Gefährlicher Verführer - Christine Feehan - E-Book

Gefährlicher Verführer E-Book

Christine Feehan

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Beschreibung

Seine Nähe ist gefährlich, doch sie hat keine Wahl ...

Als sie Darius das erste Mal begegnet, spürt Tempest eine bislang ungekannte gefährliche Faszination. Der besitzergreifende Blick seiner dunklen Augen, der grausame Zug um seinen sinnlichen Mund und die verführerische Entschlossenheit seiner Stimme betören sie auf merkwürdige Weise. Tempest ahnt die Gefahr, doch sie kann ihr nicht widerstehen.

Dunkel, gefährlich und extrem heiß - Gefährlicher Verführer ist der sechste Band der umfangreichen NEW YORK TIMES und SPIEGEL-Bestsellerserie Die Karpatianer.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Seine Nähe ist gefährlich, doch sie hat keine Wahl …

Als sie Darius das erste Mal begegnet, spürt Tempest eine bislang ungekannte gefährliche Faszination. Der besitzergreifende Blick seiner dunklen Augen, der grausame Zug um seinen sinnlichen Mund und die verführerische Entschlossenheit seiner Stimme betören sie auf merkwürdige Weise. Tempest ahnt die Gefahr, doch sie kann ihr nicht widerstehen.

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CHRISTINE FEEHAN

GefährlicherVerführer

Aus dem amerikanischen Englischvon Katja Thomsen

Kapitel 1

Als er sie zum ersten Mal sah, kroch sie gerade unter dem riesigen Tourbus der Band hervor, bewaffnet mit Taschenlampe und Schraubenschlüssel. Sie sah in der ausgebeulten Latzhose und mit dem roten, golden schimmernden Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war, so zierlich aus, dass er sie zuerst für einen Teenager hielt. Ihr Gesicht war mit Schmutz und Motoröl verschmiert. Doch dann drehte sie sich zur Seite, und er sah die hohen, festen Brüste, die sich unter dem dünnen Baumwoll-T-Shirt abzeichneten, das sie unter der Latzhose trug.

Darius betrachtete sie fasziniert. Selbst in der Dunkelheit leuchtete ihr rotes Haar wie eine Flamme. Die Tatsache, dass er es überhaupt sehen konnte, erstaunte ihn zutiefst. Er war ein unsterblicher Karpatianer, dunkel und von Raubtierinstinkten geprägt, und hatte schon seit vielen Jahrhunderten keine Farben mehr gesehen. Seiner jüngeren Schwester Desari hatte Darius diese Entwicklung verschwiegen, wie auch den Umstand, dass er keinerlei Gefühle mehr empfand. Desari war freundlich und voller Mitgefühl und verkörperte seit ewigen Zeiten das Gute – wie alle Karpatianerinnen. Sie war das genaue Gegenteil von ihm. Desari verließ sich auf ihn, ebenso wie die anderen Mitglieder der Gruppe, also wollte Darius sie nicht mit dem Wissen belasten, dass er bereits nahe daran war, entweder der Dämmerung entgegenzusehen – und damit sein Leben in den ersten Sonnenstrahlen zu beenden – oder seine Seele zu verlieren und zum Vampir zu werden. Dann wäre er nicht länger unsterblich, sondern untot.

Dass diese zierliche, fremde Frau in der viel zu weiten Latzhose seine Aufmerksamkeit erregt hatte, schockierte Darius. Ihr Anblick, ihre Bewegungen und ein gewisser Hüftschwung erweckten seine Leidenschaft. Darius atmete tief durch und folgte der jungen Frau, die um den Tourbus herumging und aus seinem Blickfeld verschwand.

»Du musst doch müde sein, Rusti. Schließlich hast du den ganzen Tag gearbeitet!«, rief Desari.

Darius konnte seine Schwester zwar nicht sehen, hörte jedoch wie immer deutlich Desaris Stimme, deren melodischer Klang kein Lebewesen unberührt ließ.

»Nimm dir etwas Saft aus dem Kühlschrank und ruh dich aus. Du kannst unmöglich alles an einem Tag reparieren«, fuhr sie fort.

»Ich brauche nur noch ein paar Stunden, dann läuft alles wieder wie geschmiert«, antwortete die rothaarige Frau. Ihre sanfte, rauchige Stimme berührte Darius tief in seiner Seele und brachte gleichzeitig das Blut in seinen Adern zum Kochen. Er stand ganz still da und konzentrierte sich auf die ungewohnten Empfindungen.

»Ich bestehe darauf, Rusti«, sagte Desari sanft.

Darius kannte diesen Tonfall genau, der dafür sorgte, dass seine Schwester immer ihren Willen durchsetzen konnte. »Bitte. Der Job als Mechanikerin ist dir sicher. Es ist mehr als offensichtlich, dass du genau weißt, was du tust. Also kannst du jetzt wirklich Feierabend machen. Wenn du so hart arbeitest, komme ich mir wie ein Sklaventreiber vor.«

Langsam schlenderte Darius um den Tourbus herum und auf die zierliche, rothaarige Frau und seine Schwester zu. Neben der großen, schlanken, eleganten Desari wirkte diese zarte Mechanikerin wie ein Teenager, und doch konnte er seine Augen nicht von ihr wenden. Ihr leises Lachen steigerte sein Verlangen. Selbst aus der Entfernung erkannte er ihre großen grünen Augen, die von dichten, dunklen Wimpern umrahmt waren, ihre perfekt geschnittenen Züge mit den hohen Wangenknochen und vollen, sinnlich geschwungenen Lippen, die wie für leidenschaftliche Küsse geschaffen zu sein schienen.

Ehe Darius jedoch ihre Antwort hören konnte, verschwand sie wieder und ging mit Desari um das Heck des Wohnmobils herum zur Hintertür. Darius stand einfach wie erstarrt in der Dunkelheit. Die Geschöpfe der Nacht erwachten allmählich. Darius ließ den Blick über den Zeltplatz wandern und staunte über die vielen Farben um sich herum. Leuchtendes Grün, Gelb und Blau. Er sah die silberne Lackierung des Busses und den blauen Schriftzug auf der Seite. Der kleine Sportwagen, der neben dem Bus parkte, war feuerrot. Die schnittigen Motorräder, die am Heck des Busses befestigt waren, schimmerten gelb. Die Blätter an den Bäumen waren hellgrün mit dunkleren Adern.

Darius atmete tief ein, um die Witterung der Fremden in sich aufzunehmen, damit er sie überall finden konnte, selbst inmitten einer Menschenmenge. Seltsamerweise gab sie ihm das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Zwar hatte er sie noch nicht einmal kennen gelernt, doch allein das Wissen, dass es sie gab, schien die Welt völlig zu verändern. Nein, Darius hatte seiner Schwester nie anvertraut, wie trostlos und einsam sein Leben geworden war und in welcher schrecklichen Gefahr er schwebte, aber als er die rothaarige Fremde betrachtet hatte, war sein Blick glühend und Besitz ergreifend gewesen, während in seinem Innern das Raubtier erwachte.

Desari kam allein zurück. »Darius, ich wusste gar nicht, dass du schon auf bist. Du benimmst dich in letzter Zeit so geheimnisvoll.« Aus ihren großen, dunklen Augen musterte sie ihn misstrauisch. »Was ist denn? Du wirkst so …« Sie zögerte. Gefährlich. Das ungesagte Wort schien zwischen ihnen in der Luft zu schimmern.

Er deutete mit einem Kopfnicken auf den Tourbus. »Wer ist sie?«

Sein Tonfall jagte Desari einen eiskalten Schauer über den Rücken, sodass sie sich die Arme rieb, um sich aufzuwärmen. »Wir sprachen doch darüber, dass wir einen Mechaniker brauchen, der mit uns reist und die Autos in Schuss hält. Ich habe eine Anzeige in die Zeitung gesetzt und sie mit einem speziellen Zauber versehen. Du hast deine Zustimmung gegeben, Darius. Wenn wir jemanden finden, mit dem die Katzen auskommen, ist es in Ordnung. Und heute Morgen tauchte Rusti auf. Ich war gerade mit den Katzen draußen, und sie schienen nichts gegen die Frau einzuwenden zu haben.«

»Wie kommt es, dass sie unser Camp erreichen und die Schutzzauber überwinden konnte, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass wir bei Tageslicht in Sicherheit sind?«, fragte Darius leise, jedoch mit einem drohenden Unterton in der Stimme.

»Ich weiß es wirklich nicht, Darius. Ich habe sie telepathisch überprüft, konnte jedoch keinerlei Hintergedanken finden. Allerdings scheinen ihre Denkstrukturen von denen der anderen Sterblichen abzuweichen. Dennoch konnte ich nichts anderes in ihren Gedanken lesen, als dass sie dringend Arbeit braucht.«

»Sie ist eine Sterbliche«, beharrte Darius.

»Ich weiß«, antwortete Desari gereizt, die sich der Kritik ihres Bruders durchaus bewusst war. »Aber sie hat keine Familie und hat mir versichert, dass auch sie sehr viel Wert auf ihre Privatsphäre legt. Es wird ihr bestimmt nichts ausmachen, wenn wir tagsüber nicht da sind. Ich habe ihr erklärt, dass wir bei Tag schlafen, weil wir nachts arbeiten und reisen. Sie schien nichts dagegen zu haben. Und wir brauchen sie wirklich, damit sie sich um unsere Autos kümmert. Du weißt, dass es so ist. Ohne die Fahrzeuge können wir den Anschein der Normalität nicht aufrechterhalten. Außerdem wird es uns nicht schwer fallen, eine Sterbliche zu kontrollieren.«

»Wenn du sie in den Bus gebracht hast, Desari, warum sind dann die Katzen jetzt nicht bei dir?«, wollte Darius wissen, dessen Herz plötzlich schneller klopfte.

»Mein Gott!« Desari erbleichte. »Wie konnte ich nur einen solchen Fehler begehen?« Erschrocken rannte sie auf die Tür des Wohnmobils zu.

Doch Darius kam ihr zuvor, riss die Tür auf und stürzte kampfbereit ins Innere, um im Zweifelsfall die beiden Leoparden der Truppe davon abzuhalten, der zierlichen Frau etwas anzutun. Doch dann blieb er wie angewurzelt stehen. Die rothaarige Frau hatte sich auf die Couch gesetzt, einen Leoparden auf jeder Seite. Im Vergleich zu ihrem zarten Körper wirkten die Raubkatzen riesig, schmiegten sich jedoch zutraulich an ihre Hände und versuchten, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Als der fremde Mann in den Bus stürmte, sprang Tempest »Rusti« Trine hastig auf. Er sah wild und gefährlich aus. Alles an ihm drückte Macht und Autorität aus. Er war so geschmeidig und muskulös wie die Raubkatzen, und sein langes, dunkles Haar wirkte zerzaust und ungebändigt. Seine Augen, schwarz wie die Nacht, waren groß und faszinierend, und auch sein durchdringender Blick glich dem der beiden Leoparden. Tempests Herz begann, schneller zu klopfen.

»Es tut mir Leid. Desari sagte, ich könne mich hier aufhalten«, bemerkte sie beruhigend, während sie versuchte, sich von den Katzen zu entfernen, die sich immer wieder an sie schmiegten. Allerdings vermied sie es, sich von ihnen die Hände lecken zu lassen, da die rauen Zungen der Katzen ihr sicher die Haut abgeschürft hätten.

Desari drängte sich an dem großen Mann vorbei und blieb dann stehen, die Augen vor Schreck geweitet. »Zum Glück geht es dir gut, Rusti. Ich hätte dich niemals in den Bus geschickt, wenn ich mich an die Katzen erinnert hätte.«

Das hättest du nicht vergessen dürfen. Auf telepathischem Weg wies Darius seine Schwester scharf zurecht. Desari verzog das Gesicht, protestierte jedoch nicht, denn sie wusste, dass ihr Bruder Recht hatte.

»Aber sie sind doch ganz zahm«, wandte Rusti zögernd ein und strich den beiden gefleckten Katzen dabei zärtlich über den Kopf. Ihre Hände zitterten leicht und verrieten ihre Nervosität. Sie fürchtete sich vor dem Mann, nicht vor den Leoparden.

Langsam richtete sich Darius zu voller Größe auf. Seine breiten Schultern schienen den gesamten Bus auszufüllen, und er wirkte so einschüchternd, dass Rusti tatsächlich ein wenig zurückwich. Sein Blick schien bis tief in ihre Seele vorzudringen. »Nein, sie sind nicht zahm. Es sind wilde Tiere, die keinen engen Kontakt zu Menschen dulden.«

»Wirklich?« Übermut funkelte in den grünen Augen der jungen Frau, während sie den größeren der beiden Leoparden beiseite schob. »Das hatte ich nicht bemerkt. Entschuldigung.« Allerdings klang ihre Stimme nicht im Mindesten reumütig, sondern sie schien sich über ihn lustig zu machen.

Auf wundersame Weise wusste Darius ohne den Schatten eines Zweifels, dass das Leben dieser Frau bis in alle Ewigkeit mit seinem verbunden sein würde. Er hatte das gefunden, was Desaris neuer Partner Julian Savage eine Gefährtin nannte. Darius ließ es zu, dass sich seine brennende Sehnsucht nach dieser Frau einen Augenblick lang in seinen Augen spiegelte, und bemerkte zufrieden, dass sie abermals vor ihm zurückwich. »Sie sind nicht zahm«, wiederholte er. »Sie könnten jeden Eindringling mühelos in Stücke reißen. Wie kommt es, dass Sie so sicher mit ihnen umgehen können?«, fragte er. Seine Stimme klang tief und beschwörend, und sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er an unbedingten Gehorsam gewöhnt war.

Nervös biss sich Rusti auf die Unterlippe, hob jedoch trotzig das Kinn. »Hören Sie, wenn Sie nicht wollen, dass ich hier bleibe, ist das kein Problem. Schließlich haben wir noch keinen Vertrag unterschrieben. Ich hole einfach mein Werkzeug und verschwinde.« Sie machte einen Schritt auf die Tür zu, doch der große, dunkelhaarige Mann versperrte ihr den Weg. Schnell warf sie einen Blick über die Schulter und überlegte, ob sie es wohl bis zur Hintertür schaffen würde, ehe er sich auf sie stürzte. Rusti hegte die finstere Ahnung, dass ihre Flucht seine Raubtierinstinkte wecken würde.

»Darius«, protestierte Desari sanft und legte ihrem Bruder beruhigend die Hand auf den Arm.

Er wandte sich nicht einmal um, sondern ließ den Blick weiter auf Rustis Gesicht ruhen. »Lass uns allein«, befahl er seiner Schwester mit leiser, drohender Stimme. Selbst die Raubkatzen wurden unruhig und drängten sich dicht an die rothaarige Frau, deren grüne Augen wie Juwelen funkelten.

Dieser Mann, der Darius hieß, jagte Rusti mehr Angst ein als alle anderen Männer, die sie je getroffen hatte. In seinen Augen funkelten Wildheit und Leidenschaft, und um seine sinnlichen Lippen spielte ein grausamer Zug. In ihm schien ein Feuer zu lodern, dass sie nie zuvor erlebt hatte. Hilflos musste sie mit ansehen, wie Desari, ihre einzige Verbündete, zögernd der Anweisung ihres Bruders folgte und den luxuriösen Tourbus verließ.

»Ich habe Sie etwas gefragt«, sagte Darius leise.

Seine Stimme verursachte ein eigenartiges Kribbeln in ihrem Bauch. Sie war wie eine Waffe aus schwarzem Samt, das Werkzeug eines Zauberers, mit dem er ein eigenartiges Feuer in ihrem Innern zu entfachen schien. Rusti spürte, wie sie errötete. »Gehorchen normalerweise alle Ihren Befehlen?«

Er wartete, regungslos wie ein Leopard auf der Jagd, den Blick seiner schwarzen Augen unverwandt auf ihr Gesicht gerichtet. Rusti verspürte plötzlich den eigenartigen Zwang, ihm zu antworten und die Wahrheit zu offenbaren. Das Bedürfnis verwirrte sie so sehr, dass sie sich verzweifelt die Schläfen rieb. Dann schüttelte sie seufzend den Kopf und bemühte sich sogar zu lächeln. »Hören Sie, ich weiß nicht genau, wer Sie sind, außer dass Sie offensichtlich Desaris Bruder sind, aber wir machen beide einen Fehler, glaube ich. Ich habe die Anzeige gesehen, in der Sie nach einem Automechaniker suchten, und nahm an, dass mir dieser Job gefallen würde. Ich wäre gern mit Ihrer Band durchs Land gezogen.« Sie zuckte gleichmütig die Schultern. »Aber das macht nichts. Ich kann mir auch ebenso gut einen anderen Job suchen.«

Darius studierte ihr Gesicht. Sie log ihn an. Sie brauchte diesen Job. Sie hatte Hunger, war jedoch zu stolz, um sich etwas anmerken zu lassen. Zwar verstand sie es, ihre Verzweiflung zu verbergen, aber sie brauchte dringend Arbeit. Und doch erwiderten ihre grünen Augen unverwandt seinen Blick, und ihre gesamte Haltung drückte trotzigen Widerstand aus.

Darius bewegte sich so schnell auf sie zu, dass Rusti keine Chance hatte zu fliehen. Deutlich hörte er ihren schnellen Herzschlag, das Rauschen ihres Blutes, ihrer Lebensessenz in den Adern. Er betrachtete ihren zarten Hals, in dem ihr Puls so heftig klopfte. »Ich glaube, dieser Job ist genau das Richtige für Sie. Wie ist Ihr wirklicher Name?«

Er war ihr viel zu nahe, viel zu groß, zu einschüchternd und kräftig. Aus der Nähe fühlte Rusti seine geradezu magnetische Anziehungskraft. Zwar berührte er sie nicht, und doch konnte sie deutlich die Wärme seiner Haut an ihrer spüren. Plötzlich verspürte sie den dringenden Impuls, so schnell und so weit wie möglich davonzulaufen.

»Alle nennen mich Rusti.« Selbst in ihren Ohren klang ihre Stimme trotzig.

Darius wusste, wie sehr sie sich vor ihm fürchtete – das zeigte ihr sein überlegenes Lächeln. Doch das Lächeln erwärmte den eisigen Blick seiner schwarzen Augen nicht. Langsam neigte er den Kopf zu ihr herunter, bis sie seinen Atem an ihrem Hals spürte. Rusti war alarmiert, und jede Zelle ihres Körpers schien ihr eine Warnung zurufen zu wollen.

»Ich habe dich nach deinem Namen gefragt«, flüsterte er an ihrem Hals.

Rusti atmete tief durch und zwang sich dazu, völlig still zu stehen, ohne auch nur zu zucken. Falls er ein Spiel mit ihr spielte, wollte sie keinesfalls einen Fehler begehen. »Mein Name ist Tempest Trine. Aber alle nennen mich Rusti.«

Seine weißen Zähne blitzten auf. Mehr denn je wirkte er wie ein hungriges Raubtier, das seine Beute betrachtet. »Tempest. Das passt zu dir. Ich bin Darius, der Leibwächter dieser Gruppe. Was ich sage, gilt. Offensichtlich hast du bereits meine jüngere Schwester Desari kennen gelernt. Sind dir die anderen auch schon vorgestellt worden?« Bei dem Gedanken daran, einer der anderen Männer könnte sich in Tempests Nähe begeben, spürte Darius ungekannten Zorn in sich aufsteigen. Und in diesem Augenblick wusste er, dass nicht nur die Sterblichen, sondern auch die Mitglieder seiner eigenen Familie in Gefahr schwebten, bis er Tempest zu seiner Gefährtin gemacht hatte. In all den Jahrhunderten seiner langen Existenz, selbst in den frühen Jahren, als er noch Freude und Schmerz hatte empfinden können, hatte er nie solche Eifersucht gekannt oder auch nur ein Gefühl, das diesem gleichkam. Bis zu diesem Augenblick hatte Darius nicht gewusst, was wirkliche ohnmächtige Wut war. Es ernüchterte ihn festzustellen, wie viel Macht diese zierliche, sterbliche Frau über ihn hatte.

Rusti schüttelte den Kopf. Sie wich vor ihm zurück, vor seinem intensiven Blick, vor der Art, wie er ihr Herz schneller klopfen ließ. Verzweifelt warf sie einen Blick auf die Hintertür. Doch die Flucht konnte ihr nicht gelingen – dafür stand Darius viel zu nahe bei ihr. Also blickte sie auf die großen Raubkatzen, konzentrierte sich und sandte ihnen ihre Gedanken. Sie war mit diesem Talent geboren worden, obwohl sie es niemals vor einem anderen Menschen zugegeben hätte.

Das Leopardenweibchen, dessen Fell ein wenig heller war, schob sich zwischen sie und Darius und bleckte die Zähne in einem warnenden Knurren. Darius streckte die Hand aus und ließ sie auf dem Kopf der Raubkatze ruhen. Ganz ruhig, kleine Freundin. Ich würde ihr nichts zu Leide tun. Sie will uns verlassen, das spüre ich in ihren Gedanken. Doch das darf ich nicht zulassen. Und du möchtest es auch nicht.

Gleich darauf setzte sich das Leopardenweibchen vor die Hintertür, um Rusti keine Chance zur Flucht zu lassen. »Verräter«, zischte sie der Katze zu.

Nachdenklich rieb sich Darius den Nasenrücken. »Du bist eine ungewöhnliche Frau. Kannst du wirklich mit Tieren kommunizieren?«

Schuldbewusst senkte Rusti den Blick, während sie den Handrücken an ihre weichen, zitternden Lippen presste. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Wenn hier jemand mit den Tieren redet, bist du es. Schließlich sitzt die Katze jetzt vor der Tür. Offenbar gehorchen dir wirklich alle Lebewesen, stimmts?«

Darius nickte bedächtig. »Jeder, für den ich die Verantwortung trage, und das schließt dich nun mit ein. Du wirst uns nicht verlassen. Wir brauchen dich ebenso sehr, wie du uns brauchst. Hat dir Desari bereits deinen Schlafplatz gezeigt?« Nur allzu deutlich spürte Darius ihren Hunger und ihre Müdigkeit, und seine Beschützerinstinkte wurden geweckt.

Rusti blickte ihn an und erwog ihre Möglichkeiten, obwohl sie tief in ihrem Innern bereits ahnte, dass Darius ihr die Wahl abgenommen hatte. Sie konnte ihn nicht verlassen, er würde es nicht zulassen. Seine Entschlossenheit spiegelte sich nur allzu deutlich in seinen markanten Zügen und den unergründlichen schwarzen Augen wider. Tempest beschloss, einfach so zu tun, als hätte sie es nicht bemerkt. Sie würde ihn nicht herausfordern. Die Aura der Macht umgab ihn wie eine zweite Haut. Schon oft hatte sich Rusti in gefährlichen Situationen befunden, doch dies war etwas ganz anderes. Sie wollte davonlaufen … und sie wollte gleichzeitig bleiben.

Darius streckte die Hand aus und legte ihr zwei Finger unters Kinn, um ihr in die grünen Augen sehen zu können. Zwei Finger. Das war alles. Dennoch hatte Rusti das Gefühl, als hätte er sie mit stählernen Ketten auf unerklärliche Weise an sich gebunden. Sie fühlte seinen Blick auf sich, der sie als seinen Besitz zu brandmarken schien.

Nervös befeuchtete sie sich die vollen Lippen mit der Zungenspitze. Darius bemerkte die unbewusste Geste, und leidenschaftliches Verlangen durchzuckte ihn heiß und drängend. »Du wirst nicht davonlaufen, Tempest. Glaub ja nicht, dass du so einfach entkommen kannst. Du brauchst diesen Job. Und wir brauchen dich. Halte dich einfach an die Regeln.«

»Desari sagte, ich könne hier übernachten«, antwortete sie. Noch immer wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sie besaß nur noch zwanzig Dollar und hatte so sehr gehofft, dies möge der perfekte Job für sie sein. Sie war eine ausgezeichnete Automechanikerin, liebte es zu reisen, genoss die Einsamkeit und die Gesellschaft von Tieren. Außerdem war ihr etwas an dieser Anzeige aufgefallen und schien sie wie magisch an diesen Ort und zu diesen Menschen hingezogen zu haben, als wäre es ihr Schicksal. Es war ein eigenartiges Gefühl gewesen, beinahe ein Zwang, dem sie nicht hatte widerstehen können. Sie hatte diese Leute einfach finden müssen und war ganz sicher gewesen, dass die Stelle für sie bestimmt war. Doch es war zu schön, um wahr zu sein – das hätte sie gleich wissen müssen. Unwillkürlich seufzte sie leise.

Darius strich ihr leicht mit dem Daumen übers Kinn. Er spürte, dass sie zitterte, obwohl sie bewundernswerte Haltung bewahrte. »Alles hat seinen Preis«, bemerkte er, als könnte er ihre Gedanken lesen. Dann streckte er die Hand aus und strich ihr über das rotgoldene Haar.

Rusti stand ganz still, beinahe wie ein kleines Tier, das von einem Panter belauert wurde. Dieser Mann konnte ihr äußerst gefährlich werden, das wusste sie; sie brachte es jedoch nicht fertig, den Blick von ihm zu wenden. Er stellte irgendetwas mit ihr an, hypnotisierte sie mit seinen funkelnden schwarzen Augen. Sie konnte sich nicht einmal bewegen. »Und wie hoch ist der Preis?« Die Worte klangen erstickt und heiser. Es gelang ihr einfach nicht, ihren Blick abzuwenden, wie sehr sie sich auch bemühte.

Darius drängte sich noch näher an sie, bis sein athletischer Körper den ihren zu umfangen schien. Er war überall, umgab sie, umarmte sie, bis sie ein Teil von ihm wurde. Sie musste zurückweichen und den Zauber brechen, mit dem er sie belegt hatte, das spürte Rusti genau, aber sie fand nicht die Kraft dazu. Dann schloss er sie in die Arme und zog sie an sich. Sie war überrascht, dass ein so starker, mächtiger Mann zu einer so sanften, zärtlichen Geste fähig war. Darius flüsterte ihr leise Worte ins Ohr, die sie zu hypnotisieren und in seinen Bann zu schlagen schienen.

Rusti schloss die Augen, und plötzlich schien sie sich in einer verschwommenen Traumwelt zu befinden. Sie konnte sich nicht mehr bewegen und wollte es auch gar nicht. Atemlos stand sie da und wartete. Seine Lippen glitten über ihre rechte Schläfe, bewegten sich langsam zu ihrem Ohr und strichen dann über ihre Wange und ihre Mundwinkel. Sein warmer Atem schien winzige Flammen auf ihrer Haut tanzen zu lassen. Was sollte sie nur tun? Einerseits wünschte sie sich, dass dieser vollkommene Augenblick nie zu Ende ging, andererseits wollte sie davonlaufen, so schnell ihre Füße sie trugen. Darius ließ seine Zungenspitze über ihren Hals gleiten, und die samtige Liebkosung fachte das Feuer an, das in ihr loderte. Sanft legte er ihr die Hand in den Nacken und zog sie noch enger an sich. Wieder berührte er mit der Zungenspitze ihre Haut, die plötzlich über ihrem schnellen Puls zu glühen schien. Ein stechender Schmerz durchzuckte sie, der jedoch sofort von einem intensiven Lustgefühl vertrieben wurde.

Rusti stöhnte auf, und es gelang ihr, die letzten Reste ihres Überlebensinstinkts zu mobilisieren. Sie wand sich unter seinem Griff und versuchte, ihn von sich wegzustoßen. Zwar verlagerte Darius kaum merklich sein Gewicht, doch seine Arme hielten sie unnachgiebig fest. Rusti verspürte eine eigenartige Benommenheit, und war plötzlich nur allzu bereit, ihm zu geben, was er von ihr verlangte.

Es war, als hätte sich ihre Seele in zwei Hälften geteilt – einerseits war sie verloren in seiner dunklen, erotischen Umarmung, andererseits schockiert und ängstlich. Ihr Körper stand lichterloh in Flammen. Sie sehnte sich nach ihm. Sie brauchte ihn. Tief in ihrem Innersten akzeptierte sie, was er tat. Er nahm ihr Blut und machte damit seinen Anspruch auf sie geltend. Darius versuchte nicht, sie zu töten, das wusste Rusti instinktiv. Doch gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass er nichts Menschliches an sich hatte. Erschöpft schloss sie die Lider, und ihre Knie gaben nach.

Schnell hob Darius sie in seine Arme und hielt sie eng an sich gepresst, während er trank. Sie war heiß und süß und ganz anders als alles, was er je zuvor erlebt hatte. Er brannte vor Sehnsucht nach ihr. Ohne seinen Mund von ihr zu lösen, trug er sie zur Couch. Er war wie berauscht von ihrem Geschmack. Darius musste sich einfach nehmen, was rechtmäßig ihm gehörte. Und sie gehörte ihm. Er spürte es und würde nichts anderes akzeptieren.

Erst als Rustis Kopf erschöpft zur Seite sank, wurde Darius bewusst, was geschehen war. Innerlich fluchend, schloss er die Wunde an ihrem Hals mit der Zungenspitze und überprüfte dann ihren Puls. Er hatte ihr viel mehr Blut genommen, als sie erübrigen konnte. Und dennoch vibrierte sein Körper noch immer vor drängender, wilder Sehnsucht. Doch Tempest Trine war eine zierliche Frau, eine sterbliche Frau noch dazu. Sie konnte einen solchen Blutverlust nicht verkraften.

Schlimmer noch, er hatte etwas Verbotenes getan und damit alle Gesetze gebrochen, an die er und seine Familie sich jahrhundertelang gehalten hatten. Und dennoch hatte er sich nicht zurückhalten können. Er musste seine Gefährtin einfach besitzen. Sicher war es gestattet, den Liebesakt mit einer sterblichen Frau zu vollziehen, um körperliches Vergnügen zu empfinden, solange es noch möglich war. Und wenn man nicht zu viel Blut entnahm, war es auch gestattet, sich von einer sterblichen Frau zu nähren. Doch nicht beides und niemals gleichzeitig. Es war ein Tabu. Darius wusste genau, dass nur ihre Ohnmacht ihn davon abgehalten hatte, sie zu nehmen. Nicht nur ein Mal, sondern immer wieder. Und er hätte jeden umgebracht, der versucht hätte, ihn davon abzuhalten.

Verwandelte er sich nun tatsächlich in einen Vampir? Geschah jetzt das mit ihm, vor dem sich jeder karpatianische Mann fürchtete? Es interessierte ihn nicht. Allein Tempest Trine war ihm wichtig, die einzige Frau, die er in all den Jahrhunderten seiner einsamen, trostlosen Existenz begehrt hatte. Sie brachte ihn dazu, Gefühle zu empfinden. Sie hatte ihm die Augen geöffnet. Sie hatte Leben und Farbe in seine finstere Welt gebracht, und nun würde es ihm unmöglich sein, je wieder die schreckliche Leere in seinem Leben zu ertragen.

Darius hielt Tempest auf seinem Schoß und hob die Hand an die Lippen, um sich das Handgelenk zu öffnen. Doch etwas hielt ihn zurück. Es schien nicht richtig zu sein, sie auf diese Weise zu nähren. Stattdessen öffnete er langsam sein makelloses Seidenhemd, während sein leidenschaftliches Verlangen immer stärker wurde. Sein Fingernagel wurde messerscharf, und er zog damit eine feine Linie über seine Brust. Dann presste er ihren Mund an die Wunde. Sein Blut war heilkräftig und würde sie schnell erfrischen.

Gleichzeitig suchte er nach der telepathischen Verbindung zu ihr. Da sie das Bewusstsein verloren hatte, war es relativ einfach, ihr auf telepathischem Weg Befehle zu geben. Trotzdem machte Darius eine Entdeckung, die ihn erstaunte: Desari hatte Recht gehabt. Tempests Gedanken folgten nicht den gewöhnlichen Mustern der Sterblichen. Sie schienen eher Ähnlichkeit mit einem der intelligenten Leoparden zu haben, mit denen Darius oft auf die Jagd ging. Doch auch das war im Augenblick nicht wichtig. Mühelos kontrollierte Darius ihren Willen und verlangte von ihr, dass sie trank, um das Blut zu ersetzen, das er von ihr genommen hatte.

Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein uraltes Ritual in seinen Gedanken auf. Darius sprach die Worte aus, ohne sich überhaupt sicher zu sein, woher sie stammten. Doch er musste sie aussprechen, das wusste er. Zuerst murmelte er sie in der uralten Sprache seines Volkes und wiederholte sie dann auf Englisch. Beschützend beugte er sich über Tempest, strich ihr übers Haar und flüsterte ihr die Worte leise ins Ohr. »Ich nehme dich zu meiner Gefährtin. Ich gehöre zu dir. Ich gebe mein Leben für dich hin. Dir schenke ich meinen Schutz, meine Treue, mein Herz, meine Seele und meinen Körper. Dafür will ich bewahren, was du mir schenkst. Dein Leben, dein Glück und dein Wohlergehen will ich bewahren und für immer über meines stellen. Du bist meine Gefährtin, mit mir verbunden bis in alle Ewigkeit und für immer unter meinem Schutz.« Während er die Worte sprach, spürte er, wie sich in ihm eine schreckliche Anspannung zu lösen schien. Die Worte verbanden ihre Seele mit seiner, sein Herz mit ihrem. Sie gehörte zu ihm. Er gehörte zu ihr.

Doch es war falsch. Tempest war eine Sterbliche, und er war Karpatianer. Sie würde alt werden, er nicht. Doch auch das machte ihm nichts aus. Es zählte nur, dass sie in sein Leben getreten war und er sie in seinen Armen hielt. Sie passte so vollkommen zu ihm, als wäre sie für ihn erschaffen worden.

Darius schloss die Augen und hielt Tempest in seinen Armen. Schließlich schloss er die Wunde an seiner Brust und bettete Tempest sanft in die Kissen, die auf der Couch lagen. Zärtlich, beinahe andächtig säuberte er ihr Gesicht von Staub und Schmutz. Wenn du aufwachst, wirst du dich an nichts erinnern. Du wirst nur wissen, dass du den Job angenommen hast und nun zu unserer Familie gehörst. Du weißt nicht, was ich bin oder dass dieser Blutaustausch stattgefunden hat. Darius unterstrich seine Worte mit einem starken telepathischen Befehl, der mehr als ausreichend war, um eine Sterbliche zu beeinflussen.

Im Schlaf sah Tempest so jung aus. Ihr schönes rotgoldenes Haar umrahmte ihr Gesicht. Darius betrachtete sie voller Sehnsucht und berührte sie noch einmal zärtlich. Dann wandte er sich um und blickte die großen Raubkatzen an. Ihr mögt sie. Sie kann mit euch sprechen, nicht wahr?, fragte er sie.

Er spürte die Antwort der Tiere – nicht in Worten, sondern in bildlichen Eindrücken großer Zuneigung und vollen Vertrauens. Darius nickte. Sie gehört zu mir, und ich werde sie nicht aufgeben. Ihr müsst sie bewachen, während wir morgen bei Tageslicht schlafen, wies er die Katzen schweigend an.

Die beiden Leoparden drängten sich an die Couch und versuchten, der Frau so nah wie möglich zu sein. Noch ein Mal berührte Darius zärtlich ihr Gesicht, dann wandte er sich um und verließ den Bus. Zweifellos wartete Desari schon auf ihn, er sah ihren anklagenden Blick bereits vor sich.

Sie lehnte am vorderen Ende des Wohnmobils, und ihre Verwirrung war deutlich in ihrem schönen Gesicht zu lesen. Als sie Darius sah, glitt ihr Blick ängstlich zur Tür des Busses. »Was hast du getan?«

»Misch dich nicht ein, Desari. Du gehörst zu meiner Familie, du bist diejenige, die ich am meisten liebe und schätze, doch …« Darius hielt inne. Zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten vermochte er plötzlich, seine Empfindungen auszudrücken, und das erstaunte ihn. Er spürte wieder die Liebe zu seiner Schwester. Das Gefühl war in ihm, wahrhaftig und stark, und er fühlte grenzenlose Erleichterung, da er nun endlich nicht mehr Gefühle vortäuschen musste, die er nicht zu empfinden vermochte. Schnell gewann er die Fassung zurück und fuhr fort: »Ich werde es nicht zulassen, dass du dich in diese Angelegenheit einmischst. Tempest wird bei uns bleiben. Sie gehört zu mir. Die anderen werden sie nicht anrühren.«

Desari erbleichte und griff sich an die Kehle. »Darius, was hast du getan?«

»Denk nicht einmal daran, dich mir zu widersetzen, oder ich werde sie von hier fortbringen und euch alle eurem Schicksal überlassen.«

Desaris Lippen zitterten. »Wir stehen unter deinem Schutz, Darius. Du hast uns angeführt, und wir sind dir immer gefolgt. Wir vertrauen dir vollkommen. Wir vertrauen deinem Urteilsvermögen.« Desari zögerte. »Ich weiß, dass du diese Frau niemals verletzen würdest.«

Darius betrachtete das Gesicht seiner Schwester eingehend. »Nein, das weißt du nicht, Desari, und ich weiß es auch nicht. Ich bin davon überzeugt, dass ich ohne sie Tod und Zerstörung über viele bringen würde, ehe man mich vernichtet.«

Er hörte Desaris erschrockenes Keuchen. »Ist es so schlimm, Darius? Stehst du so dicht vor dem Abgrund?« Sie vermied es, die Worte Vampir oder untot zu gebrauchen, denn beide wussten genau, worüber sie sprachen.

»Nur Tempest bewahrt Sterbliche und Unsterbliche davor, vernichtet zu werden. Es ist beinahe so weit. Halte dich zurück, Desari, ich kann dich nur warnen«, forderte Darius mit gnadenloser, unerschütterlicher Entschlossenheit.

Darius war schon immer der anerkannte Anführer ihrer kleinen Familie gewesen, seit er sie vor dem sicheren Tod gerettet hatte, als sie alle noch Kinder gewesen waren. Selbst als Junge hatte er sie bereits beschützt und alles für ihr Wohlergehen getan. Er war der stärkste, klügste und mächtigste Mann in ihrer Familie. Darius verfügte über die Gabe, alle Wunden zu heilen. Sie verließen sich auf ihn, auf seine Weisheit und seine Erfahrung. Jahrhundertelang hatte er für ihre Sicherheit gesorgt, ohne je etwas für sich selbst zu beanspruchen. Nun bat er seine Schwester um etwas, und Desari konnte nichts anderes tun, als ihn zu unterstützen. Nein, er hatte sie nicht gebeten. Er hatte es verlangt. Sie wusste, dass Darius weder übertrieb noch die Unwahrheit sagte. Das war nicht seine Art. Er meinte jedes Wort bitterernst.

Langsam und zögernd nickte Desari. »Du bist mein Bruder, Darius. Ich stehe auf deiner Seite, was auch immer du zu tun gedenkst.«

Sie drehte sich um, als plötzlich ihr Gefährte neben ihr sichtbar wurde. Julian Savage vermochte es noch immer, ihr den Atem stocken zu lassen. Er war groß, von athletischer Gestalt, und seine faszinierenden bernsteinbraunen Augen drückten seine grenzenlose Liebe zu ihr aus. Durch ihre telepathische Verbindung hatte Julian Desaris Unruhe gespürt und war sofort von der Jagd zurückgekehrt. Als er seinen Schwager ansah, wirkten seine Augen kalt. Darius begegnete dem Blick in gleicher Weise.

Desari seufzte leise, als die beiden Männer einander musterten. »Ihr habt mir etwas versprochen.«

Sofort beugte sich Julian zu ihr hinunter, und seine Stimme klang ausgesprochen zärtlich. »Gibt es ein Problem?«

Darius’ Knurren klang tief und bedrohlich. »Desari ist meine Schwester. Ich habe immer für ihr Wohlergehen gesorgt.«

Einen Augenblick lang funkelten Julians goldbraune Augen. Doch dann ließ er seine Zähne in einem kalten Lächeln aufblitzen. »Das stimmt, und ich bin dir sehr dankbar dafür.«

Darius schüttelte leicht den Kopf. Noch immer hatte er sich nicht daran gewöhnt, die Anwesenheit eines Mannes zu dulden, der nicht zu seiner Familie gehörte. Es war eine Sache, die Tatsache zu akzeptieren, dass der Gefährte seiner Schwester mit ihnen reiste. Aber deshalb musste es ihm noch lange nicht gefallen. Julian war in den Karpaten aufgewachsen, dem Heimatland ihres Volkes, und obwohl er jahrhundertelang in Einsamkeit gelebt hatte, war ihm doch die Weisheit und Führungsstärke der erwachsenen Karpatianer in seinen Jugendjahren zuteil geworden. Darius wusste, dass Julian über viele Fähigkeiten verfügte und einer der mächtigsten Vampirjäger seines Volkes war. Er wusste auch, dass Desari bei ihm immer in Sicherheit sein würde, vermochte jedoch nicht, seine Rolle als ihr Beschützer vollständig aufzugeben. Dazu hatte er die Rolle des Anführers zu lange eingenommen, hatte durch eigene Erfahrung und Missgeschicke alles gelernt, was er wusste.

Vor vielen Jahrhunderten, in ihrem beinahe vergessenen Heimatland, hatten Darius und fünf andere karpatianische Kinder mit ansehen müssen, wie ihre Eltern von Eindringlingen ermordet wurden, die sie für Vampire hielten. Man hatte ihnen Holzpflöcke ins Herz gestoßen, sie enthauptet und ihnen Knoblauchknollen in den Mund gestopft. Die ottomanischen Türken waren ins Dorf eingefallen, während die Sonne am höchsten stand, gerade als die Eltern der karpatianischen Kinder am verletzlichsten gewesen waren. Die Karpatianer hatten versucht, die sterblichen Dorfbewohner zu retten, und hatten mit ihnen tapfer gegen die Invasion gekämpft, obwohl die Eindringlinge sie überrascht hatten, während sie geschwächt gewesen waren. Doch die Sonne stand hoch am Himmel, und die Horden der einfallenden Türken schienen schier endlos zu sein. Sie ermordeten beinahe alle Dorfbewohner.

Die Plünderer der türkischen Armee trieben die Kinder, sterbliche und unsterbliche, zusammen und sperrten sie in einen Stall, den sie dann anzündeten, sodass die Kinder bei lebendigem Leibe verbrannten. Es gelang Darius damals, eine Illusion heraufzubeschwören, die die Anwesenheit einiger Kinder vor den Soldaten verbarg. Für einen karpatianischen Jungen in seinem Alter war das eine außerordentliche Leistung. Dann entdeckte er eine Bauersfrau, die den blutrünstigen Soldaten entkommen war, und verbarg auch ihre Anwesenheit vor den Türken. Durch einen telepathischen Befehl pflanzte er der Frau den drängenden Wunsch ein, zu fliehen und die karpatianischen Kinder mit sich zu nehmen.

Die Frau führte sie ins Tal, wo ihr Liebhaber mit einem Boot auf sie wartete. In jener Zeit kam es nicht oft vor, dass man versuchte, aufs offene Meer hinaus zu segeln, da es viele Legenden von Seeschlangen gab und man befürchtete, vom Rand der vermeintlich flachen Erdscheibe zu stürzen. Doch die Grausamkeit der türkischen Armeen wäre ein viel schlimmeres Schicksal gewesen. Also segelte das Boot mit der kleinen Besatzung aufs Meer hinaus, um vor den Soldaten zu fliehen.

Die Kinder kauerten sich auf dem kleinen, schwankenden Boot zusammen, verängstigt und schockiert vom schrecklichen Tod ihrer Eltern. Selbst Desari, damals noch ein Kleinkind, ahnte bereits instinktiv, was geschehen war. Darius sorgte für sie und wiederholte immer wieder, dass sie es schaffen würden, wenn sie nur zusammenhielten. Doch dann kam ein schrecklicher Sturm auf, bei dem die meisten der Matrosen und die Bauersfrau über Bord gingen und ertranken. Aber Darius weigerte sich, die anderen Kinder einem ähnlichen Schicksal zu überlassen. Obwohl er noch sehr jung war, verfügte er bereits über einen eisernen Willen. Er konzentrierte sich auf das Bild eines Vogels und pflanzte den anderen Kindern auf telepathischem Weg dieselbe Vorstellung ein, sodass sie schließlich ihre Gestalt wandelten, ehe das Schiff in den Wellen versank. Dann erhob er sich in die Lüfte, die kleine Desari sicher in den Fängen gepackt, und flog mit den anderen Kindern bis zur nächsten Küste – Afrika.

Darius war damals sechs Jahre alt, seine Schwester gerade sechs Monate. Das andere kleine Mädchen, Syndil, hatte eben ihr erstes Lebensjahr vollendet. Außerdem gehörten noch drei andere Jungen zu ihrer kleinen Gruppe. Verglichen mit ihrer Heimat, erschien ihnen Afrika wild, primitiv und Furcht einflößend. Doch Darius fühlte sich für die Sicherheit der anderen Kinder verantwortlich. Er lernte zu kämpfen, zu jagen und zu töten. Er lernte, wie er sich durchsetzen musste und für das Wohlergehen seiner kleinen Familie zu sorgen. Karpatianische Kinder verfügten noch nicht über die erstaunlichen Gaben ihrer Eltern, die über alle Naturgewalten und Tiere herrschten und selbst die schlimmsten Wunden zu heilen verstanden. Die Kinder waren darauf angewiesen, all diese Fähigkeiten erst von ihren Eltern oder anderen Erwachsenen zu erlernen. Doch Darius dachte nicht daran, sich von dem Mangel an Anleitung aufhalten zu lassen. Obwohl er ein kleiner Junge war, schwor er sich, niemals zuzulassen, dass den anderen Kindern ein Leid geschah. Für ihn war es eine ganz einfache Sache.

Allerdings war es nicht ganz so einfach gewesen, die beiden Mädchen am Leben zu erhalten. Weibliche karpatianische Kinder überlebten nur selten das erste Lebensjahr. Zuerst hatte Darius gehofft, dass andere Karpatianer kommen und sie retten würden, doch in der Zwischenzeit wollte er so gut wie möglich für seine kleine Familie sorgen. Die Zeit verging, und die Erinnerungen an ihre Heimat und ihr Volk verblassten. Einige Gesetze der Karpatianer fühlte Darius tief in seiner Seele, an andere konnte er sich aus den Unterhaltungen mit seinen Eltern erinnern. Für alles andere entwickelte er eine eigene Methode und seinen eigenen Ehrenkodex, nach dem er sich richtete.

Er suchte nach Kräutern, jagte wilde Tiere und probierte jede neue Nahrungsquelle zuerst an sich selbst aus, obwohl es ihm oft nicht gut bekam. Doch allmählich verstand er die Gesetze der Wildnis und wurde zu einem starken, mächtigen Beschützer. Die kleine, zusammengewürfelte Gruppe von Kindern wurde zu einer Familie und lebte allein auf dem wilden Kontinent. Sie trafen nur wenige Angehörige ihres Volkes, und diese hatten bereits ihre Seelen verloren und waren zu Vampiren geworden, denen die Sterblichen zum Opfer fielen. Und wieder war es Darius, der die Verantwortung auf sich nahm, die Untoten zu jagen und zu vernichten. Seine kleine Familie hielt zusammen, und jeder beschützte den anderen. Sie alle folgten Darius, ohne je seine Autorität anzuzweifeln.

Seine Stärke und sein eiserner Wille hatten sie durch die Jahrhunderte geführt. Sie hatten gelernt, sich ihrer Umgebung anzupassen und sich ein gemeinsames Leben aufgebaut. Erst vor wenigen Monaten hatten sie zu ihrem großen Erstaunen festgestellt, dass es noch andere Karpatianer gab, die noch nicht dem Bösen anheim gefallen waren. Darius hatte insgeheim immer befürchtet, dass dieses Schicksal allen karpatianischen Männern bevorstand, und er mochte sich nicht ausmalen, was aus seiner Familie werden würde, wenn seine Zeit eines Tages gekommen war. Schon vor Jahrhunderten hatte er die Fähigkeit verloren, Gefühle zu empfinden. Dies war ein sicheres Anzeichen, dass die Seele eines karpatianischen Mannes in Gefahr war. Doch er sprach nie davon und behielt auch die Furcht für sich, dass er sich vielleicht eines Tages gegen die Mitglieder seiner Familie wenden würde. Um dies zu vermeiden, verließ er sich allein auf seinen eisernen Willen und strengen Ehrenkodex. Doch einer der Männer in seiner Familie hatte tatsächlich seine Seele verloren. Darius wandte sich von seiner Schwester und ihrem Gefährten ab und ging davon. Er dachte an Savon. Er war der zweitälteste Junge gewesen, Darius’ engster Freund und Vertrauter. Wenn er auf die Jagd gehen musste, hatte sich Darius darauf verlassen, dass Savon die Familie beschützen würde. Er hatte ihm sein uneingeschränktes Vertrauen geschenkt.

An einer riesigen alten Eiche hielt Darius inne und lehnte sich an den dicken Baumstamm, während er sich an den schrecklichen Tag vor einigen Monaten erinnerte, als er Savon entdeckt hatte, der sich gerade über Syndil beugte. Syndils Körper war von Wunden und blauen Flecken übersät, sie war nackt, ihre Schenkel blutverschmiert und ihre schönen Augen starr vor Entsetzen. Dann hatte Savon Darius angegriffen. Er stürzte sich auf die Kehle seines Freundes und fügte ihm eine beinahe tödliche Wunde zu, ehe Darius überhaupt bewusst wurde, dass sein bester Freund seine Seele verloren und zu einem Vampir geworden war. Savon hatte Syndil brutal überfallen und vergewaltigt und versuchte nun, Darius zu töten.

Darius blieb keine andere Wahl, als seinen Freund unschädlich zu machen und seine Leiche und sein Herz zu verbrennen. Nur aus Erfahrung hatte er gelernt, wie man einen Vampir sicher vernichtete. Denn die Untoten verfügten über die Fähigkeit, sich wieder und wieder zu erheben, wenn man sie nicht auf eine bestimmte Art und Weise tötete. Darius hatte diese Dinge von niemandem lernen können, daher hatte er sich allein auf seine Instinkte verlassen und aus seinen Fehlern lernen müssen. Nach dem schrecklichen Kampf gegen Savon hatte Darius lange Zeit in der Erde geruht, um seine schweren Verletzungen zu heilen.

Seit dem Überfall war Syndil sehr still geworden und verwandelte sich oft in einen Panter, um mit den anderen Raubkatzen, Sasha und Forest, zusammen zu sein. Darius seufzte. Erst jetzt spürte er den tiefen Kummer über Savons Schicksal, die Schuldgefühle und Verzweiflung, weil er nicht in der Lage gewesen war, das Unheil vorauszusehen und einen Weg zu finden, um seinem Freund zu helfen. Schließlich war er der Anführer. Er trug die Verantwortung. Und Syndil wirkte oft wie ein verlorenes Kind. Ihre Traurigkeit und das tiefe Misstrauen spiegelten sich in ihren wunderschönen dunklen Augen. Auch ihr gegenüber hatte Darius versagt. Es war ihm nicht gelungen, sie vor Savon zu beschützen, da er in seiner Überheblichkeit davon ausgegangen war, dass unter seiner Führung keiner der Männer dem schlimmen Schicksal anheim fallen würde, das alle Karpatianer bedrohte. Noch immer konnte er Syndil nicht in die Augen sehen.

Und nun brach er seine eigenen Gesetze. Doch hatte er sich diese Gesetze vielleicht nur ausgedacht, damit sich seine Familie an etwas festhalten konnte? Oder hatte ihm sein Vater von diesen Dingen erzählt? Oder war ihm das Wissen um die Gesetze des karpatianischen Volkes angeboren? Wenn Darius besser mit Julian befreundet wäre, könnten sie derlei Informationen miteinander austauschen, doch Darius war daran gewöhnt gewesen, seine Fragen selbst zu beantworten und niemandem Rechenschaft abzulegen, obwohl das auch bedeutete, die Konsequenzen seines Handelns und seiner Fehler allein tragen zu müssen.

Plötzlich verspürte er quälenden Hunger und wusste, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als auf die Jagd zu gehen. Sie hatten sich einen Campingplatz inmitten eines Naturschutzgebietes in Kalifornien ausgesucht, der nur wenig besucht wurde. Eine Landstraße führte an dem Naturpark vorbei, doch Darius hatte die gesamte Umgebung mit einem Schutzzauber belegt, der den Sterblichen ein Gefühl der Bedrohung vermittelte und sie dazu brachte, nicht an dieser Stelle Halt zu machen. Den Sterblichen wurde dabei kein Schaden zugefügt, sie waren nur wachsamer als sonst. Und doch hatte der Zauber Tempest nicht abgeschreckt.

Während Darius die Gestalt wandelte, dachte er über diesen Umstand nach. Innerhalb weniger Sekunden befand er sich im Körper eines großen, geschmeidigen schwarzen Panters, der lautlos durch den Wald lief, um einen beliebteren Campingplatz an einem tiefen, klaren See aufzusuchen.

Der Panter legte die Strecke sehr schnell zurück, witterte seine Beute und nutzte das Unterholz im Wald als Deckung. Die Raubkatze entdeckte zwei Männer, die am schilfbewachsenen Seeufer angelten und sich dabei miteinander unterhielten.

Darius achtete nicht auf ihr Gespräch. Im Körper des Panters kauerte er sich tief auf den Boden und schlich lautlos näher. Einer der Männer wandte sich um, als das Geräusch von lautem Gelächter vom Zeltplatz zu ihm herüberdrang. Darius hielt nur kurz inne, setzte dann aber seinen Weg fort. Der Mann wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem See zu und bemerkte den Panter nicht, der sprungbereit im Gebüsch auf ihn lauerte.

Darius entsandte einen lautlosen Lockruf an den kleineren der beiden Männer und führte ihn so zu sich. Der Mann hob den Kopf und wandte sich der Raubkatze zu, die im Unterholz wartete. Er ließ seine Angelrute in den See fallen und bewegte sich mit starken Schritten und Augen auf das Gebüsch zu.

»Jack!« Der andere Mann griff nach der sinkenden Rute und blickte seinen Freund ungläubig an. Doch dann gab Darius den beiden Männern den Befehl, still stehen zu bleiben, während er wieder seine menschliche Gestalt annahm. Nur so konnte er einigermaßen sicher auf die Jagd gehen. Er hatte herausgefunden, dass die Jagdinstinkte der Raubkatzen zu gefährlich waren, um sie zur Nahrungssuche zu benutzen. Die scharfen Fänge eines Panters waren dazu geschaffen, die Beute zu töten. Es hatte Darius mehrere Anläufe und einige schwer wiegende Fehler gekostet, als unerfahrener kleiner Junge herauszufinden, welche Dinge bei der Jagd angebracht waren und welche nicht. Doch bevor er erwachsen war, hatte er keine andere Wahl gehabt, als den Körper und die Fähigkeiten eines Panters zu benutzen. Er trug die Verantwortung dafür, dass einige Sterbliche in Afrika seinen Beutezügen zum Opfer gefallen waren, doch er hatte keinen anderen Weg gesehen, seine Familie am Leben zu erhalten. Jetzt brachte Darius den anderen Mann dazu, sich ruhig und gleichmütig zu verhalten, mit einer Methode, die er in vielen Jahrhunderten perfektioniert hatte. Er neigte den Kopf und trank, achtete jedoch genau darauf, dem Mann nicht zu viel Blut zu nehmen. Er wollte ihm keinen Schaden zufügen. Nach einer Weile befahl er dem ersten Mann, sich im Gebüsch vorsichtig hinzusetzen, ehe er sich dem zweiten zuwandte.

Als Darius seinen Hunger gestillt hatte, verwandelte er sich langsam in den Panter zurück. Die Raubkatze knurrte leise, und die Instinkte des Tieres befahlen ihm, seine Beute tiefer ins Unterholz zu schleppen und die angefangene Mahlzeit zu beenden. Doch Darius kämpfte gegen den drängenden Impuls an und schlich lautlos zum Tourbus zurück. Mit seiner Familie reiste er von Stadt zu Stadt, wo sie als moderne Troubadoure Konzerte gaben und dabei oft in den kleinen Sälen spielten, die Desari bevorzugte. Da sie ständig unterwegs waren, gelang es ihnen, ihre Privatsphäre zu wahren, obwohl sie mit den Jahren zu Berühmtheiten geworden waren. Desari besaß eine wunderschöne Stimme, welche die Zuhörer in ihren Bann schlug und nie wieder losließ. Dayan war ein ausgesprochen begabter Komponist, und auch seine Stimme hielt die Zuschauer mit ihrer Schönheit gefangen. In früheren Tagen hatte das Leben als fahrende Sänger ihnen gestattet, von Ort zu Ort zu ziehen, ohne sich einer genaueren Überprüfung unterziehen zu müssen – niemand hatte sie lange genug gesehen, um festzustellen, dass sie sich von anderen Sterblichen unterschieden. Doch jetzt, da die Welt immer mehr zusammenrückte, wurde es schwieriger, sich vor den Fans zu verstecken. Daher gaben sie sich alle Mühe, so normal wie möglich zu erscheinen. Die Scharade beinhaltete, dass sie für ihre Reisen auf die unpraktischen, unzuverlässigen Automobile der Sterblichen zurückgreifen mussten. Und daher brauchten sie auch einen Automechaniker.

Darius erreichte den Campingplatz und nahm wieder seine menschliche Gestalt an, um den Tourbus zu betreten, der zugleich ein luxuriös ausgestattetes Wohnmobil war. Tempest schlief tief und fest, und Darius zweifelte nicht daran, dass seine übermäßige Gier dafür verantwortlich war. Er hätte versuchen sollen, sich zurückzuhalten und sich die unerwartete sinnliche Ekstase zu versagen.

Als er Tempest ansah, erwachte in seinem Körper wieder dieses drängende, unwiderstehliche Verlangen, von dem er wusste, dass es ihn nie wieder verlassen würde. Er und diese halsstarrige, zierliche Frau würden eine Übereinkunft treffen müssen. Darius war nicht an Widerstand gewöhnt. Normalerweise befolgte man seine Befehle, ohne sie zu hinterfragen. Doch andererseits konnte er von einer temperamentvollen sterblichen Frau nicht erwarten, das Gleiche zu tun. Sorgfältig deckte er sie zu und beugte sich dann über sie, um ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn zu geben. Mit dem Daumen strich er über ihre zarte Haut, und die Sehnsucht nach ihr durchzuckte ihn wie ein Blitzschlag.

Als Darius die Fassung wiedererlangt hatte, gab er den beiden Leoparden einen strengen Befehl, ehe er den Bus verließ. Er musste Tempest immer in Sicherheit wissen. Obwohl auch die Raubkatzen normalerweise tagsüber schliefen, waren sie doch so etwas wie die Wächter der Truppe, die auf den Bus aufpassten, während die Karpatianer tief in der Erde ruhten, um zu neuen Kräften zu kommen. Nun sorgte Darius dafür, dass Tempest in die Beschützerinstinkte der beiden Raubkatzen eingeschlossen war.

Kapitel 2

Ein Vampir. Tempest setzte sich langsam auf und strich sich mit einer zitternden Hand über den Mund. Sie befand sich im Tourbus der Dark Troubadours auf einem Schlafsofa. Sie versank beinahe in der Fülle von Kissen, und man hatte eine warme Decke über sie gebreitet. Die beiden Leoparden hatten sich eng an sie gekuschelt und schliefen. Einige Sonnenstrahlen bemühten sich vergeblich, durch die dunklen Vorhänge zu dringen, die die Fenster verhüllten. Die Sonne schien schon tief am Himmel zu stehen, also musste es bereits später Nachmittag sein. Tempest fühlte sich schwach. Sie zitterte, und ihr Mund war völlig ausgetrocknet. Sie musste dringend etwas trinken.

Sie versuchte aufzustehen und schwankte leicht, ehe sie das Gleichgewicht fand. Nur zu genau erinnerte sich Tempest an jede erschreckende Einzelheit der vergangenen Nacht, obwohl Darius ihr befohlen hatte, alles zu vergessen. Sie zweifelte nicht daran, dass er in der Lage war, den meisten Menschen seinen Willen aufzuzwingen, doch seltsamerweise war es ihm bei ihr nicht gelungen. Tempest war schon immer ein wenig anders gewesen, sie konnte mit Tieren kommunizieren und ihre Gedanken lesen. Diese Fähigkeit musste dafür gesorgt haben, dass sie gegen Darius Befehl immun gewesen war, obwohl er vermutlich annahm, dass sie nun nicht mehr wusste, was er war und über welche Fähigkeiten er verfügte.

Vorsichtig tastete Tempest ihre Kehle ab, um nach einer Wunde zu suchen. Sie musste sich eingestehen, dass sie allerdings für Darius’ Sexappeal ausgesprochen empfänglich war. Nie zuvor hatte sie eine solche Anziehungskraft gespürt. Zwischen ihnen schien geradezu elektrische Spannung zu knistern. Obwohl sich Tempest alle Mühe gab, Darius die ganze Schuld zu geben, musste sie doch kleinlaut zugeben, dass es nicht so war. Auch sie hatte sich in seiner Gegenwart kaum zurückhalten können. Der Gedanke schockierte sie. Ängstigte sie.

Also schön. Dieser Mann war ein echter Vampir. Sie würde es auf später verschieben, hysterisch zu schreien und in Ohnmacht zu fallen. Im Augenblick war es wichtiger, von diesem Ort zu fliehen und sich zu verstecken. Vor Einbruch der Nacht musste sie so viel Abstand wie möglich zu diesen Wahnsinnigen gewinnen, denn dann wachten doch Vampire auf, so weit sie wusste. Im Augenblick musste Darius sich irgendwo zur Ruhe gelegt haben. Tempest hoffte inständig, dass er nicht in einem Sarg irgendwo im Tourbus schlief. Sie würde niemandem Holzpflöcke ins Herz stoßen. Das war völlig unmöglich.

»Ruf die Polizei«, befahl sie sich leise. »Du musst irgendjemandem davon erzählen.«

Unsicher schlich sie sich in den vorderen Teil des Wohnmobils. Als sie in einen Spiegel sah, um sich zu vergewissern, dass sie noch immer über ein Spiegelbild verfügte, verzog sie das Gesicht. Der Vampir musste schon ziemlich verzweifelt sein, um jemandem nachzustellen, der wie sie aussah – wie Frankensteins Braut.

»Sicher, Tempest«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, »alarmiere die Polizei. Officer, ein Mann hat mich in den Hals gebissen und mir Blut ausgesaugt. Er ist der Leibwächter einer sehr bekannten Sängerin und ihrer Band – außerdem ist er ein Vampir. Bitte nehmen Sie ihn fest.« Naserümpfend betrachtete sie ihr Spiegelbild und ließ ihre Stimme einige Oktaven tiefer klingen. »Natürlich, Miss. Ich glaube Ihnen. Wer sind Sie überhaupt? Eine obdachlose, mittellose junge Frau, die aus jeder Pflegefamilie geflohen ist, in die wir sie gesteckt haben. Vielleicht sollten wir einen netten Ausflug in ein Irrenhaus unternehmen. Schließlich verbringen Sie sehr viel Zeit damit, sich mit Tieren zu unterhalten.« Tempest schürzte die Lippen. »Ja, das funktioniert bestimmt.«

Sie fand das erstaunlich luxuriöse Badezimmer, achtete jedoch kaum auf ihre Umgebung, während sie duschte und so viel Wasser trank, wie sie nur schlucken konnte. Dann schlüpfte sie in verwaschene Jeans und ein frisches Baumwoll-T-Shirt aus dem kleinen Rucksack, den sie immer bei sich trug.

Als sie sich jedoch dem Ausgang näherte, hoben die beiden Raubkatzen wachsam die Köpfe und knurrten protestierend. Auf telepathischem Wege sandte Tempest ihnen ihr Bedauern, verließ jedoch den Bus, ehe die beiden Tiere sie zurückhalten konnten. Sie wusste, was die Katzen vorhatten. Darius hatte ihnen befohlen, dafür zu sorgen, dass sie im Bus blieb, falls sie aufwachte. Jetzt fauchten und brüllten die Leoparden ärgerlich, weil es ihr gelungen war, ihnen zu entkommen, doch Tempest zögerte nicht länger, schlug die Tür hinter sich zu und rannte davon.

Minutenlang suchte sie nach dem Werkzeugkasten, den sie immer bei sich hatte, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Leise fluchend schlug sie den Weg zur Straße ein und lief los. Wenn sie nur einigen Abstand zwischen sich und das Ungeheuer brachte, wäre sie schon zufrieden. Es war doch typisch, dass ausgerechnet sie einem Vampir begegnen musste! Es war vermutlich der einzige auf der Welt.

Tempest fragte sich, warum sie eigentlich nicht vor Angst in Ohnmacht fiel. Schließlich geschah es nicht jeden Tag, dass man einem Vampir begegnete. Und sie konnte es nicht einmal jemandem erzählen. Niemals. Eines Tages würde sie der einzige Mensch auf der Welt sein, der sein Wissen um die Existenz von Vampiren mit sich ins Grab nahm. Tempest stöhnte auf. Warum nur brachte sie sich immer wieder in Schwierigkeiten? Es sah ihr ähnlich, selbst bei einem einfachen Vorstellungsgespräch einem Vampir zu begegnen.

Sie joggte einige Kilometer am Highway entlang und war froh darüber, dass sie so gern lief. Während der gesamten Zeit war sie nämlich keinem einzigen Auto begegnet, das sie hätte mitnehmen können. Schließlich verlangsamte sie das Tempo, um ihr feuchtes Haar in einem Pferdeschwanz zusammenzufassen. Wie spät war es eigentlich? Warum besaß sie keine Uhr? Und warum hatte sie die Uhrzeit nicht festgestellt, ehe sie den Bus verlassen hatte?

Nach einer weiteren Stunde gelang es ihr endlich, ein Auto anzuhalten und sich ein Stück mitnehmen zu lassen. Sie fühlte sich ungewöhnlich müde und schrecklich durstig. Das Ehepaar, das sie aufgelesen hatte, war überaus freundlich zu ihr, jedoch so fröhlich und energiegeladen, dass Tempest es kaum aushalten konnte. Schließlich war sie beinahe froh, sich von den Leuten verabschieden und wieder am Straßenrand entlanggehen zu können.

Doch diesmal kam sie nicht besonders weit. Ihr Körper fühlte sich vor Erschöpfung bleischwer an, und jeder Schritt glich dem Waten durch Treibsand.

Schließlich ließ sich Tempest abrupt am Straßenrand niedersinken. Sie bekam plötzlich hämmernde Kopfschmerzen. Müde rieb sie sich die Schläfen und den Nacken, in der Hoffnung, die Schmerzen etwas zu lindern.

Ein kleiner blauer Pick-up hielt neben ihr an. Inzwischen fühlte sich Tempest so schwach, dass sie kaum noch aufstehen und zum Seitenfenster des Wagens gehen konnte.

Der Fahrer musste so um die vierzig sein, war stämmig und muskulös. Er lächelte Tempest an, obwohl sie die Sorge in seinem Blick erkannte. »Alles in Ordnung, Miss?«

Rusti nickte. »Ja, aber könnten Sie mich vielleicht ein Stück mitnehmen?«

»Klar, steigen Sie ein.« Schnell fegte er etliche Gegenstände vom Beifahrersitz auf den Boden. »Mein Wagen ist in einem schrecklichen Zustand, aber was solls?«

»Danke. Es sieht aus, als könnten wir bald ziemlich ungemütliches Wetter bekommen.« Sie hatte Recht. Plötzlich brauten sich dunkle Wolken am Himmel zusammen.

Der Mann blickte durch die Windschutzscheibe nach oben. »Verrückt. Dabei hatte der Wetterbericht Sonnenschein vorausgesagt. Vielleicht ziehen die Wolken ja wieder ab. Mein Name ist Harry.« Er streckte die Hand aus.

»Tempest.« Sie schüttelte Harry kurz die Hand, doch als sie ihn berührte, krampfte sich ihr Magen zusammen.

Nur flüchtig streifte sein Daumen ihren Handrücken, doch Tempest überlief ein eiskalter Schauer. Gleich darauf ließ Harry sie los und legte den Gang ein, die Augen starr auf die Straße gerichtet.

Rusti kauerte sich so weit wie möglich von ihm entfernt auf den Sitz und bekämpfte die aufsteigende Übelkeit. Doch kaum hatte sie sich an die Kopfstütze gelehnt, wurde sie wieder von der bleiernen Müdigkeit übermannt, sodass ihr langsam die Augen zufielen.

Harry betrachtete sie mit offensichtlicher Besorgnis. »Geht es Ihnen nicht gut? Ich könnte Sie zum nächsten Arzt bringen. Ich glaube, an dieser Straße liegt ein kleines Dorf.«

Rusti versuchte, sich ein wenig zusammenzureißen, und schüttelte den Kopf. Sie wusste, wie blass sie war, und spürte die winzigen Schweißperlen, die ihr auf die Stirn getreten waren. »Ich bin etliche Kilometer gelaufen. Ich glaube, ich habe es einfach übertrieben.« Doch daran lag es nicht, das wusste sie. Aus irgendeinem Grund schien jede Zelle in ihrem Körper dagegen zu protestieren, dass sie sich immer weiter von Darius entfernte. Sie wusste es. Spürte es.

»Dann schlafen Sie ein wenig. Ich bin daran gewöhnt, allein zu fahren«, meinte Harry. »Normalerweise schalte ich das Radio ein, aber wenn es Sie stört, kann ich auch darauf verzichten.«

»Nein, es stört mich überhaupt nicht«, antwortete Tempest. Obwohl sie sich sehr anstrengte, wach zu bleiben, konnte sie die Augen kaum noch offen halten. Sie war völlig erschöpft. Vielleicht hatte sie sich ein Virus eingefangen. Erschrocken fuhr sie auf. Konnten Vampire etwa die Tollwut übertragen? Schließlich verwandelten sie sich doch in Fledermäuse, oder nicht? Und konnten Fledermäuse nicht Tollwut bekommen? Tempest hatte nichts gegen Fledermäuse, doch das bedeutete nicht, dass ihr Vampire ebenfalls sympathisch waren. Was sollte sie tun, wenn Darius sie nun mit irgendeiner Krankheit infiziert hatte?

Schließlich bemerkte sie, dass Harry sie anstarrte. Vermutlich glaubte er, unterwegs eine Irre aufgelesen zu haben. Schnell lehnte sich Tempest wieder in ihrem Sitz zurück. Konnte man durch einen Biss zum Vampir werden? Durch einen einzigen, winzigen Biss? Nur ungern erinnerte sich Tempest an die dunkle, sinnliche Wärme, die sich in ihrem Körper ausgebreitet hatte. Also schön, es war ein großer Biss gewesen. Die Erinnerung an Darius’ Lippen auf ihrem Hals schürte wieder ein loderndes Feuer in ihrem Innern. Unwillkürlich bedeckte Tempest die Stelle mit der Hand, um die erotischen Empfindungen festzuhalten.

Beinahe hätte sie laut aufgeschrien. Darius hatte sie ganz sicher mit etwas infiziert, nur war es nicht die Tollwut. Noch immer führte Tempest sich todmüde, sodass sie schließlich nicht länger dagegen ankämpfte und die Augen schloss.

Harry fuhr eine Viertelstunde lang und warf immer wieder verstohlene Blicke auf die Anhalterin. Sein Herz klopfte laut und schnell. Sie war zierlich, mit sinnlichen Kurven, und sie war ihm direkt in den Schoß gefallen. Es war nicht Harrys Art, eine so gute Gelegenheit verstreichen zu lassen. Zufrieden blickte er auf seine Uhr. Er war seinem Zeitplan um einiges voraus. In einigen Stunden erst musste er sich mit seinen Chef treffen und hatte bis dahin noch genug Zeit, sich mit dieser kleinen Rothaarigen zu vergnügen.

Die unheimlichen Wolken hatten sich verdichtet und verfinstert. Hin und wieder zuckten Blitze zwischen ihnen, gefolgt von leisem Donnergrollen. Es war noch früh am Abend, etwa sechs Uhr dreißig, und Harry hielt nach einem Waldstück Ausschau, in dem er seinen Wagen verstecken konnte, um nicht von vorbeifahrenden Autos entdeckt zu werden.

Als er ihr grob und ungeschickt die Hand auf die Brust legte, schreckte Rusti auf. Schnell öffnete sie die Augen, doch Harry beugte sich bereits über sie und zerrte an ihrer Kleidung. Sie schlug ihm ins Gesicht, so fest sie konnte, aber er war ein kräftiger Mann, dessen erster Faustschlag sie hinter dem Ohr traf, während der zweite auf ihr linkes Auge prallte. Einen Augenblick lang sah Tempest Sterne, dann wurde alles um sie herum schwarz, und sie sank in ihrem Sitz zusammen.