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Die Autorin beschreibt anschaulich, wie sie durch ein plötzliches Unvermögen normal zu gehen, aus ihrem bisherigen erfüllten Leben gerissen wird. Sie windet sich durch einen Ärzte-Dschungel, der ihr tiefe Einblicke über Ärzte, Krankenhäuser und das Gesundheitssystem eröffnet Das Einzigartige an dieser Geschichte ist der Umstand, dass die Autorin bei Operationen keine Vollnarkose verträgt und infolge dessen jede ihrer Operationen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte live miterlebt. Wegen ihrer Medikamentenallergie ist sie nicht in ihrer Wahrnehmung beeinträchtigt. Hierdurch hat sie Einblicke, die anderen Patienten verborgen bleiben. Eine unerschrockene Frau, die couragiert mit den Ärzten um ihre Heilung kämpft. Mit diesem Buch möchte sie anderen Menschen mit schwer diagnostizierbaren Erkrankungen ermutigen nicht aufzugeben. Sie zieht über das Erlebte ein Resümee, das dieses Gesundheitssystem für den Patienten nicht zu ertragen ist und dringend der Überarbeitung bedarf. Sie zeigt dafür Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation auf.
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Seitenzahl: 317
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Vorwort:
Kapitel 1 – Wendepunkt des Lebens
Das Leid beginnt!
Aktuelle Beschwerden 1
Weihnachten 2009
Umzug
Rückenpapst
Erster Lichtblick
Ärzte
Universitätsklinik
Aktuelle Beschwerden2
Neuer Orthopäde
Lungenarzt
Gesundheitssystem
Aktuelle Beschwerden 3
Neurochirurg 1
Neurochirurg 2
Gerinnungsambulanz
Neurochirurg 2 – Operation 2012 an der Wirbelkanalstenose
Krankengymnastik
Weihnachten 2012
Lungenentzündung und Trigeminusneuralgie
Hilfsmittel-Rollator
Materialtest Rollator
Sonographie
Aktuelle Beschwerden 4
Neurochirurgie 2
Gehirndruck messen
Aktuelle Beschwerden 5
Weihnachten 2013
Kapitel 2 – Entweder man stirbt oder wird verrückt
Mein Medizinstudium
Geburtstagsfeier Februar 2014
Virtuelle Koloskopie – Darmspiegelung
Blut spucken
Medikamente
Misere Krankenhauskeime
Schwindelattacken mit Vernichtungsgefühl
Aktuelle Beschwerden 6
Verzweiflung
Lichtblicke
Internist
Kernspintomografie(MRT)
Internist
Erneutes Blut spucken
Privatklinik Professor Sinis
Universitätsklinik f. Neurologie in der Schweiz – Zweitmeinung
Zum Haare raufen
Professor Sinis
Wieder Zuhause
Mein Bruder ist tot
MRT Juni 2015
Kapitel 3 – Wirkliches Leben ist anders
Krankenkasse Kostenerstattung für die OP
Widerspruch gegen die Ablehnung
Antwort der Krankenkasse
VdK
Punktieren das Serom ist noch da
Kassen und Privatpatienten
Augenarzt/in
Medizinischer Dienst
Aktuelle Beschwerden 7
Punktieren bei Professor Sinis Oktober 2015
Aktuelle Beschwerden 8
Urologe
Hilfe ich weiß nicht weiter
Dr. House
Ohrenarzt
Neurologe
Gefangen in der Badewanne
Es ist so weit
Es ist ein Unglück geschehen
Schockstarre
Orthopäde ein weiteres MRT
Zahnimplantate
Universitätsklinik Kieferchirurgie
Heil- und Kostenplan
Kapitel 4 – Das Kreuz mit dem Gesundheitssystem
Arztmisere im jetzigen Gesundheitssystem
Ich werde Oma
Ich beginne zu resignieren
E-Bay
Krankenkassen
Erneute Zahnbehandlung beginnt!
Urania-Vortrag »Seltene Krankheiten«
Aktuelle Beschwerden 9
Das erste Weihnachten mit meinem Enkelkind 2016
MRT vom Hals, Brust und Lendenwirbelsäule
Liquor Dauerdrainage
Darmspiegelung
Aktuelle Beschwerden 10
Erneute Eiterung in der Kiefernhöhle
Kapitel 5 – Letztes Kapitel, dass keinen Titel trägt.
Aktuelle Beschwerden 11
Spruch
Danksagungen:
Eine unerkannte Krankheit versetzt mich in die Lage, durch den Ärzte-Dschungel zu wandern, in meinen Schilderungen, berichte ich während meiner Wachoperationen, live vom Operationstisch. Mein langer Leidensweg, das Nichtwissen der Ärzte hat mich provoziert, über mich, die Doktoren, das Gesundheitssystem und andere Patientenschicksale zu schreiben. Ich möchte hier auch nicht nur die Mediziner an den Pranger stellen. Da der Fortschritt der ärztlichen Wissenschaft von der Pharmaindustrie abhängig ist, haben viele Ärzte den Blick für das Wesentliche verloren. Dennoch ist der Mensch ein Individuum, so muss er auch behandelt werden.
Ich möchte meine Leser mit auf die Reise nehmen, ihnen Einblicke geben, was im heutigen Gesundheitssystem falsch läuft. Wie schwer es ist, sich gegen das Nichtwissen, die Ignoranz der Ärzte aufzulehnen und geeignete Ärzte zu finden, die mich von meinem Leiden befreien. Ich erkranke 1984 an einem bullösen Lungenemphysem/Lungenriss und 1991 an einer multiplen Sklerose. Diese Krankheiten ermöglichen mir mit kleinen Einschränkungen trotz alledem ein erfülltes Leben. Ich fühle mich wie die Made im Speck, meine positive Lebensleiter wandert immer nur nach oben. Wenn doch Regenwolken am Himmel stehen, kommt meine Fee geflogen, die mich bereits ein Leben lang beschützt, streut ihr Zauberpulver aus und alles löst sich in Wohlgefallen auf. Oft stehen in meinem Leben 99 Scheisstöpfe und ein Honigtopf vor mir, die Fee verteilt ihr Pulver und es sind wieder 100 Honigtöpfe. Entweder macht sie eine Weltreise, ist unbekannt verzogen oder gestorben. Ich bin 56 Jahre alt, als mein Leidensweg beginnt. Im Dezember 2009 kann ich nicht mehr fehlerfrei laufen. Die Beine wollen mich nicht mehr tragen, ich drohe zu stürzen.
Mein Rücken schmerzt, die Beine fühlen sich an, als werden sie von außen zusammengepresst. Bei jedem Schritt muss ich mich konzentrieren, damit der Fuß den Boden berührt. Hebe ich den Fuß, um einen Schritt nach vorn zu machen, schlenkert er nach rechts oder links aber kein bisschen vorwärts. Ich schleiche mich an Wänden entlang, halte mich an allem fest, was mir in den Weg kommt, um nicht zu stürzen.
Wenn ich recht überlege, hat sich etwas an meinem Nervensystem verschoben. Das willkürlich- somatische Nervensystem, das für die Bewegung da ist, hat den Platz mit dem unwillkürlich- autonomen Nervensystem das für die Atmung, den Herzschlag, das Verdauungssystem verantwortlich ist, getauscht. Nur manchmal ist es für die Bewegung zuständig, meistens macht das System was es will. Mein erster Gedanke, die multiple Sklerose hat wieder zugeschlagen, die bereits 1991 bei mir festgestellt wird. Ich tapse zum Neurologen, dieser lässt ein MRT vom Kopf anfertigen, dann macht er eingehende neurologische Untersuchungen. Das Ergebnis: Ich habe keinen akuten Schub von der multiplen Sklerose. Das bullöse Lungenemphysem/Lungenriss ist weit fortgeschritten, dass es mir bei Operationen keine Vollnarkose mehr erlaubt. Von diesem Zeitpunkt an habe ich das Vergnügen bei jedem medizinischen Eingriff live dabei zu sein. Inzwischen setzen bei verschiedenen Bewegungen Rückenschmerzen ein. Der Neurologe schickt mich zum Facharzt für Orthopädie, dort röntge man meinen Rücken. Bei einem anschließenden Gespräch sagt er mir mit erschrockenem Gesicht, dass an einem Lendenwirbel der Bogenschluss fehle. Das heißt, das Neuralrohr, in dem unsere Rückenmarksnerven liegen, ist nicht geschützt, weil der Wirbelring eine Lücke hat.
Bei Kindern spricht man bei größeren Defekten von einem offenen Rücken. Diese Diagnose wird später wiederholt bestätigt und ist ebenfalls wieder dementiert worden, wie auch immer.
Er gibt mir eine Verordnung für Krankengymnastik und will mir Medikamente gegen die Osteoporose aufschreiben. Auf den Einwand, dass ich Allergikerin bin, meine Knochendichte vollkommen in Ordnung ist, will er nicht eingehen, ich verlasse die Praxis ohne Rezept. Aufgrund der Arzneimittelallergie kann ich keine Tabletten zu mir nehmen.
Mit zwei Ausnahmen, die ich vertrage, die längst getestet wurden, Ibuprofen und Ciprobay aber nur das Original, bei reproduzierten Medikamenten (Generika) reagiere ich allergisch. In den kühnsten Träumen kann ich mir nicht vorstellen, wie mein Leben weiter verläuft. Nur ein Gedanke hält mich immer noch aufrecht, dreimal kann ich in den Jahren plötzlich »wie früher« laufen. Ich verfüge dann wieder über Boden unter den Füßen, kann tanzen, springen, laufen, mich drehen, ohne dass mir schwindelig wird.
Es ist, als lege jemand einen Schalter um, der meinen Füßen erlaubt zu laufen oder nicht zu laufen. Beim ersten Mal geschieht es im August 2012 im Krankenhaus für etliche Stunden. Es ist gegen 21:00 Uhr, als der Zustand eintritt, um diese Zeit ist kein Arzt mehr im Hause. Die Nachtschwester ist beschäftigt, ich soll am nächsten Tag an einer Wirbelkanalstenose operiert werden, die man zu dem Zeitpunkt, als Ursache erachtet. Ich überlege, ob ich mich unter diesen Umständen morgen operieren lasse. Die Rückenschmerzen sind wie weggeblasen, wenn ich die Füße normal bewegen kann. Leider Gottes kann ich den Zustand, da es mitten in der Nacht ist, niemandem zeigen. Aber ich genieße es bis frühmorgens um 2:00 Uhr, wie eine Wilde im Zimmer voller Freude zu tanzen.
Immer wieder renne ich um mein Bett, meinen Tisch, wenn mich jemand gesehen hat, wäre der Gedanke aufgekommen, jetzt ist sie ausgekreist. Ich bin so glücklich in dieser Nacht, am liebsten könnte ich noch laut singen, aber das geht wegen der Nachtruhe nicht.
Denn ich bin ja im Krankenhaus, glücklicherweise liege ich in einem Einzelzimmer. Da ich die Musik über Kopfhörer höre, bemerke ich nicht, dass ich stampfende, schleifende Geräusche mit den Füßen beim Tanzen am Boden verursache. Erst nachdem mir ein Kopfhörer aus dem Ohr rutscht, erschrecke ich über diese Geräusche. Schuldbewusst verziehe ich mich in mein Bett, obgleich ich lieber weiter tanzen würde. Über das unbeschreibliche Glücksgefühl bin ich am Ende eingeschlafen. Aber am nächsten Morgen ist alles wie vorher, der Schalter ist umgelegt, das Laufen wieder unmöglich. Der Zustand trifft nach einer Myelographie ein, bei der ich nach der Untersuchung für mehrere Stunden auf dem Rücken liegen muss.
Ich gehe davon aus, dass diese Untersuchung, bei der man mir ein paar Tropfen Nervenwasser aus dem Rücken entnimmt, um anschließend ein Kontrastmittel einzuspritzen, ursächlich für den zuvor erwähnten glücklichen Zustand ist.
Meine Vermutung ist, dass dadurch eine Druckentlastung des Rückenmarks entstanden ist. Diesen Status haben die Ärzte auf mein Verlangen hin noch einmal 2016 im Krankenhaus mit der gleichen Untersuchung wie 2012 hergestellt. Nachdem ich aufstehen darf, kann ich für circa eine Stunde laufen, aber nicht tanzen.
Nach etwa Sechzig Minuten ist es wieder vorbei mit dem Laufen. Meine Freundin Erika, die zu Besuch ist, kann das gar nicht verstehen, dass ich mal laufe und dann wieder nicht laufen kann. Beim dritten Mal wollen wir Feierabend auf meiner Arbeitsstelle machen.
Ich gehe wie immer auf die Toilette, da ich seit dem Beginn der Krankheit ständig aufs Klo muss, als ich von dem Toilettenbecken aufstehe, hat jemand den Schalter auf Laufen gestellt. Aufgeregt eile ich, zu meiner Kollegin, sie meint, »wie kommt denn das, dass du jetzt wieder laufen kannst«.
Ich renne voller Freude, ein paarmal hin und her, setze mich auf einen Stuhl um zu überlegen, woran es liegen kann. Als ich aufstehe, ist der Schalter bereits zurückgeklappt, nix funktioniert mehr. Immer mehr körperliche Einschränkungen schleichen sich ein. Wenn sich der Zustand nicht ändert, muss ich mich wahrscheinlich in den Rollstuhl setzen, weil es überhaupt nicht mehr geht. Ob ich es schaffe, wieder richtig zu gehen, steht noch in den Sternen, ich kann nur hoffen und bangen! Hätte ich die Tränen die ich innerlich weine vergossen, hätten wir eine Überschwemmung!
Ich suche diesen Schalter, der mich von dem Leiden befreit, ihr könnt mich auf dem Weg begleiten. Ob ich es schaffe, verrate ich in meinem letzten Kapitel, das keinen Titel trägt!
Als ich im Dezember 2009 zu meiner Arbeitsstelle fahre, sind die Straßen verschneit. Ich komme kaum noch ins Geschäft, in dem ich arbeite, meine Beine versagen mir bei jedem Schritt den Dienst, es ist schwer, die Füße gerade auf den Boden zu stellen. Ich denke, hier kommst du ohne Sturz nicht mehr weg, es ist ein harter Winter mit viel Schnee und Eis. Was kann ich tun, ich sinne nach Auswegen, so eine Gehhilfe, damit muss man eigentlich Halt haben. Da stehe ich jetzt auf meiner Arbeitsstelle, ich kann hier schlafen oder mit dem Taxi nach Hause fahren. Aber all das ist keine Lösung auf Dauer, was ist Morgen und Übermorgen. Ich stöbere im Internet nach Rollatoren und Geschäften in Berlin, aber auch das ist ohne Frage ein Abenteuer. Nachdem ich mich für den Porsche unter den Rollatoren entscheide, rufe ich in den Fachgeschäften an. Die meisten Sanitätsgeschäfte haben die Rollis nicht vorrätig und müssen sie erst bestellen. Na ja so einen Kassen-Chopper kann ich schon gar nicht haben. Den muss man erst beantragen, und wie ich nach Hause komme, ist den Sachbearbeitern der Krankenkasse egal. Ich brauche einen Rentnerporsche, den man leicht im Auto verstauen kann, der auf vier Rädern steht, wenn man ihn zusammenklappt. Nach unzähligen Telefonaten, finde ich einen Laden in Tempelhof, der bereit ist, mir gegen einen Aufpreis den Gehwagen ins Geschäft zu liefern und vor Ort zusammenzubauen. Der Mann ist meine Rettung, ich muss 550,- Euro für den Rollator plus 50,- Euro für das Liefern bezahlen. Ich kann an dem Abend noch ein bisschen wackelig aber doch sicher nach Hause fahren.
Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Inzwischen kann ich noch schlechter laufen, habe Kompressionen in den Beinen, die heftigen Rückenschmerzen sind von den Wegstrecken abhängig. Ich bin nicht mehr in der Lage, mir ein Essen zu kochen, da ich auf keinen Fall so lange imstande bin am Herd zu stehen.
Mir versagen die unteren Extremitäten, ich falle in mich zusammen wie ein gesprengter Schornstein, ich kann keinen Fuß mehr vor den anderen stellen, schleppe mich mit schleifenden Beinen, da die Fußheber nicht mehr funktionieren zur nächsten Sitzgelegenheit.
Alle Tätigkeiten machen mir Probleme, wenn ich morgens zu einer bestimmten Zeit das Haus verlassen will, muss ich drei Stunden vorher aufstehen, um pünktlich zu sein, auch das gelingt mir nicht immer. Haare kämmen ist die Härte, ich muss mich immer wieder auf den Klodeckel setzen, um nicht zusammenzusinken. In die Wanne steigen um zu duschen ist für mich gefährlich, weil die Beine nicht die Kraft haben selbstständig über den Wannenrand zu schwingen. Ich muss mit der Hand den Fuß rüber heben, jedes Mal schwitze ich Blut und Wasser.
Ohne mein Auto komme ich nirgends mehr hin, fußläufig schaffe ich gegenwärtig noch ca. 50 Meter. Mit den Öffentlichen kann ich auf keinen Fall fahren, weil ich nicht bis dahin komme und zurück schon gar nicht mehr. Die rechte Hand ist auch betroffen, ich bin so ungeschickt, ich kann gar nichts mehr ordentlich festhalten. Ich habe null Kraft in der rechten Hand, Missempfindungen in den Fingern. Des Öfteren flutschen mir Gegenstände aus den Händen, die mir beim Einsammeln immer wieder entgleiten.
Da ich zu Weihnachten immer meine Familie und Freunde einlade, muss ich dieses Jahr die Lebensmittel überwiegend liefern lassen, zurzeit bin ich nicht mehr in der Lage solche Mengen einzukaufen. Die Vorbereitungen für den Weihnachtstag beginnen mit Kochen und putzen. Nachdem der Festtagsbraten, der in einem Bräter liegt, fertig ist, will ich den Topf nach dem Abkühlen in den Kühlschrank stellen. Als ich mit dem Bräter durch meine großräumige Altbauküche laufe, rasten meine Beine im Lauf in der Streckbewegung ein. Ich drohe zu stürzen, ich versuche, das Gleichgewicht wieder zu erlangen. Normalerweise rudert man ja mit den Armen, das gelingt wegen des Kochtopfes nicht. Um mich zu retten, schmeiße ich den Bräter mit voller Wucht auf meinen Glastisch. Ich sehe den Tisch schon in tausend Scherben zerbersten. Jedoch der Topf rutscht über die spiegelglatte Glasplatte, bis zum Rand, hebt darauf behänd von der Tischplatte ab und setzt sich elegant auf den Bezug meines mintfarbenen Küchenstuhls. Zu erwähnen sei noch, dass in dem Bräter eine Rotweinsoße ist. Aber der Topf hat sich, ohne einen Tropfen zu verschütten, auf dem Stuhl niedergelassen. Nach dem ersten Schrecken kann ich dann darüber aus vollem Hals lachen, der Topf ist sicher gelandet und ich bin nicht gefallen. Ich liebe Weihnachten mit leckerem Essen, einem herrlich geschmückten Weihnachtsbaum, bunten Tellern, netten Gästen. Spielen bis der Arzt kommt, lachen bis die Tränen kullern und besonders behaglich ist es, wenn es draußen schneit. Ja, das ist für mich Weihnachten. Leider Gottes lebt meine Mutter nicht mehr, die immer wesentlich zu unserer Belustigung beigetragen hat. Aber es ist trotz alledem ein gemütliches Weihnachtsfest im Kreise meiner Lieben.
Mein Gesundheitszustand ist im Jahr 2010 leider ohne Veränderung, die Krankengymnastik bringt mir zwar Linderung, aber keine grundlegende Besserung. Obwohl ich mich anstrenge, so sehr ich nur kann. Ich merke, dass es auf jeden Fall positiv ist, sich gezielt zu bewegen, um die Muskeln nicht verkümmern zu lassen, ohne Muskelkraft wäre ich verloren.
Ich, die immer aktiv ist, kann sich auf einmal nicht mehr korrekt bewegen. Dazu fällt mir eine süße Geschichte aus der Vergangenheit ein. Ich verabrede mich mit meiner Freundin Roswitha, mit der ich seit unserer Kindheit eng befreundet bin, in eine Diskothek zu gehen, in der jeden Freitag Männerstrip ist. Zugang natürlich nur für Frauen! Am Eingang bekommen wir eine Trillerpfeife, ein Kondom ja sogar Luftballons, um 21:00 Uhr ist Einlass. Als der Männerstrip beginn, da glaube ich, meinen Augen und Ohren nicht zu trauen, meine sonst so artige Freundin, trillert, was das Zeug hält, na ja es sind auch smarte Männer. Anschließend haben sie vier circa 18-jährige Mädchen und mich aus dem Publikum ausgesucht, offensichtlich soll ich zur Belustigung beitragen, denn ich bin zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt. Wir müssen uns ein dünnes Seil um den Bauch binden, an deren Ende ein Kugelschreiber angehangen wird. Der Animateur demonstriert uns, dass wir, ohne die Arme hinzuzunehmen, einfach nur, indem wir in die Hocke gehen, den Stift in eine auf der Erde stehenden leeren Sektflasche versenken sollen. Bevor wir den Kugelschreiber hineinstecken können, nehmen sie die Sektflaschen unter dem Gelächter der übrigen Gäste weg. Stellen Likörfläschchen vom kleinen Feigling hin, die Menge tobt. Die anderen Mitstreiterinnen fragen noch, wie sollen wir das machen, ich beuge mich einmal runter und loche den Kugelschreiber in die kleine Flasche ein. Den jungen Frauen entgleiten die Gesichtszüge. Ich gewinne einen Gutschein über 200,- DM.
Für meine Freundin und mich ist das ein unvergesslicher Abend.
So viel zu meiner früheren Beweglichkeit.
Mein altes Leben gleitet mir aus den Händen. Ich wohne seit zweiundzwanzig Jahren im Altbau in der ersten Etage. Ich kann die Treppenstufen nur noch unter extremer Anstrengung bewältigen. Aus diesem Grund mache ich mich auf die Suche nach einer anderen Wohnung mit Fahrstuhl, bei der ich keine Treppe überwinden muss, auf der ich zu stürzen drohe.
Die Treppe rauf- sowie runter laufe ich wie ein Kleinkind. Ein Fuß auf die Stufe den anderen daneben, hoch gelingt es halbwegs, abwärts scheint die Trittfläche zu weit vom Fuß entfernt. Ich vermute immer, das Bein ist nicht lang genug, um sie zu erreichen. Es treibt mir Schweißperlen auf die Stirn, wenn ich nur dran denke, die Treppe zu überwinden. Indem ich mich fest an das Geländer klammere, ist es mir aber auf irgendeine Weise gelungen. An dem Holzgeländer sieht man die Kerben meiner Fingernägel sicher heute noch.
Es fällt mir schwer mich an den Gedanken zu gewöhnen, die heißgeliebte Altbauwohnung zu verlassen, in der ich überglücklich die heißesten Jahre nach der Trennung von meinem Ehemann zubringe. In der ich die Öffnung der Grenzmauer hautnah miterlebe, ich wohne Kolonie – Ecke Osloer Straße, wo unmittelbar angrenzend der Grenzübergang Bornholmer Straße ist. An dem Abend wo sie die Mauer öffnen, verweile ich ausnahmsweise zu Hause um Musikkassetten für mein Autoradio aufzunehmen, um die Nachbarn nicht zu stören habe ich Kopfhörer auf.
Lautes Stimmengewirr sowie Gehupe von der Straße dringt durch mein Fenster, ich schmule durch die Lamellen der Jalousie. Unten auf der Straße laufen viele Menschen durcheinander, das andauernde Hupen stört mich, ich habe deshalb keine Lust mehr Musik aufzuzeichnen. Genervt setze ich mich vor den Fernseher, ich schaue nur mit einem halben Auge hin und höre, seit heute Abend 19.00 Uhr sind die Grenzen geöffnet. So ist das mit dem halben Auge, ich denke, da läuft ein Spielfilm, ich schalte gelangweilt den Fernsehapparat aus.
Der Lärm draußen wird immer lauter, ich schaue aus dem Fenster, komisch die Menschenmassen laufen hin und her entgegen meiner Annahme, dass irgendeine Veranstaltung zu Ende ist. Plötzlich sehe ich extrem viele Trabbis vorbeifahren, völlige Verwirrung umgibt mich, ich schalte das Fernsehgerät wieder ein, zippe durch die Programme, spätestens jetzt ist mir klar, das ist kein Spielfilm. Ich springe unter die Dusche, ziehe mich an laufe runter auf die Straße. Wildfremde Menschen fallen mir weinend um den Hals, tanzen mit mir auf der Straße, ich bahne mir den Weg durch die Menschenmenge Richtung Herrmann-Böse-Brücke. Es ist äußerst schwierig gegen den Strom von hunderten Menschen zu laufen, auf halben Weg kehre ich deshalb um. Auf dem Rückweg komme ich mit einem jungen Pärchen aus der DDR ins Gespräch, die diese unbekannte Lage, wie ich, noch nicht verstehen. Wir reden über die Musik, die ich aktuell aufnehme, ihre Augen leuchten. Spontan lade ich sie ein, mit mir in mein CD-Geschäft zu fahren. Wir hätten nach Moabit laufen können, ich denke, das wäre sicher schneller als mit dem Auto zu fahren. Aber hier im Auto ist es wenigstens warm, wir haben ja auch nur zwei Stunden für eine Fahrstrecke von 15 Minuten gebraucht, bis wir in meinem Geschäft ankommen. Den beiden fallen fast die Augen aus dem Kopf, noch nie haben sie eine Compact Disk gesehen gehört schon gar nicht.
Wir unterhalten uns lange über Musik aus dem Westen und dem Osten, dann schenke ich jedem eine CD ihrer Wahl. Ich schlage vor, zum Kurfürstendamm zu fahren, Begeisterung schlägt mir entgegen, den Ku’damm kennen sie aus dem West-Fernsehen. Nach Stunden erreichen wir den Ku’damm, Ecke Joachimsthalerstraße, es fliegen Feuerwerksraketen über die Kreuzung. Die Menschen tanzen auf der Straße, wir haben alle Scheiben heruntergekurbelt, neben meinem Auto steht ein Polizist. Die Sektflaschen gehen durch die Menschenreihen, auch der Arm des Gesetzes nimmt ein Schluck aus der Flasche. Alle Regeln werden außer Kraft gesetzt, wir sind wieder ein Deutschland! Inzwischen ist es längst zwei Uhr in der Nacht, ich muss noch nach Hause, um mich für die Arbeit frisch einzukleiden. Denn spätestens um neun Uhr muss ich in der Versicherung bei der Arbeit sein. Zu dem Zeitpunkt ist mein von mir getrennt lebender Ehemann, noch Inhaber des CD-Geschäftes. Das junge Pärchen will noch dort bleiben, wir verabschieden uns, ich sehe sie nie wieder. In der Versicherung angekommen, sagen meine Kollegen zu mir: »Hast du im Fernsehen gesehen, die DDR-Grenze ist frei zugänglich«. Aufgeregt berichte ich ihnen, dass ich bis zum frühen Morgen auf der Straße mitfeierte, mit offenen Mund hören sie zu. Ja, so war es damals oft, wenn es heißt sich wo einzubringen, sitzen sie vorm Fernseher und sehen aus der Ferne zu. Ich wohne ja von Geburt an, bis 1990 in Kreuzberg, viele der Nachbarn kommen aus der Türkei. Meine Arbeitskollegen haben Berührungsängste mit Ausländern, sie sind total perplex, wenn ich ihnen mitteile, dass ich am Sonntag mit meinen türkischen Nachbarn Kaffee trinke, oder auf den Nachwuchs aufpasse. Mein Sohn ist mit allen türkischen Kindern befreundet, sie gehen bei uns ein und aus. Ich habe immer das Gefühl, sie meinen, wir haben nichts gegen Ausländer, aber in unmittelbarer Nachbarschaft wollen wir sie auch nicht haben!
Ich verbringe also mein halbes bisheriges Leben in Kreuzberg und mein jetziges im Wedding. Inzwischen liebe ich den Wedding, fühle mich hier zu Hause, ich hoffe, eine Wohnung im gleichen Bezirk zu finden. Über das Internet und mit der Hilfe meiner Freunde gelingt es mir, es zu schaffen. Ich wohne jetzt in einer Wohnung, natürlich im Wedding, die ich auch mit einem Rollstuhl befahren kann. In der ich nicht eingesperrt bin, weil unten im Erdgeschoss noch fünf Stufen zu überwinden sind, alles ist ebenerdig ohne Schwellen! Diese Selbstständigkeit will ich mir auf jeden Fall erhalten um zu jeder Zeit, ohne Hilfe die Wohnung zu verlassen. Es ist für mich jedoch ohne Frage ein schwieriges Unterfangen, den Umzug zu organisieren. Beim Betreten der neuen Wohnung, denke ich, mir fällt die Decke auf den Kopf, so niedrig empfinde ich die Deckenhöhe. Im Gegensatz zu meiner Altbauwohnung kann ich hier alles ohne Leiter erreichen, ich schätze recht bald die Vorzüge der Neubauwohnung mit Fahrstuhl Baujahr 1998. Die Wohnung verfügt über drei Highlights, einen 20qm großen Flur, der mit einem Fenster ausgestattet ist.
Einer halboffenen Küche zum Wohnzimmer, einen Balkon, zu dem man vom Wohnzimmer aus zwei Flügeltüren öffnen kann. Die Aussicht vom Balkon ist ein ganzes Karree unverbauter Ausblick auf Kleingärten, einen Kinderbauernhof und absolute Ruhe vom Straßenlärm. Aber anfänglich ist es schwierig mit den Nachbarn, vornehmlich mit einer, die unter mir wohnt, ich gewinne das Spiel, in dem ich sie konsequent ignoriere. Am Anfang klingelt sie jeden Tag bei mir, wenn ich die Tür öffne, schreit sie mich an, dass mir die Ohren flattern. »Ich denke, sie sind eine alte Frau, sitzen im Sessel und schauen Fernsehen, aber nein sie schieben ihre Umzugskartons über den Fußboden«. Ich antworte ihr, »Na sie sind auch nicht viel knuspriger, aber dicker deshalb haben sie weniger Falten«.
Diese Tobsuchtsanfälle hat sie auch bei allen anderen Mietern, ich denke, heute bekommt sie Tabletten von Ihrem Mann um sie ruhig zu stellen. Inzwischen ist Ruhe eingekehrt, ich fühle mich hier total wohl.
Meine damalige Internistin, überweist mich zu einem Orthopäden, den sie den Rückenpapst nennt, »der ist ein hervorragender Diagnostiker«. Der Arzt empfängt mich mit den Worten, »ja was denken sie, was dass alles kostet, was ich hier mache«, er hat sich lediglich vorab die Unterlagen angesehen. Ich frage ihn, »wie viel muss ich denn für Ihre Tätigkeit bezahlen« und zücke meine Geldbörse. Das schien ihm doch peinlich zu sein, er winkt ab. Nach eingehender orthopädischer Untersuchung schickt er mich erst einmal zum MRT der Lendenwirbelsäule und des Kopfes wegen der multiplen Sklerose.
Mit den MRT Befunden suche ich ihn erneut auf, rufe aber vorher bei seiner Sprechstundenhilfe an. Ich teile ihr mit, dass ich diesmal als Selbstzahler komme, ich möchte nicht nach fünf Minuten die Sprechstunde wieder verlassen müssen. Sie lacht, sie scheint ihren Chef zu kennen. Er erklärt mir jetzt mit jeder Menge Zeit, dass ich eine Wirbelkanalstenose und eine Zyste an der Wirbelsäule habe. Das für diese Beschwerden aber keineswegs ausschlaggebend ist und es doch an der multiplen Sklerose liegen muss, dass ich nicht besser laufen kann. Das MRT vom Kopf zeigt jedoch, dass ich momentan keinen akuten Schub mit der MS habe. Also wieder kein Ergebnis, was sich auf die gesundheitlichen Beschwerden zurückführen lässt! Außer Spesen nichts gewesen -126,- Euro.
Meine Internistin ist inzwischen umgezogen, sie ist jetzt in einer Praxis im Altbau ohne Aufzug gelandet, obwohl sie vorher einen Fahrstuhl hatte.
Ein paar Mal quäle ich mich noch die eine Treppe hinauf und herunter, muss mir dann wohl oder übel einen Internisten mit Fahrstuhl suchen.
Verstehen kann ich es nicht, dass die Ärzte bei der Überalterung der Bevölkerung noch Arztpraxen ohne Lift zugelassen bekommen.
Ich hoffe, einen Arzt zu finden, der mich von meinem unbekannten Leiden befreien kann. Freunde und Verwandte fragen mich immer wieder, »was sagen denn die Ärzte zu deinen Gesundheitsbeschwerden«. Ich zucke mit den Achseln, »sie wissen nicht, an welcher Krankheit ich leide«.
Auf Empfehlung eines befreundeten Zahnarztes suche ich einen Neurochirurg in Potsdam auf, er meint, »wir machen erst einmal ein MRT vom Rücken«. Da ich inzwischen bereits bei meinem Neurologen mit einem MRT vom Kopf abgeklärt habe, dass momentan nicht die multiple Sklerose Ursache für das beschissene Laufen ist. Laut MRT Befund sitzt an der Lendenwirbelsäule ein Lipom von 22 mal 8 cm. So etwas macht keine Beschwerden, dabei handelt es sich, um eine gutartige Fettgeschwulst. Die Diagnose über ein Gewächs von 22 mal 8 cm beunruhigt mich, immerhin ist das ein dicker Brocken im Rücken. Ich fahre ein weiteres Mal zu dem Neurochirurg nach Potsdam, der sagt zu mir »Frau Winter, wenn ich sie operiere können sie Morgen wieder laufen«. Meine Freude ist riesengroß. Er muss sich erst überlegen wie wir die Operation am besten machen. Endlich habe ich einen Arzt gefunden, der die Diagnose des MRT- Befundes für ursächlich ansieht, der mich unter Umständen heilt. Wegen dem erhöhten Infektionsrisiko soll ich zuerst die Medikamente testen lassen, die ich anschließend nach der Operation benötige.
Beschwingt von diesem Gedanken getragen verlasse ich das Krankenhaus. Vor dem Gebäude ist ein Café, draußen an den Tischen sitzen Patienten und deren Besucher, eine Frau telefoniert lautstark. Sie sagt, »weißt du, das ist hier ein absoluter Drecksladen, hier würde ich mich nicht operieren lassen, ständig fangen sich die Patienten nach den Operationen Infektionen ein«.
Na, diese Aussage macht mir nicht gerade Mut.
Es ist ein schöner Frühlingstag, ich setze mich mit einem Bekannten, der mich dort hingefahren hat, noch einen Moment auf eine kleine Mauer, die als Umrandung für ein Blumenbeet fungiert. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, dass sich ein Fernsehteam nähert. Sie steuern genau auf mich zu, ja wahrscheinlich denken sie, die da mit dem Rollator, die entkommt uns nicht. Die Reporter machen eine Befragung zum Thema Brustkrebs, mein Bekannter lacht, »du ziehst so etwas förmlich an«. Mein Internist dem ich hiervon berichte, rät mir davon ab, die Medikamente wegen meiner Allergien im Vorfeld zu testen.
Ein weiterer Termin bei dem Neurochirurg, der mir so viel Hoffnungen gemacht hat, er hat in der Zwischenzeit kalte Füße bekommen. Er sagt zu mir, »ich habe mir das überlegt, ich operiere sie nicht. Was denken sie, sie haben eine riesige Eindellung am Rücken und ein erhebliches Infektionsrisiko, ich lehne diese Operation ab«. In mir bricht eine Welt zusammen, abgelehnt, er lehnt die Operation ab, weil es für ihn ein zu großes Risiko ist. Aber es ist doch meine Delle am Rücken, mein Infektionsrisiko, da muss ich doch für mich entscheiden, ob ich das Wagnis eingehe, bedeppert fahre ich nach Hause. Manchmal schreie ich laut im Auto, um meine Verzweiflung raus zu lassen. Inzwischen ist wieder ein Jahreswechsel, wir haben aktuell das Jahr 2011.
Das Vertrauen zu den Ärzten ist jedoch bereits beschädigt, mehr und mehr keimt der Gedanke in mir, sie wissen nichts diese Ärzte.
Ich bemerke, komme ich mit einer MRT- Aufnahme zu ihnen, wollen sie immer erst den Befund haben. Die Bilder haben sie sich oft überhaupt nicht angesehen, wenn in dem Bericht keine vernünftige Diagnose steht, dann habe ich Pech. Sie versuchen, auch wiederholt mir einzureden, dass die Multiple Sklerose an meinen Beschwerden schuld ist. Ich denke, das machen sie nur, weil Ihnen nix Besseres einfällt, sie keine Lust haben sich eingehend damit auseinanderzusetzen.
Zu diesem Zeitpunkt glaube ich immer noch an das Gute im Arzt, aber inzwischen habe ich gelernt, sie verfügen oft nicht über das nötige Fachwissen, um zu einer vernünftigen Diagnose zu kommen. Es ist ja auch nicht das Mindeste an mir zu verdienen.
Ich kann noch nicht einmal an einer Studie wegen der Medikamentenallergie teilnehmen. Ich kann mir all diese Arztbesuche sparen, sie waren sinnlos, ich bin gegangen, wie ich gekommen bin. Bei meinem Neurologen soll ich einmal an einer Studie ohne Medikamente teilnehmen. Ich muss ellenlange Formulare ausfüllen, es gibt seitenlange Erklärungen für die Analyse. Der Arzt setzt mich nach Abschluss der Studie ausführlich über den Ausgang meiner Beurteilung in Kenntnis. Ich habe nie wieder etwas über diese Studie gehört, er wird das Geld hierfür kassiert haben und gut ist.
Ja, dafür werden unsere Krankenkassenbeiträge raus geballert. Fast alle Ärzte sind begierig, dass man an einer Studie teilnimmt, das ist offensichtlich das Einzige, wie es aussieht, wo etwas zu verdienen ist.
Früher hat der Doktor gefragt, was führt sie zu mir und man hat ihm die Beschwerden geschildert. Je nach Krankheitsbild folgt eine Blutabnahme, Blutdruck messen, Lunge, Herztöne abhören, in Mund, Nase und Ohren sehen, also Sicht- Tast- und Hörbefund. Anschließend wird besprochen, welche Behandlung für die gefundenen Beschwerden eingeleitet wird.
Heute kommen sie zum Arzt, müssen zu Beginn ein Formular ausfüllen, auf dem sie nach allen möglichen Krankheiten befragt werden. Im Anhang ein Blatt, auf dem die IGel Leistungen stehen, erst dann wird man zum Arzt vorgelassen. Er sitzt an seinem Computer und bewegt sich keinen Zentimeter davon weg, nach der Schilderung der Beschwerden, greift er zum Rezeptblock, er schreibt einem ein Medikament auf, oder gibt einen gelben Schein (Krankschreibung).
Manchmal denke ich, die Ärzte haben Angst sich anzustecken, deshalb fassen sie einen nicht mehr an. Ich muss im Jahre 2010 dreimal in einer Woche in ein Institut zum MRT, jedes Mal fülle ich einen Bogen über Krankheiten aus und ob ich Kontrastmittel vertrage.
Ich werde aufgerufen, der Arzt klärt mich über die Untersuchung auf. Er fragt mich genau das gleiche, was ich eben auf dem Formular in der Anmeldung schriftlich beantworte.
Beim dritten Termin innerhalb einer Woche weigere ich mich, den Fragebogen auszufüllen, denn wenn der Arzt ihn nicht liest, welchen Sinn hat das Formular. Sie benötigen es nur, um sich bei etwaigen Zwischenfällen gegen Regressansprüche abzusichern. Ja dann müssen sie es auch lesen, gegebenenfalls noch ein paar Fragen zu den Krankheiten stellen und nicht jede einzelne Frage wie im Fragebogen noch einmal wiederholen. Ein anderes Mal verweile ich bei einem Arzt, der spricht so langsam, dass ich ihm, ohne es zu wollen, dauernd ins Wort falle.
Er beschwert sich bei mir, ich möchte ihm nicht ständig ins Wort fallen, ich will ihn nicht über den Mund fahren, aber ich denke immer, er ist fertig mit seiner Ausführung. So sehr ich mich auch bemühe, es gelingt mir nicht, ihn nicht zu unterbrechen, weil ich nicht so langsam denken kann. Etwas Ähnliches habe ich in der Sesamstraße gesehen. Da läuft ein sehr langsamer Mann den Weg entlang und weiter hinten kommt ein schneller Mann angelaufen. Sagt der Schnelle zu dem Langsamen, »na wie geht es dir«, noch bevor der Langsame antworten kann, ist der Schnelle weg. Diese Szene geht mir partout nicht aus dem Kopf. Ich bin dann nicht mehr zu diesem Arzt hingegangen.
Weil der Internist der Meinung ist, dort gibt es hervorragende Fachärzte für meine Beschwerden, schleppe ich mich voller Hoffnung mit den Unterlagen in diese Klinik. Trotz Termin muss ich noch eine Stunde abwarten. In der Zwischenzeit hat man mich über die Klimaanlage auf gefühlte zehn Grad minus herunter gekühlt. Ach ja, mein Wärmeempfinden ist auch gestört, mir ist immer eiskalt, aber dort ist es in der Tat unerträglich.Dann kommt eine Ärztin, sieht sich meine Unterlagen an, sie meint, »na ja, dass mit den Schmerzen liegt an dem Iliosakralgelenk/Verbindung der Wirbelsäule mit dem Becken. Wir nehmen sie stationär auf, legen ihnen dort ein Medikamentendepot ein, damit sie keine Schmerzen mehr haben«. Als ich ihr sagte, dass dies ein völlig neues Untersuchungsergebnis ist, antwortet sie mir, in einem schnippischen Ton, schaut dabei aus dem Fenster, dass die anderen Ärzte halt die falsche Diagnose gestellt haben. »Wenn sie mir nicht glauben, kann ich ja einen Kollegen von der Station holen«, gesagt, getan. Ich muss rausgehen, sie ruft ihren Kollegen an.
Dieser Arzt ist von ihr, wie man merkt, bereits geimpft worden. Er begrüßt mich gleich mit den Worten, »die Kollegin hat ihnen ja schon mal erklärt, was sie haben«. Auf meinen Einwand, dass das eine völlig neue Diagnose ist, sie nur das Lipom, das auf den MRT-Aufnahmen zu sehen ist, befunden sollen, das womöglich für die gesundheitlichen Einschränkungen ursächlich ist. Dafür handele ich mir geräuschvolles Gelächter ein».
Ein Lipom kann solche Beschwerden nicht machen, da es gutartig ist«. Meinen Einwand, dass es aber eine Raumforderung im Körper ist, wischen sie sofort vom Tisch. Ich bin keine ängstliche Person und sage ihnen, dass ich mit ihrer Diagnose nicht einverstanden bin, ich verlasse die Klinik. Nach solchen Krankenhaus oder Arztbesuchen falle ich immer in ein tiefes Loch, totale Ratlosigkeit ist in meinem Kopf.
Mein Körper ist nicht mehr im Gleichgewicht, ich habe kein Gefühl für die Mitte des Körpers. Meine Beine schlenkern am Körper hin und her, ohne dass ich sie unter Kontrolle bekomme. Am Rumpf besitze ich fast keine Beweglichkeit mehr, ich kann das Becken nicht kippen die Hüften nicht schwingen. Abrupt den Kopf zu drehen, hat mich unweigerlich, zum Sturz gebracht.
Langes Sitzen, Stehen und Laufen, verursacht in der Wirbelsäule eine Kompression, die in die Beine geht, mich nicht mehr laufen lässt. Es ist, als blase man Luft in die Wirbelsäule, die sich bei jedem Schritt verdichtet. Die Waden werden zusammengepresst und der rechte Fuß bekommt einen Spasmus, der es mir nicht mehr ermöglicht den Fuß gerade auf den Boden zu stellen.
Linderung für diese Beschwerden bringt nur Liegen auf der rechten Seite oder Sitzen in einer bestimmten Sitzhöhe. Genau genommen bin ich nicht mehr lebensfähig, aber ich kämpfe, gegen meine Krankheit, die noch keinen Namen hat, ungeachtet der unwissenden Ärzte, für mich und meinen Körper, trotze allen Schwierigkeiten, die das Leben mir bietet. Ich fühle mich wie in einer Zwangsjacke, nur das man mir nicht die Arme, sondern die Beine zusammengebunden hat. Oft denke ich, wenn es so weiter geht, wird man mir auch noch das Gehirn herausblasen. Bei näherer Betrachtung ist das vielleicht nicht so tragisch, dann brauche ich mir keine Gedanken mehr über meinen jetzigen Zustand zu machen.
Im Jahre 2011 versuche ich noch einmal, alle Kräfte zu mobilisieren. Ich stolpere weiter regelmäßig zweimal die Woche zur Krankengymnastik, mache jeden Morgen zu Hause Gymnastik am Boden, auf dem Gymnastikball, auf einem Stuhl um mich trotz alledem fit zu halten. Meine Physiotherapeutin stellt mich immer wieder auf das Laufband, um die Koordination und die Ausdauer der Beine zu beobachten. Ich soll nach Möglichkeit nicht die Haltestangen benutzen, aber das ist von mir immer nur zwei drei Schritte durchführbar, dann falle ich rechts oder links gegen die Stange. Das Laufen auf dem Band hört sich eher an, als wenn ich ein Holzbein habe.
Es macht am rechten Fuß immer ein plumpes platschendes Geräusch, also mit dem linken Fuß ein Auftippen und rechts platsch. Zu der Zeit gelingt es mir noch recht gut, am Boden auf der Gymnastikmatte alle mir gestellten Übungen auszuführen. Es ist wie in einem Hamsterrad, so sehr ich auch versuche, in eine andere Richtung zu laufen, es gelingt mir nicht auszubrechen.
Ich bin immer noch auf der Suche, nach einem Arzt der mir meine Beschwerden lindern oder heilen kann. Deshalb suche ich einen von meiner Schwester empfohlenen Orthopäden auf, der mir auch versichert, ein Lipom kann solche Probleme nicht machen. Ach, beinahe hätte ich es vergessen, dass der Rückenpapst von 2010 mich noch zum Endokrinologen schickt, da ich fast kein Vitamin D in meinem Blut habe. Was ja auch nicht weiter verwunderlich ist, ich halte mich ja fast nur noch in Räumen fernab der Sonne auf, die mir den Wirkstoff, wieder auffüllen kann. Der Arzt verordnet mir, Dekristol 20.000 Einheiten Vitamin D was ich nach wie vor nehme und vertrage. Ich schleppe mich dann durch das Jahr 2011, taumle immer wieder zu den Ärzten, um ihnen mein Leid zu Klagen und unverrichteter Dinge wieder von dannen zu ziehen. Ich pendle zwischen dem Internisten, Orthopäden sowie Lungenarzt hin und her. Niemals hätte ich mir früher vorstellen können innerhalb eines Jahres zu so vielen Ärzten zu gehen. Was bleibt mir auch anderes übrig, kein Arzt hat bisher eine Diagnose für meine Krankheit gefunden. Zwei Jahre meines Lebens verschwende ich bereits ohne ein Licht am Horizont zu sehen.
Mit diesem Absatz versuche ich, anderen Patienten die Angst vor Krankheiten zu nehmen, meine Mutter sagt immer; »es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird«. Und so ist es auch mit Erkrankungen, natürlich gibt es viele, die unheilbar sind. Gleichwohl gibt es Krankheiten, die sich schrecklich anhören, mit denen man aber leben kann.