Ganzheitliche Hilfe bei Ängsten, Depressionen, Demenz - Brant Cortright - E-Book

Ganzheitliche Hilfe bei Ängsten, Depressionen, Demenz E-Book

Brant Cortright

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Beschreibung

Holistic Healing vereint die neuesten Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften, der Ernährung und der Psychologie, um die komplexen Ursachen für die erschreckende Zunahme von Ängsten, Depressionen und Demenz aufzudecken. Dabei wird deutlich, dass echte Heilung einen ganzheitlichen Ansatz erfordert, der das ganze Gehirn umfasst. Das Ziel ist es, das geschwächte Gehirn und Selbst zu stärken und in einen optimalen Zustand zu bringen. Gewinnt das Gehirn an Stärke und Stabilität, wird auch das Selbst stärker und stabiler. Und wenn das Selbst seine Balance findet, profitiert davon wiederum das Gehirn. Der renommierte Psychologe und Fachmann für Gehirngesundheit Brant Cortright erklärt ebenso verständlich wie eindringlich die Zusammenhänge zwischen einem gesunden Gehirn und einer gesunden Lebensweise. Und er zeigt, wie wir den Ursachen für eine schleichende Schwächung des Gehirns – physische Neurotoxine wie Pestizide auf den Äckern und Chemikalien in der Kleidung, psychische Neurotoxine durch negative Nachrichten und Co., physische Ernährungsmängel durch Fast Food und viel zu viel Zucker sowie soziale Vereinsamung – entgegenwirken können.

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Brant Cortright

Ganzheitliche Hilfe bei

ÄNGSTEN DEPRESSIONEN DEMENZ

Aus dem amerikanischen Englischvon Ulla Rahn-Huber

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Holistic Healing for Anxiety, Depression & Cognitive Decline« bei Psyche Media, Fairfax, USA.

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WICHTIGER HINWEIS

Die Informationen und Ratschläge in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt von Autor und Verlag erarbeitet und geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat. Alle Leserinnen und Leser sind daher aufgefordert, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit sie die Anregungen in diesem Buch umsetzen wollen. Eine Haftung des Autors und des Verlags für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Liebe Leserin, lieber Leser, um den Lesefluss nicht zu stören, wurde in diesem Buch immer die männliche Form »Arzt«, »Therapeut«, »Coach« usw. gewählt. Selbstverständlich sind darunter alle Personen, ob männlich, weiblich oder divers, gemeint.

1. eBook-Ausgabe 2023

Copyright ©Brant Cortright, Ph. D.

© der deutschsprachigen Ausgabe 2023

Scorpio in der Europa Verlage GmbH, München

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

Lektorat: Anna Freytag

Layout & Satz: Margarita Maiseyeva

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-422-8

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

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INHALT

KAPITEL 1:Das Problem: Warum es in den letzten 50 Jahren zu einem sprunghaften Anstieg von psychischen Erkrankungen gekommen ist

KAPITEL 2:Die Lösung: Das Gehirn und das Selbst heilen und stärken

KAPITEL 3:Ängste ganzheitlich heilen

KAPITEL 4:Ganzheitliches Heilen bei Depressionen

KAPITEL 5:Kognitiven Abbau ganzheitlich heilen

KAPITEL 6:Ein gehirnfreundlicher Lebensstil

ANHANG A:Die gehirnfreundliche Ernährung im Überblick

ANHANG B:Meditationsübungen

ANHANG C:Die körperliche Seite von Ängsten

ANHANG D:Die körperliche Seite von Depressionen

ANHANG E:Die körperliche Seite des kognitiven Abbaus

QUELLEN

DANK

KAPITEL 1

DAS PROBLEM: Warum es in den letzten 50 Jahren zu einem sprunghaften Anstieg von psychischen Erkrankungen gekommen ist

Wenn Sie sich schlecht fühlen, sind Sie nicht allein.

Die Zahl derer, die an psychischen Problemen leiden, ist in den letzten fünf Jahrzehnten geradezu explodiert. Depressionen und Angststörungen im Kindesalter kommen heute fünf bis acht Mal häufiger vor als in den 1950er- und 1960er-Jahren.

Das liegt nicht etwa an besseren Diagnosemöglichkeiten – schon damals wurden die gleichen standardisierten Tests verwendet. Außerdem beobachten wir heute eine extreme Häufung der Fälle von Autismus, des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADS oder ADD, von Engl. Attention Deficit Order), des Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätssyndroms (ADHS oder ADHD, von Engl. Attention Deficit Hyperactive Disorder), von Essstörungen sowie anderen damals praktisch unbekannten psychischen Beschwerdebildern.[1, 2]

Bei Erwachsenen zeigt sich ein ähnliches Bild. Einer von acht erwachsenen Amerikanern nimmt derzeit ein Antidepressivum ein, ein Viertel seit mindestens zehn Jahren. Eine von vier amerikanischen Frauen im Alter von 25 bis 45 Jahren schluckt regelmäßig Antidepressiva. 2011 berichtete die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention, dass der Gebrauch von Antidepressiva in den Vereinigten Staaten zwischen 1988 und 2008 um 400 Prozent gestiegen sei. Der Anteil von Depressiven an der Gesamtbevölkerung wurde damals noch auf 50 bis 100 Personen pro einer Million Einwohner geschätzt. Die aktuellen Schätzungen übertreffen diese Zahl um das Tausendfache.[3]

Jedes der Kapitel dieses Buchs könnte einen eigenen Band füllen (und für jeden Satz eine Quelle zitiert werden), doch ich werde mein Möglichstes tun, ein Maximum an Informationen in ein lesbares Format zu bringen. Dies ist angesichts der Fülle an verfügbaren Daten und Erkenntnissen keine leichte Aufgabe. 2016 führte die American College Health Association (der US-amerikanische Studierenden-Gesundheitsverband) eine Studie an 100.000 Studierenden von 53 US-amerikanischen Universitäten durch und stellte fest, dass 84 Prozent der Befragten sich überfordert fühlten; 79 Prozent waren erschöpft, 60 Prozent stuften sich als sehr traurig ein, und über 50 Prozent litten an überwältigenden Ängsten.[4] Die Beratungsstellen der Universitäten sehen sich mit einer Flut von jungen Menschen konfrontiert, die Hilfe bei Ängsten und Depressionen suchen.

Bei Alzheimer sieht es ähnlich aus. Etwa 50 Prozent derer, die ihren 85. Geburtstag erleben, leiden an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz. Nach einem Bericht der New York Times sind die Fallzahlen in den vergangenen 50 Jahren um das Zehnfache gestiegen. Einer von zehn Senioren in der Altersgruppe ab 65 Jahren leidet an Alzheimer, und einer von drei alten Menschen stirbt mit Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz.[5] Der Verlust von kognitiven Fähigkeiten und milde Formen von kognitiver Beeinträchtigung, die Vorläufer von Alzheimer, gelten als Teil des »normalen« Alterungsprozesses. Warum aber schießen die Zahlen plötzlich derart in die Höhe?

Das Phänomen ist nicht nur bei üblichen psychischen Problemen wie Angststörungen und Depressionen zu beobachten, auch bei schweren psychischen Erkrankungen wie Psychosen und Schizophrenie ist ein solch explosionsartiger Anstieg zu verzeichnen. In seinem hochinteressanten Buch Anatomy of an Epidemic beschreibt der Autor Robert Whitaker im Detail die wachsende psychische Krise, die nicht nur Amerika betrifft, sondern die anderen Industrienationen der Welt gleichermaßen. Die Zahl der aufgrund von mentalen Erkrankungen in ihrer Lebensführung beeinträchtigten Menschen hat sich in den letzten drei Jahrzehnten verdreifacht.[6]

Doch damit nicht genug: Nach den Daten des National Institute of Mental Health (US-Behörde für psychische Gesundheit) leiden 38 Prozent aller Mädchen und 26 Prozent aller Jungen im Alter von 13 bis 17 Jahren an einer Angststörung. Ich habe mit Vorschullehrerinnen gesprochen, die völlig verzweifelt darüber waren, dass ein Drittel der Kinder in ihrer Klasse Medikamente nahm. Wir reden hier wohlgemerkt nicht von der Grundschule. Es handelt sich um Vorschulkinder.

Die Krise hat auch auf der körperlichen Ebene ernsthafte Konsequenzen. Die New York Times berichtete von Studien, denen zufolge »Amerikaner mit Depressionen, bipolaren Störungen oder anderen ernstlichen psychischen Erkrankungen 15 bis 30 Jahre jünger sterben als Menschen ohne psychische Probleme – eine größere Diskrepanz, als sie im Zusammenhang mit anderen Faktoren wie Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit, geografischer Herkunft oder sozioökonomischem Status beobachtet wird«.[7]

Depressionen, Ängste, Stress, PTBS, ADS und ADHS, Suchterkrankungen, der Verlust kognitiver Fähigkeiten und andere psychische Beeinträchtigungen eskalieren auf nie dagewesene Weise. Viele Seiten ließen sich mit noch dramatischeren Statistiken füllen, doch die oben angeführten sollten mit ausreichender Klarheit verdeutlichen, dass etwas ganz furchtbar schiefläuft.

Paradoxerweise geschieht all dies zu einer Zeit, in der es mehr Hilfsangebote für psychisch Kranke gibt als je zuvor in der Geschichte. Es gibt mehr Therapeuten und Berater, mehr psychologische Zentren, Beratungsstellen und stationäre Behandlungseinrichtungen, und es werden mehr Psychopharmaka verschrieben als je zuvor.

Wie kann es also sein, dass sich die Situation weiter verschlimmert? Warum wächst der Bedarf an Hilfsangeboten trotz steigender Ressourcen weiter? Warum sind emotionales und psychisches Leid derart auf dem Vormarsch?

WIE ES SO WEIT KOMMEN KONNTE

Über die Gründe für diese Entwicklung wird gerätselt. Ein genetischer Hintergrund ist auszuschließen, weil es 50.000 bis 70.000 Jahre dauert, bis sich ein Genom verändert. Es müssen also irgendwelche Umweltfaktoren mit im Spiel sein, die dann möglicherweise zu epigenetischen Veränderungen führen. Aber was genau steckt dahinter?

Viele mögliche Ursachen kommen in Betracht. Manche Psychiater führen den Anstieg der Fallzahlen auf bessere Diagnosemöglichkeiten zurück, während andere Pharmakonzernen die Schuld geben, weil sie dafür werben, jedweden emotionalen Schmerz wegmedikamentieren zu können. Die Vertreter der ganzheitlichen Medizin machen Faktoren wie Umweltverschmutzung sowie Zusatzstoffe in Lebensmitteln und Zucker verantwortlich. Manche sehen eine mögliche Ursache in Videospielen, Handys oder den sozialen Medien. Therapeuten deuten mit dem Finger entweder auf die zunehmende Abwesenheit von Eltern oder darauf, dass Eltern ihre Kinder zu sehr verwöhnen und zu leistungsorientierten jungen Erwachsenen heranziehen, die keine Rückschläge verkraften können. Doch nichts von alledem kann für sich genommen das Ausmaß des Problems erklären.

Diese möglichen Ursachen haben eines gemeinsam: Sie schaden alle dem Gehirn. Und sie tun es zudem auf eine Weise, die eine gesunde emotionale Regulation behindert.

WARUM DAS GEHIRN SO ENTSCHEIDEND IST

Wir alle wissen um die wichtige funktionale Rolle des Gehirns, aber nur zu leicht übersehen wir, dass es unsere gesamte Weltsicht steuert. Was auch immer geschieht, wir erleben es über das Gehirn. Jeder Aspekt von uns – Körper, Emotionen und Wünsche, Gedanken und mentale Bilder, Träume und spirituellen Erfahrungen, ja unser Selbst und unser Bewusstsein – funktionieren und formen sich hier.

Das Gehirn ist der wesentliche Integrator sämtlicher Ebenen unserer Existenz: Körper, Herz, Kopf und Geist. Es gestaltet alles und jedes in unserem Dasein, und so bestimmt sein Zustand unsere Lebensqualität. Ist der Zustand exzellent, ist die Lebensqualität hoch; ist er schlecht, leidet sie auch. Ein mittelmäßiges Gehirn entspricht einem mittelmäßigen Leben. Die Gesundheit und Stärke von Gehirn und Selbst gehen Hand in Hand.

Eine Schwächung des einen schwächt das andere, eine Stärkung hier führt zur Stärkung dort. Das physische Gehirn und das psychische Selbst sind zwei Ebenen ein und desselben Prozesses, zwei Seiten einer Münze. Die Neurowissenschaften und die Medizin befassen sich mit dem Gehirn, die Psychologie mit dem Selbst. Bringen wir beide Seiten zusammen, eröffnen sich uns nie dagewesene Heilungschancen.

DAS OPTIMAL GESUNDE GEHIRN

Eine optimale Gehirnleistung bedeutet, in unseren Interaktionen mit der Welt auf die unermesslichen Fähigkeiten und Potenziale unseres Gehirns zugreifen zu können.

Ist unser Gehirn robust und lebendig, äußert sich dies in jedem Aspekt unseres Lebens. Funktioniert es auf maximalem Niveau, wird unser Dasein zu einem einzigen erfreulichen Abenteuer. Natürlich gilt dies nicht in jedem Augenblick unserer Existenz, aber mit einem lebendigen, gesunden Gehirn lässt sich selbst das unvermeidbare Leid so ertragen, dass wir unter der Last nicht zusammenbrechen. Wir sind voll und ganz präsent in der Welt und das auf allen Ebenen:

•Körperlich sprühen wir vor Kraft und Vitalität und fühlen uns rundum wohl.

•Dank einer gesunden emotionalen Regulation sind wir positiv gestimmt, enthusiastisch und gern mit anderen in Kontakt. Wir stehen mitten im Leben, von Rückschlägen erholen wir uns schnell. Wir haben Energie und Spaß am Leben.

•Mental sind wir fokussiert, können uns gut konzentrieren und lernen und sind interessiert und neugierig auf die Welt.

•Spirituell können wir uns leicht auf unser inneres Sein einschwingen, das der Ursprung von innerem Frieden und Liebe ist.

Wir haben keine Angst vor dem Leben und lassen uns nicht unterkriegen. Mit einem robusten, lebendigen Gehirn weitet sich das Selbst. Wir schrecken nicht vor der Welt zurück, sondern stürzen uns ins Geschehen wie ein begeistertes vierjähriges Kind, das Lust zum Spielen hat.

Wir meistern den Stress und die Herausforderungen des Alltags, indem wir unsere Potenziale nutzen – innere Talente und Fähigkeiten. In dem Maße, wie sich unser Selbst entfaltet, bringen wir auf kreative Weise zum Vorschein, was in uns steckt, ob in Beziehungen, in der Schule, bei der Arbeit und beim Spielen. Das macht uns nicht zu einem zweiten Einstein und ist auch nicht gleichbedeutend mit einem hohen IQ. Es bedeutet vielmehr, dass wir uns mit dem einzigartigen Genius unseres Gehirns verbinden. Allein dass wir unsere eigenen Potenziale entfalten, gibt uns ein Gefühl von Sinn und Erfüllung.

Es ist, als würden wir bei schönem Wetter mit Rückenwind stromabwärts paddeln. Schon der kleinste Krafteinsatz bringt uns weit voran. Unser Gehirn kann seine Potenziale jedoch nur dann voll ausschöpfen, wenn das Selbst das Gleiche tut. Beides muss Hand in Hand gehen.

Unserer wahren Natur zu folgen, fühlt sich sogar dann »richtig« und gut an, wenn wir in unangenehme Situationen geraten, denn wir befinden uns auf dem Weg zur Verwirklichung unseres ureigentlichen Selbst. Stoßen wir dabei auf Widrigkeiten, was zwangsläufig immer wieder passiert, wirft uns das nicht mehr so sehr aus der Bahn, und wir sind resilient genug, um schnell in unsere Mitte zurückzufinden.

Ein optimal funktionierendes Gehirn verleiht uns eine beinahe absolute Immunität gegenüber psychischen Erkrankungen, denn mit seiner strahlenden Vitalität zeigt es an, dass auch ihm untergeordnete physische Systeme wie das Herz und die Leber gesund sind, denn wären sie es nicht, würde sich dies in der Regel auf der Ebene des Gehirns niederschlagen. Läuft im Gehirn alles rund, gilt Gleiches meist auch für den Körper insgesamt. Wenn ich hier von optimaler Gesundheit rede, ist damit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit gemeint, sondern ein Zustand von Vitalität und Wohlbefinden, der sich rundum gut anfühlt und uns in die Lage versetzt, schlechte Zeiten und das unvermeidbare Leid im Leben gut durchzustehen.

DAS DEFIZITÄRE, LEIDENDE GEHIRN

Ganz anders sieht es aus, wenn das Gehirn beeinträchtigt ist, wie etwa bei Alzheimer oder Parkinson, oder auch nach einer Hirnverletzung bzw. anderen Formen von neurologischer Schädigung. Dann kommt es zu kognitiven und psychischen Defiziten, die emotionale Regulation funktioniert nicht mehr richtig, und dies führt zu Problemen im zwischenmenschlichen Bereich. Depressionen, Ängste, Stress, chronische Wut, Schamgefühle, Hoffnungslosigkeit oder andere Formen von Verstimmtheit können die Folge sein. Auf der kognitiven Ebene ist ein erschwertes Erfassen neuer Lerninhalte ebenso zu beobachten wie »Brain Fog«, also das Gefühl, Watte im Kopf zu haben.

Eine Funktionsschwäche des Gehirns zieht in der Regel zudem Probleme in anderen Bereichen nach sich, etwa auf der körperlichen Ebene mit Immunschwäche, Magen-Darm-Beschwerden oder Herzerkrankungen; im kognitiven Bereich mit Konzentrations- oder Gedächtnisschwäche und Störungen im Bereich der exekutiven Funktionen; im spirituellen Bereich mit Schwierigkeiten, sich zu fokussieren, zu meditieren und innere Achtsamkeit zu üben.

Eine beeinträchtigte emotionale Regulation setzt dem Gehirn ihrerseits zu. Depressionen, chronischer Stress und Ängste, Einsamkeit und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) führen zu einem messbaren Verlust an kortikaler Substanz (die Hirnrinde betreffend). Das heißt, solche emotionalen Zustände bringen das Gehirn tatsächlich zum Schrumpfen.[8, 9] Je länger eine Depression andauert, desto mehr graue Masse geht verloren.

Funktioniert unser Gehirn auf Sparflamme, wird unser gesamtes Leben in Mitleidenschaft gezogen. Jeder Tag fühlt sich so an, als würden wir bei Sturm im Gegenwind stromaufwärts paddeln: Selbst bei größter Anstrengung kommen wir kaum voran, und manchmal treibt es uns sogar zurück. Ja, sogar die Art und Weise, wie wir unser Selbst wahrnehmen, wird vom Gehirn bestimmt.

DAS GEHIRN DES MODERNEN DURCHSCHNITTSMENSCHEN: EIN GESCHWÄCHTES, ANFÄLLIGES ORGAN

Die überwiegende Mehrzahl aller Menschen bewegt sich irgendwo in der Mitte zwischen den beiden oben beschriebenen Enden des Spektrums. Nur ein geringer Prozentsatz erfreut sich eines wirklich robusten, absolut lebendigen Gehirns und Selbst. Ein größerer Bevölkerungsanteil, vielleicht 15 bis 20 Prozent, leidet an Defiziten oder Beeinträchtigungen infolge von Gehirnschädigungen oder -verletzungen, neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson, Drogen- oder Alkoholsucht oder Einbußen kognitiver Fähigkeiten.

Und diejenigen, die sich selbst als gesund einstufen, verstehen unter »Gesundheit« meist lediglich die Abwesenheit von Krankheit, und genau das ist es, was sich im modernen Durchschnittsgehirn widerspiegelt. Was gemeinhin als gesund durchgeht, ist in Wirklichkeit ein geschwächter, zerbrechlicher Zustand. Man übersieht die Labilität des Gehirns und der Selbststrukturen, die schon auf den kleinsten Druck hin nachgeben und zu Beschwerden führen. In dem verzweifelten Bemühen, stromaufwärts zu paddeln, um sich zu stabilisieren, wird ein Schwall von negativen Gefühlen freigesetzt: Unzulänglichkeit, Scham, Angst, Stress, Peinlichkeit, Schuld und eine Vielzahl anderer ähnlich schwieriger Empfindungen. Das Ergebnis sind Ängste, Depressionen, kognitiver Abbau und eine Schwächung des Immunsystems.

DAS GEHIRNSCHWÄCHESYNDROM

Wenn das Gehirn aufgrund von körperlichen und psychischen Belastungen nicht optimal funktioniert, wird es empfindlich. Keiner trägt daran die Schuld. Alle wollen nur das Beste. Die Welt ist irgendwie in diese Situation hineingeraten. Leidet das Gehirn, ist auch das Selbst geschwächt. Den meisten Menschen mangelt es nicht an Selbstwert. Sie leiden vielmehr an dessen Zerbrechlichkeit und der Gehirnschwäche, die ihr zugrunde liegt. Dies äußert sich in einem unterschwelligen, oft nur vagen spürbaren Empfinden von Unzulänglichkeit, das sich jedoch von Zeit zu Zeit mit einem intensiven Gefühl von Unwohlsein oder Scham Bahn bricht. Dieses aus dem Kern des Selbst herauskommende Grundgefühl, nicht zu genügen – das ist die existenzielle Verwundung unserer Zeit. Es entsteht, wenn das Gehirn durch eine mangelnde Versorgung mit physischer und/oder emotionaler Nahrung angegriffen ist.

Ich wähle den Begriff »Gehirnschwächesyndrom«, da er mir das Phänomen am treffendsten zu beschreiben scheint. Als Syndrom bezeichnet man eine Reihe von miteinander in Zusammenhang stehenden Zeichen und Symptomen. Wie bei jeder neuen diagnostischen Kategorie fallen Störungen immer zunächst in der klinischen Praxis auf, und wie bei anderen Syndromen sind auch in diesem Fall die bildgebenden Verfahren noch nicht empfindlich genug, um die Unterschiede zwischen einem robusten und einem geschwächten oder toxischen Gehirn darstellen zu können. Die einzige Möglichkeit zur Diagnose bieten zurzeit also die klinischen Symptome.

Es ist gut möglich, dass im Laufe der Zeit ein besserer Begriff gefunden wird, doch wie man es auch immer nennen mag, dem klinischen Befund nach haben wir es mit einem Gehirn zu tun, das auf die eine oder andere Weise angegriffen ist.

Ein geschwächtes, suboptimal arbeitendes Gehirn ist zur Norm geworden, was nicht ohne Folgen für die Psyche und den Körper bleibt. Auf der psychischen Ebene äußert sich die Schwäche in fragilen Selbststrukturen (einer geringeren emotionalen Resilienz) und auf der physischen durch eine reduzierte Funktionalität aufgrund von Kapazitätseinbußen und einer verminderten Neuroplastizität und Neurogenese (einer geringeren neuralen Flexibilität).

Eine erhöhte Empfindlichkeit des Gehirns zeigt an, dass sich der Mensch an einem Scheideweg befindet, von dem aus es in die eine oder andere Richtung gehen kann – hin zu mehr Gesundheit oder in den Schmerz und die Negativität. Er steht also kurz davor, sich die ganze Litanei der heute so weitverbreiteten psychischen Probleme aufzuladen. Statistisch gesehen mag ein solch verletzliches Gehirn durchschnittlich oder normal erscheinen, aber wirklich lebendig und gesund ist es nicht. Es bereitet den Boden für Depressionen, Ängste, Stress, PTBS, kognitiven Abbau und die psychischen Probleme des modernen Lebens.

Doch noch einmal: Warum ist das so? Wie sind wir an diesen Punkt gelangt?

Das Gehirn steht unter Beschuss, und ihm droht ein »Tod durch tausend Stiche«. Einen oder zwei Stiche merken wir nicht. Ja, selbst 20 oder 30 nehmen wir nicht wahr. Aber nach 100 oder 200 fangen wir an zu schwächeln und zu wanken.

Weil wir den einzelnen Stich nicht merken, können wir nur schwer sagen, was uns eigentlich fehlt. Der Tod durch tausend Stiche ist unsichtbar. Es erscheint absolut rätselhaft, warum wir uns so schlecht fühlen. Und weil wir selbst nicht weiterwissen, wenden wir uns an Fachleute, die es uns erklären sollen. Wenn diese Experten aber nur die Symptome behandeln und die tieferen Ursachen weiter schwären lassen, macht es das Ganze nur schlimmer. Das Gehirn wird weiter geschwächt, was es noch anfälliger für Ängste, Depressionen und kognitiven Abbau werden lässt.

Zwei Faktoren schwächen das Gehirn:

1.Neurotoxine, die Nervenzellen aktiv schwächen.

2.Mangelernährung, durch die das Gehirn nicht ausreichend mit den Nährstoffen versorgt wird, die es für ein optimales Wachstum braucht.

Wir leben in einer hochgradig neurotoxischen Welt, in der das Gehirn der meisten Menschen mit dem neuralen Äquivalent von »Junkfood« gefüttert wird statt mit echter Nahrung. Neurotoxine und neurales »Junkfood« begegnen uns in vielerlei Formen.

Es liegt auf der Hand, dass eine mangelnde Nährstoffversorgung und physische Neurotoxine dem Gehirn schaden. Neuere neurowissenschaftliche Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass auch bestimmte psychische Faktoren eine zutiefst neurotoxische Wirkung entfalten können. Ohne geeignete Ernährung auf allen Ebenen kann sich das Gehirn nicht richtig entfalten, was den Menschen auf direktem Weg in emotionale Probleme hineinsteuert.

Die psychische Gesundheitskrise ist eine Krise des Gehirns. In dem Maße, wie das Gehirn Neurotoxinen ausgesetzt ist – physischen, emotionalen, mentalen und spirituellen –, wird es immer anfälliger für Depressionen, Ängste, Stress, den Abbau kognitiver Fähigkeiten und andere psychische Symptome, wie wir sie so häufig beobachten. Das Selbst ist instabil, weil es dem Gehirn an Robustheit fehlt. Und auch umgekehrt gilt: Ein labiles Selbst schwächt das Gehirn. Depressionen, Ängste, Stress, Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen – sie alle sind das Resultat eines empfindlichen, geschwächten Selbst und Gehirns.

Die Lösung liegt in der Stärkung von Gehirn und Selbst. Sehen wir uns die beiden eben genannten Faktoren – Neurotoxizität und Mangelernährung – genauer an, erkennen wir das Ausmaß der Gefahr. So einfach diese Begriffe auch klingen mögen, sie betreffen viele Aspekte unseres modernen Lebens und zeigen sich uns in den unterschiedlichsten Facetten.

Die gute Nachricht ist, dass das Gehirn über eine bemerkenswerte Widerstandskraft verfügt. Mit der richtigen Ernährung kann es in der Regel zu optimalem Gesundheits- und Leistungsniveau zurückfinden.

GEHIRN UND DAS SELBST HEILEN UND OPTIMIEREN

Mit der Genesung des Gehirns stabilisiert sich das Selbst. Wenn wir uns besser fühlen, erholen wir uns schneller von Rückschlägen und erreichen ein zunehmend höheres Leistungsniveau.

•Depressionen nehmen ab und legen sich irgendwann ganz.

•Ängste und Stress lassen in dem Maße nach, wie sich der Körper entspannt und das Gehirn an Stärke gewinnt.

•Die emotionale Regulation entwickelt sich, und neue Lebensentscheidungen werden möglich.

•Gedächtnisleistung, Lernfähigkeit und Kognition werden gestärkt, was zu einer Verbesserung der exekutiven Funktionen und einem Gefühl von mehr innerer Stabilität führt.

•Es erschließen sich neue Tiefen von innerem Frieden, Liebe und Mitgefühl.

Dieses Buch verfolgt eine zweigleisige Strategie:

1.Das Gehirn und das Selbst nähren und stärken.

2.Alles weitestgehend eliminieren, was zu einer Schwächung von Gehirn und Selbst führen könnte.

Beides muss zusammenkommen, wenn wir etwas bewirken wollen. Solange wir uns weiterhin Neurotoxinen aussetzen, können wir uns noch so viele gute Nährstoffe zuführen – der Effekt wird verpuffen. Im Zusammenspiel aber können beide Strategien die zwei wichtigsten Ursachen von kortikalen Verlusten stoppen. Im nächsten Kapitel gehen wir im Detail auf diese zweigleisige Strategie zur Entfaltung eines lebendigen, robusten Gehirns und Selbst ein. Danach folgen mehrere Kapitel mit spezifischen Behandlungsmöglichkeiten für die in diesem Buch anvisierten Störungen.

Ist ein Problem erst einmal identifiziert, zeigt sich, wie sich Abhilfe schaffen lässt. Im Folgenden werde ich die Lage nur grob skizzieren, denn eine in die Tiefe gehende Analyse würde Bände füllen.

ANGRIFF AUF DAS GEHIRN: NEUROTOXINE UND ERNÄHRUNGSDEFIZITE AUF DEM VORMARSCH

Unter dem Begriff »Neurotoxine« ist alles zu verstehen, was die Nervenzellen (Neuronen) vergiftet, abtötet oder schwächt. Da das Gehirn unsere gesamte Bandbreite des Erlebens steuert, kann es aus den verschiedensten Richtungen angegriffen werden. Eine mögliche Ursache für neurotoxische Effekte kann im Bereich der Ernährung liegen. Wenn notwendige Nährstoffe fehlen, kann keine gesunde Entwicklung stattfinden, und Gehirnzellen können absterben.

Um uns in unserer heutigen Welt ein gesundes, robustes Gehirn aufzubauen und zu erhalten, müssen wir täglich mit großem Geschick ein Minenfeld durchqueren. Niemand zieht bewusst los, um das eigene Gehirn zu vergiften, es passiert einfach, wenn wir uns in unserem modernen Lebensumfeld bewegen – ein Lebensumfeld, das alle Welt für sicher hält, das jedoch nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sehr viel neurotoxischer ist, als man es sich je hätte vorstellen können.

Ernährungsdefizite: die andere Art, dem Gehirn zu schaden

Als wäre der Angriff durch Neurotoxine nicht schlimm genug, setzt ein weiterer Faktor sowohl dem ausgereiften wie dem in Entwicklung befindlichen Gehirn zu: der weitverbreitete Mangel an der richtigen Nahrung.

Diese setzt sich im Wesentlichen aus zwei Komponenten zusammen:

•der physischen Nahrung (also dem Essen, das wir zu uns nehmen)

•der psychischen oder emotionalen Nahrung

Beide sind für das Wachstum und die Entwicklung des Gehirns unabdingbar. Die physische Nahrung liefert den Rohstoff zur Bildung von Neuronen und neuronalen Verbindungen, aber unser Erleben – insbesondere auf der emotionalen Ebene – ist entscheidend dafür, wie dieser Rohstoff in dem sich entwickelnden Gehirn eingebaut wird.

Die Erkenntnisse der schnell wachsenden Fachgebiete der interpersonalen Neurobiologie, der Bindungstheorie und -forschung sowie der Entwicklungsneurobiologie belegen zweifelsfrei, auf welch einschneidende Weise Erfahrungen im frühen Lebensalter das Gehirn prägen und selbst im Erwachsenenalter dessen Struktur und Funktion formen.[10, 11, 12] Natürlich spielen auch die verschiedenen Formen von mentaler und auch spiritueller Gehirnnahrung eine wichtige Rolle, aber es hängt vor allem von den emotionalen Erlebnissen im frühen wie späteren Leben ab, wie stark und widerstandsfähig unser Gehirn und Selbst sind – oder eben wie schwach und empfindlich.

Physische Neurotoxine

Wir leben in einer neurotoxischen Welt. Viele geben sich der Illusion hin, der Staat würde mit seinen Gesetzen und Vorschriften schon dafür sorgen, dass die Umwelt vor giftigen Belastungen geschützt wird. Doch leider stimmt das nicht.

Unter dem Stichwort »Neurotoxins« erscheint in Wikipedia eine rund 164 Seiten umfassende Liste von gängigen Giften, von denen jedes einzelne mit einem separaten Eintrag verlinkt ist. Die US-Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) hat keine Ahnung, wie viele von den über 80.000 industriell genutzten Chemikalien, deren Rückstände die Luft, das Wasser und die Böden verschmutzen, möglicherweise neurotoxisch wirken, da es kein offizielles Prüfverfahren gibt, um deren Unschädlichkeit zu bescheinigen, bevor sie zur Nutzung freigegeben werden. Nur ein kleiner Teil wurde je auf Unbedenklichkeit getestet. In vielen anderen, weniger regulierten Ländern als den USA sieht es noch schlimmer aus.

Pestizide, wie sie in der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden, wirken erwiesenermaßen neurotoxisch. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Pflanzenschutzmittel, die gegen Insekten wirken, auch im Menschen eine neurotoxische Wirkung entfalten.[13] Nach Schätzungen von Dr. David Bellinger, Professor für Neurologie in Harvard, sind den USA allein durch den Einsatz von Organophosphaten, dem in Amerika am häufigsten eingesetzten Pestizid, insgesamt 16,9 Millionen IQ-Punkte verloren gegangen. Rechnet man Quecksilber und Blei hinzu, liegt der geschätzte Verlust bei 41 Millionen IQ-Punkten.[14]

Glyphosat, Hauptwirkstoff des Pflanzenschutzmittels Roundup, ist das am häufigsten eingesetzte Organophosphat. Es handelt sich um ein Antibiotikum, das unverzichtbare nützliche Bakterien nicht nur im Boden, sondern auch im Darm abtötet, was signifikante mentale, emotionale und physische Probleme nach sich zieht. Eine reduzierte bakterielle Biodiversität wird mit psychischen Symptomen in Verbindung gebracht.[15] Glyphosat regt die Produktion von Zonulin an, einem Molekül, das die dichten Verbindungen in der Darmschleimhaut durchlässiger macht, sodass sie in ihrer Barrierefunktion beeinträchtigt werden und Toxine in den Körper eindringen lassen. Diese lösen eine Entzündungsreaktion aus, die sich schnell chronifiziert und Körper und Gehirn zusätzlich angreift.

Zonulin öffnet auch die dichten Verbindungen in der Blut-Hirn-Schranke, sodass Toxine ins Gehirn gelangen können. Auch Gliadin, eine Proteinkomponente von Gluten, das zum Beispiel in Weizen vorkommt, stimuliert die Zonulinproduktion und führt zum Leaky-Gut-Syndrom (deutsch: Syndrom des durchlässigen Darms), und zwar bei jedem, der es zu sich nimmt, obwohl nur 1 bis 2 Prozent eine Zöliakie und nur 10 bis 20 Prozent eine Glutenempfindlichkeit entwickeln. Es liegen nur wenige Schritte zwischen einem Leaky-Gut- und Leaky-Brain-Syndrom und einem toxischen Gehirn.

Durch eine Ernährung mit biologisch erzeugten Lebensmitteln kann diese Belastung um 70 bis 80 Prozent reduziert werden.[14] Trotzdem: In 75 Prozent der USA ist Glyphosat im Staub, im Grundwasser und im Regen nachzuweisen. Es steckt in industriell erzeugtem Fleisch von Tieren, die mit hochgradig glyphosatverseuchtem, gentechnisch verändertem Getreide gefüttert werden. So gut wie alle Mais-, Baumwoll- und Sojaprodukte werden aus Pflanzen hergestellt, die gentechnisch so manipuliert wurden, dass sie extreme Glyphosatkonzentrationen vertragen. 80 Prozent der in den USA im Handel angebotenen, industriell erzeugten Lebensmittel sind mit dem Pestizid belastet. Derzeit werden pro Jahr in den Vereinigten Staaten ca. 272 und weltweit über 1,8 Milliarden Kilogramm davon eingesetzt.

Viele chemische Pflanzenschutzmittel gelten als sogenannte Entwicklungsneurotoxine, weil sie das im Wachstum befindliche Gehirn von Kindern und Babys weit mehr schädigen als das von Erwachsenen. In den USA wurden im Blut von Müttern – und zwar selbst von denjenigen, die versuchen, Glyphosat zu meiden – Glyphosatwerte gemessen, die die in Europa für Trinkwasser geltenden Grenzwerte um ein Vielfaches übersteigen. In manchen Fällen liegen sie um das 600-fache darüber.

Angesichts der massiven Verbreitung und der Tatsache, dass so gut wie alle Nahrungsmittel belastet sind, ist jeder, der in den USA im Restaurant isst, Glyphosat ausgesetzt. Nach einer Studie von 2016 an der University of California San Francisco haben 93 Prozent aller Amerikaner die Substanz im Blut. Die höchsten Werte wurden bei Kindern gemessen, bei denen die Ausdünnung des Mikrobioms besonders gravierende Folgen hat, da dies die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigt und den Genausdruck dauerhaft verändert.

Eine Studie der Environmental Working Group (EWG) zu Cerealien und Frühstücksriegeln hat ergeben, dass 43 von 45 der handelsüblichen Produkte Glyphosat in potenziell gefährlichen Mengen enthalten. Selbst eins von drei Bioprodukten erwies sich, wenn auch in geringerem Maße, als belastet.[16] 90 Prozent der in den USA produzierten Baumwolle stammt von Pflanzen, die gentechnisch eigens so modifiziert wurden, dass sie hohe Dosen des Pflanzengifts vertragen, und es wurde in 85 Prozent aller Tampons und anderer Hygieneprodukte aus Baumwolle nachgewiesen.[17]

Die Zahl der chemischen Neurotoxine in unserer Umwelt wächst ständig. Wie der deutsche Toxikologe Dr. Richard Straube berichtet, ist der Mensch in den frühen 2000er-Jahren durchschnittlich mit 20 Toxinen oberhalb der Nachweisgrenze in Berührung gekommen ist. Inzwischen sind es über 500.[18]

In einer Zeit, in der es mehr denn je auf die Schutzfunktion der dichten Verbindungen in der Blut-Hirn- und Darmschranke ankommt, öffnen diese die Schleusen und lassen ungehindert eine Flut von Neurotoxinen passieren. Seit der Einsatz von Glyphosat in den 1980er-Jahren explosionsartig anstieg, ist das Gehirn durch diese Durchlässigkeit einem nie dagewesenen Maß an Schadstoffen ausgesetzt.

Auch Schwermetalle spielen unter den Neurotoxinen eine wichtige Rolle. Nach Plutonium ist Quecksilber das stärkste Neurotoxin, das wir kennen. Nur wenige Moleküle genügen, um Gehirnzellen augenblicklich zu zerstören. Zu einem gewissen Grad ist jeder Mensch auf diesem Planeten damit belastet, wobei Fisch und Meeresfrüchte, Zahnfüllungen aus Amalgam, Abgase aus Kohleverbrennungsanlagen und Smog die häufigsten Quellen sind.

Hoch oben auf der Liste der schädlichen Schwermetalle stehen auch Blei, Kadmium, Arsen und Aluminium. Sie kommen im häuslichen und beruflichen Umfeld häufig vor, so zum Beispiel in vielen öffentlichen Trinkbrunnen. Sie gelangen in erster Linie über Abgase aus dem Straßenverkehr, Kohlekraftwerken und der Industrie in die Umwelt.

Kunststoffe wie PCBs (polychlorierte Biphenyle), PVC (Polyvinylchlorid) und BPA (Bisphenol A) enthalten hormonaktive Substanzen. Wenn sie in den Körper gelangen und die hormonelle Balance stören, bleibt dies nicht ohne emotionale, mentale und physische Folgen. Dass Kinder immer früher in die Pubertät kommen, sodass manche Mädchen bereits mit sechs Jahren ihre erste Regelblutung bekommen und ihre Brüste zu wachsen beginnen, ist nur die Spitze des Eisbergs. Neben der gut dokumentierten krebsauslösenden Wirkung nimmt eine Störung des Hormonhaushalts auch Einfluss auf unsere Stimmung und Gefühlslage. Zu den hormonaktiven Substanzen, die den Hormonstatus verändern und die Gehirnfunktion und die Stimmung beeinträchtigen, gehören auch Phthalate, wie sie im Thermopapier von Kassenbelegen enthalten sind (und die wir über die Haut aufnehmen, wenn wir sie anfassen). Auch in Milchverpackungen und vielen Kunststoffen sind sie enthalten.[19]

Biologisch abbaubar sind solche Kunststoffe nicht, aber im Laufe der Zeit nimmt die Größe ihrer Partikel kontinuierlich ab. Diese gelangen in unser Trinkwasser und unsere Ozeane, und selbst scheinbar saubere Produkte werden damit kontaminiert. So enthält etwa das meiste Meersalz Mikroplastik. Schätzungen zufolge wird es im Jahr 2050 gewichtsmäßig mehr Plastik als Fisch in unseren Meeren geben. Der Durchschnittsmensch schluckt jedes Jahr über 68.000 Mikrofasern allein mit dem Staub, der sich, während er isst, auf seinem Teller absetzt.[20] Trinkwasser in Flaschen enthält durchschnittlich 325 Mikroplastikpartikel pro Liter – auch dies eine Quelle von hormonaktiven Substanzen.[21]

In der Kleidungsherstellung sind 20.000 verschiedene chemische Substanzen im Einsatz, von denen viele karzinogen und neurotoxisch wirken und die für ein Fünftel der Wasserverschmutzung auf diesem Planeten verantwortlich sind. So weiß man etwa, dass die zur Behandlung von Nachtwäsche, Teppichen und Möbeln verwendeten feuerhemmenden Mittel hormonaktiv sind und neurotoxisch wirken.[22, 15] Wäscht man Putztücher und andere synthetische Gewebe in der Waschmaschine, werden Mikrofasern ausgeschwemmt, die Flüsse und Bäche, landwirtschaftliche Nutzflächen und Ozeane verseuchen. Natürlich gelangen sie mit der Zeit auch in unseren Körper, denn niemand kann sich von der Umwelt hermetisch abschotten. Wir nehmen das auf, womit wir in Berührung kommen.

Giftige Schimmelpilze aus verseuchten Wohnhäusern, Schulen oder Büros können das Gehirn schwer schädigen und Symptome auslösen, die denen von Alzheimer oder Demenz exakt gleichen. Auch Ängste und Depressionen können davon ausgelöst werden.

Durch ausgasende Teppiche und Polstermöbel, Essensdünste und Reinigungsmittel ist die Luft in geschlossenen Räumen oft stärker belastet als im Freien. Kosmetika und die meisten Hautpflegeprodukte sind eine weitere wichtige Quelle von hormonaktiven Substanzen und Schwermetallen.

Durch Luftverschmutzung in Form von Smog sind wir Kleinstpartikeln ausgesetzt, die in hohem Maße neurotoxisch wirken. Nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2016 atmen 92 Prozent der Weltbevölkerung eine als ungesund eingestufte Luft. Die allerwinzigsten Partikel im Smog (2,5 Mikrometer und kleiner) können die Blut-Hirn-Schranke passieren und sich im Gehirn ablagern.

Einmal im Kopf, wirken sie wie Abrissbirnen im Miniaturformat. Sie zerschmettern die zarten Neuronen und erzeugen einen Schweif von freien Radikalen, was zu chronischen Entzündungen und der Ablagerung von amyloiden Plaques führt. Eine Entzündung des Gehirns und starke inflammatorische Prozesse im Bereich der neuronalen Mitochondrien äußern sich in Angstzuständen, Depressionen und dem Abbau kognitiver Fähigkeiten.

Für das noch nicht ausgereifte Gehirn von Kindern stellt dies eine ganz besondere Bedrohung dar. Forschungen am Cincinnati Children’s Hospital haben gezeigt, dass Luftverschmutzung vor allem in dieser Altersphase das Risiko psychischer Erkrankungen erhöht. Eine andere Studie stellt einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber verkehrsbedingter Luftverschmutzung und der Häufigkeit von Gehirnentzündungen sowie allgemeinen Ängsten und Depressionen bei Zwölfjährigen her.[23, 24] Der Hauptautor einer weiteren Untersuchung, Cole Brokamp, Ph. D., schreibt in einer Pressemitteilung: »Diese Studie ist die erste, die einen Zusammenhang zwischen dem Grad an Außenluftverschmutzung und einem vermehrten Auftreten von psychiatrischen Symptomen wie Angststörungen und Suizidneigung bei Kindern herstellt.«

In China dokumentierte eine Studie, dass Luftverschmutzung die kognitiven Leistungen vor allem bei Älteren beeinträchtigt.[25] Manche Experten sind inzwischen überzeugt, dass 20 bis 30 Prozent aller Alzheimerfälle weltweit auf Smog und Feinstaub zurückzuführen sind.

Während in der Außenwelt Umweltgifte allgegenwärtig sind und wir ständig darauf achten müssen, sie zu meiden, gibt es Formen von Neurotoxinen, die uns von innen heraus bedrohen. Hierzu gehören chronische Entzündungen. Nahrungsmittel lassen sich als entzündungsfördernd oder entzündungshemmend einstufen. Die US-amerikanische Standardernährung SAD (Standard American Diet) fällt in erstere Kategorie und produziert zudem ein Übermaß an freien Radikalen, die ebenfalls neurotoxisch wirken. Chronische Entzündungen gehören zu den Hauptverursachern der Abbauprozesse im Gehirn, wie sie für Alzheimer und andere neurologische Störungen typisch sind. Pestizide lösen Entzündungen aus und verschlimmern diese.[26] Wenn zum Beispiel bestimmte Weizenbestandteile und Glyphosat die Darm- und Blut-Hirn-Schranke angreifen und durchlässig machen, sodass Schadstoffe eindringen, wehrt sich der Körper mit einem entzündlichen Prozess, der häufig in Autoimmunerkrankungen und einer labilen Psyche mündet.

Die Mitochondrien im Gehirn sind für die Energieproduktion in den Zellen zuständig. Sterben sie ab, kommt es zu Funktionseinbußen.

Auch Stresshormone wie Glucocorticoide sind endogene Neurotoxine, die besonders im Hippocampus Nervenzellen töten. Kurzfristiger moderater Stress ist unbedenklich; ist er aber chronisch oder sehr stark, werden großen Mengen davon freigesetzt. Ein Überschuss wird mit Alzheimer, kognitivem Abbau, Gehirnschrumpfung, Angststörungen, Depressionen, Immunschwäche, Krebs und Herzkrankheiten in Verbindung gebracht.[8] Chronischer Stress führt außerdem zu einem Anstieg der Entzündungsaktivität im Körper.

Ein weiterer Angriff geht vom Mikrobiom aus, also den Bakterien, Viren und Pilzen, mit denen unter anderem die Darmschleimhaut besiedelt ist. Diese sondern Substanzen ab, die je nach ihrer Beschaffenheit dem Gehirn mal nutzen und mal schaden. Eine ungesunde Ernährung, Antibiotika, Glyphosat und andere Pestizide schädigen die Darmflora, beeinträchtigen die Gesundheit ganz allgemein und greifen das Gehirn an, wie wir an anderer Stelle noch im Detail sehen werden.

Bei einem Schädel-Hirn-Trauma, wie es zum Beispiel durch einen Stoß gegen den Kopf bei einem Auto-, Fahrrad- oder anderen Unfall entstehen kann, wird nicht nur das empfindliche Gewebe des Gehirns erschüttert, es kann auch zum Verlust von Neuronen kommen. Das Gehirn hat in etwa die Konsistenz von rohem Tofu oder weicher Butter. Wird diese hochempfindliche Masse durch äußere Gewalteinwirkung gegen die harte, knöcherne Innenseite des Schädels geschleudert, wird dies kaum ohne Folgen bleiben. Eine einzige Gehirnerschütterung genügt, um das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, zu verdoppeln. Nach neueren Forschungen zur chronischen traumatischen Enzephalitis (CTE) bei American-Football-Spielern ist die Wahrscheinlichkeit einer Hirnschädigung oder Demenzerkrankung noch höher, wenn es zu wiederholten Schlägen gegen den Kopf kommt.

Elektromagnetische Felder (EMFs), wie sie von Smartphones, Computern und WLAN-Netzen ausgehen, schädigen die Mitochondrien, indem sie in der Zelle spannungsabhängige Kalziumkanäle (VGCCs, von Engl. Voltage-Gated Calcium Channels) aktivieren. Das Gehirn und das Nervensystem reagieren am empfindlichsten auf EMF-Belastungen, da hier die Dichte an VGCCs höher ist als in jedem anderen Teil des Körpers. Unter der Einwirkung von EMFs öffnen sich diese, sodass rund eine Million Kalziumionen pro Sekunde hindurchfließen können. Wird eine Zelle mit Kalzium geflutet, geht Magnesium verloren, schädliche freie Radikale werden freigesetzt, und ein hohes Maß an Entzündungsaktivität entsteht. Am anfälligsten für diesen Prozess sind die Mitochondrien in Gehirn, Herz und Hoden.

Für Schlagzeilen hat gesorgt, dass als eine der Folgen einer EMF-Exposition durch die Verwendung von Laptops und das Herumtragen von Smartphones in der Hosentasche die Spermienzahl von im Übrigen völlig gesunden jungen Männern im Laufe der letzten Jahrzehnte um 50 Prozent gesunken ist. Nichts spricht dafür, dass sich diese Entwicklung verlangsamen würde. Der Wissenschaftler Martin Pall, Ph. D., schlägt mit der Feststellung Alarm, dass anfängliche Belastungen im Tierversuch zwar reversibel seien, eine kontinuierliche Exposition aber unumkehrbar zur Zeugungsunfähigkeit führe.

Es kann jedoch sein, dass wir uns mehr Sorgen über das vermehrte Auftreten von Ängsten, Depressionen, ADS/ADHS und Autismus machen sollten, weil es in Gehirn und Nervensystem deutlich mehr VGCCs gibt als irgendwo sonst im menschlichen Körper.[27, 28, 29] Die neuralen Mitochondrien im Kopf sind hier extrem anfällig. Kommt es in diesem Bereich durch das Fluten mit Kalziumionen zu einer starken Entzündung und Oxidation, werden die Nervenfunktion unterbrochen und die emotionale Regulation beeinträchtigt.

Die umfassendste Studie zur Entwicklung des Gehirns bei amerikanischen Jugendlichen ist die »Adolescent Brain Cognitive Development Study« (etwa: Studie zur kognitiven Entwicklung des jugendlichen Gehirns), bei der 11.000 Kinder über einen Zeitraum von zehn Jahren beobachtet wurden. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Kortex bei Neun- und Zehnjährigen, die elektronische Geräte stark nutzen, vorzeitig dünner wird. Keiner weiß, wohin es führt, wenn die Hirnrinde von Jugendlichen, die (was nicht unüblich ist) sieben Stunden täglich mit Videospielen, Smartphones, TV und Computern beschäftigt sind, ausgerechnet in dieser Entwicklungsphase an Masse verliert.

Nach der Markteinführung von neuen Technologien dauert es immer eine Weile, bis sich etwaige negative Folgen zeigen. Um nachzuweisen, dass Dinge wie zum Beispiel Tabak eine toxische Wirkung haben, braucht die Wissenschaft oft 20 bis 30 Jahre, besonders wenn die negativen Folgen nur langsam und allmählich zutage treten. Die Einführung von Glyphosat und anderen Pestiziden, der Verzehr von mehr Kohlenhydraten und Zucker und weniger gesunden Fetten, die Nutzung von Mobiltelefonen und Computern, die 80.000 Chemikalien, die unsere Umwelt verschmutzen – es braucht seine Zeit, um zu begreifen, welche Konsequenzen dies alles für uns hat. Wir fangen gerade erst an, das ganze Ausmaß der Neurotoxizität all dieser Neuerungen zu begreifen.

Physische Unterversorgung

Das Fehlen einer geeigneten Ernährung trägt mehr als jede andere Ursache zur Unterversorgung des Gehirns mit Nährstoffen bei. Um ein schönes Haus von gehobenem Standard zu errichten, braucht es hochwertige Baumaterialien und kein morsches, minderwertiges Holz. Das Gleiche gilt für das Gehirn. Damit es robust und vital wird, müssen die Baustoffe von einer Qualität sein, die die offiziellen US-Ernährungsempfehlungen oder gar die SAD (Standard American Diet) nicht einmal annähernd widerspiegeln.

Wir fangen gerade erst an, uns aus den Fängen einer jahrzehntelangen katastrophalen Ernährungspolitik zu befreien, die die westliche Welt in eine tiefe Gesundheitskrise geführt hat. Dies ist nicht der richtige Ort, um zu erörtern, wie wir überhaupt in diese Situation geraten konnten. Es handelt sich um eine verworrene Geschichte von mächtigen Wirtschaftsakteuren, die pseudowissenschaftliche »Erkenntnisse« zu ihren Gunsten nutzen, von der Nachgiebigkeit von Regierungen gegenüber Industrielobbyisten und der Drehtür zwischen Firmen und Behörden, von einer wissenschaftlichen Herdenmentalität, die dafür sorgt, dass andere Meinungen von vornherein abqualifiziert werden – mit anderen Worten, es sind wieder einmal viele der üblichen Verdächtigen im Spiel, die in unserer Gesellschaft die Fäden ziehen.

Die Folge: Seit den 1960er-Jahren empfiehlt das medizinische Establishment eine Ernährung mit einem hohen Anteil an Kohlenhydraten und wenig Fett. Diese fehlgeleitete Politik hat zu einem massiven Anstieg an Herzerkrankungen, Diabetes, Fettleibigkeit, Krebs, Alzheimer, dem metabolischen Syndrom und vielen anderen chronischen Krankheiten sowie hohen Entzündungswerten, Immunschwäche, Stoffwechselstörungen und Insulinresistenz geführt. Es überrascht nicht, dass auch das Gehirn darunter leidet.

Die meisten Menschen in unserem Kulturkreis nehmen viel zu viel Zucker und Kohlenhydrate, zu viele ungesunde »schlechte« Fette und zu wenig gesunde »gute« Fette und Ballaststoffe zu sich. Das Gehirn besteht etwa zu zwei Dritteln aus Fett, und damit es optimal funktionieren kann, brauchen wir alle ausreichend »gutes« Fett in der Nahrung als Baustoff und Brennmaterial. Dass die Fallzahlen für Depressionen, Ängste und ADS/ADHS im Kindesalter in den USA zu steigen begannen, fällt zeitlich mit der Umstellung auf eine kohlenhydratreiche, fettarme Ernährung in den 1960er-Jahren zusammen. Mit wenig und schlechtem Fett und viel Zucker kann sich das Gehirn nicht optimal entwickeln und nicht richtig funktionieren. Auch bestimmte Nährstoffe, die für die Gehirnentwicklung dringend benötigt werden, sind bei sehr wenigen Kindern und Erwachsenen in ausreichender Menge in der Ernährung enthalten.

Betrachten wir den typischen Speiseplan eines durchschnittlichen amerikanischen Schulkinds: zum Frühstück Orangensaft, Cerealien mit hohem Zucker- und Kohlenhydratanteil, fettarme Milch; zum Mittagessen Brot, Fleisch, Kekse, fettarme Milch oder Obstsaft; zum Abendessen ein Hamburger mit Pommes, dazu eine Limo und zum Abschluss einen Nachtisch. Der Großteil besteht aus Zucker und Kohlenhydraten; dazu große Mengen an schlechten Fetten, wenig gute Fette und kaum Ballaststoffe. Eine solche Ernährung bereitet den Boden für ein defizitäres, geschwächtes Gehirn und die damit einhergehenden psychischen Probleme. Weiteres hierzu finden Sie im nächsten Kapitel, »Die Lösung«.

Ebenfalls problematisch sind die stark entzündungsfördernden Eigenschaften der durchschnittlichen westlichen Ernährung, die das Wachstum neuer Neuronen hemmen, die Neuroplastizität bremsen und die Entwicklung eines wirklich gesunden Gehirns verhindern. Ein Mangel an Antioxidantien bedeutet zudem, dass das Gehirn nicht über die notwendigen Rohmaterialien verfügt, um sich gegen den Angriff freier Radikale zu wehren, mit denen es sich angesichts der Zucker- und Kohlenhydratlastigkeit, den schlechten Fetten und dem niedrigen Faseranteil des Essens auseinanderzusetzen hat.

Ebenfalls zur Unterversorgung des Gehirns trägt der Mangel an Bewegung, vor allem aerober Bewegung, bei. Aerobes Training (also jede Form von Bewegung, die die Atemfrequenz in die Höhe treibt) ist die wahrscheinlich wirkungsvollste Möglichkeit, das Gehirn aufzubauen und die kognitiven Funktionen zu stärken – bei Kindern, Erwachsenen und Senioren. Dass sich nur ein Viertel aller Amerikaner ausreichend bewegt, ist mitverantwortlich für den allgemein schlechten funktionalen Zustand des Gehirns.

Auch der Schlaf spielt eine Rolle. Die meisten Amerikaner bekommen nicht so viel davon, wie es für ein optimal gesundes Gehirn erforderlich wäre. Sieben bis acht Stunden pro Nacht sollten es bei den meisten Menschen sein. Schlafmangel beeinträchtigt den nächtlichen Selbstreinigungsprozess des Gehirns über das neu entdeckte glymphatische System. Dieses befreit das Gehirn von den täglich anfallenden Toxinen und zellulären Abfallstoffen, allen voran den amyloiden Plaques, die bei der Alzheimerkrankheit eine so entscheidende Rolle spielen.

Emotionale Neurotoxine

Es dürfte Sie nicht überraschen zu lesen, dass Ängste und chronischer Stress neurotoxisch wirken. Letzterer kann ebenso wie intensive Belastungssituationen (etwa, wenn ein Soldat ein Feuergefecht überlebt, bei dem seine halbe Einheit zu Tode kommt) Neuronen abtöten und den Verlust von bis zu einem Viertel des Hippocampus zur Folge haben. Kommt es während der Kindheit zu traumatischen Erlebnissen, hinterlässt das noch weitaus tiefere Spuren und hat ein kleineres Hippocampusvolumen und eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Ängsten, Stress und Depressionen im künftigen Leben zur Folge.[9]

Misshandlungs- und Missbrauchserfahrungen während der Kindheit werden mit einem lebenslang erhöhten Pegel an Stress- und Entzündungshormonen in Verbindung gebracht.[30] Mobbing, ob während der Kindheit oder im Erwachsenenalter, laufende Einschüchterungen und ein Leben in Angst führen ebenfalls zu einer Schrumpfung des Gehirns und sind neurotoxisch. Auch emotionale Isolierung behindert das Wachstum neuer Gehirnzellen und beeinträchtigt die Entwicklung des Gehirns. Die »Adverse Childhood Experiences Study« (etwa: Studie zu belastenden Kindheitserlebnissen), eine berühmte Untersuchung von Kaiser Permanente und der US-Behörde für Gesundheitsschutz CDC (Centers for Disease Control and Prevention), dokumentiert die lebenslangen Folgen von Stress im frühen Lebensalter.[31] Bei Erwachsenen können neben Stress auch Depressionen zum Verlust von 20 Prozent des Hippocampus führen, wobei umso mehr Gehirnzellen verloren gehen, je länger die Episoden dauern.[2]

Der Autor Joseph Chilton Pearce schreibt, dass Frauen, die während der Schwangerschaft an Stress oder Ängsten leiden, Babys mit kleinerem Neokortex (dem Gehirnareal, in dem die höheren kognitiven Funktionen angesiedelt sind) zur Welt bringen, das Hinterhirn (das die eher primitiven Kampf-oder-Flucht-Überlebenskreisläufe steuert) bei diesen Kindern jedoch vergrößert ist. Ohne einen gut ausgebildeten Neokortex entstehen Probleme im Bereich der exekutiven Funktionen, emotionalen Regulation und Impulskontrolle, was zu Verhaltensproblemen, kognitiven Defiziten und emotionalen Störungen führt. Diese Kinder gehen mit signifikanten neuralen Nachteilen ins Leben.[32]

Der Alltag der meisten Erwachsenen strotzt geradezu vor emotionalen Neurotoxinen, etwa, wenn lebenswichtige Beziehungen Stress, Ängste oder Sorgen auslösen, emotionales oder körperliches Bullying involviert ist oder eine Atmosphäre der emotionalen Kälte oder Distanz herrscht oder Kontrollzwänge ausgelebt werden. Hinzu kommen dann womöglich noch finanzielle Nöte, Krankheiten, Stress mit der Familie und Ängste wegen der politischen Lage oder der Zukunft im Allgemeinen.

Solche emotionalen Neurotoxine produzieren schädliche physische Neurotoxine, und Stress schädigt zudem die dichten Verbindungen in der Darmschleimhaut und der Blut-Hirn-Schranke, sodass Schadstoffe eindringen und im Gehirn und Darm Entzündungen auslösen können.

Andererseits führt die Tatsache, dass sich immer mehr Leute von zwischenmenschlichen Kontakten zurückziehen und sich zunehmend in ihre Smartphones und Computer verkriechen, zu einem Mangel an bzw. einer Verminderung von realen, physischen Beziehungen, was zu Einsamkeit, sozialer Isolation und fehlender echter Nähe führt. Auch das wiederum verursacht Stress, Entzündungen, noch mehr Kontaktscheu und Ängste.

Gesunde, echte Beziehungen sind unabdingbar für unser Wohlbefinden, aber mit der allgemeinen Flucht in die Welt der Bildschirme ist dieser vitale emotionale Nährstoff zu einem raren Gut geworden. Die Jüngsten leiden am meisten darunter, denn ohne echte, hautnahe, emotionale Beziehungen kann sich das sich entwickelnde Selbstbewusstsein nicht richtig entfalten.

Stress und negative Beziehungen verändern den Genausdruck und erzeugen eine Prädisposition für Immunschwäche und emotionales Leid. Durch Stressschäden am Mikrobiom werden chemische Verbindungen freigesetzt, die die Stimmung trüben und die Abwehrkräfte schwächen. Dies verstärkt das Stressempfinden zusätzlich, was das Mikrobiom noch mehr schädigt. Wir haben es mit einem riesigen negativen Interaktionskreislauf zu tun, der im Laufe der Zeit im Gehirn seine Spuren hinterlässt.

Emotionale Unterversorgung

Jeder Mensch braucht hochwertige emotionale Kontakte, und zwar jede Menge! Fast niemand bekommt auch nur annähernd genug davon. Die ersten Lebensjahre sind für die Entwicklung des Gehirns entscheidend, und um enge, liebevolle Bindungen aufbauen zu können, bedarf es einer einfühlsamen Mutter oder anderen Bezugsperson mit der Bereitschaft, bei schmerzhaften Gefühlen schnell zu trösten und positive Emotionen zu verstärken. Diese Art von Beziehung wird in Form einer inneren Selbststruktur und robuster neuraler Bahnen verinnerlicht, die es dem Kind im späteren Leben erlauben, seine Emotionen zu regulieren – sich selbst zu trösten, wenn es Leid erfährt, sich zu freuen, Zuwendung zu suchen, kreativ zu sein und die eigenen Talente und Fähigkeiten in einem sinnvollen Kontext zu entfalten.

Selbst als Erwachsene brauchen wir noch ein hohes Maß an positiven, liebevollen, unterstützenden Beziehungen aller Art – Freunde, Lebenspartner, Kollegen, Familie. Das Problem ist, das die meisten Menschen jede Menge emotionales »Junkfood« konsumieren – eine Art Hungerkur, die sie nur unzureichend mit emotionaler Nahrung versorgt. In der US-amerikanischen Gesellschaft werden persönliche Unabhängigkeit und das »robuste Individuum« zum Leitbild erhoben, was in der Übertreibung in die Isolation und Einsamkeit und zu einem massiven Defizit an nährenden Beziehungen führt. (In anderen Kulturen macht man den umgekehrten Fehler. Das dort herrschende Übermaß an Kontakt wird als erdrückend, verschlingend oder verstrickend empfunden, was ebenfalls einer optimalen Entwicklung im Wege steht.)

In unserer westlichen Welt sind uns die zwischenmenschlichen Bindungen, die wir für ein gesundes Gehirn und Selbst brauchen, mehr und mehr abhandengekommen. Der Anstieg der Scheidungsraten führt zum Zusammenbruch von Familienstrukturen. Wirtschaftskrisen erzeugen zusätzlichen Stress und ziehen einen vermehrten Missbrauch von Drogen und Alkohol nach sich. Und die in den vergangenen Jahrzehnten zu beobachtende explosionsartige Verbreitung von Mobiltelefonen und elektronischen Medien hat zu einer qualitativen Erosion der zwischenmenschlichen Kontakte geführt.

Es ist für sich eine seltene Gabe, einem Kind eine sensible, liebevolle, einfühlsame Mutter oder Bezugsperson zu sein. Rechnen wir finanzielle Sorgen, Beziehungsprobleme, Stress am Arbeitsplatz, Smartphones, Internet und soziale Medien hinzu, lässt sich kaum übersehen, wie abgelenkt viele Eltern heute sind.

In einer Studie hat sich gezeigt, dass Affenkinder, die von einer unkonzentrierten, gestressten Mutter aufgezogen werden, ein Leben lang unter Ängsten, hoher Stresshormonbelastung, Depressionsneigung und diversen gesundheitlichen Anfälligkeiten leiden, unter anderem für Herzkrankheiten und Krebs.[8] Dabei haben die Forscher in dieser Untersuchung noch nicht einmal die Auswirkungen von Smartphones und dem Internet mit einbezogen. Angesichts der extremen Sensibilität des menschlichen Gehirns für frühe soziale Interaktionen – wie könnten Kinder auf der Ebene ihres Gehirns und ihrer Selbststrukturen nicht in irgendeiner Weise beeinträchtigt sein, wenn sie von abgelenkten Bezugspersonen großgezogen werden?

Das Elterndasein und echte zwischenmenschliche Beziehungen leiden massiv an Handys, Computern, sozialen Medien und dem Internet. Die Restaurants sind voll von schweigenden Familien, weil alle auf ihr Smartphone starren, statt sich miteinander zu unterhalten. Laufend sieht man die herzzerreißende Szene, wie eine Mutter gebannt auf ihr Handy starrt und ihr Baby, das schreiend und mit ausgestreckten Ärmchen im Kinderwagen sitzt, keines Blickes würdigt. Tablets sind zu elektronischen Kindermädchen und Babysittern geworden. Zweijährige interagieren lieber mit einem iPad als mit echten Menschen. Wer dieses Verhalten auch noch fördert, bringt das Kind um das, was es am dringendsten braucht.

Untersuchungen zeigen, dass ein Drittel der Menschen, die einen Messengerdienst nutzen, lieber eine Textnachricht schreiben als mit einem realen Menschen zu sprechen. Die meisten Leute checken ihr Smartphone 150 Mal am Tag (einmal alle sechs Minuten). Jugendliche verbringen acht bis elf Stunden täglich vor dem Bildschirm. 90 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nehmen abends ihr Handy mit ins Bett. Das Suchtpotenzial von Videospielen und Smartphones wird von vielen auf eine Stufe mit dem von Heroin gestellt. Viele Jugendliche und junge Erwachsene scheinen eine intensivere Bindung zu ihrem Mobiltelefon als zu ihrer Familie zu haben.

Ersetzen Handys die persönliche Begegnung von Angesicht zu Angesicht, geht essenzielle emotionale Nahrung verloren. Eine Welt der virtuellen Beziehungen erzeugt ein virtuelles Selbstgefühl, das von dem geisterhaften Empfinden begleitet ist, nichts sei wirklich verlässlich und stabil.

»Screenagers« (eine Kombination aus Engl. screen für Bildschirm und Teenager), die acht bis elf Stunden täglich vor dem Bildschirm sitzen, erleiden einen kaum abzuschätzenden Schaden. Und wenn ein Zwei- oder Vierjähriger ein Tablet zum Babysitter hat, hat dies für die Stabilität seines Selbst noch weitreichendere Folgen.

Unser Selbstbild wird von der Qualität der frühen emotionalen Beziehungen bestimmt, die wir verinnerlicht haben. Emotionale Unterversorgung stellt es auf wackelige Füße – ein Problem, das umso größer wird, wenn dieser Zustand bis ins Jugend- oder gar Erwachsenenalter bestehen bleibt. Kommen dann noch Ernährungsfehler hinzu, entsteht ein angreifbares, instabiles Selbst, das hochanfällig gegenüber Stress, Ängsten, Depressionen und jeglichen Belastungen ist.

Mentale Neurotoxine

Menschen mit pessimistischer Grundeinstellung leiden an chronischem Stress, da sie sich stets für das Schlimmste rüsten. Sich Katastrophenszenarien auszumalen, löst Sorgen und lähmende Ängste aus, was zur Ausschüttung von Stresshormonen und einer erhöhten Entzündungsneigung führt – mit anderen Worten: Es produziert zusätzliche Neurotoxine. Optimisten leben 19 Prozent länger als Pessimisten.

Innere Selbstkritik ist eine Art Autoimmunerkrankung, deren Verbreitung epidemische Ausmaße angenommen hat. Greift sich das Selbst durch einen solchen negativen inneren Dialog aus sich heraus an, werden Stresshormone ausgeschüttet und Schamgefühle ausgelöst, die umso schwerer auszuhalten sind, da sie unser Selbstbild unmittelbar unterhöhlen und uns das Gefühl geben, unzulänglich, verkehrt in dieser Welt und nicht liebenswert zu sein.

Schamgefühle lösen Entzündungen aus.[33] Das »durchschnittliche« Gehirn von »normalen« heutigen US-Amerikanern ist in hohem Maße anfällig für solche Empfindungen. Das von einem angegriffenen Gehirn hervorgebrachte fragile Selbst zerfällt bei der kleinsten Herausforderung oder Bedrohung des Selbstwertgefühls (etwa, wenn wir uns selbst als »Versager« oder »Idiot« bezeichnen oder uns abgelehnt fühlen). Geschieht dies, entstehen Schamgefühle und infolgedessen Entzündungen.

Ein Mangel an geistiger Stimulation, tödlich langweilige Routine oder Überreizung und mentale Überforderung bringen allesamt das natürliche Wachstum des Gehirns zum Erlahmen, lassen es schrumpfen und erzeugen ein neurales Umfeld, das schnell in sich zusammenfällt.

Geistige Unterversorgung

Das Gehirn blüht auf, wenn es auf unterschiedlichste Weise angeregt wird. Kognitive Stimulation in der Schule, im Studium und im gesamten Erwachsenenleben ist von maßgeblicher Bedeutung für seine Entwicklung. Lebenslanges Lernen auch über die Schul- und Berufsausbildung hinaus ist entscheidend, um den Verlust kognitiver Fähigkeiten zu vermeiden und geistig fit zu bleiben. Computer und das Internet sind faszinierende Werkzeuge zur geistigen Stimulierung und machen uns auf Knopfdruck eine Fülle an Informationen zugänglich. Doch die Technologie ist ein zweischneidiges Schwert.

Ein Nachteil ist, dass die Aufmerksamkeitsspanne sich mit alarmierender Geschwindigkeit reduziert. Laut einer neueren Studie beträgt sie bei Erwachsenen gerade noch fünf Sekunden. Dies setzt eindeutig dem Maß an real erfassbaren Inhalten Grenzen. Und so hoch der Unterhaltungswert auch sein mag, ein allzu großer Teil der Bildschirmzeit wird auf Computerspiele, Filme und TV, Musik oder Sport verwendet – mentales »Junkfood« das das Gehirn mit leeren mentalen Kalorien abspeist und es mit einer fortwährenden Flut an Reizen in die Hyperaktivität treibt. Der mentale »Kater« äußert sich in einer müden, mentalen Dumpfheit, die mit zunehmendem Überreizungsgrad immer ausgeprägter wird.

Standardisierte Untersuchungen haben ergeben, dass sich die durchschnittlichen Resultate von College-Einstiegstests seit mehreren Jahrzehnten verschlechtern, wobei in den letzten fünf Jahren jeweils neue Negativrekorde geschrieben wurden. Das Gehirnschwächesyndrom WBS (von Engl. Weakened Brain Syndrome) äußert sich auf vielfältige Weise, und eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit ist nur eines der Symptome.

Spirituelle Neurotoxine

Spirituelle Neurotoxine gehen etwa von mit Angst oder Scham befrachteten Glaubenssystemen aus, die jedem mit ewiger Verdammnis drohen, der nicht perfekt ist oder nach einem strikten Verhaltenskodex lebt. Auch ein Mangel an Sinnhaftigkeit ist zu nennen, der zu ähnlichen Veränderungen im Genausdruck und der Ausschüttung von Stresshormonen führt wie chronisches Unglücklichsein.[34] Ein Gefühl von Sinnhaftigkeit kann in seiner spirituellen Bedeutung kaum überbewertet werden, denn es wirkt neuroprotektiv, schützt also die Nervenzellen und Nervenfasern. Wer in dem, was geschieht, einen Sinn erkennt, kann selbst das größte Leid ertragen, wie Viktor Frankl in seinem Klassiker Der Mensch auf der Suche nach Sinn nachgewiesen hat.[35]

Spirituelle Unterversorgung

Der Bedeutungsverlust der organisierten Religionen in der westlichen Welt zieht zweierlei Reaktionsmöglichkeiten nach sich. Einerseits kommt es bei manchen Menschen zu einem inneren Erwachen, das sie zu Suchenden macht, die sich für die Weisheit unterschiedlicher spiritueller Traditionen öffnen. Andererseits verlieren viele in der zunehmend säkularisierten Welt die Spiritualität komplett aus dem Blick. Sie eignen sich eine absolut materialistische Weltsicht ohne jeden tiefergehenden Halt an, was sie in eine existenzielle oder spirituelle Leere führt. So verlieren sie den Anker und machen die Welt da draußen zum Maß aller Dinge – eine Orientierung an äußerlichen Oberflächlichkeiten, die zutiefst verstörend wirkt, denn die Außenwelt ist ein unablässig im Fluss und in Bewegung befindliches Feld, in der man keinen Frieden finden kann. Frieden findet man nur im Inneren. Wenn sich der Fokus aber nur nach außen richtet und das Leben zu einer einzigen äußerlichen Ablenkung wird, wird die notwendige Reise nach innen nie angetreten.

Obwohl es manchen auch ohne ausgesprochene spirituelle Orientierung gelingt, ein Gefühl von Sinnhaftigkeit aus ihrem Leben zu beziehen, verlieren viele durch eine solche spirituelle Leere ihren Halt. Wer sich in einem Universum ohne Sinn und tiefere Bedeutung verliert, für den wird Selbstbelohnung zum wesentlichen Lebensimpuls. Sensorische Freuden bieten dann die einzige Entlastung von dem Stress, den Existenzängsten und Sorgen, die das Leben überschatten. Dies führt in eine spirituelle Anomie, in der die laufenden Belastungen angesichts einer fehlenden Erneuerung durch inneren Frieden, Liebe und Freude das Gehirn und Immunsystem schwächen und die Tür zu Verzweiflung, Existenzängsten, Süchten und anderen psychischen Störungen öffnen können.

EIN GIGANTISCHER NEUROTOXINENSTURM

Machen wir uns nichts vor: Das Gehirn wird an verschiedenen Fronten angegriffen.

Nie zuvor in der Evolutionsgeschichte war das Gehirn einer derart extremen Belastung mit Neurotoxinen ausgesetzt. Just in einer Zeit, in der es die schützende Blut-Hirn-Schranke mehr denn je braucht, ist es durch die Schwächung der dichten Verbindungen, die hinter dem Leaky-Gut- und Leaky-Brain-Syndrom steht, empfindlicher und durchlässiger denn je.

Ein einzelnes Neurotoxin ist schlimm genug. Eine ganze Mixtur von physischen Neurotoxinen kann im Gehirn regelrechte Verwüstungen anrichten, und zwar insbesondere in dem in Entwicklung befindlichen Gehirn eines Kindes. Kommen emotionale und andere Neurotoxine hinzu, entsteht ein hochgiftiges Gebräu. Und kombinieren wir dies mit einer Unterversorgung auf allen Ebenen, insbesondere der physischen durch falsche Ernährung und der emotionalen durch einen Mangel an Zuwendung und Kontakt, wird deutlich, wie geschwächt und zunehmend schutzlos das Gehirn gegenüber der neurotoxischen Umwelt ist.

Hinzu kommt, dass die meisten Menschen sich noch nicht einmal bewusst sind, wie geschwächt und angegriffen ihr Gehirn ist. Viele Alzheimerpatienten etwa sind sich ihrer kognitiven Beeinträchtigung gar nicht bewusst, da ausgerechnet das Organ, das es ihnen erlauben würde, das Problem als solches zu erkennen, nicht richtig funktioniert. Ähnlich ist es bei einer Schwächung des Gehirns. Da die Leistung nur langsam nachlässt, empfindet man die schwindende geistige Präsenz als normal und meint, alles sei im grünen Bereich. Erst rückblickend, wenn das Gehirn wieder auf höherem Niveau zu funktionieren beginnt, erkennt man, wie beeinträchtigt man war.

Vergessen wir nicht, dass im Blut von 93 Prozent aller US-Amerikaner Glyphosat nachgewiesen wurde. 93 Prozent der Bevölkerung sind also zu einem gewissen Grad vom Leaky-Brain-Syndrom bzw. toxischen Gehirn betroffen. Und wir reden hier nur von einem von Hunderten von Neurotoxinen. Multiplizieren wir die Zahl mit irgendeinem Faktor (10, 20, 100 – wir wissen noch nicht einmal, wie viele es sind), bekommen wir eine Vorstellung vom Zustand des heutigen Durchschnittsgehirns – geschwächt, vergiftet, beschädigt.

So gut wie jeder leidet zu einem gewissen Grad an einer Verminderung der Gehirnfunktionen, doch nur die wenigsten sind sich dessen bewusst. Erst wenn es zu Symptomen wie Ängsten, Depressionen oder einer Einbuße an kognitiven Fähigkeiten kommt, merkt man, dass etwas nicht stimmt.

Neurotoxizität und Mangelernährung belasten junge Menschen in ganz besonderem Maße. Wenn sich die Strukturen der Emotionsregulation nicht optimal ausbilden können, schnellen die Fälle von Ängsten und Depressionen rasant in die Höhe. Am anderen Ende des Altersspektrums bekommen Senioren die Folgen in Form von Gedächtnisproblemen und einem vorzeitigen kognitiven Leistungsabbau zu spüren.

Ein gigantischer Neurotoxinensturm trifft ungebremst auf die früh einsetzende, kontinuierliche und alle Ebenen umfassende Unterversorgung.

Um uns plastisch vorzustellen, welche Verheerungen dieser Sturm mit seinen vielen beweglichen Teilchen bewirkt, brauchen wir uns nur vor Augen zu führen, welche Spuren allein die Störung der frühkindlichen Bindungen im Gehirn hinterlässt. Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir, dass Schwierigkeiten in diesem Bereich den Aufbau starker Emotionsregulationsstrukturen beeinträchtigen. Fehlen diese, werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, die die Entwicklung des Gehirns behindern. Außerdem vernichten Stresshormone der Gruppe der Glucocorticoide wie Cortisol massenweise nützliche Bakterien in der Darmflora, sodass es zu einer Überwucherung mit schädlichen Bakterien und einer Beeinträchtigung der dichten Verbindungen kommt, die ein Eindringen von schädlichen Substanzen eigentlich verhindern sollten.

Nehmen wir an, nun kommen noch ein paar Zyklen Antibiotika und eine Ernährung hinzu, die mit Glyphosat, Phthalaten und anderen Neurotoxinen belastet ist, die die Darmschleimhaut und Blut-Hirn-Schranke noch weitaus mehr schädigen. Was eigentlich eine schützende Barriere sein sollte, wird zum Sieb. Das Gehirn gerät mehr und mehr aus der Balance, während eine ständig wachsende Zahl an Toxinen einströmt, die hochsensiblen Neuronen und das Mikrobiom schädigt und den Hormon- und Neurotransmitterhaushalt aus dem Gleichgewicht bringt. Die Emotionsregulation erodiert weiter, was es noch schwieriger macht, gesunde Beziehungen aufzubauen, was wiederum zur Ausschüttung von Stresshormonen führt, Ängste schürt und andere Symptome auslöst, und so geht es ständig weiter abwärts.

Ängste, Depressionen und Negativität sind natürliche Gefühle, die entstehen, wenn das Gehirn täglich permanent angegriffen wird. Wie könnte ein derart attackierter Mensch nicht den Eindruck haben, die Welt sei ein gefährlicher, düsterer Ort, an dem man nur unter Mühen überleben kann? Das Gehirn spürt, dass es da draußen etwas gibt, das furchtbar schiefläuft oder gefährlich ist, bloß weiß es nicht, was.

Kann eine Bedrohung nicht klar identifiziert werden, wird die Gefahr global, oder das Gehirn fixiert sich auf etwas, irgendetwas, um sich diese Gefühle erklären zu können. Echte Gefahren werden aufgebauscht, und das Gehirn schaltet in den akuten, hyperwachsamen Alarmzustand um. Die Welt erscheint gefährlich, weil das Gehirn unter Beschuss steht. Erst wenn es genesen ist und in seine Kraft zurückgefunden hat, kann die Welt wieder zu einem sicheren Ort werden.

Das emotionale Leid, das hierdurch entsteht, kann entweder als psychisches Problem zutage treten, das der Therapie bedarf, oder als biologische Krankheit, die mit Medikamenten zu behandeln ist.

Es ist nicht nur ein doppeltes Unglück, es ist doppeltes Unglück mal zwei: Physische Neurotoxine plus psychische Neurotoxine plus physische Ernährungsmängel plus emotionale Unterversorgung – ein vierfaches Unglück also, dass in einer Teufelsspirale in den Abgrund führt.

Der Raubbau am Gehirn zieht sämtliche Aspekte des Lebens in Mitleidenschaft. Die Emotionsregulation, eine zentrale Funktion des Gehirns, verabschiedet sich oft als Erste. Kein Wunder, dass wir es mit einer Epidemie zu tun haben. Das Gehirn erzeugt all diese Symptome, um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen. Es ist seine Art, uns zu sagen: »Da stimmt was nicht! Pass auf! Etwas läuft ganz furchtbar schief!«

WARUM MEDIKAMENTE NUR SELTEN DIE LÖSUNG SIND