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Salafismus und Dschihadismus stehen im Mittelpunkt innerdeutscher Sicherheitsdiskussionen. Die salafistische Missionierung ist erfolgreich wie nie zuvor, und der Dschihad in Afghanistan oder Syrien zieht die Islamisten aus Deutschland an. Der vorliegende Sammelband beleuchtet aus unterschiedlichen Perspektiven die derzeit virulenten Phänomene des Salafismus und Dschihadismus. Weder soll damit plakativ eine Nähe von Islam und Gewalt, Religion und Terror behauptet noch eine solche pauschal geleugnet werden. Vielmehr wird mit sozialwissenschaftlichen Methoden erklärt, ob und unter welchen Bedingungen eine solche gefährliche Nähe zustande kommt, welche Akteure sie suchen, instrumentalisieren oder sie zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden lassen. Zu diesem Zweck entwickeln die Autoren innovative Analysekonzepte: Unter anderem werden ein Prozess der Co-Radikalisierung und ein attitüdenbasierter Ansatz zur Untersuchung salafistischer Netzwerke beschrieben. Der Band leistet einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Diskussion, indem er die gefährliche potentielle Nähe von Islam und Gewalt nicht etwa als soziales Faktum präsentiert, sondern als beeinflussbare Größe beschreibt und verständlich macht.
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Seitenzahl: 485
ibidem-Verlag, Stuttgart
Wie bereits frühere Fälle der Regimetransformation zeigen auch die Umwälzungen in der arabischen Staatenwelt, wie wenig die modernen Sozialwissenschaften befähigt sind, zuverlässige Prognosen über Umstürze oder grundlegende Veränderungen und ihre Folgen zu liefern. Das gilt nicht nur für den gefeierten „Arabischen Frühling“, der längst winterliche Züge trägt, sondern vor allem für die politische Landschaft im postrevolutionären Ägypten, in Tunesien oder in Syrien. Nur wenige Beobachter hatten dort eine politische Kraft auf der Rechnung, die von Ränke schmiedenden Autokraten und allgegenwärtigen Geheimdiensten lange als apolitisches Gegengewicht zum (militanten) Islamismus gefördert wurde: Die Salafisten, für deren verstorbene Galionsfigur Nasir al-Din al-Albani „die beste Politik“ noch darin bestand, sie sein zu lassen.[1]Dennoch wurde gut ein Jahrzehnt nach seinem Ableben die salafistische „Partei des Lichts“(Hizb al-Nur)ins ägyptische Parlament gewählt. In Nordafrika sollten die Dschihad propagierenden „Unterstützer der Scharia“(Ansar al-Scharia)aufkommen, während sich in Syrien eine heterogene Front dschihadistischer Akteure mit ganz unterschiedlichem Tiefgang auf ideologische Bausteine salafistischer Lesart beruft.[2]Selbst in Deutschland laufen inzwischen bärtige junge Männer mit knöchelfreiem Beinkleid und – immer häufiger – deutschen Namen Sturm gegen die Schmähung ihres Propheten Muhammad, wenn rechtspopulistische Gruppierungen mit Provokationen auf sich aufmerksam machen wollen – eine Entwicklung, die die Politik zum Anlass nahm, eine erst kürzlich identifizierte religiöse Gemeinschaft von Salafisten als besonders gefährlich zu etikettieren.
Der unter Wissenschaftlern uneinheitlich verstandene und von denen, die sich auf dem Weg der „frommen Vorfahren“(al-salaf al-salih)wähnen, abgelehnte Salafismusbegriff ist als Aufhänger für ideologisierte Debatten bestens geeignet. Bislang dominiert auf der diagnostischen Ebene eine Tendenz, sich der Komplexität des Phänomens durch Generalisierung zu entziehen. Die Problemanalyse geht auf der „therapeutischen“ Ebene mit einem Lösungsansatz einher, der den Gefahren des Dschihadismus und Terrorismus durch eine „klare Kante“ gegen „salafistische Bestrebungen“ begegnen will.[3]Kaum Beachtung findet demgegenüber eine konflikttheoretische Perspektive, die die Existenz salafistischer und islam(ist)ischer Bewegungen in Deutschland als Herausforderung sieht, sich als pluralistische, von Diversität geprägte Gesellschaft in Anbetracht weltpolitischer Umbrüche und sozialen Wandels über gemeinsame Werte und Normen auszutauschen und zu verständigen.[4]Der Perspektivenwechsel soll nicht geschehen, um vorhandene Probleme kleinzureden, sondern um diese nicht noch größer als bisher werden zu lassen und damit dem nachzukommen, was moderne Gesellschaften auszeichnet: eine Fähigkeit zur Konfliktregulierung und -transformation, die sie bei neuen sozialen Phänomenen auch neu unter Beweis zu stellen hat.
Dass im Titel des Sammelbandes eine religiöse Strömung mit Radikalisierung bzw. „Dschihadisierung“ in Verbindung gebracht wird, hätte noch vor wenigen Jahren kritische Fragen darüber gerechtfertigt, ob hier nicht eine Kategorie konstruiert und vorschnell mit der Frage politischer Gewalt korreliert wird. Heute aber ist die Situation längst eine andere: In verschiedenen und viel zitierten Varianten kursiert eine Formel, nach der zwar nicht jeder Salafist ein (islamistischer) Terrorist sei, aber alle (islamistischen) Terroristen Kontakt zu Salafisten hätten oder Salafisten seien. Angereichert wird diese Wendung zumeist mit sicherheitsbehördlichen Erkenntnissen, die in Form von Verfassungsschutzberichten, durchgesickerten oder frei zugänglichen Einschätzungen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Auch zivilgesellschaftliche Akteure verschreiben sich dem Thema, warnen vor Salafisten und ihrer Gefahr für die Demokratie oder für das friedliche Zusammenleben. Medien greifen die Problematik dann oft anlassbezogen auf und verweisen auf das Treiben salafistischer „Hassprediger“. Die öffentliche und akademische Diskussion ist somit von der Gefahrenperspektive auf ein Phänomen geprägt, das zumeist ohne fundierte empirische Grundlage als „Nährboden der Radikalisierung“ oder „Einstiegsdroge“ in den islamistischen Terrorismus verstanden wird.
Die steile Karriere des Salafismusbegriffes macht nur wenige Beobachter der Szene skeptisch. Einer von ihnen ist der Islamismusexperte Yassin Musharbash. In seiner auch öffentlich geäußerten Zurückhaltung, sich in alarmistischer Weise über Salafismus auszulassen,[5]ist eine wissenschaftlich gebotene Grundhaltung zu erkennen, welche sich eher fragend als allwissend gibt und sich in einer Frage widerspiegelt, die unlängst in Buchform gegossen wurde: „Salafisten: Bedrohung für Deutschland?“[6]Aus Sicht der Herausgeber ist die vorschnell versicherheitlichte Frage mit „Ja“ zu beantworten. Denn je mehr „der“ Salafismus mit dem islamistischen Terrorismus in Verbindung gebracht wird, desto mehr rückt das Phänomen in den Vordergrund der sicherheitspolitischen Kontroversen, was zusätzliche, über die eigentliche Gefahrendimension hinausgehende, unbedachte Risiken mit sich bringt. Einerseits wird damit die vereinfachte Vorstellung von einem salafistischen Kollektivakteur transportiert, die der Komplexität des zugrunde liegenden Phänomens nicht gerecht wird (s. u.). Andererseits erscheint die Unterscheidung von Gewalt befürwortenden und moderateren bzw. Gewalt ablehnenden Salafisten angesichts des beschworenen salafistischen Bedrohungsszenarios nachrangig. Die vermutete Nähe von Salafismus und Dschihadismus wird somit auch zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung.[7]
Auf den ersten Blick ist die politische, mediale und zunehmend auch akademische Konjunktur des Salafismusthemas im Kontext des Dschihadismus bzw. Terrorismus verständlich, denn das öffentliche Interesse, Antworten auf brennende Frage zu erhalten, wird immer größer.Warum gibt es so viele junge Deutsche mit unterschiedlichen biografischen Hintergründen, die in steigender Zahl mit islamistischen Gewaltgruppen kokettieren oder sich für den Dschihad engagieren, wobei sie andere zu Tode bringen, selbst zu Tode kommen oder nach ihrer Rückkehr eine schwer einschätzbare Gefahr darstellen? Tatsächlich zeigt sich, dass die Übergänge zwischen dem geforderten „Prakt
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