Royal Temptation - Geneva Lee - E-Book

Royal Temptation E-Book

Geneva Lee

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Beschreibung

Das große Finale: Skandalöser, verführerischer und aufregender denn je – Endlich Neues von den »Royals«!

Lola, die Schwester der neuen britischen Königin Clara, hat einen Auftrag: Sie soll Anders Stone im Auge behalten. Doch das gestaltet sich gar nicht mal so einfach: Der skandalhungrige Formel-1-Rennfahrer will nicht zu seiner royalen Verwandtschaft gehören und sorgt deshalb gern für Ärger. Umso mehr nervt es ihn, dass ihm eine Babysitterin auf den Hals gehetzt wurde. Lola folgt Anders auf Schritt und Tritt, seit sie in ihren sexy High Heels zum ersten Mal seine Rennstrecke betreten hat. Und leider bekommt er die temperamentvolle Schöne nicht mehr aus dem Kopf …

Perfekt zum Binge Reading! Lies auch die anderen zwölf Bände rund um die royale Familie!

»Royal Temptation« ist Teil der großen »Royals«-Saga, kann aber auch eigenständig als Stand-Alone gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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MOBI

Seitenzahl: 440

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Lola, die Schwester der neuen britischen Königin Clara, hat einen Auftrag: Sie soll Anders Stone im Auge behalten. Doch das gestaltet sich gar nicht mal so einfach: Der skandalhungrige Formel-1-Rennfahrer will nicht zu seiner royalen Verwandtschaft gehören und sorgt deshalb gern für Ärger. Umso mehr nervt es ihn, dass ihm eine Babysitterin auf den Hals gehetzt wurde. Lola folgt Anders auf Schritt und Tritt, seit sie in ihren sexy High Heels zum ersten Mal seine Rennstrecke betreten hat. Und leider bekommt er die temperamentvolle Schöne nicht mehr aus dem Kopf …

Autorin

Geneva Lee ist eine hoffnungslose Romantikerin und liebt Geschichten mit starken, gefährlichen Helden. Mit der »Royals«-Saga, der Liebesgeschichte zwischen dem englischen Kronprinzen Alexander und der bürgerlichen Clara, eroberte sie die internationalen Bestsellerlisten. Weitere erfolgreiche Publikationen folgten. Auch mit ihrer »Rivals«-Reihe trifft die Autorin einmal mehr mitten ins Herz ihrer Leser*innen. Geneva Lee lebt zusammen mit ihrer Familie im Mittleren Westen der USA.

GENEVA LEE

ROMAN

Deutsch von Pauline Bellmann

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel »Handle Me« bei Estate, New YorkDer Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe 2023 by Geneva Lee

Copyright © 2025 der deutschsprachigen Ausgabe

by Blanvalet Verlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)

Redaktion: Anita Hirtreiter

Umschlagdesign: Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Adobe Stock (pacrovka, RP)

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

LH ∙ Herstellung: DiMo

ISBN 978-3-641-32761-3V001

www.blanvalet.de

Für Schwestern, besonders kleine Schwestern

1

ANDERS

Schon seit meinem allerersten Rennen wollen die Leute von mir wissen, warum ich fahre. Jedem Fahrer wird diese Frage irgendwann gestellt, und immer erwarten die Leute irgendeine philosophische Antwort. Ich würde vor meiner Vergangenheit davonlaufen, oder ich wollte auf meine Zukunft zurasen, oder irgendeinen anderen Unsinn. Die Wahrheit war weit weniger tiefsinnig.

In meiner Kindheit und Jugend gab es nicht viel anderes zu tun. Ein einziges Mal hinter dem Steuer hatte gereicht – eine Dosis pures, ungefiltertes Adrenalin –, und ich war süchtig. Nichts ging über das Brummen des Motors, wenn ich den Gang wechselte. Für die Fans oder den Ruhm interessierte ich mich nicht. Ich versuchte nicht, irgendetwas zu beweisen. Auf der Rennstrecke gab es nur mich, das Auto und meine eigene Endlichkeit. Das Einzige, was meiner Meinung nach annähernd an dieses Gefühl rankam, war Sex. Ich konnte noch nie sagen, was besser war. So war es zumindest früher.

»Du nimmst die Kurve zu weit. Nimm sie enger, Hoheit!«, schrie Wilkes in meine Kopfhörer.

Das hieß übersetzt: Ich musste schneller sein.

»Verpiss dich!« Ich schaltete einen Gang hoch und gab Vollgas, als ich in Copse einfuhr. Von meinem neuen Spitznamen war ich alles andere als begeistert, doch ich konnte die Jungs sicher nicht davon überzeugen, mich nicht mehr so zu nennen. Allerdings war ich derjenige, der am Steuer saß. Wilkes wollte es schnell. Das konnte er haben. Ich fuhr blind in Copse ein. Diese Kurve zu nehmen, war schon immer eine Glaubensfrage. Ich musste an mich und an mein Auto glauben. Ich zögerte nicht. Die Räder schmiegten sich an die Straße, als ich das Lenkrad einschlug und in den siebten Gang herunterschaltete, bevor ich den gewohnten Schub spürte. Dann legte ich den achten ein, während ich die erste Linkskurve nahm. Bereits zu Beginn meiner Laufbahn als Rennfahrer wurde mir gesagt, man müsse entweder lebensmüde oder dumm sein, um keine Angst vor dieser Strecke zu haben. Ich hatte keine Ahnung, zu welcher Sorte ich zählte, aber momentan stellte ich mich lieber dieser Strecke, als mich mit dem zu beschäftigen, was mich hinter Silverstones Toren erwartete. Reporter – wenn man diese Mistkerle überhaupt so nennen konnte. Frauen – das war weit weniger schlimm. Und ein Sicherheitskommando.

Wenigstens auf der Rennstrecke war ich frei. Da draußen hingegen verwandelte sich mein Leben in eine Zirkusnummer.

Und das alles nur, weil vor etwa sechsundzwanzig Jahren irgendein Schwachkopf, den ich nie kennengelernt hatte, meine Mutter flachgelegt hat. Dieser Schwachkopf war jetzt tot, seine ganzen schmutzigen Geheimnisse waren ans Licht gekommen, und ich wurde zum größten Skandal von allen. Ich war der uneheliche Sohn eines toten Königs und hatte auf einmal einen älteren Halbbruder, der aus unerfindlichen Gründen entschlossen war, mich zu einem Teil seiner Familie zu machen.

»Jetzt krieg deinen Hintern hoch und fahr!«, bellte Wilkes über Funk.

Ich konzentrierte mich wieder, beschleunigte in der letzten Kurve und nahm erst den Fuß vom Pedal, als ich wieder geradeaus fuhr. Das Team rannte in Richtung des künstlichen Rasens, als ich den Renault zum Stillstand brachte.

»Ich will es gar nicht wissen«, sagte ich geknickt zu meinem Teamchef.

Wilkes nannte mir meine Rundenzeit trotzdem: »Eine Minute und zweiunddreißig beschissene Sekunden.«

Er stapfte davon und überließ es dem Rest der Mannschaft, sich um mich zu kümmern. Ein weiterer unkonzentrierter Tag auf der Rennstrecke, ich hatte meine Rundenzeit wieder sinnlos verpfuscht. An diesem Punkt konnte man es nicht mehr nur als Training ansehen. Jede Runde zählte, wenn es darum ging, Sponsoren zu gewinnen, die dieses mehrere Millionen Dollar schwere Team am Laufen hielten. Noch mehr solcher Tage, und die einzigen Unternehmen, die mich noch sponsern würden, wären Altenheime. Wilkes rannte auf die Rennstrecke, sein Headset in der Hand, und schrie so laut, dass er rot anlief.

Oh Mann, das konnte nichts Gutes bedeuten! Wenn das so weiterging, würden wahrscheinlich nicht mal mehr die Altenheime als Sponsor infrage kommen.

Da realisierte ich, dass er nicht mich anschrie. Ich zog meinen Helm ab, drückte mich vom Sitz hoch und versuchte einen Blick auf das zu erhaschen, was meinen Teamchef so zur Weißglut brachte. Doch die Crew, die sich um das Auto versammelt hatte, versperrte mir die Sicht. Ich kletterte aus dem Renault und sah, was – oder eher wer – ihn so aufregte.

Ein Blick auf die Brünette genügte, und ich konnte es Wilkes nicht verübeln, dass er die Kontrolle verlor. Sie war nicht bloß eine Ablenkung; sie sah aus, als wäre sie einem heißen Traum entsprungen. Der Wind peitschte ihr die glänzenden dunklen Haare um das Gesicht. Eine übergroße schwarze Sonnenbrille verhinderte, dass ich sie mir genauer anschauen konnte. Aber das spielte kaum eine Rolle. Ihr Körper verlangte meine ganze Aufmerksamkeit. Enge Jeans schmiegten sich an ihre Hüfte, und sie trug ein Paar Stilettos, die so hoch waren, dass es beinah gefährlich aussah. Wenn sie auf solchen Schuhen die Rennstrecke betrat, musste sie nicht nur selbstbewusst sein, sondern auch draufgängerisch. Der schwarze Blazer, der über ihrer Taille zugeknöpft war, war tief ausgeschnitten und offenbarte genug Dekolleté, dass mir die Eier wehtaten. Innerhalb von einer halben Minute hatte ich mir all die unanständigen Dinge ausgemalt, die ich mit ihr anstellen wollte.

Ein Crewmitglied mit einem Reifen im Arm eilte vorbei, doch ich packte seine Schulter, um ihn aufzuhalten. »Was zum Teufel ist hier los?«

»Sie ist einfach aufgetaucht und hier reinspaziert, als würde der Laden ihr gehören«, sagte er mir. Dann musterte er die geheimnisvolle Frau anerkennend. »Also ich hätte nichts dagegen.«

»Ich genauso wenig«, murmelte ich und schob ihn Richtung Auto. Er durfte hingucken, aber nicht anfassen. Wer immer sie war, sie gehörte mir. Dafür würde ich sorgen.

»Anders!«, brüllte Wilkes.

Ich fuhr mit einer Hand durch meine vom Helm platt gedrückten Haare, während ich zu ihm hinüberjoggte. In der schwülen Hitze des Tages klebten sie auf meiner Haut, und ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf und verlangsamte, als ich die beiden erreichte. Die Frau drehte sich um, schob ihre Sonnenbrille hoch, und ich stutzte. Ihr Gesicht konnte ich gleich zuordnen, denn sie hatte große Ähnlichkeit mit jemandem, den ich kannte. Folglich war sie keine Fremde. Sie war von meiner neu gefundenen Familie geschickt worden, um mein Image aufzupolieren.

Charlotte Bishop.

In dem fünfminütigen Telefonat, das wir geführt hatten, hatte sie mir vier Minuten und neunundfünfzig Sekunden lang Befehle erteilt. Ich wusste, dass sie herrisch war. Doch ich hatte keine Ahnung, dass sie so hinreißend war.

»Mr. Stone«, rief sie herüber, »ich nehme an, Sie haben unseren Termin vergessen.«

Unseren Termin? Diesen Teil ihrer nicht enden wollenden Liste von Anweisungen darüber, wie ich mich als unehelicher Sohn des verstorbenen Königs von England zu verhalten hatte, musste ich verpasst haben.

»Wir haben telefoniert«, fuhr sie fort, als ich nichts erwiderte. »Na ja, ich habe gesprochen, und Sie haben einfach aufgelegt.« Bei der Erinnerung an unser erstes Gespräch rümpfte sie genervt die Nase.

Trotzdem konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Wenn ich gewusst hätte, wie du aussiehst, Süße, wäre ich ein Gentleman gewesen.«

Wilkes schien sich das überhaupt nicht vorstellen zu können, denn er stieß ein bellendes Lachen aus. Sie drehte den Kopf und starrte ihn an.

»Ignorier ihn«, riet ich ihr. »So wie ich.«

»Und deswegen war deine Rundenzeit drei Sekunden schlechter. Drei!« Er hielt drei Finger in die Höhe, als ob die visuelle Stütze meinem Verständnis helfen würde. Empört schüttelte er den Kopf und drehte sich wieder zu ihr. Aber dieses Mal schien er ihr nicht mehr den Kopf abreißen zu wollen. Verdammt, er hörte sich fast schüchtern an: »Miss Bishop, betreten Sie niemals eine Rennstrecke, auf der sich ein Auto befindet.«

Sie schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln, das nicht zu ihrer restlichen Ausstrahlung passte. »Verstanden. Danke, Richard. Und nennen Sie mich Lola.«

Ich verschluckte mich fast, als sie seinen Vornamen sagte. Seit Jahren hatte Wilkes niemand mehr Richard genannt. Vermutlich hatte nicht mal seine eigene Mutter seinen Vornamen benutzt. Aber noch überraschender war die schüchterne Art, mit der mein Grizzlybär von einem Teamchef den Kopf hängen ließ und zurückgrinste.

»Ist schon gut. Ich möchte nur nicht, dass Sie sich verletzen.« Dann blickte er mich über seine Schulter hinweg an, und seine Miene verfinsterte sich. »Wir müssen die Messwerte durchgehen. Wenn du die zusätzliche Zeit nicht einsparst, wirst du Sponsoren verlieren.«

»Verdammt! Denkst du, das weiß ich nicht?«, fragte ich zähneknirschend. Das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war, dass Miss Bishop von meinen Problemen am Steuer erfuhr. Ich war ziemlich sicher, dass sie diese Information direkt an meine Familie weiterleiten würde. Das Einzige, was noch schlimmer war, als von meinem älteren Halbbruder eine – wie sich herausgestellt hatte, scharfe – Aufpasserin vor die Nase gesetzt zu bekommen, war, mir von ihm eine Standpauke anhören zu müssen. Obwohl ich Alexander kaum kannte, hatte ihn das bisher nicht davon abgehalten, sich bei jeder Gelegenheit im Namen meiner neuen Familie in meine Angelegenheiten einzumischen.

Ich drängte mich an Wilkes vorbei und ging auf den Motorclub zu.

Lola holte mich ein, bevor ich den Umkleideraum erreichte. »Hören Sie, ich bin nicht den ganzen Weg von London hierhergekommen, um mich jetzt von Ihnen ignorieren zu lassen.«

»Süße.« Ich drehte mich zu ihr um.

Sie kniff die Augen zusammen, die nur einen Hauch von Blau durch ihre dichten schwarzen Wimpern erkennen ließen. »Nennen Sie mich nicht Süße.«

»Okay, Boss. Ich habe dich nicht darum gebeten herzukommen. Wenn es dir nichts ausmacht, ich muss jetzt duschen.« Ohne mich zu verabschieden, schob ich mich durch die Tür und ging hinein.

Hinter mir flog die Tür auf, und sie betrat den Raum. Es würde nicht leicht werden, Lola Bishop loszuwerden. »Tatsächlich macht es mir aber etwas aus. Sie scheinen dem Irrglauben zu unterliegen, dass ich mich freue, hier zu sein, Mr. Stone.«

»Anders«, korrigierte ich sie. »Und nein, da ist kein Irrglaube im Spiel. Es ist ziemlich eindeutig, dass du genauso unzufrieden mit dieser Situation bist wie ich.«

»Nun, Anderson.« Sie zog meinen Namen in die Länge und klimperte mit den Wimpern. Mir war klar, dass ich ihrer Unschuldsmiene nicht trauen konnte. »Ich bin nur hier, um dafür zu sorgen, dass du keinen Ärger machst. Wenn du das schaffst, dann ist alles gut.«

Ihre Worte waren so kühl wie ihr Auftreten. Was brauchte es, um die Eiskönigin zum Schmelzen zu bringen? »Ist es, weil ich bei unserem Telefonat einfach aufgelegt habe, Lola?«, fragte ich. »Wenn ich gewusst hätte, dass du dir direkt ins Höschen machst, hätte ich das nicht getan.«

»Ich kann dir versichern, dass ich mir weder jetzt noch irgendwann schon mal ins Höschen gemacht habe.«

»Tatsächlich?«, schnaubte ich und sah ihr in die Augen. »Erzähl mir mehr über den Zustand deines Höschens.«

»Ich bin nicht hier, um Spielchen zu spielen«, sagte sie kalt, doch sie errötete. Das erste und einzige Anzeichen dafür, dass ich sie verunsichert hatte. »Ich möchte bloß reden.«

»Und ich möchte bloß duschen.«

Sie neigte ihr Kinn, und ihre blauen Augen funkelten kämpferisch, während sie die Situation abschätzte. Dann zuckte sie mit einer ihrer zierlichen Schultern. »Was hält dich auf?«

Das war eine Kampfansage. Ich fuhr bereits lang genug Rennen, um die Signale deuten zu können. So wollte die prüde, ordentliche Miss Bishop die Sache also angehen? Ich war dabei! Also öffnete ich den Reißverschluss meines Rennanzugs und streifte ihn mir von den Schultern. Er fiel mir bis zur Taille und enthüllte meinen nackten Oberkörper. Heute war es heiß gewesen, und unter dem Anzug trug ich nichts als eine Schweißschicht. Ihr Blick hob sich zur Decke, während sie so tat, als bemerkte sie es gar nicht.

»Wie ich schon sagte«, fuhr sie mit leicht angespannter Stimme fort, »wenn du mit mir kooperieren würdest, könnten wir die Sache hinter uns bringen.«

Ich entledigte mich meiner Schuhe, bevor ich den Anzug ganz auszog. Lolas Blick huschte nach unten, und sie machte große Augen, als sie meine Boxershorts sah. Sie schluckte und schaute wieder auf.

»Ich kooperiere. Du wolltest, dass ich zuhöre.« Ich schob mich an ihr vorbei, um die Tür meines Spinds zu öffnen. Die Berührung ließ sie leicht zusammenzucken. »Schieß los.«

»Anderson …«

»Anders«, korrigierte ich sie erneut.

»Anders«, murmelte sie mit verkrampftem Kiefer. »Können wir deine kleine Show hinter uns bringen, damit wir uns an die Arbeit machen können? Am Wochenende muss ich wieder in London sein.«

»Selbstverständlich.«

Lola dachte, sie hätte mir eine Anweisung erteilt, doch ich sah es mehr als Einladung. Mit einer raschen Bewegung entledigte ich mich meiner Boxershorts und warf sie in den Spind. Als sie an Lolas abgewandten Augen vorbeisegelte, erschrak sie und senkte den Blick. Aber beim Anblick der Größe ihres Auftrags blieb ihr der Mund offen stehen. Ihre Zunge fuhr über ihre Unterlippe, doch sie sagte kein Wort. Ich hatte es geschafft, ihr die Sprache zu verschlagen. Einen Moment wartete ich und genoss den Schub für mein Ego, ehe ich fortfuhr: »Wo waren wir stehen geblieben?«

2

LOLA

Anderson Stone war nackt.

Mein Gehirn weigerte sich, mehr zu verarbeiten als diese simple Tatsache. Obwohl ich mir irgendwo im Hinterkopf darüber im Klaren war, dass ich aufhören sollte zu starren, konnte ich es nicht, egal wie sehr ich es auch versuchte.

Denn es hatte sich herausgestellt, dass Anders jedes Recht hatte, so arrogant zu sein.

»Tut mir leid«, sagte er mit einem Grinsen, das vermuten ließ, dass dem keineswegs so war. »Ist dir das unangenehm?«

Es war eine Kampfansage, wie sie im Buche stand. Ich richtete mich auf, hob den Kopf und funkelte ihn an. »Nein. Warum sollte das eine Rolle spielen?«

Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte angesichts meiner kleinen Stichelei, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Lass uns eines klarstellen: Es ist mein Halbbruder, der sich Sorgen um mein Image macht, nicht ich. Ich habe alles unter Kontrolle.«

»Wirklich?« Ich zog die Augenbrauen hoch und begann an meinen Fingern aufzuzählen. »Seit du herausgefunden hast, wer dein Vater wirklich ist, hast du dein Auto bei einem Rennen zu Schrott gefahren, bist in einer Bar in eine Schlägerei mit deinem Halbbruder geraten und warst mit einem Foto, auf dem du aussahst, als wärst du gerade erst aus dem Bett gefallen, auf den Titelseiten aller Klatschblätter der Welt.«

»Aus dem Bett, hm?«, wiederholte er und überging dabei meine Argumentation absichtlich. »Ist es das, was du dir vorgestellt hast? Mich aus dem Bett fallen zu sehen?«

»Das war kein Kompliment«, sagte ich knapp und befahl mir, nicht an die Bilder zu denken, mit denen er mein Kopfkino anregte. Anders hatte mich vielleicht zum Erröten gebracht und mich beim Starren erwischt, aber ich würde sein Ego auf keinen Fall weiter aufpolieren. »Und so wie es hier aussieht, leiden auch deine Rundenzeiten. Wir beide haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was ›alles unter Kontrolle‹ bedeutet.«

Das Grinsen schwand von seinen Lippen, und er stolzierte davon. Ich folgte ihm und scheiterte kläglich bei dem Versuch, ihn nicht weiter anzusehen. Seine breiten Schultern mündeten in einen schlanken, muskulösen Rücken, der wiederum in einen strammen Hintern überging. Gott hatte offensichtlich Sinn für Humor, denn Anders war ebenso umwerfend wie nervtötend.

Reiß dich zusammen, befahl ich mir im Stillen. Das war lächerlich. Er war nicht der erste nackte Mann, den ich je gesehen hatte, also warum benahm ich mich wie ein junges Mädchen? »Wie ich schon sagte«, fuhr ich laut fort, »die Familie denkt, dass ich dir helfen kann, mit der Presse klarzukommen und dich darauf vorzubereiten, …«

»Ich pfeife auf die Presse«, unterbrach er mich.

»Auf etwas zu pfeifen, ist keine Strategie«, sagte ich knapp. »Du brauchst eine Strategie, oder sie werden dich in der Luft zerreißen.«

»Wieso?« Er drehte sich zu mir um und kam mit seinem Körper viel zu nah an meinen heran. Meine Brustwarzen wurden empfindlich und hart, wie Perlen, die gegen den Spitzenstoff meines BHs drückten. In meiner Mitte breitete sich Hitze aus, Neugier mischte sich mit meinem Unmut. Ich wusste schon jetzt, dass ich ihn hasste, aber mein Körper hatte davon noch nichts mitbekommen. Der schien sich viel mehr für diesen Arsch zu interessieren als ich.

Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass Anders auf eine Antwort wartete. Allerdings würde ihm garantiert keiner der Gründe gefallen, die ich ihm nennen konnte, aber ich bot ihm trotzdem einen an: »Weil ich Alexander kenne, und je mehr Ärger du machst, desto mehr Sicherheitsleute wird er schicken, um dich zu überwachen. Du denkst, die paar Bodyguards, die hier rumhängen, sind schlimm? Du denkst, ich bin schlimm? Stell dir doppelt so viele Wachleute vor. Stell dir vor, er ruft dich jeden Tag an, um dich zu maßregeln. Stell dir vor, er zwingt dich, wieder nach London zu ziehen, wo er dich persönlich im Auge behalten kann.«

Doch Anders blieb unbeeindruckt. »Das würde er nicht.«

»Bist du dir da sicher?«

»Glaub mir. Er schert sich einen Dreck um mich. Er möchte bloß seine Familie aus den Klatschblättern heraushalten.«

»Nur zur Info«, sagte ich mit einem säuerlichen Unterton. »Du bist Teil seiner Familie, das heißt, dass dieses Argument auch für dich gilt.«

»Die Mitglieder der Familie, die ihm wichtig sind«, stellte er mit kalter Stimme klar.

Das war es also, was ihn so verärgerte. »Suhl dich gern weiter in deinem Selbstmitleid, aber ich bin nicht den ganzen Weg hierhergekommen, um dein gekränktes Ego wieder aufzubauen.«

»Ach nein, Boss? Warum denn dann?«, entgegnete er und lehnte sich zu mir. Ich war nicht sicher, ob er mich einschüchtern oder verführen wollte.

Um den nötigen Abstand zwischen ihn und mich zu bringen, wollte ich einen Schritt zurückgehen, aber mein ganzer Körper sträubte sich gegen diesen vernünftigen Plan. Ich spürte seine Nähe, die mir dort Gänsehaut verursachte, wo wir uns beinahe streiften. Nur eine Bewegung von einem von uns, und wir würden uns berühren. Ich war so kurz davor, in seinen Armen zu liegen, dass ich sie fast schon um mich spürte. Je mehr ich versuchte, meiner Fantasie zu widerstehen, desto mehr ergriff sie Besitz von mir.

Er wollte mich mit dem Rücken zur Wand stellen. Zumindest metaphorisch. Ich war mir nicht sicher, was passieren würde, wenn er das tatsächlich täte. Ich hasste es, dass ein Teil von mir es herausfinden wollte.

»Ich bin gekommen, weil man mich darum gebeten hat«, sagte ich sanft. »Meine Familie brauchte meine Hilfe.«

»Und tust du immer das, was deine Familie von dir verlangt?«, drängte er.

»Nein.«

Meine Antwort verblüffte ihn, und er blinzelte. »Nein?«

»Nein«, wiederholte ich. »Aber wenn meine Familie meine Hilfe braucht, dann versuche ich auch zu helfen.«

»Ich schätze, du bist ein besserer Mensch als ich.«

Ich atmete tief ein und entschied mich, zu ignorieren, wie nah er mir weiterhin war. »Ich habe mehr Übung.«

»Während ich mein Leben beim Autofahren vergeudet habe?«, riet er. Eine einzelne Falte tauchte auf seiner Stirn auf. Ob er wusste, dass ich hinter seinem Macho-Gehabe erkannte, dass er eigentlich bloß ein Mann war, voller Wut, der hatte feststellen müssen, dass sein ganzes Leben eine einzige Lüge war?

Ich konnte ihm nicht verübeln, dass er verärgert war, doch ich konnte ihm durchaus ankreiden, wie er mit diesen Gefühlen umging. Aber Anders wegen seiner Wut zur Rede zu stellen, würde mich nicht weit bringen, und es würde mir mit Sicherheit nicht dabei helfen, ihn dazu zu bringen, mit mir zusammenzuarbeiten.

»Versuchen wir das Ganze noch einmal«, murmelte er und starrte mich mit Augen an, die die Farbe einer stürmischen See hatten. »Wieso bist du hier?«

Ich hielt seinem Blick stand, damit er mir nicht vorwerfen konnte, ich würde lügen, denn ich meinte jedes Wort ehrlich, das ich nun sagte: »Ich bin gekommen, um dir zu helfen.«

»Warum?«

Ich vergaß, dass er nackt vor mir stand. Ich vergaß, dass unsere Körper sich beinahe berührten. Ich vergaß, dass ich bei einer weiteren Vorwärtsbewegung in seine Arme fallen würde. Es spielte keine Rolle, dass meine Hormone Purzelbäume schlugen oder dass jeder Instinkt mich anwies, von Anders wegzukommen, ehe er sein Leben vor die Wand fuhr. Das alles war unwichtig, denn tief im Inneren wusste ich genau, warum ich hier war.

»Weil ich es weiß«, murmelte ich.

Er legte den Kopf schief, und eine helle Haarsträhne fiel ihm in die Stirn. »Was weißt du, Boss?«

»Ich weiß, wie es ist, die Reserve zu sein.« Bei dem Wort verzogen sich meine Lippen und verrieten, wie sehr ich es hasste. »Ich weiß, wie es ist, immer in jemandes Schatten zu stehen. Ich weiß, wie es ist, wenn man die gleichen Erwartungen erfüllen muss und trotzdem keinen Respekt bekommt.«

»Ach ja?«, sagte er trocken. »Also für mich ist das neu.«

»Meine Schwester war nicht immer die Königin«, erinnerte ich ihn. »Mein ganzes Leben veränderte sich, als sie sich in deinen Halbbruder verliebt hat. Nicht wegen etwas, das ich getan habe, sondern wegen alldem, was ich nicht war. Glaub mir, ich verstehe dich besser, als du denkst.«

Er hielt inne, als müsse er meine Antwort erst verdauen. Einen Moment später trat er einen Schritt zurück und ging wortlos Richtung Dusche. Doch bevor er sie einschaltete, blickte er sich um: »Ich bin nicht neidisch.«

»Ich auch nicht.« Angesichts seiner Interpretation meiner Worte runzelte ich die Stirn. Das war überhaupt nicht das, was ich sagen wollte. Ich beneidete meine Schwester weder um ihren Titel noch um ihr verrücktes Leben. Ich vermisste es bloß, ein normales Leben zu haben, das mir selbst gehörte. Das wollte ich ihm gerade sagen, als er auch schon eine neue Provokation bereithielt.

»Hör zu, Boss, wenn du ein Krönchen willst, kaufe ich dir eins, aber du kannst dich nicht ändern, indem du mich änderst.«

Seit ich ihm begegnet war, hatte ich meine Wut heruntergeschluckt. Doch jetzt kochte sie vollends über. Die Worte tummelten sich auf meiner Zunge, jede spitze Bemerkung wetteiferte darum, der erste Pfeil zu sein, den ich in seine Richtung schleuderte. Aber ehe ich dazu kam, drehte er den Wasserhahn auf. Es spritzte aus dem Duschkopf und erfüllte den leeren Raum um uns herum mit dem Geräusch von rauschendem Wasser. Anders stellte sich darunter und neigte den Kopf, um sich die Haare zu waschen. Das Wasser floss in Rinnsalen über seine gebräunte Haut in Richtung seiner Leistengegend.

Anschließend richtete er sich auf und brauste den Rest seines Körpers ab. Anders schloss eine Hand um seinen Schaft und begann sich mit anzüglichen Bewegungen zu waschen. Ich wandte meinen Blick von seinem schlecht getarnten Provokationsversuch ab.

»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, rief er über das Geräusch des Wassers hinweg.

»Und die wäre?« Ich weigerte mich, ihn anzuschauen, denn ich würde ihn keinesfalls ermutigen, weiterzusticheln.

»Du könntest mitmachen«, bot er an. Ich drehte mich um und starrte ihn an. Das konnte er doch nicht ernst meinen! Er grinste selbstgefällig, sein Blick wirkte entschlossen. »Du weißt, was du brauchst, oder?«

»Das kann ja was werden«, murmelte ich. Erst flirtete er mit mir, und jetzt würde er meine Probleme lösen? Anders war nicht nur scharf, sondern auch ein Mistkerl.

»Mal so richtig durchgefickt zu werden.« Er streichelte sich, um seinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen.

Ich blinzelte, unsicher, was schockierender war: die anzügliche Art und Weise, wie er sich immer noch selbst berührte, oder die Tatsache, dass er das tatsächlich gesagt hatte.

»Ich könnte dieses ganze wohlerzogene, pflichtbewusste Getue aus dir herausvögeln. Was sagst du dazu, Boss?«

Ich schluckte die lodernde Wut herunter, die in mir aufstieg, und sah ihn voller Verachtung an. Dann richtete ich meinen Blick direkt auf die Hand, die seinen Schwanz massierte, und schnitt eine Grimasse. »Nein, danke. Ich habe Besseres zu tun.«

Das Thema war für mich erledigt, und ich wollte nicht länger darüber diskutieren. Denn wenn er noch etwas darauf sagte, würde mir das bloß wehtun, also drehte ich mich um und ging aus dem Duschraum. Anders wollte Spielchen spielen. Er dachte, er könnte mich so lange fertigmachen, bis ich endlich aufgab und ihn in Ruhe ließ. Aber da kannte er mich schlecht. So einfach gab ich nicht auf, besonders wenn es darum ging, einen Mann wie ihn auf seinen rechtmäßigen Platz zu verweisen: unter meine Fuchtel.

Ich ging geradewegs zu seinem Spind. Er war so damit beschäftigt gewesen, eine Show abzuziehen, dass ihm gar nicht aufgefallen war, wie angreifbar er sich gemacht hatte. Ich fand seine Schlüssel zusammen mit seiner Geldbörse in seiner Hosentasche. Er hatte seine Karten ausgespielt. Jetzt war ich am Zug.

Anders wollte nicht kooperieren? Ich war nicht auf seine Mitarbeit angewiesen.

Ich schob mich durch die Tür des Umkleideraums und ging direkt auf den Ausgang zu.

Der Rolls-Royce, der mich nach Northamptonshire gefahren hatte, wartete an der Bordsteinkante. Die Fahrertür öffnete sich, als der Chauffeur mich sah, und er sprang heraus, um mir die hintere Tür aufzumachen.

»Miss Bishop«, begrüßte er mich, als ich auf die gepolsterte Rückbank schlüpfte. Er setzte sich wieder auf den Fahrersitz und drehte sich zu mir um. »Soll ich Sie zu Ihrem Gästehaus bringen?«

Der Palast hatte schon vor meiner Ankunft alles für mich vorbereitet. Eine Unterkunft. Einen Fahrer. Ich war mir sogar sicher, ich hätte einen Sicherheitsbeamten entdeckt, der mich auf der Rennstrecke im Auge behielt. Der Einzige, der nicht auf meine Ankunft vorbereitet worden war, war Anders selbst. Meine Schwester Clara mochte ihn. Keine Ahnung warum. Der Typ war ein totales Arschloch.

»Ehrlich gesagt …« Ich schüttelte den Kopf, während ich Anders’ Führerschein aus seiner Brieftasche kramte. »Sie müssen mich woanders hinbringen.«

Er stellte keine Fragen, als ich die Adresse von dem Kärtchen vorlas. Der Wagen kam gerade ins Rollen, als Anders aus dem Gebäude gerannt kam, nur mit einer abgewetzten Jeans bekleidet.

»Soll ich anhalten?«, fragte der Fahrer vorsichtig.

»Nein«, sagte ich vergnügt. Er nickte und bog aus dem Gelände der Rennsportanlage auf die Straße. Ich drehte mich in meinem Sitz um und winkte, als Anders barfuß dem Auto hinterherlief. Er zeigte mir den Stinkefinger, worauf ich ihm einen Kuss zuhauchte.

Anders wollte meine Hilfe vielleicht nicht annehmen, aber ich hatte ihm gerade eine Lektion erteilt, denn Regel Nummer eins lautete:

Leg dich nicht mit deinem Boss an!

3

ANDERS

»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Wilkes, als ich wieder hineinging. Er musterte mich von oben bis unten und zog die Augenbrauen zusammen, als er sah, dass ich barfuß war.

»Nichts«, stieß ich hervor. Am liebsten hätte ich »Lola Bishop ist passiert« geschrien, aber diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben.

»Okay.« Er schien nicht überzeugt, fragte allerdings nicht weiter nach.

Ein paar Jungs aus der Crew schauten in meine Richtung. Ich starrte zurück, doch sie grinsten nur. Was ich ihnen nicht verübeln konnte. Wäre einem von ihnen das Gleiche passiert, hätte ich das mehr als lustig gefunden. Aber das war nicht der Fall. Die Hölle hatte einen wunderschönen Engel direkt auf meine Rennstrecke beordert, um mich zu quälen. Garantiert würde die Crew später im Pub Wetten darüber abschließen, wer von uns beiden diesen Kleinkrieg gewinnen würde. Im Augenblick musste ich zugeben, dass diese Runde an sie ging. Doch war ich erst mal zu Hause, würde ich meinen Gegenangriff planen. Mit einer Frau wie ihr in der Nähe gab es keine Zeit zu verlieren. Ich war schon ein paar Schritte in Richtung Umkleideraum gegangen, als mir klar wurde, dass ich ohne Schlüssel und Geldbörse geliefert war.

Ich seufzte, drehte mich um und rief: »Hey, Wilkes! Kannst du mich mitnehmen?«

»Klar«, sagte er und blieb stehen. »Brauchst du auch ein T-Shirt?«

»Gib mir zwei Minuten.« Ich ignorierte seine Frage und ging in die Umkleide. Lola hatte mir meine Klamotten gelassen. Alles bis auf meine Socken. Ich kramte eine Weile nach ihnen, bis ich schließlich aufgab. Dann zog ich mir ein sauberes T-Shirt über den Kopf und versuchte, meine Motorradstiefel anzuziehen. Ohne Socken war ich gezwungen, sie über meine nackten Füße zu stülpen. Es war ein geschickter Schachzug, das musste ich ihr lassen. Mir alle Klamotten wegzunehmen, wäre kindisch gewesen, aber meine Socken? Das war gerade lästig genug, um mich zum Brodeln zu bringen.

»Das hat ja ewig gedauert!«, brummte Wilkes, als ich endlich aus der Umkleidekabine kam. »Brauchst du immer so lange, um dich hübsch zu machen?«

»Frag deine neue beste Freundin. Vorhin hast du dich so angehört, als wolltest du ihr gleich die Haare flechten.«

»Es ist nichts falsch daran, höflich zu sein.« Er zuckte mit den Schultern, senkte aber schüchtern den Kopf.

»Bist du deswegen so schnell nach deinem Wutausbruch dazu übergegangen, ihr die Füße zu küssen?« Ich hatte meinen Teamchef noch nie so verlegen gesehen wie in ihrer Gegenwart.

Doch jetzt, da sie weg war, schien Wilkes nicht mehr so sehr von Lola eingenommen zu sein. »Sei nicht eifersüchtig, Hoheit. Soll ich dir ein bisschen in den Arsch kriechen, damit es dir besser geht?«

»Verdammt noch mal, würdest du aufhören, mich so zu nennen?« Als sie angefangen hatten, den Spitznamen zu benutzen, schien es mir eine gute Möglichkeit zu sein, meine unangenehme Lage in einen Spaß zu verwandeln. Nur konnte ich nicht ändern, wer mein Vater oder meine Familie war. So fühlte es sich nun nicht mehr wie eine gutmütige Stichelei an, sondern eher, als würde wiederholt mit einem spitzen Stock auf mich eingestochen werden. Eigentlich war es nicht der Rede wert, aber mittlerweile wünschte ich mir trotzdem, dass es aufhörte.

»Ich finde es eingängig.« Wilkes pfiff eine schiefe Melodie, als wir uns auf den Weg zu seiner G-Klasse machten. »Wo soll ich dich absetzen? Brauchst du ein Bier?«

»Sie hat meine Brieftasche mitgenommen.« Ich ließ mich auf den Beifahrersitz sinken. Was zum Teufel sollte ich bloß mit Lola machen?

»Hast du sie provoziert?«, fragte Wilkes, als er den Mercedes anließ.

»Das könnte man so sagen.« Ich hatte nicht vor, ihm zu erzählen, was ich unter der Dusche zu ihr gesagt hatte. Obwohl er gerade mal fünfzehn Jahre älter war als ich, betrachtete ich Wilkes als so etwas wie eine Vaterfigur. Ich hatte meinen Vater nie kennengelernt. Meinen echten Vater. Meine Mutter hatte mir den Nachnamen des Mannes gegeben, den sie im Golfkrieg verloren hatte, und ich trug ihn mit Stolz, obwohl mir immer bewusst gewesen war, dass die Rechnung nicht aufging. Er war schon vor meiner Zeugung gestorben, was bedeutete, dass ich der Sohn eines anderen sein musste, aber ich hatte ihren Wunsch respektiert, Todd Stone zu ehren, indem ich seinen Namen trug. In meinen Augen war er ein Held. Jeden Tag meines Lebens blickte ich zu ihm auf. Als ich schließlich erfahren hatte, wer mein Vater wirklich war, war das ein Schlag in die Magengrube. Nicht nur, weil ich ein Leben führte, das fernab der Privilegien lag, die mein Erzeuger und dessen Familie genossen, sondern auch, weil mein wahrer Vater wie Todd ebenfalls tot war. Vielleicht war das der Grund, warum ich mich in meiner Anfangszeit, als ich vom Motorrad zum Autorennsport wechselte, so sehr auf Wilkes gestützt hatte. Ihm schien es genauso zu gehen, oder vielleicht dachte er auch bloß, jemand sollte dafür sorgen, dass ich nicht auf die schiefe Bahn geriet.

Aber ich war noch nie jemand, der immer brav in der Spur blieb. Schließlich hatte ich Karriere damit gemacht, so nah an die Grenzen zu gehen wie möglich.

»Ich spendiere dir ein Bier«, sagte er mit einem Seufzen.

Ich nahm an, dass mir das eine weitere Lektion einbringen würde, doch das war mir egal. Zumindest musste ich mich so fürs Erste nicht mehr mit Lola Bishop beschäftigen.

Ein paar Stunden später hatte ich vier Bier intus. Ein Großteil der Crew hatte sich im Dark Horse versammelt, und zusammen beanspruchten wir etwa ein halbes Dutzend Tische. Die meiste Zeit über hatte ich Wilkes dabei zuhören müssen, wie er mir Ratschläge gab, was Frauen betraf. Das war witzig, denn ich konnte mich nicht erinnern, dass er jemals in festen Händen gewesen wäre. Nach einem weiteren Glas sagte ich ihm das.

»Jetzt sollte ich dich aber wirklich nach Hause bringen, Hoheit«, murmelte er.

Ich verzog das Gesicht. »Ich habe nicht mal einen Schlüssel, schon vergessen?«

»Sag mir nicht, du weißt nicht mehr, wie man durch ein Fenster klettert.« Wilkes legte wissend den Kopf schief. »Ich glaube mich zu erinnern, dich in den letzten zehn Jahren öfter hier im Pub erwischt zu haben.«

»Es war etwas einfacher, in das Haus meiner Mutter ein- und auszubrechen«, sagte ich. Er hatte recht. Doch mein eigenes Haus, die Junggesellenbude, die ich mit den Preisgeldern meiner Rennen finanziert hatte, brachte neugierige Nachbarn mit sich, die es nicht guthießen, dass ein alleinstehender Mann in einer Gegend voller Einfamilienhäuser lebte. Eine falsche Bewegung, und ich bräuchte meine Schlüssel gar nicht mehr. Dann würde ich die Nacht in Gesellschaft des örtlichen Polizeiinspektors verbringen.

»Warum sollte sie denn deine Schlüssel mitnehmen?«, fragte Wilkes. »Oder deine Brieftasche?«

»Vermutlich ist sie shoppen gegangen.« Lola wirkte auf mich wie ein eher anspruchsvoller Charakter. Im letzten Jahr hatte ich ihre Schwester recht gut kennengelernt, aber Clara war, obwohl sie die Königin war, bodenständig und freundlich. Lola benahm sich, als wäre sie diejenige, die die Krone trug.

»Na ja, manche von uns brauchen ihren Schönheitsschlaf. Ich gehe jetzt besser.«

Ich zuckte mit den Schultern. Ich konnte jederzeit auf einer Bank im Garten schlafen. Anfang Mai konnte das Wetter zwar unberechenbar sein, doch es würde mich schon nicht umbringen. Wilkes zahlte die Rechnung. Ich lehnte mich an eine Wand und schnappte Gesprächsfetzen von einem Nachbartisch auf.

»Seit dem Unfall ist er nicht mehr derselbe. Er kann nicht mehr klar denken«, hörte ich jemanden sagen.

Ich hoffte wirklich, dass sie nicht mich meinten. Ja, ich hatte zu Beginn der Saison einen schweren Unfall gehabt, aber ich saß wieder am Steuer. Meine Rundenzeit würde wieder besser werden. Das Wichtigste war, dass ich mich durch den Unfall nicht von der Rennstrecke hatte vertreiben lassen. Vielleicht glaubten sie nicht dran, doch ich würde es ihnen zeigen.

»Das ist es nicht.« Sein Freund schüttelte den Kopf. »Er ist nicht mehr derselbe, seit er es erfahren hat. Vermutlich wartet er darauf, jede Minute in den Palast einziehen zu dürfen.«

Jetzt stieg Wut in mir auf, und während ich seine Worte verdaute, schien alles um mich herum schwarz zu werden. Das war genau das, was ich befürchtet hatte. Deshalb hatte ich Alexander gesagt, dass ich nichts mehr mit ihm oder seiner Familie zu tun haben wollte. Es war naiv von mir zu glauben, dass es einfach sein würde, meine Vergangenheit zu ignorieren. Wie sollte das auch gehen, wenn sich alle mehr dafür zu interessieren schienen als ich selbst?

»Bist du bereit?«, fragte Wilkes, als er mich an der Tür abfing.

»Ja.« Ich stopfte meine Hände in die Hosentaschen und folgte ihm in den Frühlingsabend.

»Alles okay?«

»Definiere okay.« Ich zuckte die Schultern. Es war die beste Antwort, die ich ihm geben konnte. »Ich meine, mein älterer Halbbruder schickt mir eine Aufpasserin, meine Rundenzeiten sind beschissen, und offenbar warte ich nur darauf, im Buckingham Palace einzuziehen.«

Wilkes wurde langsamer und blieb dann gänzlich stehen. »Tust du das?«

»Nur laut ein paar Idioten in der Kneipe.« Ich machte mir nicht die Mühe, ihn in die Einzelheiten einzuweihen. Es gab nicht viel, was Wilkes für mich hätte tun können, wenn überhaupt. Ich konnte bloß versuchen, ihnen das Gegenteil zu beweisen.

»Deswegen haben sie sie geschickt, oder? Um dir beizubringen, wie man ein … Prinz wird?« Diesmal machte Wilkes sich nicht über mich lustig. Er war völlig ernst.

»Ein Prinz? Sie geben unehelichen Kindern keine Titel, schon vergessen?« Das sollte er wissen. Hätte Albert mich vor seinem Tod offiziell als seinen Sohn anerkannt, wäre das vielleicht eine Möglichkeit gewesen. Ich persönlich war froh, dass er es nicht getan hatte.

»Das ändert aber nichts an den Tatsachen«, sagte er mit Nachdruck. »Vielleicht kann sie dir helfen. Ich sehe die Menschenmassen, die versuchen, einen Blick zu erhaschen auf den königlichen …«

»Bastard«, warf ich ein.

»Familienzuwachs«, fügte er hinzu und ignorierte meine Unterbrechung. Ich konnte es ihm nicht verübeln.

»In London hätten die mehr Glück.« Oder wo auch immer Alexander mit seiner Familie jetzt gerade unterwegs war.

»Die Menschen wollen nicht London«, sagte Wilkes seufzend. »Sie wollen das Märchen. Du bist das Märchen.«

»Ich bin der Bastard.« Womöglich bedauerte ich mich tatsächlich selbst, aber ich hatte das alles nicht gewollt. Mein Lebensstil war mit Pflicht und Verbindlichkeit unvereinbar. »Ich meine, werden uneheliche Kinder nicht aufs Land verfrachtet, wo sie unerkannt ein zurückgezogenes Leben führen?«

Sein Lachen dröhnte durch die übergroße Fahrerkabine. »Ich denke, genau das ist hier der Fall, nur dass wir die Boulevardpresse und das Internet haben. Du hast echt Glück, dass sie so lange gebraucht haben, um es herauszufinden.«

Mit Glück hatte das nichts zu tun. Mein Vater, der nicht wollte, dass irgendjemand von meiner Existenz erfuhr, hatte mich lebendig begraben, und ich wurde wieder ausgegraben von meinem Halbbruder, der sich nun wünschte, niemals die Schaufel in die Hand genommen zu haben. »Ich weiß nicht, was sie von mir wollen«, sagte ich schließlich. »Ich bin nicht dafür gemacht, einer von ihnen zu sein, und selbst wenn ich es wäre, bin ich nicht legitimiert.«

»Ich glaube nicht, dass das noch eine Rolle spielt, aber wenn du wissen willst, was sie von dir erwarten, könntest du ja die Überbringerin der Nachricht fragen.«

Einen Moment lang starrte ich ihn verwirrt an.

»Lo-la«, sagte er mit Nachdruck.

Vielleicht war es das Bier, das meinen Verstand trübte, oder mein Unterbewusstsein, das versuchte, sie zu verdrängen, aber ich hatte fast vergessen, dass sie damit zu tun hatte. »Ich glaube, sie ist der Kern des Problems. Nicht die Lösung.«

»Wenn du das denkst, geht sie dir womöglich näher, als du dir eingestehen willst.« Er warf mir einen kurzen Blick vom Fahrersitz zu. »Gib ihr eine Chance.«

Vielleicht sollte ich auf ihn hören. Doch bei einer Sache lag er falsch. Sie hatte sich nicht dazu entschlossen, mir zu helfen. Sie wurde dazu gezwungen, das hatte sie mir unmissverständlich klargemacht. Und selbst wenn sie mir hatte helfen wollen, bezweifelte ich, dass sie das jetzt noch tun würde. Aber das war nicht das eigentliche Problem.

Das eigentliche Problem war, dass Lola Bishop eine Göttin war. Doch nicht eine von der schönen, wohlwollenden Sorte, die man anbeten wollte. Sie war eine umwerfende, aber furchterregende Göttin. Eine, die Stürme über schiffbrüchige Soldaten brachte, Menschen in Tiere verwandelte oder Rache übte. Von ihrem kalten, erhabenen Sockel aus forderte sie Respekt. Und es war offensichtlich, dass ein königlicher Bastard wie ich niemals an sie herankommen würde. Nicht wirklich.

Aber in einem hatte Wilkes recht. Sie wusste genau, was die Königsfamilie wollte. Das könnte ich aus ihr herauskitzeln, wenn ich sie nicht vorher töten – oder flachlegen – würde.

»Vielleicht tue ich das«, sagte ich widerwillig, »es sei denn, sie stiehlt weiterhin meine Sachen.«

»Denkst du wirklich, sie hat sie gestohlen?«

»Ich denke, meine leeren Hosentaschen sind der Beweis, dass sie es getan hat, Kumpel«, murmelte ich.

»Nein. Überleg doch mal: Was sollte sie mit dem Zeug wollen?«

»Mir das Leben zur Hölle zu machen? Frauen tun rätselhafte Dinge.« Ich lehnte mich gegen die Armlehne der Beifahrertür. Womöglich hatte ich heute Abend einen über den Durst getrunken. Die Antwort war nicht auf dem Boden dieser Biergläser zu finden gewesen, und nun war ich völlig durcheinander. Eine weitere schlechte Lebensentscheidung, die ich mir selbst eingebrockt hatte.

»Wenn sie das gewollt hätte, hätte sie deine Klamotten genommen«, merkte er an.

»Sie hat meine Socken geklaut!«

»Sie hat deine Socken geklaut?« Wilkes prustete los. Dieses Detail fand er wohl amüsant. »Alles, was ich sagen will, ist, dass sie deinen Schlüssel und deine Geldbörse bestimmt nicht grundlos genommen hat.«

»Und was soll der Grund sein?« Ich war zu angetrunken, um die Zusammenhänge zu erkennen, die er mir präsentierte.

»Wofür brauchst du die Sachen?«

»Um mein Motorrad zu starten? Um eine Runde zu bezahlen? Um in mein Haus zu kommen?« Sobald die Worte meinen Mund verließen, stöhnte ich auf. »Sie hat sie genommen, um in mein Haus zu kommen.«

»Ja, und du warst zu sehr mit Schmollen beschäftigt, um das zu merken.«

»Ich habe nicht geschmollt«, entgegnete ich, dachte allerdings einen Moment darüber nach. »Okay, habe ich, aber warum sollte sie in mein Haus wollen? Ich meine, sie erwartet doch nicht, dass sie bei mir wohnt, oder?«

»Das bezweifle ich«, sagte er sanft. Ich hatte meine letzte geistige Klarheit aufgebraucht, um zu diesem Schluss zu kommen. Wilkes dachte, er wüsste, was Lola vorhatte, doch ich wagte es nicht, Vermutungen anzustellen. Ich konnte nur hoffen, dass sie mein Haus nicht angezündet hatte, um mir eine Lektion zu erteilen. Aber als Wilkes den Mercedes in meine Einfahrt lenkte, stand das Haus noch. Es war ruhig. In der familienfreundlichen Nachbarschaft war man bereits im Bett. Das einzige Lebenszeichen war ein einzelnes Fenster im Obergeschoss, hinter dem Licht brannte.

Nicht irgendein Fenster im Obergeschoss, sondern mein Schlafzimmerfenster.

»Möchtest du, dass ich mit dir reinkomme?«, fragte Wilkes.

Ich schüttelte den Kopf. Was auch immer Lola dazu bewogen hatte, heute Abend hierherzukommen, es würde nicht gut ausgehen. Ich bezweifelte, dass sie hergekommen und in mein Bett geklettert war, um auf mich zu warten, aber träumen durfte man schließlich noch. »Alles gut.«

»Brauchst du Hilfe beim Einbrechen?«

»Nein.« Irgendetwas sagte mir, dass ich meine Haustür unverschlossen vorfinden würde. »Danke.«

Ich kletterte aus dem Geländewagen und schlenderte zum Haus. Als ich die Tür erreichte, schob ich meine Hand in die Hosentasche, ohne daran zu denken, dass ich keine Schlüssel vorfinden würde. Hinter mir leuchteten die Scheinwerfer von Wilkes’ Auto auf, als er aus der Auffahrt fuhr und in sein eigenes Leben zurückkehrte. Das war der Moment der Wahrheit. Konnte ich auch nur eine von Lolas Handlungen vorhersehen? Als ich meine Hand nach der Tür ausstreckte, öffnete sie sich direkt. Möglicherweise konnte ich es doch.

Ich ging durch das leere Haus und machte mir nicht die Mühe, mich im Erdgeschoss umzusehen. Im vorderen Zimmer gab es bloß eine Couch und einen Fernseher, die beide nicht angerührt worden waren. Ich hatte es nie für nötig gehalten, viele Möbel zu kaufen. Ich nahm zwei Stufen auf einmal und blieb stehen, als ich die oberste erreichte. Am Ende des Flurs, vor meiner Zimmertür, stapelten sich Müllsäcke.

»Was soll das?«, murmelte ich vor mich hin, als ich hinüberging und einen aufriss. Er war voll mit meinen Klamotten. Ich drehte mich um und entdeckte, dass der gesamte Inhalt meines Kleiderschranks in Stapeln auf dem Boden meines Schlafzimmers verteilt war. Auch auf meinem Bett waren Klamotten angehäuft. Überall.

War sie etwa gekommen, um mir ein Umstyling zu verpassen?!

Das ging zu weit. Vielleicht sah ich nicht aus wie ein Prinz, aber ich hatte nicht vor, mich zu ändern, um ihr – oder irgendeinem von ihnen – zu gefallen. Ich bückte mich und hob einen Müllsack auf. Alles würde wieder an seinen Platz wandern, und Lola würde etwas zu hören bekommen, wenn ich sie das nächste Mal sah. Ich hievte den Sack höher, um Platz für einen weiteren zu machen. Heute Nacht würde ich schlafen, und anschließend würde ich dieses Durcheinander aufräumen. Ich ging ins Schlafzimmer und stellte die Sachen auf dem Boden neben dem begehbaren Kleiderschrank ab. Dann zog ich meine Stiefel aus, während ich mich abwechselnd über Lolas Dreistigkeit aufregte und mir alle möglichen Wege ausdachte, wie ich sie quälen könnte. Ich schob einen Finger unter den Kragen meines T-Shirts, zog es mir über den Kopf und warf es in die Ecke. Meine Jeans folgte. Das würde sie vermutlich verrückt machen. Sie hatte sich die Mühe gemacht, mein Leben in ordentliche Stapel zu sortieren. Vielleicht war das das Problem der Eiskönigin. Sie war es gewohnt, die Kontrolle zu haben. Sie brauchte mal jemand anderen, der die Kontrolle übernahm.

Das war ein Dienst, den ich ihr nur zu gern erweisen würde. Gleich nachdem ich ihr ordentlich den Hintern versohlt hatte. Mein Schwanz zuckte bei dem Gedanken an ihren Po. Als ich genauer darüber nachdachte, wurde mir klar, dass die Erfüllung meiner Fantasien bloß noch mehr Ärger verursachen würde. Schließlich hatte ich schon viele Freunde gesehen, die einer magischen Vagina zum Opfer gefallen waren. Ich wollte nicht den gleichen Fehler begehen.

Nachdem ich das Licht ausgeschaltet hatte, schlurfte ich zum Bett, kletterte hinein und wollte gerade die Klamotten beiseiteschieben, die sie auf der anderen Seite liegen gelassen hatte, als ich merkte, dass es nicht meine Sachen waren, die sich dort stapelten. Lola Bishop hatte ihren rechtmäßigen Platz eingenommen: Sie lag in meinem Bett.

4

LOLA

Anders begegnete mir in meinem Träumen. Wie sich herausstellte, machte es mir dort nichts aus, dass er mir mit seiner Überheblichkeit den letzten Nerv raubte. Ein Traum ging in den nächsten über, und in allen spielte er die Hauptrolle. Einmal stieg er aus seinem Auto, beugte meinen Oberkörper über die Motorhaube und nahm mich an der Rennstrecke. Dann standen wir unter der Dusche. Doch er machte keine anzüglichen Bemerkungen oder anstößigen Gesten. Er hob mich einfach hoch, drückte mich gegen die Wand und ließ Taten sprechen. Im nächsten holte er mich ein, nachdem ich seine Schlüssel gestohlen hatte, ohne Hemd und barfuß, und beschloss, mich dafür zu bestrafen. Er zog meine Jeans herunter und strich in kreisenden Bewegungen über meinen Hintern. Anders hob die Hand, und ich versteifte mich, während ich darauf wartete, dass er mich versohlen würde. Stattdessen wurde es um mich herum heller. Nein! Nein! Nein! Ich drehte mich um und vergrub mein Gesicht im Kissen, nicht bereit, aus dem Traum aufzuwachen. Ich presste meine Oberschenkel zusammen und bemühte mich, nicht wach zu werden. Der Traum entglitt mir, aber ich klammerte mich an ihn, bis Anders’ Handfläche auf meinen nackten Körper klatschte. Er murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte, während er über meine schmerzende Haut strich. Ich schob meine Hüften in seine Richtung und wartete auf die nächste Runde.

Stattdessen stieß ich auf etwas Hartes. Etwas sehr Hartes. Ich genoss zwar die Bestrafung, doch diese Einladung konnte ich nicht ablehnen. Nicht, wenn ich ihn durch meine Jeans hindurch spürte. Wie war die nur wieder hinaufgezogen worden? Warum veränderte sich der Traum immer dann, wenn es gerade am schönsten war? Ich drückte mich bestärkend an seinen Schoß. Ein starker Arm umschlang meine Taille und zog mich näher heran.

Ich presste mich so fest an ihn, wie ich konnte. Eine Hand glitt zwischen meine Beine und begann, über dem Stoff meiner Hose das empfindliche Bündel von Nerven zu streicheln. Ich stöhnte seinen Namen, und er rieb stärker, brachte mich immer näher heran.

»Bitte«, wimmerte ich, drückte meine Hand auf seine und drängte ihn, fester und schneller zu kreisen. Aber es reichte nicht. Ich tastete nach dem Knopf meiner Jeans, öffnete ihn und schob meine Hand in meinen Slip, der von all den schmutzigen Fantasien, die mich im Schlaf überkommen hatten, ganz feucht war. Ich ließ einen Finger zu meiner Klitoris gleiten und begann, sie unter dem Druck von Anders’ Hand zu massieren.

»Fuck.« Ich biss mir auf die Unterlippe, als ich mich verkrampfte. »Hör nicht auf.«

Er passte sich meinem Tempo an, seine Handfläche drückte gegen die Hand in meiner Hose. Es war der heißeste Traum von allen, und ich gab mich ihm hin.

»Oh Gott, Anders!« Ich war so nah. »Bitte hör nicht auf.«

Anders gehorchte und übernahm ganz und gar die Kontrolle. Er bewegte seine Hand über meiner, bis ich zerbarst. Doch das hungrige Verlangen in meinem Inneren blieb. Zweifellos ein Vorbote des Traums, der mich als Nächstes erwarten würde. Ich drehte mich um, legte einen Arm um seinen Hals und zog seinen Mund zu meinem. Er zögerte nicht und erwiderte den Kuss. Ein paar Augenblicke später drehte er mich auf den Rücken und presste seine Erektion gegen meine immer noch pochende Klitoris. Aber ich wollte mehr als das. Mehr als seine Hände oder seine Lippen. Ich ließ meine Handfläche über seinen Rücken gleiten und griff mit der anderen nach seinem …

Er löste sich aus dem Kuss und stützte sich auf seine Ellbogen. Frustriert stöhnte ich auf und bemühte mich, den Traum unter Kontrolle zu bringen, bevor er in eine andere Fantasie überging.

»Vorsicht, Boss«, murmelte Anders träge. »Du bringst mich noch auf Ideen.«

Ich riss die Augen auf und blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht an, das das Zimmer durchströmte. Zwei Dinge fielen mir sofort auf. Erstens: Ich lag mit Anderson Stone im Bett. Und zweitens: Das war kein Traum.

Oh mein Gott, hatte ich etwa im Schlaf Sex gehabt? Gab es so etwas?

Ein Schmunzeln spielte um seine Lippen, als er auf mich hinunterstarrte und dabei selbst so aussah, als ob er noch im Halbschlaf wäre.

Einen einzigen verrückten Moment lang überlegte ich, ob ich einfach so tun sollte, als ob ich noch schlief, und es einfach durchziehen sollte. Das hungrige Pochen zwischen meinen Beinen verriet mir, dass mein kürzlicher Orgasmus ebenso real war wie die anhaltende Erregung, die ich verspürte.

Aber ich war nicht bereit, mich meiner Schwäche für ihn hinzugeben. Ich stieß ihn weg und krabbelte aus dem Bett. Dabei stolperte ich fast über einen Stapel seiner Klamotten. Während ich meine Jeans wieder zuknöpfte, suchte ich nach einem Ausweg aus diesem Debakel.

Anders setzte sich auf, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und beobachtete mich mit einem Lächeln, das von Sekunde zu Sekunde breiter wurde. Er streckte seine Zehen, dann seine Beine und stellte seine beeindruckenden Muskeln zur Schau. Doch es waren nicht seine Beine, die meine Aufmerksamkeit erregten. Es war das, was seine Boxershorts wie ein aufgeschlagenes Zelt aussehen ließ. Ich schloss die Augen und hoffte, dass er mich nicht beim Starren erwischt hatte, ehe ich mich von der Versuchung abwandte.

»Was machst du da?«, fragte ich fordernd. »Du kannst nicht … einfach …«

»Einfach was?«, wiederholte er langsam. »Du hast meinen Namen gesagt. Na ja, eigentlich hast du ihn eher gestöhnt. Ich habe bloß geantwortet.«

»Habe ich nicht!« Und ob ich das hatte. Aber das konnte ich unmöglich zugeben. Ich suchte im Zimmer nach den Pumps, die ich am Vorabend irgendwo hingeworfen hatte.

»Anders! Bitte hör nicht auf!«, äffte er mich mit hoher Stimme nach.

»Du bist …« Was? Denk dir irgendetwas aus, Lola. »Du denkst, ich wäre einfach in dein Bett gekrochen und eingeschlafen, während ich auf dich gewartet habe.«

Anders sprang aus dem Bett und stürmte auf mich zu. »Genau das hast du gemacht!«

Er hatte nicht unrecht, aber das wollte ich um keinen Preis zugeben.

»Stimmt«, sagte ich mit eiskalter Stimme. »Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, nachdem ich dich gestern sitzen gelassen habe, dass ich genau das getan habe, nachdem ich deinen Kleiderschrank ausgemistet habe. Sei nicht so dumm.«

»Ich habe nie gesagt, dass es Sinn ergibt!«

Er ging ans andere Ende des Raumes und erlaubte mir so, einen Blick auf seinen irritierend perfekten Körper zu werfen. Warum waren die gut aussehenden Männer immer so arrogante Arschlöcher?

»Ich meine, ich habe geschlafen«, fuhr ich fort und versuchte, ein überzeugendes Argument unter meinen Ausreden zu finden.

»Und du hast meinen Namen gesagt«, erinnerte er mich. »Mehrfach.«

»Also, warte, warst du wach, als du mit mir im Bett gelegen hast?« fragte ich. »Wieso warst du überhaupt in dem Bett?«