Game of Hearts - Geneva Lee - E-Book
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Game of Hearts E-Book

Geneva Lee

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Beschreibung

Viva Las Vegas! Verbotene Küsse, gefährliche Liebe und gestohlene Herzen – in der sündigsten Stadt der Welt ...

Als Emma Southerly auf einer exklusiven Party, auf der sie eigentlich weder sein will noch erwünscht ist, den attraktiven, geheimnisvollen Jamie trifft, klopft ihr Herz vom ersten Augenblick an einen Takt schneller. Wer ist dieser Mann mit dem raubtierhaften Charme, und warum fühlt sie sich so zu ihm hingezogen? Trotz aller Bedenken verbringt sie eine leidenschaftliche Nacht mit ihm, die sie so schnell nicht vergessen wird – auch, weil es am nächsten Morgen in Las Vegas nur ein Thema gibt: Eine Leiche wurde gefunden – und Jamie ist der Hauptverdächtige. Aber er war doch die ganze Nacht bei ihr, oder etwa nicht?

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Seitenzahl: 295

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Buch

Als Emma Southerly auf einer exklusiven Party, auf der sie eigentlich weder sein will noch erwünscht ist, den attraktiven, geheimnisvollen Jamie trifft, klopft ihr Herz vom ersten Augenblick an einen Takt schneller. Wer ist dieser Mann mit dem raubtierhaften Charme, und warum fühlt sie sich so zu ihm hingezogen? Trotz aller Bedenken verbringt sie eine leidenschaftliche Nacht mit ihm, die sie so schnell nicht vergessen wird – auch, weil es am nächsten Morgen in Las Vegas nur ein Thema gibt: Eine Leiche wurde gefunden – und Jamie ist der Hauptverdächtige. Aber er war doch die ganze Nacht bei ihr, oder etwa nicht?

Autorin

Geneva Lee war schon immer eine hoffnungslose Romantikerin, die Fantasien der Realität vorzieht – vor allem Fantasien, in denen starke, gefährliche, sexy Helden vorkommen. Mit ihrer Royals-Saga um den königlichen Bad Boy Prinz Alexander begeisterte sie die Leserinnen und stürmte die internationalen Bestsellerlisten. Geneva Lee lebt gemeinsam mit ihrer Familie im Mittleren Westen der USA.

Geneva Lee ist online zu finden unter

www.geneva-lee.de, www.facebook.com/genevaleeauthor, www.instagram.com/genevaleeauthor/

Von Geneva Lee bereits erschienen

Secret Sins – Stärker als das Schicksal

Die Royals-Saga

Royal Passion (01) • Royal Desire (02) • Royal Love (03) • Royal Dream (04) • Royal Kiss (05) • Royal Forever (06) • Royal Destiny (07)Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvaletund www.twitter.com/BlanvaletVerlag

GENEVA LEE

GAME OF

Roman

Band 1

Deutsch von Charlotte Seydel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »By Invitation only« bei Ivy Estate, Kansas City.Copyright der Originalausgabe © 2016 by Geneva LeeCopyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2017 by Blanvalet Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Redaktion: Susann RehleinUmschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.comWR · Herstellung: samSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-20905-6V003www.blanvalet-verlag.de

Für S. Ich danke dir für die Inspiration

Später

Mit Fehlern habe ich mich nie lange aufgehalten. Ich wollte mich nicht über frühere Entscheidungen definieren. Jetzt weiß ich, dass ich dazu verdammt bin, für jede einzelne Entscheidung zu bezahlen, die ich getroffen habe. Das wird mir schlagartig klar, während ich dagegen ankämpfe, das Bewusstsein zu verlieren.

Hinter meinen geschlossenen Lidern sehe ich Rot, ich treibe zwischen der realen Welt und der Dunkelheit. Als ich in den Regen blinzele, blitzen Lichter auf. Es dauert einen Moment, bis ich etwas erkennen kann, und dann wirkt alles an ihr falsch. Ihre Arme und Beine sind unnatürlich verdreht, wie bei einer zerbrochenen Puppe. Glassplitter dringen in meine Haut, als ich über den nassen Boden zu ihr krieche. Meine Hand rutscht weg, und ich fühle eine warme Substanz, die sich um ihren Kopf herum ausbreitet. Ihre Lippen färben sich blau, doch das Lächeln in ihrem Gesicht ist wie eingefroren, und ihre Augen starren in den sternenlosen Nachthimmel. Sie sieht glücklich aus, so als würde sie gerade einen Freund begrüßen.

Ich sage ihren Namen, ich schüttele sie, dann schreie ich. Und schreie. Und schreie.

»Emma, du siehst furchtbar aus«, stellt meine beste Freundin Josie fest, als ich mich auf den Beifahrersitz ihres heruntergekommenen Honda Civic schiebe. Ich werfe meine Tasche auf den Boden und ignoriere den reizenden Kommentar. Stattdessen drehe ich mein nasses Haar auf dem Kopf zu einem lockeren Knoten zusammen. Als ich nicht reagiere, seufzt sie und greift in den Haufen durcheinandergewürfelter Gegenstände auf der Mittelkonsole. Bevor sie aus der Einfahrt ausschert, wirft sie mir ein Töpfchen Concealer zu.

»Das ist nicht deine Farbe«, stelle ich fest und betrachte misstrauisch den hellen Farbton.

»Nein.« Sie hält den Blick auf die Straße gerichtet, aber ich sehe, wie ein Grinsen ihre Mundwinkel umspielt. »Es ist deine. Du bist schließlich diejenige, die so etwas braucht.«

Ich ziehe eine Braue hoch, was nicht ganz ungefährlich ist, weil es Josie auf die Idee bringen könnte, dass diese Braue gezupft werden müsste. »Bist du sicher? Man könnte nämlich meinen, dass bei dir die Zicke ein bisschen durchscheint.«

»Nicht meine Farbe«, erinnert sie mich.

Obwohl sie in der üblichen Schülerinnenuniform steckt, sieht Josie fantastisch aus. Ihre Korkenzieherlocken und ihre fuchsiaroten Lippen verleihen ihrem Stil eine unangestrengte Coolness. Ich glaube, so etwas kommt automatisch, wenn die eigene Mutter früher ein hübsches Showgirl war, das sich von einem Glücksspieler schwängern ließ, der allerdings nicht lange genug bei ihr blieb, um noch eine zweite Wette zu platzieren. Auf jeden Fall hatte er einen Volltreffer gelandet – wenn er das doch nur wüsste. Josie hat die langen Beine ihrer Mutter geerbt, ein offenes Lächeln und ihre ganz eigene Art, mit Männern umzugehen. Ich sage Männer, weil sie sich mit den Jungs in der Schule gar nicht erst abgibt. Sie arbeitet ihren Vaterkomplex lieber an einer wachsenden Zahl williger Touristen ab.

Mein Vater steht mit einem Becher mit – wie ich hoffe – Kaffee auf der Terrasse. Josie winkt ihm fröhlich zu und kurvt knapp an unserem Briefkasten vorbei, ich tupfe die Zauberflüssigkeit auf die dunklen Ringe um meine Augen.

»Hattest du wieder Albträume? Den von Becca?« Sie tippt auf das Lenkrad und zeigt dabei ihren neonpinken Nagellack; der im Kontrast zu ihrer cappuccinobraunen Haut herrlich leuchtet.

»Eine Klassenarbeit. Ich musste pauken.« Ich lüge, weil ich keine Lust habe, morgens früh um sieben vor ihr auszubreiten, was mich belastet.

Obwohl sie mich durchschaut, hakt Josie nicht nach. Sie kennt die Wahrheit, weil sie mich kennt. Das bedeutet auch, dass sie weiß, dass ich mit meinen Gefühlen nicht hausieren gehe. Wozu auch? Mit Gerede kann man an dem Mist, der passiert ist, schließlich auch nichts ändern.

»Heute ist der letzte Tag«, sagt sie stattdessen, »und heute Abend machen wir Party.«

»Du machst Party«, verbessere ich sie. »Dad will, dass ich gleich am Montag im Laden die Frühschicht übernehme.«

»Dann bleibt dir doch noch ein ganzes Wochenende – und versuch nicht, so zu tun, als ob du ein heißes Date hättest und deshalb keine Zeit für mich.«

Bei der Vorstellung laufe ich rot an. Ja, heiße Dates sind was für Mädchen, die man nicht gegen ihren Willen zu einem Keuschheitsgelübde gezwungen hat. »Ich bin wirklich schon verplant. Wäsche waschen, Netflix.«

Josie zieht die Nase kraus und schüttelt den Kopf. »Du brauchst ein Leben.«

»Das hatte ich mal.« Ich starre aus dem Fenster und wünschte, ich hätte nichts gesagt. Und schon gar nicht etwas, das so dumm, kaputt und mädchenhaft klingt. Ich gewöhne mich zwar langsam an die dunkle Leere, die der Tod meiner Schwester in meinem Inneren hinterlassen hat, aber heute ist einer dieser Tage, an denen ich sie nicht ignorieren kann.

Als wir zum Schulparkplatz abbiegen, hängt mein Geständnis in der Luft wie ein übler Geruch. Wir können es beide riechen, aber wir sind zu höflich, um etwas zu sagen. Josie biegt so schwungvoll in einen Parkplatz ein, dass ein Erstsemester aus dem Weg springen muss. Zur Entschuldigung hebt sie mit einem zuckersüßen Lächeln die Arme. Niemand kann Josie böse sein, nicht einmal dann, wenn sie einen gerade in Lebensgefahr gebracht hat. Das ist einer der vielen Gründe, warum wir ein seltsames Paar abgeben. Ich lächle nicht, und ich halte auch nichts von Small Talk. Ich vermeide jeden verdammten Augenkontakt, wenn es irgendwie geht.

»Emma, sie würde nicht wollen, dass du aufhörst zu leben«, sagt sie leise.

»Tja, ich hätte halt gern erlebt, wie sie dieses Wochenende ihren Abschluss macht«, blaffe ich. Diese Reaktion hat Josie nicht verdient, aber auch nach einem Jahr befinde ich mich noch im zweiten Stadium der Trauer. Am liebsten wäre es mir, wenn wir weiterhin so tun würden, als sei das alles nicht geschehen.

So viel zum Thema höfliches Schweigen. Ich werfe mir die Tasche über die Schulter und verschwinde zwischen all den Schülern, die sich beim ersten Klingeln durch die Vordertür zu quetschen versuchen. Hier fühle ich mich sicher, inmitten einer Menschentraube, wo mich niemand fragt, ob ich okay bin oder ob man mir irgendwie helfen kann. Noch schlimmer sind die Leute, die mich mit diesen traurigen Augen ansehen. Ich brauche weder ihre Kondolenzbezeugungen noch ihr Mitgefühl. Denn es gibt tatsächlich dumme Fragen, und die Frage »Geht es dir gut?« gehört eindeutig dazu. Und dann sind da noch diese Idioten, die mich für das, was in jener Nacht geschehen ist, verantwortlich machen. Schließlich gibt es außer mir niemanden mehr, dem sie Vorwürfe machen könnten. Aus all diesen Gründen kommt mir die Belle Mère Prep nicht wie eine private Highschool vor, die mich aufs College vorbereiten soll, sondern eher wie die neun Kreise der Hölle.

Nur noch ein paar Stunden. Doch dass ich mir innerlich Mut zuspreche, hilft heute nicht viel, zumal ich Hugo Roth sehe, meinen unangenehmen Fehltritt. Er lungert vor dem Raum herum, in dem ich gleich Englisch habe.

»Na, Pawnstar, bereit für die Sommerferien?« Ich brauche gar nicht erst hinzusehen, um die höhnische Stimme mit seinem blöden Gesicht in Verbindung zu bringen. Doch er stellt sich direkt in die Tür, sodass ich ihn gezwungenermaßen anblicken muss. Dass er die meisten anderen Jungs in der Klasse überragt, ist sein großes Glück, weil er den ganzen Tag lang sein gewaltiges Ego hochhalten muss. Ich gebe nur ungern zu, dass er ziemlich gut ankommt. Aber man kann nicht abstreiten, dass seine Gesichtszüge hollywoodreif sind und sein seidiges blondes Haar gerade die richtige Länge hat, um die Hände darin zu vergraben. Diesen Fehler habe ich einmal gemacht. Und nie wieder. »Ich hab überlegt, mal zu euch in den Laden zu kommen. Ich hab da was, auf das du garantiert scharf bist.«

»Tut mir leid. Wir haben schon genug Schrott im Lager.« Der Pawnshop – das Pfandhaus, das mein Vater betreibt – gilt in Las Vegas zwar als Touristenattraktion, aber für mich ist es nur eine weitere Sache, die mir peinlich ist.

Ich dränge mich an Hugo vorbei, doch er streckt den Arm aus und lässt mich nicht durch die Tür. Mit der anderen Hand packt er sich in den Schritt. »Was würde mir dein Papi dafür wohl geben? Oder vielleicht können wir zwei ja auch besprechen, wie viel das wert ist?«

»Vielleicht könnte ich dem kleinen Kerl auch den Lauf eines der vielen Gewehre zeigen, die wir am Lager haben.« Ich setze ein Grinsen auf und wedele mit dem kleinen Finger, um meine Worte zu unterstreichen. »Wenn ich mich richtig entsinne, müsste er da gut reinpassen.«

Hugo läuft rot an und gibt die Tür frei. »Blöde Ziege.«

»Schön, dass wir drüber gesprochen haben!«, rufe ich ihm zuckersüß hinterher.

Mr. Hunter sieht mich nicht an, als ich beim letzten Klingelton in den Raum stürze. »Nett, dass Sie auch schon da sind, Miss Southerly.«

Ich ziehe das Buch Große Erwartungen aus meiner Tasche und halte es hoch. »Ich konnte einfach nicht aufhören zu lesen. Ich habe überhaupt nicht geschlafen.«

Ich und Dickens? Mr. Hunter presst ungläubig die Lippen aufeinander. Wahrscheinlich ahnt er, dass ich nur den Film geschaut habe, aber er reitet nicht auf meiner Verspätung herum. Ich lasse mich auf den Stuhl fallen, und er beginnt eine Diskussion darüber, ob Pips Wohltäter ihm einen Gefallen getan hat oder nicht. Anscheinend hat ihm keiner gesagt, dass heute der letzte Schultag ist. Weil ich die Geschichte blöd fand – ein armer Junge, der versucht, ein reiches Mädchen zu beeindrucken –, starre ich auf die Holzpaneele. Einige Mitglieder des Schulbeirates hatten sich bei der Renovierung der Schule dafür eingesetzt. Das Ergebnis ist typisch Las Vegas. Eichenpaneele, Bücherregale voller verstaubter, ledergebundener Bücher – eine Show mit dem Ziel, überqualifizierte Lehrer anzuziehen und die Talentscouts der Elite-Universitäten glauben zu machen, die Schüler hier seien ebenso leistungsfähig wie die Privatschüler an der Ostküste.

Als jemand, der in Belle Mère aufgewachsen ist, kenne ich die Wahrheit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

»Miss West?«, ruft Mr. Hunter quer durch den Raum einer Blondine zu, die ihm den Rücken zukehrt.

Monroe West starrt ihn über die Schulter hinweg an, als erwarte sie eine Antwort von ihm und nicht umgekehrt. Die Designer-Klamotten, die sie am Leib trägt, kosten vermutlich so viel, wie er in der Woche verdient, und das ist ihr bewusst. Wer hat behauptet, an der Belle Mère Prep würden keine Prioritäten gesetzt? Aber wenn man eine West ist, stehen einem so oder so alle Türen offen. Nur nicht die der Southerlys. Als sich Monroe West eine pinke Strähne machen ließ, war die Farbe in Clark County zwei Monate lang ausverkauft. Die Mädchen fuhren extra nach Los Angeles, um sich auch so eine machen zu lassen, doch als sie endlich ihre Termine hatten, war Monroe schon längst auf einem anderen Trip. Ihr neuester Look erinnert mehr an Miami als an einen Popstar: leuchtende Zitrusfarben. Sie ist den anderen immer einen Schritt voraus. Mit dem Geld ihres Vaters im Rücken und nachdem sie gerade erst in einer Reality-Show aufgetreten ist, überschlagen sich die Möchtegerndesigner und decken sie mit Kleidern ein. Ein weiterer Beweis, dass das Leben nicht fair ist. Das Mädchen könnte sich alles kaufen und bekommt die Sachen obendrein auch noch umsonst. Aber nicht der Klassenkampf hat sie auf meine schwarze Liste befördert. Nein, diesen Platz hat sie sich ehrlich verdient.

»Haben Sie etwas zu dieser Frage beizutragen?«, hakt der Lehrer nach, als sie nicht reagiert.

»Natürlich hat er ihm einen Gefallen getan. Jeder will Geld. Ich wäre lieber tot als arm.« Sie wirft ihre gebleichten Locken über die Schulter und setzt ihre Unterhaltung fort.

Ich schnaube unwillkürlich, worauf sich beide nach mir umdrehen und mich anstarren.

Überhaupt darauf einzugehen, dass Monroe etwas gesagt hat, kommt einer Kampfansage gleich. Normalerweise halte ich mich lieber an Taktiken aus dem Kalten Krieg, zum Beispiel so zu tun, als existierte sie gar nicht. Das ist das Beste für meinen Seelenfrieden. Aber der Umstand, dass ich sie jetzt drei Monate lang nicht sehen muss, motiviert mich, einen leichten Konfrontationskurs einzuschlagen.

Mr. Hunter verschränkt die Arme über seinem Tweedjackett. »Es sieht so aus, als hätte auch Emma etwas zu dem Thema beizutragen.«

»Ja.« Echte Gedanken sogar. »Es gibt so viel schlimmere Dinge, als arm zu sein, zum Beispiel krank zu sein oder arrogant oder eingebildet. Ich glaube, das weiß er. Geld und Glück ist nicht dasselbe.« Zumindest wirkte Ethan Hawke in dem Film nicht besonders glücklich, füge ich im Stillen hinzu.

Monroe zeigt mir ihren gebräunten Mittelfinger.

»Geld und Klasse auch nicht«, ergänze ich trocken.

Sie grinst schief und zeigt dabei, wie gut ihr korallenroter Lippenstift zu ihrem Nagellack passt. Doch als Mr. Hunter sie ansieht, lässt sie ihren Kommentar zu meinem Beitrag rasch verschwinden. Ich höre nicht mehr zu, als er versucht, noch mehr Schüler in die Diskussion einzubeziehen. Es mag zu den Grundsätzen der Belle Mère gehören, uns bis zum letzten Moment zu unterrichten, aber unsere Abschlussprüfungen fanden bereits letzte Woche statt. Die Englischlehrer meinten, es sei eine gute Idee, das Schuljahr mit einer Dickens-Lektüre ausklingen zu lassen. Der alte Charles wäre enttäuscht gewesen, hätte er gewusst, dass wir uns bereits ausgeklinkt hatten und die Stunden zählten, bis die heutige Schlussklingel den Beginn der Sommerferien verkündete. Beziehungsweise in meinem Fall den sommerlichen Frondienst, bei dem ich mit Spielsüchtigen um Baseballkarten und alte Schallplatten feilschen musste. Trotzdem ist dies unsere Version des Silvesterabends, wenn wir alle auf die Uhr schauen und darauf warten, ein weiteres Schuljahr hinter uns zu lassen.

»Diejenigen von Ihnen, die das Buch noch nicht zu Ende gelesen haben, nehmen es bitte mit in die Sommerferien. Die Schule kann den Verlust verschmerzen«, erklärt uns Mr. Hunter, als die Klingel ertönt.

Alle lassen die ungeliebten Dickens-Romane auf den Tischen liegen und stürmen aus dem Klassenzimmer.

»Emma«, ruft Hunter, bevor ich die Tür erreiche. »Sie haben sich doch für den Literaturkurs nächstes Jahr angemeldet, oder?«

Ich nicke und beiße mir auf die Lippe, während sich der Flur mit Schülern füllt. Auch wenn ich heute zu spät gekommen bin, halte ich mich trotzdem gern an den Zeitplan. Außer meiner Pünktlichkeit gibt es nicht viel in meinem Leben, was ich unter Kontrolle habe.

»Die Literaturliste bekommen Sie per E-Mail. Ich freue mich schon darauf, Sie im nächsten Herbst wieder in meinem Unterricht zu haben. Nehmen Sie das Buch mit.«

Übersetzung: Er freut sich, dass sich der Kurs nicht nur aus reichen Erben zusammensetzt. Kinder, die dazu bestimmt sind, irgendwann Casinos oder Clubs zu besitzen, haben kein großes Interesse an Literatur. »Ich auch.«

Ich gehe in den Flur, bevor er die Unterhaltung fortsetzen kann. Hunter ist in Ordnung, aber das Lesen verschiebe ich auf nächsten Monat, wenn ich meine Mutter in Palm Springs besuche. Momentan möchte ich eigentlich nur zur nächsten Unterrichtsstunde und den Tag durchstehen, um das schlimmste Jahr meines Lebens hinter mir zu lassen.

Gleich nach dem Mittagessen geht es mit den SMS los. Ich verschicke ein paar Antworten, aber solange ich im Unterricht bin, kann ich nicht viel tun. Dad ist nicht im Laden aufgetaucht, was niemanden überrascht, außer seinen Geschäftsführer Jerry, der ein ziemliches Schaf ist. Er braucht jemanden, dem er hinterherlaufen kann, ohne Dad wäre er verloren. Um drei ist Dad immer noch verschollen. Vermutlich war das heute Morgen doch kein Kaffee in dem Becher. Wenn ich Glück habe, hat er unsere nächste Monatsrate für die Hypothek nicht soeben auf die Vierzehn gesetzt.

Jerry: Kannst du vorbeikommen?

Ich: Nein. Hab was vor.

Ein halbes Dutzend nicht zu Ende gesehener Serien.

Jerry: Wenigstens bist du Montag hier.

Und für den Rest meines Lebens. In Las Vegas halten die Familien zusammen, ganz egal, welche Karten ihnen ausgeteilt wurden. Ich bin nicht so dumm zu glauben, dass ich jemals da herauskommen könnte. Hier gewinnen immer die reichen Familien und packen dich wieder dorthin zurück, wo du hingehörst.

Ich bekomme noch eine SMS, diesmal von Mom, anscheinend werde ich morgen früh zum Brunch erwartet. Mein einziges freies Wochenende, bevor die Plackerei mit dem Sommerjob beginnt, wird zusehends von allen anderen mit Beschlag belegt. Ich stopfe mein Handy in die Tasche und genieße es, die Belle Mère Prep zu verlassen. Es ist nur ein kurzes Vergnügen, aber so ist es wohl mit den meisten tollen Sachen. Der Parkplatz ist ein Meer von Cabriolets mit heruntergelassenen Verdecken. Anscheinend sind heute alle mit dem Symbol von Mamis Midlife-Crisis zur Schule gefahren. Witzig, ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass davon was am Schwarzen Brett stand.

»Jetzt sind wir die Großen!«, kreischt Josie und stürzt sich auf mich, sobald ich die Vordertreppe runterkomme. Ich lasse mich umarmen, weil Josie eine Umarmerin ist, und da sie nach siebzehn Jahren noch immer nicht kapiert hat, dass ich das nicht bin, hat es auch keinen Zweck, sich dessen zu erwehren.

Über ihren wilden Haarschopf hinweg zuckt kurz ein Blick aus vertrauten braunen Augen in meine Richtung. Ich löse mich gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Jonas Monroes Hand nimmt. Er ist hoch aufgeschossen und hat dunkle Haare, sie platinblonde Locken und den zierlichen Körper eines Bademodenmodels. Sie bilden einen perfekten Kontrast zueinander.

Das Belle-Mère-Powerpaar.

Jeder möchte so sein wie diese beiden. Ich auch? Ja, ich gebe es zu. Ich wäre gern an Monroes Stelle. Vielleicht weil ich einmal diejenige war, die seine Hand gehalten hat.

Josie folgt meinem Blick, und ihre dunklen Augen verengen sich, als sie das Paar sieht. »Ignorier die einfach.«

»Das tue ich.« Wenn das doch nur so einfach wäre. Jonas hat mir das Herz gebrochen. Er hat mich geküsst. Er hat mich in sich verliebt gemacht. Und dann hat er mich ihretwegen verlassen. Deshalb bin ich mit dem größten Narzissten der Schule ins Bett gegangen. Um mich zu rächen.

Hätte ich gewusst, dass Hugo darauf gewettet hatte, wie schnell er mich ins Bett bekommt, hätte ich einen todsicheren Tipp gehabt. Dann wäre mir wenigstens ein kleiner Gewinn sicher gewesen, wenn ich sonst schon nichts davon hatte.

»Ich will heute Abend ausgehen«, sage ich, ohne lange zu überlegen.

Josie springt in die Luft, und so wie sie sich die Hände reibt, sieht sie ein bisschen zu sehr nach der Cheerleaderin aus, die sie einmal war.

»Nichts Verrücktes«, warne ich sie.

»Mach dir keine Sorgen. Wir werden Spaß haben, ich weiß schon genau, wo wir hingehen.« Das verdächtige Funkeln in ihren Augen lässt mich Böses ahnen.

Worauf habe ich mich da nur eingelassen?

Die Schatten sind schon lang, als ich nach Hause komme. Das Einzige, was noch deprimierender ist als glutheiße Wüste, so weit das Auge reicht, ist vermutlich der Anblick eines dunklen Hauses da mittendrin. Wobei, es geht noch schlimmer: der unangenehme Dunst von schalem Bier, der mir an der Tür entgegenschlägt. Ich halte kurz inne, blicke mich um und frage mich, warum ich mich nicht für die Sommerkurse eingetragen habe. Dann hätte ich nächstes Jahr meinen Abschluss früher machen, mich am Las Vegas College als Teilzeitstudentin einschreiben und das bisschen Geld, das ich im Laden verdiene, dazu nutzen können, mir eine eigene Wohnung zu suchen. Ich grübele ganze fünf Sekunden darüber, dann fange ich an, Bierdosen und Kippen einzusammeln.

»Hey, Moppelchen«, begrüßt mich Dad und reibt sich die Augen. Er ist ansprechbar, was das einzig Positive an dieser Situation ist. »Wie war’s in der Schule? Hast du Hausaufgaben auf?«

Diese beiden Fragen hat mein Vater mir an jedem einzelnen Tag meines Lebens gestellt, seit meine Mutter gegangen ist. Es ist ein eher kümmerlicher Versuch, die Elternrolle auszufüllen, aber ich weiß die Geste zu schätzen.

»Letzter Schultag«, erinnere ich ihn mit dem Arm voller Bierdosen.

»Stimmt ja. Ich bin mit den Tagen ganz durcheinandergekommen.« Er kratzt sich am Kopf und grinst verlegen. »Das sollten wir feiern.«

Dad versucht es wenigstens. Die meisten meiner Mitschüler werden vom Personal erzogen, während sich ihre Eltern auf die Casinosäle konzentrieren und darauf, die dicken Fische unter den Spielern bei Laune zu halten. Ich wünschte, ich könnte sagen, ich sei besser dran als die anderen, aber ich habe die letzten fünf Jahre damit verbracht, unsere gestörte Familie zusammen und das Geschäft über Wasser zu halten.

Dad ist nie darüber hinweggekommen, dass er Mom verloren hat, aber sie war dem Geld gefolgt, hatte all den signierten Schallplatten, den Sammlerstücken aus der Welt des Sports und dem ganzen anderen Kram, dem wir in unserem Laden namens Pawnography ein Zuhause geben, den Rücken gekehrt. Anscheinend war ein schäbiges Pfandhaus, das mehrere Blocks vom Strip entfernt lag, nicht das, was sie sich unter Wohlstand vorstellte. Mom wollte mehr und fand es in Gestalt eines neuen Ehemannes und eines geschmackvollen Anwesens in Palm Springs, wo sie ihre Tage damit verbringt, Weißweinschorle zu schlürfen. Am Tag ihrer Hochzeit sagte sie meiner Schwester und mir, endlich seien ihre Träume in Erfüllung gegangen. Becca erteilte ihr die Absolution und erklärte, dass alles in Ordnung sei, schließlich habe sie sich einfach nur verliebt. Meine Schwester sah das große Ganze, einschließlich der Türen, die uns das Geld unseres Stiefvaters öffnen konnte. Als er ihr anbot, die Las Palmas Highschool zu verlassen, nahm sie sofort an, doch ich wollte in diesem neuen Leben keine Rolle übernehmen. Schließlich willigte ich ein, auf ihre Kosten auf die Belle Mère Prep zu gehen, aber erst, nachdem Josie dort ein Stipendium bekommen hatte. Ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, ohne meine Schwester oder meine beste Freundin auf die Highschool zu wechseln.

Ich werfe die Dosen in den Recyclingeimer und übersehe geflissentlich, dass er dort schon den Inhalt seines Aschenbechers hineingekippt hat. Als ich die Jalousien hochziehe, blendet mich die Sonne, und ich frage mich, was Mom wohl gerade tut. Vermutlich sitzt sie am Swimmingpool, während jemand anders für sie das Abendessen zubereitet. Oder vielleicht sitzt sie bereits im Privatjet auf dem Weg hierher, um mich mit ihrer Anwesenheit zu beehren.

»Wo möchtest du hingehen? Ich kenne einen Typen drüben im Rio, der uns ans Büfett schmuggeln kann.« Dad streicht sich mit den Händen über sein Haar, um es zu bändigen. Momentan sieht er so aus wie viele Männer in Las Vegas: unrasiert und ungewaschen, in den Klamotten von gestern. Im Gegensatz zu den anderen Männern sieht er aber gut aus mit dem markanten Kinn und dem grau melierten Haar. Schon als Kind hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, dabei zuzusehen, wie die Frauen sich an ihn ranmachten. So hat er sich Mom angelacht: Er sah gut aus und schien viele Möglichkeiten zu haben. Doch es hat sich erwiesen, dass gutes Aussehen nicht über eine gescheiterte Existenz hinwegtröstet.

»Josie schleppt mich schon irgendwohin, deshalb bist du aus der Pflicht.« Beim Gedanken an irgendwelche Abschlusspartys zieht sich in mir alles zusammen. Sie können genauso tückisch sein wie das All-you-can-eat-Meeresfrüchtebüfett, das Dad mir vorschlägt, aber ich musste Josie versprechen, keinen Rückzieher zu machen.

»Dann vielleicht morgen«, bietet er an.

»Klar«, antworte ich unbestimmt. So bin ich nicht enttäuscht, wenn er es morgen vergisst. Ein Schutzmechanismus, den ich mir angewöhnt habe, seit er zum ersten Mal meinen Geburtstag vergessen hat.

Ich nehme ein paar Sachen aus dem Kühlschrank und beginne mit dem Abendessen. Es ist immer etwas zu essen im Haus, weil ich dafür sorge. Ich kaufe ein, und ich mache den Haushaltsplan. Dad denkt nicht daran zu essen, es sei denn, ich stelle ihm etwas auf den Tisch. Deshalb besteht keine Gefahr, nach Hause zu kommen und einen leeren Kühlschrank vorzufinden. Ich schütte Soße in eine Pfanne und setze Nudelwasser auf. Ich würde es nicht gerade ein Feinschmeckermenü nennen, schon wegen der billigen Zutaten, aber ich kann in weniger als fünfzehn Minuten Spaghetti kochen. Da kommt kein Sternerestaurant mit.

»Das ist wirklich lecker.« Dad dreht Spaghetti auf seine Gabel und schiebt sie sich in den Mund.

»Ich werde was in den Kühlschrank stellen, damit du es dir morgen Mittag warm machen kannst.« Er ist ein hoffnungsloser Fall. Seine Nahrung besteht ausschließlich aus Kaffee, Bier und dem Abendessen, das ich ihm zubereite, wenn ich da bin.

Er nickt. Wir unterhalten uns über Pläne für den Sommer und den Laden. Ich muss ihn daran erinnern, dass ich im nächsten Jahr meinen Abschluss mache.

Nachdem ich das Geschirr abgewaschen habe, werfe ich einen Blick ins Wohnzimmer, wo er das Sportprogramm eingeschaltet hat. Das weiß ich, weil ein Ball im Spiel ist und Männer aufeinander eindreschen, um ihn zu bekommen. Die Sportbegeisterung meines Vaters hat nicht auf mich abgefärbt. Das Gute daran ist, dass ich deswegen vermutlich auch von seiner Leidenschaft für Sportwetten verschont geblieben bin.

»Ich gehe unter die Dusche. Lässt du Josie rein?«

Er hebt sein Bier zum Zeichen, dass ich auf ihn zählen kann.

Ich bleibe so lange unter dem heißen Wasser, dass meine Haut ganz aufgeweicht ist. Meine Probleme kann ich mir zwar nicht abwaschen, aber heute Nacht kann ich ausgehen und sie vergessen. Ich wickele mir ein Handtuch um den Kopf und wische den Spiegel mit der Hand frei. Meine Wangen sind gerötet, mehr Farbe werde ich wohl auch niemals bekommen. Anders als meine Altersgenossen verbringe ich nicht jeden Nachmittag damit, dem Gott des Hautkrebses zu huldigen. Das bedeutet natürlich auch, dass ich bläuliche Ringe um die Augen habe und jede kleine Hautunreinheit gleich auffällt. Als ich mein Haar trocken rubbele und in mein Zimmer gehe, wartet Josie schon auf mich. Ein paar schimmernde Stofffetzen liegen über mein Bett verteilt. Mit schmalen Augen nehme ich einen hoch. Ganz egal, wie herum ich ihn halte – ich kann nicht erkennen, was es ist.

»Ist das ein Schal?«, frage ich schließlich.

Josie reißt mir das Teil aus der Hand. »Das gehört mir, vielen Dank.«

Solange sie mich nicht zwingt, es zu tragen, möchte ich mich jedes weiteren Kommentars enthalten. Sie entledigt sich ihrer Kleidung und zieht sich das Teil über den Tanga. Es ist ein knapper schwarzer Overall, der bis zu ihrem Nabel ausgeschnitten ist.

»Ich habe keinen Busen«, beklagt sie sich und zupft daran herum.

»Sieh es doch mal positiv«, sage ich und nehme einen Slip aus der Schublade. »Wenn du mehr Oberweite hättest, könntest du so was gar nicht tragen.«

»Ich schätze, du hast recht.« Sie dreht sich um sich selbst und betrachtet sich in meinem Frisierspiegel. »Wie sehe ich aus?«

»Älter, als du bist«, sage ich trocken. Das ist die Antwort, die sie hören will. Josies Haar ist ein wilder Lockenmopp, der wunderbar zu ihren hohen Wangenknochen und ihren großen espressobraunen Augen passt. Mit ihrem Aussehen und in diesem Outfit wird man sie in jeden Club der Stadt lassen. Ich werde mich an ihre Rockschöße oder vielmehr an ihren G-String hängen müssen, um reinzukommen. »Wo hast du den denn her?«

»Frederick ist übers Wochenende mit Mom in die Wüste gefahren. Da habe ich mir ein paar Sachen ausgeliehen.« Sie drückt mir ein Kleid in die Hand. Wenn es in meinem Leben weibliche Vorbilder gibt, dann Josie und ihre Mutter. Ich lege es nicht unbedingt darauf an, eine Präsentierfrau zu werden wie meine Mutter. Deshalb sind Josie und Marion Deckard eigentlich die Truppe, der ich mich zugehörig fühle. Die beiden bilden eine verschworene Gemeinschaft.

Marion ist erst fünfunddreißig, und die beiden sehen eher aus wie Geschwister als wie Mutter und Tochter. Und so benehmen sie sich auch.

»Dieses Kleid ist eigentlich gar kein richtiges Kleid.« Ich drehe mich um und überprüfe die Rückenansicht der Partyklamotte, die Josie für mich ausgesucht hat. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass mein Hintern hervorguckt.

Josie schüttelt den Kopf, als denke sie angestrengt über mein Ensemble nach. »Emma, du siehst scharf aus.«

»Mag sein«, sage ich langsam, weil ich das glitzernde Stofffähnchen, das sie mir aufgeschwatzt hat, gar nicht so schlecht finde, »aber ich werde die ganze Nacht lang die Schenkel zusammenpressen müssen.« Ich demonstriere ihr, wie es aussieht, wenn ich beim Gehen die Knie zusammendrücke.

»Hör auf!« Sie bewirft mich mit einem Kissen aus dem Arsenal, das ich auf meinem Bett verteilt habe. »Pass auf, dass du hübsche Unterwäsche trägst. Warst du in letzter Zeit mal beim Waxing?

Ich rümpfe die Nase. »Wie es bei mir untenrum aussieht, geht niemanden was an.«

»Aber vielleicht demnächst ja mal wieder«, korrigiert sie mich.

»Da gibt es nichts zu tratschen. Nicht nur in Kalifornien herrscht Trockenheit.«

Josie setzt ein schiefes Grinsen auf. »Falls du es wirklich darauf anlegst, die verfluchte Dürreperiode zu beenden, solltest du überhaupt keine Unterwäsche tragen.«

»Der alte Kein-Höschen-Trick? Der hat vielleicht in den Neunzigern funktioniert. Ich dachte, ich könnte einfach so tun, als wäre ich bewusstlos. Also, worauf muss ich mich heute Abend gefasst machen? Was hast du ausgeheckt?«

»Vergiss es.« Sie schüttelt den Kopf und holt einen Lippenstift heraus. »Das ist eine Überraschung.«

Stöhnend presse ich die Hände aneinander. »Bitte. Ich flehe dich an.«

Sie grinst nur. Was auch immer sie im Schilde führt, es kann nichts Gutes sein, wenn sie mich dort hinschleifen muss. »Bekomme ich eine Augenbinde?«

»So versaut ist die Party nun auch wieder nicht«, schnaubt sie.

»Es ist also eine Party!«

»Gut kombiniert, Sherlock.« Sie rollt mit den Augen und zupft an meinen Haaren rum. Da ist nichts zu wollen. Haartechnisch sind wir beide wie Yin und Yang – ihre widerspenstige sexy Mähne und meine gewöhnlichen honigblonden Locken.

»Du musst es mir unbedingt sagen, wenn ich hier still sitzen soll«, sage ich zu ihr, während sie sich weiter mit meinem Make-up beschäftigt.

»Ach, deshalb lässt du dich so widerstandslos von mir stylen«, knurrt sie. »Nur, weil du mir erlaubst, dir Wimperntusche aufzutragen, heißt das noch lange nicht, dass ich alles ausplaudere. So leicht bin ich nicht zu haben.«

Ich strecke ihr die Zunge raus und bereue es sofort, als sie mit dem Make-up-Pinsel darauf schlägt.

»Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört«, sage ich.

»Mehr hast du nicht drauf, Southerly?« Sie stemmt eine Hand auf ihre Hüfte und sieht sofort aus wie ihre Mutter. Das sage ich ihr allerdings nicht, damit sie mir nicht noch eine mit dem Make-up-Pinsel verpasst. »Heute Abend musst du es wirklich bringen.«

Ich hatte schon befürchtet, dass sie so etwas sagen würde.

Wenn Josie ein Taxi nehmen will, ist das grundsätzlich kein gutes Zeichen. Es bedeutet zweierlei: Sie wird sich betrinken, und es geht zum Strip. Es ist komisch, plötzlich ein Duo zu sein, denn früher waren wir zu dritt. Becca und Josie haben mich immer überstimmt. Jetzt, wo Becca nicht mehr dabei ist, ist das Verhältnis ausgewogener. Trotzdem siegt Josie meistens.

Ich habe mal versucht, mir vorzustellen, wie ein Fremder das Herz von Las Vegas sieht – die Lichter, die Leute, eine Million glitzernder Versuche, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es ist mir nicht gelungen. Ich sehe bloß das, was wirklich ist. Einmal abgesehen von den Touristenmassen, den Springbrunnen vorm Bellagio, den Designerläden und den erstklassigen Shows bleiben eigentlich nur verkrachte Existenzen übrig. Das hier ist die ultimative Verkörperung des amerikanischen Traums: Du musst nur an einem Hebel ziehen, dann könnte dir alles gehören. Du musst nur noch einmal würfeln, dann wird etwas aus dir. Vegas wurde dadurch groß, dass es Leute kaputtmachte. Und das tut es immer noch. Wenn mir diese Erkenntnis doch bloß etwas nützen würde – aber einer Stadt wie dieser kann man nicht entkommen. Vielleicht wird sich mein Schicksal eines Tages wenden, aber fürs Erste rechne ich lieber nicht damit.

Unser Fahrer rast dermaßen schnell durch den Straßenverkehr, dass die Neonlichter draußen zu Farbstreifen verwischen.

»Was wird das heute Abend? Japanische Geschäftsleute oder der Spielsaal ohne Limits?«, frage ich und blicke dabei aus dem Fenster. Wir spielen keine Glücksspiele, aber ich weiß genau, wohin es sie zieht, wenn sie ausgeht.

»Weder noch. Heute Abend sind wir jung«, verkündet sie. »Außerdem kann ich Richard später immer noch anrufen.«

»Den Öltypen?«

»Nein, er ist im Finanzsektor.«

»Ich glaube, du brauchst einen Therapeuten.« Ich löse meinen Blick von der Aussicht und wende mich ihr zu. Das habe ich ihr schon eine Million Mal gesagt.

»Nur, wenn er heiß ist.«

Ich stöhne. »Und alt. Also, wo fahren wir hin?«

Josie beißt sich auf die Lippe, und sofort steht mein gesamter Körper unter Spannung. Eine Überraschung ist okay, aber sie schafft es nicht, keine schuldbewusste Miene aufzusetzen.

»Entführst du mich etwa?«, will ich wissen und grapsche nach ihrem Telefon. Sie hält es weg, und ich nehme damit vorlieb, sie zu kitzeln. Sie kichert nervös. Doch bevor es mir gelingt, ihr ein Geständnis zu entlocken, verlangsamt der Wagen das Tempo. Ich blicke auf die Türen eines Resorts.

»Willst du mich verarschen?«, frage ich, als uns der Page die Tür aufhält. Ich warte ihre Antwort gar nicht erst ab, sondern eile gleich in die entgegengesetzte Richtung, zurück zur Straße. Unter keinen Umständen werde ich das West betreten.

Josie erwischt mich am Arm, bevor ich es durch das Tor schaffe, doch ich bleibe nicht stehen. Wir tragen beide unpraktisch hohe Schuhe, was darauf hinausläuft, dass eine von uns beiden hinfallen wird. Spielverderber: Ich bin es nicht.

»Hey«, fleht sie mich an und stöckelt hilflos hinter mir her, »hör mir doch mal zu.«

Aber warum soll ich ihr noch zuhören? »Ich dachte, du hättest die soziale Hühnerleiter begriffen. Aber ich kann es dir auch noch einmal mit einfachen Worten erklären: Wir stehen auf der untersten Sprosse. Wenn mein Dad herausfindet, dass ich hier bin, verstößt er mich.«

»Es ist die Jahrgangsabschlussparty. Alle werden da sein!«

»Alle, die eingeladen wurden«, berichtige ich sie. Mein Name wird nie auf einer Gästeliste vom West auftauchen, und damit habe ich auch absolut kein Problem, wenn man bedenkt, dass man für den Eintritt mit seiner Seele bezahlen muss.