Trainingsprozesse in allen Alters- und Spielklassen herbeiführen.

Innenverteidigung

Unabhängig vom Geschlecht fällt auf dieser Position die körperliche Beanspruchung wohl am geringsten aus. Darüber besteht in der Fachliteratur weitgehend Einigkeit (Reilly/Thomas 1976; Mohr/Krustrup/Bangsbo 2003; Scott/Drust 2007; Dellal et al. 2011; Alexander 2014). Mehrere, auch aktuelle Theorien stützen diesen Befund. In der Regel schützen Innenverteidiger überwiegend nur ihre Spielfeldhälfte mit Zentrum und Halbräumen und werden kaum außen aktiv (Abbildung 1.2).

Gelegentlich verlassen Innenverteidiger ihre angestammte Zone, etwa als Offensivverteidiger bei Spielzügen aus dem Halbfeld heraus oder um für einen vom Gegner überraschten Außenverteidiger einzuspringen. Innerhalb der Länge (90–120 Meter) und Breite (45–90 Meter) eines regulären Spielfelds nimmt das in Abbildung 1.2 dargestellte Aufgabengebiet der Innenverteidigung etwa 55 × 40 Meter ein. Vor dem Hintergrund räumlicher Enge und tendenziell hoher Dichte von Teamkameraden und gegnerischen Spielern lassen sich die Besonderheiten dieser Position gut abschätzen. Studien verzeichnen für Innenverteidiger übereinstimmend die geringste Laufstrecke (Tabelle 1.1), ohne Berücksichtigung von Geschlecht, Spielklasse oder kulturellen Einflüssen. Das gilt auch für die in hochintensiven Laufphasen absolvierten Strecken.

Traditionell sind Innenverteidiger größer und schwerer als andere Feldspieler (Reilly/Bangsbo/Franks 2000; siehe Abbildung 1.3).

Diese Attribute kommen den körperlichen Anforderungen bei der Abwehr gegnerischer Offensivspieler auf engem Raum oder bei kämpferischen Tacklings beim Abblocken von Angriffen im Halbraum zugute. Die Testergebnisse bezüglich Sprint und Höchstgeschwindigkeit entsprechen bei Innenverteidigern typischerweise nicht den kleiner gewachsenen und weniger schweren Mittelfeldspielern oder Außenverteidigern, wie aus den geringfügig schwächeren Sprintleistungen (Abbildung 1.3 d und e) hervorgeht. Aufgrund ihres robusteren Körperbaus fehlen ihnen die Wendigkeit und die Leichtfüßigkeit ihrer kleineren Teamkameraden.

1.2Das Spielfeld der Innenverteidigung

1.3Durchschnittliche Werte aus Anthropometrie und Sportleistungsdiagnostik abhängig von den Spielpositionen: (a) Körpergröße; (b) Körperfettanteil; (c) Körpergewicht;

Aus: J. Boone/R. Vaeyens/A. Steyaert/L. Bossche/J. Bourgois, »Physical Fitness of Elite Belgian Soccer Players by Player Position«, in: Journal of Strength and Conditioning Research 26,8 (2012), 2051–2057.

1.3(d) 5-Meter-Sprint; (e) 5-bis-10-Meter-Sprint und (f) Counter Movement Jump (Sprung ohne Ausholbewegung mit angelegten Armen, Höhe in cm)

Innenverteidiger müssen vor allem über kurze Distanzen rasant beschleunigen und kräftig abbremsen, weil sie dicht besetzte Räume in der Mitte oder im letzten Drittel des Spielfelds sowie innerhalb des Strafraums verteidigen. Kraft ist entscheidend für die Standfestigkeit bei Zweikämpfen und Tacklings, beim Rangeln um die beste Ausgangsposition für den Sprint dorthin, wo bei einem Spielzug der Ball landen wird, und überhaupt während des Spielverlaufs (denken wir an das Beispielszenario am Kapitelbeginn). Oder der Fall tritt ein, dass ein Team im Ballbesitz zum Angriff übergeht, aber abrupt den Ball verliert, und ein langer Ball wird über den Kopf des Innenverteidigers hinweg oder am Boden in die eigene Hälfte gespielt. Der Innenverteidiger muss zur Ballrückeroberung kurzfristig über eine längere Distanz sein Höchsttempo abrufen und den gegnerischen Angreifer hinter sich lassen. Für Innenverteidiger wurden die längsten Regenerationszeiten von allen Spielern zwischen Tempoläufen ermittelt (194,6 ± 48,4 Sekunden; Carling/Le Gall/Dupont 2012). Solche Momente mit hoher Belastungsintensität unterstreichen die Notwendigkeit entsprechender Vorbereitung von Innenverteidigern, auch wenn sie seltener vorkommen als bei den übrigen Spielpositionen.

Außenverteidigung

Zu den wichtigsten Eigenschaften der Außenverteidiger gehört ihre Wandlungsfähigkeit, abhängig vom System, nach dem das Team spielt. Zu den konstanten athletischen Ansprüchen an Außenverteidiger zählen die beträchtliche Laufstrecke und die hochintensiven Läufe während des Spiels. Theoretisch ist dies auf die größere Fläche des Spielfelds zurückzuführen, die der Außenverteidiger in der Regel abdeckt (Abbildung 1.4).

Seit vor etwa 20 Jahren Sportwissenschaftler begannen, bei ihren Untersuchungen die Rolle der Verteidigung differenziert zu betrachten, herrscht in der Forschung weitgehende Einigkeit darüber, dass die Außenverteidigung mit dem zentralen Mittelfeld vergleichbar ist. Damit zählt sie zu den physisch anspruchsvollsten Positionen auf dem Spielfeld. Die durchschnittliche Laufstrecke für Außenverteidiger beträgt 10 642 Meter, verglichen mit 9871 Metern für die Innenverteidiger (Tabelle 1.1). Welche Spielposition die schwierigste ist, hängt von den taktischen Vorgaben des Trainerteams ab, und die Rolle der Außenverteidiger wird besonders stark von Aufstellung und Taktik beeinflusst.

1.4Das Spielfeld der Außenverteidigung

Insgesamt bewegt sich die von Außenverteidigern zurückgelegte Laufstrecke zwischen 10 000 und 11 000 Metern (Tabelle 1.1). Unter hochintensiver Belastung (Leistungen von mehr als 5,5 m/s) werden – abhängig von der Spielklasse – etwa 1000 Meter zurückgelegt. Bei männlichen Außenverteidigern kommen teilweise deutliche Abweichungen von dieser Standardgröße vor (Rampinini et al. 2007; Bradley et al. 2009). Bei den Frauen liegt der Wert bei ungefähr 650 Metern (Bradley et al. 2013). Anders als bei den Innenverteidigern sind die Zonen der Außenverteidiger üblicherweise nicht so dicht besetzt. Auf dieser Position wird das Spiel typischerweise von der Seitenlinie aus aufgenommen, mit einem Radius von 180 Grad. Dies ist aus zwei Gründen bedeutsam:

1.Bei der Planung von Vorgaben für das Athletiktraining spielt die Wendigkeit auf engem Raum hier keine so große Rolle. Ein Schwerpunkt auf längeren Laufstrecken mit hohem Tempo wird den typischen Ansprüchen an diese Spielposition wohl eher gerecht.

2.Die geringere Spielerdichte im zugewiesenen Aufgabengebiet reduziert die Wahrscheinlichkeit, explosiv Kraft oder Antrittsschnelligkeit für eine hochintensive Aktion abrufen zu müssen. Oder, anders ausgedrückt: Außenverteidiger beginnen hochintensive Aktionen mit einer Anlaufphase. Dies ist ein Schlüsselfaktor bei der Planung von Konditionsübungen, der eine entsprechende Individualisierung der Übungselemente in den ersten Wochen der Saisonvorbereitung nahelegt.

Auch die Abstände zwischen hochintensiven Aktionen verleihen der Außenverteidigung ein deutlich abweichendes Aktivitätsprofil. In einer Studie zur französischen Ligue 1 stellten Forscher fest, dass männliche Außenverteidiger die kürzeste durchschnittliche Regenerationszeit zwischen Tempoläufen aufwiesen (115,8 ± 18,6 Sekunden; Carling/Le Gall/Dupont 2012). Dies unterstreicht, wie wichtig das Verhältnis von Belastung zu Regeneration und die mögliche Belastungssteigerung mittels körperlicher Regenerationsvorgänge auf dieser Position zu Beginn der Saisonvorbereitung sind.

Körpergröße und Gewicht von Außenverteidigern sind in der Regel geringer als bei Innenverteidigern und Torhütern, aber vergleichbar mit Mittelfeld- und Offensivspielern (Boone et al. 2012). Solchen Spielern fällt es gewöhnlich leichter, während eines Spiels lange Distanzen zurückzulegen, weil der Körper unter hoher wie niedriger Belastung mehr Kraft entfaltet. Körpermaße stellen bei Trainingsplanungen für bestimmte Positionen einen denkbar einfachen Ansatz dar. Unter dem Gesichtspunkt, dass ein typischer Außenverteidiger insgesamt rund 10,4 Kilometer zurücklegt, davon 1,2 Kilometer unter hoher Belastungsintensität, empfehle ich angesichts der Gesamtbelastung generell Spieler mit geringer Körpermasse für die Außenpositionen.

Zentrales Mittelfeld

Dies ist wohl die physisch anspruchsvollste Position von allen Feldspielern. Nach Tabelle 1.1 legen zentrale Mittelfeldspieler die größte Gesamtdistanz in einem Spiel zurück (durchschnittlich 11 219 Meter, verglichen mit 11 080 bzw. 10 642 Metern für Außenbahnspieler und Außenverteidiger). Die hochintensive Belastung variiert je nach taktischer Ausrichtung erheblich. Die dicht besetzten Räume zwischen den beiden Strafräumen und die Doppelrolle von Angriff und Verteidigung, die fast das gesamte Spielfeld abdeckt (Abbildung 1.5), erfordern zahlreiche explosive Beschleunigungs- und Abbremsvorgänge.

1.5Das Spielfeld des zentralen Mittelfelds

TAKTISCHE ERWÄGUNGEN