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Zielkonflikte, überbordende Bürokratie und dann noch Menschen, die sich ambivalent und scheinbar paradox verhalten: Wenn der Druck steigt und die Interessen der Stakeholder auseinandergehen, stehen Manager oft vor unauflösbaren Fragezeichen. Sie sind gefangen im Komplexitätsdilemma. Dunja Lang kennt solche Fälle nur zu gut. Als Unternehmensberaterin, Executive Coach und Begründerin der Methode „Change®Evolution“ unterstützt sie Manager dabei, Komplexitätsdilemmas zu bewältigen, ihre Handlungskompetenz zurückzuerlangen und Unternehmen agil, flexibel und stark zu machen. In diesem Buch stellt sie ihre ganzheitliche Problemlösungsmethodik erstmals einem breiten Publikum vor. Dieser systemische Ansatz spart viel Zeit und Energie und trägt gleichzeitig zu mehr Produktivität, Selbstorganisation, Agilität, Innovation, Arbeitszufriedenheit und Motivation bei. Erfahren Sie in diesem Buch: * Wie Unternehmen sich selbst blockieren * Wie Sie mit Mehrdeutigkeit und Unschärfe umgehen können * Wie Sie vom Gehirnbesitzer zum Gehirnbenutzer werden * Wie Sie Komplexitätsdilemmas ganz konkret bewältigen * Wie Sie komplexe Change Projekte ganzheitlich und integrativ angehen "Probieren geht über studieren. Schon das alte deutsche Sprichwort atmet den Geist des Silicon Valley. Auch dieses Buch hält ein Plädoyer für experimentelles, pragmatisches Ausprobieren. Dem Leser viel Freude und 'Kurzweil'" Thomas Sattelberger (Publizist, Politikberater und ehemaliger Personalvorstand Telekom) "Es gibt nach meiner Kenntnis bisher kaum eine deutschsprachige Veröffentlichung im Bereich der Organisationswissenschaften, die die notwendige Theorie und gleichzeitig hilfreiche Praxis-Anleitungen für den Umgang mit Komplexität und mit Veränderungsprozessen in Organisationen und dabei auch noch die Nutzung der Neurobiologie so klar und umfassend bietet, wie dieses Buch hier. Deshalb wünsche ich ihm eine sehr große Verbreitung, bin aber auch sehr optimistisch, dass es diese erhält." Dr.med.Dipl.-Volksw. Gunther Schmidt (Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg und Ärztlicher Direktor der sysTelios-Klinik für psychosomatische Gesundheitsentwicklung Siedelsbrunn)
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Seitenzahl: 454
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Geleitwort
Vorwort und Gebrauchsanleitung
Teil 1. Komplexität hoch drei! Die Komplexitätsfalle – die Komplexitätsdenke – die Komplexität des Faktors Mensch
Die Komplexitätsfalle
1. Wie Ihr Unternehmen sich selbst blockiert und warum Sie nicht mehr, sondern anders arbeiten sollten
2. Warum Arbeitsteilung ALLEIN in komplexem Umfeld kontraproduktiv ist
3. Die elf häufigsten Fehler im Umgang mit Komplexität
Die Komplexitätsdenke
4. Wie Sie nötige von unnötiger Komplexität unterscheiden
5. Wie Sie organisierte Selbstorganisation entstehen lassen
„Die Komplexität des Faktors Mensch“
6. Warum es nicht reicht, die sachlogische Komplexität zu managen
7. Den Autopiloten ausschalten: Gehirnbenutzer statt Gehirnbesitzer
8. In drei Schritten die Risiken in den Griff bekommen
9. Case-Study: Houston, wir haben ein Problem! – Komplexitäts- und Risikomanagement in der Praxis
Teil 2. Die Komplexitätschance – Dilemmas erfolgreich managen
10. Basis-Know-how für den Umgang mit Mehrdeutigkeiten und Unschärfen – warum Dilemma-Management nicht einfach eine „Managementtechnik“ ist
11. Individuelle Dilemmas managen – Dilemmas individuell managen
12. Dilemmas in Organisationen und Teams managen
13. Integratives Management auf mehreren Ebenen: ein Dilemma kommt selten allein
Teil 3: Change®Evolution – die Lösungsmethodik für Komplexitätsprobleme
14. Wie komplexe Vorhaben gelingen und Komplexitätsdilemmas sich systemisch lösen lassen
Komplexität einfach analysieren
Wie lässt sich die Komplexität in Q4 managen?
Change®Evolution – ganzheitliche Problemlösungsmethodik für komplexe Probleme
15. Change®Evolution: die sechs Schritte im Überblick
16. Change®Evolution: die sechs Schritte im Detail
Schritt 1: IST-SOLL-Diskrepanz ganzheitlich aus mehreren Perspektiven erfassen
Schritt 2: Ausgangslage und Zielsetzung analysieren und neu modellieren
Schritt 3: Zusammenhänge und Spannungsfelder verstehen
Schritt 4: Gestaltungs- und Lenkungsmöglichkeiten erarbeiten
Schritt 5: Mögliche Problemlösungen beurteilen
Schritt 6: Problemlösungen umsetzen und verankern
17. Case-Study: Wasch mich, aber mach mich nicht nass – komplexe Probleme auffinden und bewältigen
Die Case-Study im Überblick
Die Case-Study im Detail
Fazit
Abschließende Praxistipps
Anhang
Interview-Fragebogen der Case-Study „Houston“
Im Kopf zum Sieg! Hypnose und hypnosystemisches Coaching – Was ist das?
Zur Dynamik innerer Antreiber – Reflexionshilfe zur Selbsteinschätzung
Checkliste zur Auftragsklärung
Arbeitshilfe zu den Projektzielen
Folien: Charts und Modelle im Überblick
Über die Autorin
Literaturverzeichnis
Auflösung
Dieses Buch stellt sich eine ausgesprochen herausfordernde Aufgabe, die manche sogar als „mission impossible“ an sehen. Es ist ja direkt zu einer Mode geworden, von „großer Komplexität beim Change“ zu reden und dies der Annahme zu verbinden, dass die meisten Veränderungsprozesse ja letztlich doch scheitern würden. In vielen Unternehmen treffe ich oft auf solche eher skeptischen, pessimistischen, ja zynischen Haltungen bei vielen Führungspersonen und Mitarbeitern, verbunden mit Schilderungen ihrer frustrierenden Erfahrungen mit solchen „Changes“. Um es gleich vorweg zu sagen: Das Buch hier von Dunja Lang stellt sich dieser Aufgabe nicht nur, es bietet sehr kreative, differenzierte, theoretisch sehr gut fundierte und dabei hervorragend praktisch gut umsetzbare Strategien für das Management von Komplexität in Organisationen und für erfolgreiche Veränderungsprozesse. Statt fast verdummender Simplifizierung von Komplexität bietet sie nützliche Konzepte für eine zieldienliche und effektive Reduktion bei gleichzeitiger Bewahrung von Komplexität. Das muss man ihr erst mal nachmachen. Ich bin sicher, das schaffen so nicht viele.
Typische Kommentare, die ich in manchen Unternehmen höre, gehen in die Richtung: „Wir befinden uns gerade in einem Change-Prozess.“ Dies finde ich auf eine Art rührend, weil es implizieren könnte, dass dies in Organisationen etwas Besonderes sei, weshalb dann meine darauf folgende Frage ist: „Seid ihr das nicht immer?“ Denn da sich die Umwelt von Organisationssystemen ja ständig ändert, muss, auch wenn es das nicht wollte, jedes Organisationssystem ohnehin sich ständig ändern. Deshalb habe ich einmal einem Artikel von mir zu solchen Themen den Titel gegeben „Wer einigermaßen der Gleiche bleiben will, muss sich ständig verändern.“ So gesehen finde ich es sehr unglücklich, wenn über „Change“ so geredet wird, als ob dies ein Sonderzustand sei, ja sogar, dass überhaupt von „Change“ gesprochen wird. Günstiger finde ich, wenn zum Beispiel von „kontinuierlichen, nie endenden wechselseitigen Lernprozessen“ gesprochen würde.
Diese andauernden, unvermeidlichen Veränderungsprozesse machen aber die ohnehin ständige enorme Komplexität in den Organisationssystemen noch bewusster für die Beteiligten, ja, sie rühren sie noch stärker auf. Für die Einzelnen in den Organisationen kann dies sehr überfordernd wirken und es fast unmöglich für sie machen, einen Überblick über das Gesamte zu erhalten bzw. zu bewahren. Unter diesen Umständen ist verständlich, dass es ein noch immer großes Bedürfnis bei Beteiligten gibt, die „Geschichte“ solcher Prozesse quasi digital, mit vielen linear-kausalen Modellen und so zu schreiben, als ob zum Beispiel Erfolge von Organisationen vor allem einzelnen Personen in Spitzenpositionen zugeschrieben werden, die als „charismatisch“ glorifiziert werden, und wenn es nicht klappt, dies an „Störenfrieden“, „Querulanten“ usw. läge. Denn diese „Geschichtsschreibung“ wirkt als Lösungsversuch, der für Betroffene die Komplexität reduziert. Danach gibt es offensichtlich eine große Sehnsucht, und solche Konstrukte verschaffen die Illusion von Sicherheit, Orientierung, Kontrolle. Leider aber stellen nach allen unseren Erfahrungen gerade solche Beschreibungsformen Lösungsversuche dar, die optimale Lernprozesse in ständig fluktuierender Dynamik sehr destruktiv behindern können. Lebende Wesen sind prinzipiell nicht berechenbar und von außen ganz kontrollierbar, wie die Hirnforschung eindeutig zeigt, und komplexe soziale Systeme auch nicht. Die Zeiten des „heroischen Managements“ sind wohl ein für allemal vorbei.
Wir brauchen Beschreibungsformen, Konzepte und Strategien, welche mit der ungeheuren Komplexität und der grundsätzlich nicht auflösbaren Ungewissheit so umgehen, dass sie genau zu nachhaltig sehr zieldienlichen, auch ökonomisch optimalen Ergebnissen für die Organisationen in ihrem Dauerwandel führen. Genau das bietet das Buch von Dunja Lang hier. Aus dem Quell eines enorm reichhaltigen Erfahrungsschatzes durch viele Jahre systematischer Arbeit in Organisationen und mit den Menschen in ihnen bietet Dunja sehr klare, erhellende Analysen von typischen Problemprozessen, vor allem aber sehr viele handfeste, sehr nützliche und praktisch gut umsetzbare Modelle und Strategiekonzepte für praktisch alle typischen Aufgaben und Herausforderungen in Organisationen. So wird auch für bisherige Laien (und für alle Professionellen ohnehin) gut durchschaubar, wie man mit „Schwierigkeiten“ auf dem Veränderungsweg elastisch und zieldienlich (utilisierend) umgehen kann.
Besonders gut (wenn ich überhaupt etwas herausheben will) gefallen mir ihre Ideen, wie man bei Change-Prozessen mit den dazu unvermeidbar als natürliche Reaktion auftretenden Ambivalenzen der Beteiligten wertschätzend, motivierend und Kompetenz-aktivierend umgehen kann. Mit fundiertem „systemischem Blick“ auf dynamische Wechselwirkungen, auf ständige Fluktuation des Organisationssystems und mit hervorragendem Know-how dafür zeigt sie auch, wie man dabei mit den Beteiligten für die jeweiligen Situationen passende Ziele entwickelt. Nicht nur „smarte Ziele“, sondern auch solche, mit denen man sogar bei unklar und nicht berechenbar bleibenden Bedingungen sehr kraftvolle und erfolgreiche Kooperationsprozesse gestalten kann.
Sie vermittelt überzeugend, wie eine Vertrauenskultur mit passenden Prüf- und Bilanzziehungs- Maßnahmen sowie, mit agilen Rückmeldungen, die flexible Reaktionen und Steuerungs- und Justierungsmaßnahmen bei gleichzeitiger Nutzung permanenter Lernprozesse auf dem Weg der Entwicklung ermöglichen, erfolgreicher wirkt als eine Misstrauenskultur mit einseitigen Kontrollversuchen, die im Umgang mit autonomen Lebewesen grundsätzlich nicht dauerhaft erfolgreich werden. Dunjas Konzepte für ein wirksames Meta-Risikomanagement und überhaupt ihr gesamtes Konzept der „Change® Evolution“ halte ich für beispielhaft. Mit seiner enormen Nützlichkeit kann man es nur vielen Organisationen wünschen.
Darüber hinaus bietet sie sehr gut nutzbares Wissen für optimales Management von Zwickmühlen (Dilemmata) und sogar für Polylemmata, zudem Lösungsstrategien, die auch dabei noch sehr erfolgswirksame Handlungsfähigkeit ermöglichen, wodurch diese Zwickmühlen sogar noch zieldienlich genutzt (utilisiert) werden können. In vielen Publikationen werden für diese Situationen ausgefeilte Strategien angeboten, die meisten davon aber sind vor allem kognitiv, rational orientiert, aus Sicht der modernen Neurobiologie „Großhirnrinden-orientiert“. Dunja Lang hingegen bezieht in bereichernder Weise ganzheitlich neueste Erkenntnisse der Neurobiologie (auch Neuro-Leadership) mit ein und verbindet so ihr umfassendes wirtschaftliches Wissen sehr differenziert mit psychologischem Wissen.
Viele Change-Prozesse scheitern nach meinem Eindruck vor allem daran, dass sie so angegangen werden, dass einseitig Partei genommen wird für „Change“ und gegen Bestrebungen der Beteiligungen, an Bisherigem festzuhalten, oder auch dagegen, dass es Widerstände, Bedenken, Ja-aber-Haltungen usw. gibt. Die Kraft für eine Veränderung, auch die Orientierung und Sicherheit, die man dafür braucht, kommen aber gerade aus der Wertschätzung des Bisherigen, besonders all der Prozesse, die von Beteiligten als bewahrenswert eingeschätzt werden. Und aus der wertschätzenden Übersetzung ihrer Bedenken als engagierte Feedbacks über Bedürfnisse, die für die Veränderung achtungsvoll behandelt und eventuell berücksichtigt werden sollten. In diesem Buch werden in beispielhafter Weise sehr wirksame Vorgehensweisen für optimale Balance-Strategien zwischen angestrebtem Neuem und wirksamer Nutzung der bisherigen Prozesse für gelingende Change-Prozesse gezeigt.
Sie zeigt, wie gezielt unterstützend auch die inneren Prozesse der Beteiligten an Change-Prozessen berücksichtigt und genutzt werden können. Denn für alle Beteiligten lösen solche Prozesse, selbst wenn man sie kognitiv intensiv will, in aller Regel auf unbewusster und unwillkürlicher Ebene Ambivalenzen aus. Diese werden aus der kognitiven Großhirnrinden-Position oft abgewertet, weil sie von dort aus (Entweder-oder-Logik) nicht „vernünftig“ erscheinen. Menschliche Gehirne funktionieren aber nach allen Erkenntnissen der Neurobiologie anders, da Stamm-und Zwischenhirnprozesse zentrale Bedeutung für die Erlebnisgestaltung haben. Dort werden viel umfassender intuitive Sicherheitsbedürfnisse, Loyalitäten usw. berücksichtigt. Erst wenn diese Dynamik berücksichtigt wird, kann ein ganzheitlich kraftvoller Prozess gestaltet werden, der alle relevanten Kompetenzen für gelingende Veränderung aktiviert und durch würdigenden Umgang mit diesen Prozessen auch die notwendige Motivation ermöglicht.
Es gibt nach meiner Kenntnis bisher kaum eine deutschsprachige Veröffentlichung im Bereich der Organisationswissenschaften, die die notwendige Theorie und gleichzeitig hilfreiche Praxis-Anleitungen für den Umgang mit Komplexität und mit Veränderungsprozessen in Organisationen und dabei auch noch die Nutzung der Neurobiologie so klar und umfassend bietet wie dieses Buch hier. Deshalb wünsche ich ihm eine sehr große Verbreitung, bin aber auch sehr optimistisch, dass es diese erhält.
Dr. med. Dipl.-Volksw. Gunther Schmidt
Leiter des Milton Erickson Instituts Heidelberg und Ärztlicher Direktor der sysTelios-Privatklinik für psychosomatische Gesundheitsentwicklung Siedelsbrunn
Bei der ersten Gelegenheit, nach einem meiner Vorträge über das Management komplexer Change-Projekte und Komplexitätsdilemmas Fragen zu stellen, sprach mich ein Teilnehmer an und sagte: „Ja wissen Sie, die von Ihnen beschriebenen Phänomene kenne ich alle, das trifft es genau! Ich bin wirklich in multiplen Dilemmas! Mein Vorstand will, dass ich die Kosten senke und gleichzeitig zufriedene Mitarbeiter habe! Wie soll das gehen? Zudem führe ich als Projektleiter ein komplexes Change-Projekt, bei dem ich massiven Widerständen begegne! Ich weiß gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht! So geht es nicht weiter! Die Frage ich für mich: Wie kann ich das von Ihnen beschriebene systemische Vorgehen in meiner speziellen Situation nutzen, wie sieht das konkret aus? Das mag bei ANDEREN gehen, aber MEINE Situation ist extrem schwierig!“ Ich dachte mir, dass das doch ziemlich frustriert klang. Und fand es sehr verständlich, dass man, wenn man mittendrin in einer schwierigen Situation ist, den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht! Jeder kennt das, dieses Gefühl, dass man aus einer Situation nicht mehr herauskommt.
Eigentlich schade, denn meine Erfahrung in der Praxis zeigt: Meist ist mehr drin, als man zunächst glaubt. Mit einer anderen, ganzheitlichen Perspektive, dem systematischen Erfassen und Management von Komplexitätsdilemmas und meiner integrativen, systemischen Problemlösungsmethodik habe ich einige scheinbar aussichtslose Fälle wieder ins Rollen gebracht, und das gilt sowohl für meine Erfahrung als Linienmanager wie auch als Berater und Coach. Interessanterweise werden oft die Schwierigkeit einer Aufgabe und der nötige Zeitaufwand für die Problemlösung als direkt proportional angesehen: Je schwieriger die Herausforderung, umso mehr Zeit ist notwendig. Meine Erfahrung zeigt aber: Oft ist sogar das Gegenteil der Fall – wenn man es richtig angeht!
Einen Schritt zurücktreten
Was ich selbst und meine Kunden brauchen, ist Folgendes: Es geht darum, zunächst einen Schritt zurücktreten und zu analysieren, warum klassische Problemlösungsmethoden in komplexen Situationen allgemein wenig nützlich sind. Die Frage stellt sich, was wir stattdessen brauchen, eben in diesem speziellen Fall. Allgemeine Prinzipien zum Management von Komplexität liegen in der Fachliteratur bereits vor, doch das reicht nicht!
Insbesondere Manager aus dem oberen und Top-Management brauchen konkrete Beschreibungen „wie geht es jetzt konkret“. Zu beachten ist dabei, dass auch unbewusste Verhaltensmuster eine Rolle spielen. Diese müssen einbezogen werden, weil viele Fehler im Zusammenhang mit komplexen Problemen nicht bewusst, sondern unbewusst verursacht werden. Leitsätze wie „Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern!“, „Ermöglichen Sie Selbstorganisation!“, „Schaffen Sie Transparenz!“, „Handeln Sie ganzheitlich!“ oder „Wir brauchen eine neue Art zu managen!“ helfen nicht weiter, sie sind zu einfach gefasst. Viele der Autoren zum Thema verweisen ihre Leser darauf, dass es keine simplen Lösungen gibt (was ja an sich richtig ist) und dass sie deswegen die konkrete Antwort schuldig bleiben (was die falsche Schlussfolgerung ist).
Allgemeine Ausführungen über Komplexitätsmanagement mit nachvollziehbaren Tipps in Form von Appellen zu formulieren ist einfach – konkrete Unterstützung, um die komplexe Suppe auszulöffeln, leider nicht!
Dieses Buch vermittelt daher nicht nur Know-how über systemisches Komplexitätsmanagement, sondern stellt konkrete Vorgehensweisen und Methoden dar. Zur Erläuterung dienen konkrete Fälle aus der Praxis, damit Sie als Leser sich auch etwas darunter vorstellen können. Meine Erfahrung ist: Beispiele tragen dazu bei, dass den meisten Managern konkrete Lösungsansätze für die eigenen Probleme einfallen, weil die Muster trotz verschiedener Ausgangslagen oft ähnlich sind.
Ein besonderer Fokus liegt auf den Fällen, in denen oft gar nicht exakt klar wird, was das Manager-Leben so schwer macht und wie wir aus der belastenden Situation wieder herauskommen. Oft fühlen wir uns darin gefangen wie der berühmte Esel zwischen zwei Heuhaufen, der nicht weiß, in welche Richtung er gehen soll. Widersprüchliche Anforderungen sind es, die uns in Dilemmas versetzen, aus denen es auf den ersten Blick keinen Ausweg gibt.
Häufig sollen Manager für komplexe Change-Prozesse die Verantwortung übernehmen, werden aber innerhalb der Organisation nur wenig oder gar nicht unterstützt. Manchmal besteht auch eine extrem ungünstige Ausgangslage oder man bekommt nur Steine in den Weg gelegt. Wie kann die betreffende Person mit solchen Umständen umgehen? Wie kann sie auch die unbewussten Phänomene erkennen und berücksichtigen, obwohl diese offiziell nicht existieren oder im Extremfall von den Beteiligten sogar geleugnet werden?
Die im Buch vorgestellten Case-Studies und Beispiele entstammen dem konkreten Managementalltag. Sie wurden ge-funden, und nicht er-funden. Aus Gründen der Vertraulichkeit habe ich allerdings die reale Situation jeweils abgewandelt und mehrere Fälle mit ähnlichen Mustern anders kombiniert. Dennoch ist jeder Fall aus der Praxis für die Praxis! Danke daher an alle Kunden, die Anlass gaben, dieses Buch zu schreiben, und mich in der Praxis bestärkt und inspiriert haben!
Von der Theorie zur Praxis
Das Buch ist interdisziplinär, praxisorientiert, modular, wissenschaftlich fundiert und beruht auf Erkenntnissen aus der Praxis: Es bietet daher weit mehr als mittlerweile gängige Ansätze, die insbesondere im Projektmanagement populär sind. Bedenken Sie: Es gibt Unterschiede, die tatsächlich einen Unterschied machen! Da sich der Unterschied zwischen „klassischen“ und „systemischen“ Vorgehensweisen oft in der Denkhaltung sowie in einzelnen Wörtern und Sätzen ausdrückt, bin ich entgegen sonst üblicher abstrakter Erläuterungen so weit gegangen, Unterschiede, die einen Unterschied machen, bis ins Kleinste darzustellen. Nach meiner Erfahrung sagen Manager oft: „Verstehe ich, klingt logisch“. Aber die Umsetzung fällt schwer, wenn es keine konkreten Beispiele gibt. Was zu tun ist, lässt sich oft leicht in Worte fassen, doch wie die praktische Umsetzung gelingen kann, bleibt oft unklar. Das WAS ist oft oberflächlich betrachtet gleich – aber das WIE macht den Unterschied!
Aus diesem Grund gibt es in diesem Buch ganz bewusst Redundanzen, weil inhaltlich gleiche oder ähnliche Aussagen auf verschiedenen Flughöhen dargestellt werden – mal abstrakt, mal konkret am Beispiel, mal kurz zusammengefasst oder auch sehr ausführlich.
Obwohl sich dieses Buch an Manager und nicht an Wissenschaftler richtet, beruht es doch auf wissenschaftlichen Grundlagen. Herangezogen werden insbesondere disziplinenübergreifende Erkenntnisse aus der Systemtheorie unter Einbeziehung von Humanwissenschaften wie der Psychologie, zudem aus der Gehirnforschung, den Neurowissenschaften. Das Buch ist also für Manager gedacht, die neue Wege suchen und Interesse an fundierten systemischen Vorgehensweisen für mehr Agilität und bessere Komplexitätsbewältigung haben – und die neugierig sind auf psychologisches Know-how im Umgang mit dem Komplexitätsfaktor Mensch!
Ansatz für mehr Agilität und bessere Komplexitätsbewältigung
Systemisches Denken und Agilität sind mittlerweile in aller Munde; oft wird das Potenzial, dass hinter diesen Begriffen steckt, allerdings nicht voll wahrgenommen und ausgeschöpft. Klassische Management-Methoden wirken nur begrenzt, dies erkennen auch die Manager, die zudem an ihre eigenen Grenzen stoßen. So findet sich oft keine befriedigende Lösung, das, was sich jeder anlesen und selbst lernen kann, reicht nicht aus und geht nicht tief genug. Ich freue mich über die Entwicklung, dass Manager daher immer stärker an ganzheitlichen, systemischen, agilen Methoden interessiert sind, auch wenn sie noch nicht genau wissen, was ihnen das bringt und wie diese konkret angewendet werden. Genau hier setzt das Buch an. Es ist für Manager, die neue Wege suchen, aber keine Originalfachlektüre in voller Breite lesen möchten, und die dennoch keine unzulässige Simplifizierung wollen, sondern fundierte Erläuterungen mit viel Praxisbezug und konkreten Vorgehensweisen.
Spätestens seit der Finanzkrise ab dem Jahr 2007 stellen sich viele die Frage, ob unerwünschte Entwicklungen in Unternehmen und Märkten sowie bürokratische, träge Abläufe in den Organisationen nicht auch damit zusammenhängen, wie bislang gedacht wurde und wie Entscheidungen in komplexen Situationen fallen. Die Art und Weise der Komplexitätsbewältigung stellt für viele Manager eine zentrale Herausforderung dar. Fredmund Malik fasst dies so zusammen: „Komplexität zu meistern wird die Hauptherausforderung im 21. Jahrhundert sein. Dafür braucht man das richtige Wissen.“ Weiter führt er aus: „Komplexität muss genutzt werden, denn fast alle Erfolge resultieren aus intelligenter Nutzung von Komplexität“.(Malik, 2007, S. 63 f.).
Das Ziel: leichter, agiler, stressfreier arbeiten
Die Frage ist also: Wie können wir Komplexität nutzen, ohne wegen der vielfältigen Wahlmöglichkeiten und Vernetzungen in ein Komplexitätsdilemma zu geraten und deshalb falsche Entscheidungen zu treffen? Kurzfrist-Aktionismus und einseitige Effizienzoptimierung, Erosion von Werten und Unternehmenskultur sowie unreflektiertes Entweder-oder-Denken nagen an der Substanz von Unternehmen. Es geht nicht darum, mehr oder weniger Arbeitszeit aufzuwenden, sondern dass wir einen Weg finden, wie wir leichter, stressfreier und agiler arbeiten! Zwei Anregungen von Albert Einstein können uns dabei von Nutzen sein: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“. Und: „Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung“.
Ein wichtiges Anliegen des Buches besteht darin, neue Perspektiven und Sichtweisen sowie neue methodische Herangehensweisen beim Umgang mit komplexen Problemen und Komplexitätsdilemmas anzuregen, die die Grenzen bisheriger Denkweisen überwinden und kreatives Querdenken in Organisationen anregen. Die Frage ist: Was können wir neu, was können wir anders machen, und was soll genauso bleiben, wie es ist?
Impulse und Inspiration für neues Denken
Die konstruktive Bewältigung von Komplexitätsdilemmas trägt dazu bei, Organisationen agil, flexibel und stark zu machen. Richtig umgesetzt, spart die hier beschriebene systemische Arbeitsweise viel Zeit und Energie und trägt gleichzeitig zu mehr Produktivität, Selbstorganisation, Aktivität, Innovation, Arbeitszufriedenheit und Motivation bei. Ich will Sie dazu ermutigen, aktiv mitzudenken und die angebotenen Thesen und Beispiele zu hinterfragen: Wie ist die Situation bei mir, in meinem Unternehmen? Was würde ich tun? Wie denke ich darüber? Daher gebe ich im Lauf des Buchs immer wieder Impulse, die zum Reflektieren und Nachdenken anregen. Denn: Das wichtigste Management-Tool für einen Manager ist der eigene Kopf! Nutzen Sie die Gelegenheit und lassen Sie sich auch von den beiden umfassenden Case-Studies und den vielen Praxisbeispielen aus dem Management-Alltag inspirieren!
Der erste Teil des Buchs gibt Antwort auf die Frage, warum Unternehmen sich oft selbst blockieren und in Komplexitätsfallen tappen und wie dies geschieht. Die Lösungsversuche sind meist gut gemeint, aber wenig wirkungsvoll; sie verursachen vielmehr neue Probleme und Komplexitätsdilemmas, die dann endgültig zu Trägheit oder gar zum Stillstand im Unternehmen führen. Wir brauchen also einen neuen Ansatz, eine andere Art des Denkens, um Komplexitätschancen zu ergreifen und Unternehmen agil und selbst organisiert zu führen. Ein besonderer Fokus muss dabei auf dem Komplexitätsfaktor Mensch liegen, denn sein Verhalten kann mit klassischen, eher rationalen Management-Methoden oft nicht verstanden, erreicht und wirksam beeinflusst werden. Sie erfahren, wie wir Menschen aus Sicht der Neurowissenschaften, der Gehirnforschung, ticken und wie wir vom Gehirnbesitzer zum Gehirnbenutzer werden. Das ist besonders wichtig, wenn es um komplexe Projekte und Change-Prozesse geht.
Wie Sie den Wald UND die Bäume sehen.
Ich kenne beispielsweise nahezu keinen Manager von Veränderungsprozessen, der sich nicht über als „Widerstand“ bezeichnetes Verhalten von Mitarbeitern beschwert und verzweifelt nach Wegen aus dieser Situation sucht. Die üblichen Lösungen und Appelle greifen nicht, hier wird gezeigt, warum das so ist und wie es besser geht. Das von mir erstellte „Mehr-Ebenen-Modell des Risikomanagements“ hilft Ihnen, den Wald UND die Bäume zu sehen, indem Sie durch systematische Reflexion auf der Metaebene Komplexitätsrisiken erkennen und in den Griff bekommen.
Abgerundet wird dieser Teil durch eine umfassende Case-Study „Houston, wir haben ein Problem!“ (Reorganisation eines Unternehmens in der Krise), die unter anderem die konkrete Anwendung und die Vorteile einer systemischen Herangehensweise an komplexe Probleme verdeutlicht.
Der zweite Teil des Buchs beschäftigt sich zunächst mit den Fragen, warum es so wichtig ist, mit Mehrdeutigkeit und Unschärfe umgehen zu können, und welche Kosten schlecht gelöste Komplexitätsdilemmas nach sich ziehen. Die Auswirkungen falscher Entscheidungen in Dilemmasituationen sind immens! „Leadership is about reconciling dilemmas“ (Trompenaars, 2003) – praktisch alle wichtigen Management-Entscheidungen werden durch Dilemmas bestimmt, auch wenn wir uns dessen oft gar nicht bewusst sind!
In komplexen Systemen und bei komplexen Vorhaben können immer auch Zielkonflikte und Dilemmas auftreten, die aus psychologischer Sicht besonders stressen, denn sie implizieren den Grundsatz: Egal, was du machst, du machst es falsch! Anforderungen, die Manager erfüllen sollen, sind oft unvereinbar nach dem Motto: Wasch mich, aber mach mich nicht nass! Beispiel: Werde produktiver (sorge dafür, dass die Arbeit von weniger Menschen mit geringeren Kosten erledigt wird) – UND sorge GLEICHZEITIG für hohe Mitarbeiterzufriedenheit!
Bewältigung von Dilemmas
Werden Dilemmas nicht reflektiert, nur unzureichend bewältigt oder sogar totgeschwiegen, kann dies auf der individuellen Ebene im schlimmsten Fall zu Burnout, auf der Unternehmensebene zu existenziellen Krisen führen (unter anderem Skandale und Imageschäden, die auf Entweder-ODER-Denken beruhen, zum Beispiel Gesetzeskonformität ODER Profitmaximierung). Jedoch gilt: Individuelle, Team- und organisationale Zwickmühlen sind Teil des Management-Alltags. Checklisten sowie die Darstellung konkreter Beispiele vermitteln deshalb Tipps und Vorgehensweisen, um Dilemmas zu bewältigen!
Der dritte Teil des Buchs präsentiert Change®Evolution – die ganzheitliche Problemlösungsmethodik für komplexe Vorhaben und das Bewältigen von Komplexitätsdilemmas. Dahinter verbergen sich eine Methode und ein Denkansatz, um das Ganze UND die Teile zu managen und um Unternehmen agil, flexibel und stark zu machen. Diesen integrativen Ansatz habe ich aus der Praxis für die Praxis entwickelt. Er stellt ein modulares „Best of“ verschiedener Methoden und Denkansätze dar. Sie werden bekannte und bewährte Bestandteile aus dem Change- und Projektmanagement sowie aus dem Komplexitätsmanagement wiederfinden. Neu ist der systemische und ganzheitliche Fokus, die systemische Haltung und der Einsatz systemischen Handwerkszeugs in einer komplett neuen Kombination, dargestellt anhand vieler Beispiele.
Die Abrundung des dritten Teils bildet die komplexe Case-Study „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Darin stößt der Protagonist bei einem komplexen Projekt auf „Widerstand“ und muss erst die vorhandenen Dilemmas in der Unternehmenskultur erkennen und bearbeiten, bevor er sein komplexes Veränderungsprojekt umsetzen kann.
Im Lauf meines Berufslebens hatte ich die Gelegenheit und Ehre, viele Pioniere des systemischen Denkens und der Komplexitätsbewältigung persönlich kennenzulernen und von Ihnen zu lernen, darunter Fredmund Malik, Frederic Vester, Stafford Beer, Fons Trompenaars und Gunther Schmidt.
Grenzen öffnen, wo andere Grenzen ziehen!
An dieser Stelle vielen Dank an Gunther Schmidt: Grenzen öffnen, wo andere Grenzen ziehen! Ihm fühle ich mich besonders verpflichtet, weil er mich nicht nur inhaltlich, sondern auch mit seiner einzigartigen Haltung sowie durch die Art und Weise, wie er Dinge vermittelt, sehr beeinflusst und beeindruckt. Von allen Experten, die sich zu Systemik und Komplexitätsmanagement äußern, ist er meiner Einschätzung nach der Erste und Einzige, der nicht nur konsequent fachliche Grenzen sprengt, sondern auch mit großer Begeisterung systemisches Know-how „stufengerecht“ jedem (und zwar wirklich jedem!), der es brauchen kann, mittels „Produktinformationen“ unterhaltsam, einfach und gleichzeitig fundiert zugänglich macht. Anstatt sich mit Fachsprache oder Zugangsbeschränkungen zur Ausbildung abzuschotten, betreibt er systematisch eine Demokratisierung seiner wertvollen Ideen, Erfahrungen und seiner Haltung. Das gelingt ihm, indem er seine Klienten, die Würdigung ihrer Bedürfnisse und schließlich den gemeinsamen Fokus auf das „Gewünschte, Stärkende, Kraft gebende“ in den Mittelpunkt stellt. Sein spezieller Verdienst besteht darin, dass er systemische Konzepte für Psychotherapie und Beratung mit den Modellen der kompetenzaktivierenden Hypno- und Psychotherapie zu einem wirksamen hypnosystemischen Konzept kombiniert und dieses in systematischer Ausbildung speziell an Menschen aus Organisationen bzw. Unternehmen weitergibt. Mit diesem Ansatz lassen sich auch unbewusste oder unwillkürliche Muster in Organisationen wirkungsvoll bearbeiten, die auf andere Art und Weise nicht zugänglich sind. Dem Grundgedanken, dass jeder, der systemisches Know-how braucht, eine für ihn angepasste Gebrauchsanleitung bekommen soll, fühle auch ich mich verpflichtet.
Anzumerken ist: Viel ist möglich, aber nicht alles! Das ist der Grund, warum ich viele „Nuancen“ der Systemik bewusst weglasse. Manchem Fachexperten wird der ein oder andere fachliche Hinweis oder eine mögliche Differenzierung fehlen. Das kann ich nachvollziehen, das ist Absicht. Fachbücher zu Systemik gibt es genug, praxisorientierte und gleichzeitig wissenschaftlich fundierte Gebrauchsanleitungen für Manager, wie sich Komplexitätsdilemmas managen lassen, nicht. Das Literaturverzeichnis am Ende des Buchs führt auf, was sich unter anderem zu lesen lohnt.
Viel ist möglich, aber nicht alles!
„Ein Problem zu lösen bedeutet einfach, es so darzustellen, dass die Lösung erkennbar wird.“
Herbert A. Simon (erhielt 1978 den Wirtschaftsnobelpreis für seine bahnbrechende Erforschung der Entscheidungsprozesse in Wirtschaftsorganisationen)
Komplexität ist das Kennzeichen der Moderne. Kein Mensch, der in der heutigen Zeit agieren möchte, kann sich ihr entziehen. Und erst recht nicht im Unternehmensumfeld: Sobald Sie in einen Markt eintreten, sind Sie mit Komplexität konfrontiert.
Komplexität macht uns oft Angst, weil der Mensch per se nicht dafür ausgelegt ist. Je komplexer die Situation, desto schwerer sehen wir die Konsequenzen unseres Handelns ab. Am einfachsten sind für uns überschaubare, klare Strukturen, aber die gibt es im komplexen Umfeld eben so oft nicht mehr.
Komplexitätsbewältigung als zentrale Herausforderung
Wir haben daher keine andere Wahl: Wenn wir in dieser Welt leben und handeln wollen, müssen wir uns mit ihrer Komplexität auseinandersetzen, die Chancen der Komplexität nutzen. Höhere Fähigkeiten erwachsen aus besserer Komplexitätsbewältigung!
Das ist möglich, wenn auch nicht so einfach. Intuitiv laufen wir nämlich wegen unserer instinktiven und angelernten Muster allzu leicht in die Fallen, die durch Komplexität entstehen.
Zunächst möchte ich Ihren Blick für die Fallen schärfen, um danach Ihre Chancen und Möglichkeiten aufzuzeigen.
„Das kann ich nicht entscheiden!“, sagt der freundliche Servicetechniker zu mir. Vor drei Monaten habe ich einen immerhin 700 Euro teuren Geschirrspüler bei seiner Firma gekauft. Ich dachte mir, das ist ja eine bekannte Marke, kein No-Name-Produkt aus China, da kann man ja nichts falsch machen. Doch leider zeigt das Display schon wieder „EX“ an, um mir mitzuteilen, dass mein Geschirr leider nicht getrocknet wird und immer noch patschnass im Geschirrspüler steht. Der Kundendienst ist bereits zum dritten Mal da.
„Das kann ich nicht entscheiden.“
Beim ersten Mal wurden – nachdem die halbe Küche auseinandergebaut worden war, um an das Geschirrspüler-Innenleben zu kommen – nur einige Teile ausgetauscht. Beim zweiten Mal hat der Techniker bereits alle Teile, die man irgendwie austauschen kann, ausgetauscht. Vorher hatte er gesagt: „Das ist wirklich ungewöhnlich, dass das ein zweites Mal passiert. Ich rufe mal in der Zentrale an, ob wir den Geschirrspüler austauschen können. Ich kann das leider nicht entscheiden.“ In der Zentrale teilte ihm eine freundliche Dame am Telefon mit, dass keiner der Verantwortlichen zu erreichen sei, die seien alle im Meeting, er solle doch einfach alle relevanten Teile austauschen.
Beim dritten Mal „EX“ sagt der Techniker: „Wir als Techniker sind zwar vor Ort und kennen das Geschehen am besten, dürfen aber leider nicht entscheiden. Ich muss den Meister in der Zentrale anrufen!“ Er erfährt nach einigen Telefonschleifen: „Die Meister sind alle im Fuhrparkmeeting! Mindestens noch eine Stunde!“ Er seufzt und legt auf. Er erklärt mir, dass die Dienstwagen schon ziemlich heruntergekommen sind und von verschiedenen Automobilfirmen Angebote eingeholt wurden. Die müssten natürlich ausführlich geprüft und verglichen werden, deswegen seien die Meister kaum zu erreichen. Außerdem hat er den Eindruck, dass durch das aktuelle Kosteneinsparprogramm alle Entscheidungswege noch langsamer werden. Er könne jetzt nur noch über E-Mail eine Entscheidung erbitten. Auf seine Nachricht an den zuständigen Meister erhält er eine Abwesenheitsnotiz, er schickt an zwei weitere Adressen. Er klappt seinen Laptop zu und verlässt mich mit den aufmunternden Worten: „Da wird sich jetzt dann wohl schon einer drum kümmern und entscheiden, was zu tun ist!“
Zwei Wochen später ruft mich jemand aus der Zentrale an, dass der Geschirrspüler ausgetauscht wird:„Aber erst in ungefähr zwei Wochen, weil wir unsere Routenplanung optimieren müssen, da müssen wir Sie als Kunden einpassen …“
Diese Episode habe ich selbst erlebt – und wenn ich damals meine Geschirrspülmaschine nicht dringend gebraucht hätte, hätte ich vielleicht nur den Kopf geschüttelt. Konnte ich aber nicht! Und denjenigen Unternehmen, denen diese Art von Absurdität passiert, ob im Kundendienst oder sonst wo, müssten laut aufschreien ob ihrer eigenen Fehlbarkeit.
Leider ist es jedoch Fakt: Viele Unternehmen blockieren sich selbst, sind quasi gefangen und finden aus dieser Falle nicht mehr heraus. Sie schaffen sich eine Selbstblockade durch Strukturen wie Entscheidungswege, Arbeitsprozesse, Organigramme etc., die sie sich auferlegt haben, mit dem Ziel sich besser zu organisieren.
Ungeeignete Lösungen
Ich habe dabei oft beobachtet: Die Manager sind guten Willens, die Widrigkeiten zu beheben. Sie wählen aber oft ungeeignete Lösungen, die die Komplexitätskosten wiederum erhöhen und den Beteiligten enormen Stress bereiten. Ich kenne keinen Manager, der gerne Entlassungs- oder Konfliktgespräche anstößt, gerne permanente „Restrukturierungen“ durchführt oder sich abends, nachts oder am Wochenende den Kopf über die Situation in der Firma zerbricht. Es ist kein Wunder, dass „Burnout-Erkrankungen“ zunehmen, wenn aus Produktivitätsgründen immer mehr Arbeit von immer weniger Köpfen erledigt werden soll. Die bisherige Lösung „Noch mehr arbeiten mit den bisherigen Methoden!“ stößt an ihre Grenzen.
Gleichzeitig gibt es in komplexen Systemen bei komplexen Vorhaben immer auch Zielkonflikte und Dilemmas, die aus psychologischer Sicht besonders stressen, denn sie implizieren: „Egal was du machst, du machst es falsch!“ Aufträge, die Manager erfüllen sollen, sind oft gestaltet nach dem Motto: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“ Oder: „Werde produktiver (Sorge dafür, dass die Arbeit von weniger Menschen zu geringeren Kosten erledigt wird!) UND sorge für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit (Diese wird dann akribisch in Mitarbeiterbefragungen erhoben.)!“
Stress durch Zielkonflikte und Dilemmas
Manager werden dann oft auf beide Ziele verpflichtet: Produktivitätssteigerung UND Mitarbeiterzufriedenheit. Die betroffenen Manager haben dann ein Dilemma, wenn sie beide Ziele als unvereinbar sehen, an beiden Zielen unverändert festhalten und darüber auch kein Dialog möglich scheint!
Für dieses zentrale Thema, einen besseren Umgang mit Komplexitätsdilemmas, biete ich Ihnen in diesem Buch Anregungen und Lösungen!
Doch zunächst ein Blick auf die gut gemeinten Lösungsversuche in Unternehmen, die oft nicht nur wenig wirkungsvoll sind, sondern sogar häufig zusätzliche Probleme produzieren. Deshalb nenne ich sie Fallen.
Sehen Sie die Fallen in Ruhe an, denn ich wette, Sie finden sich in der ein oder anderen wieder. Nur wer die Fehler kennt, kann auch die Hebel identifizieren, an denen er ansetzen muss!
Die ungünstige, weil uneffektive Bündelung von Entscheidungsprozessen, wie in der Geschirrspüler-Story, ist ein zentrales Problem in Unternehmen: Wenn Entscheidungen hauptsächlich im Kern, also vermeintlich „zentral“, gefällt werden oder nur gefällt werden dürfen, verlangsamt dies auf gefährliche Weise die Prozesse dort, wo das Unternehmen in Kontakt mit Kunden, Partnern etc. kommt. Dies schlägt in jeder Hinsicht negativ zu Buche, letztlich auch monetär.
Agilität und Kohäsion in Gefahr
Genauso gibt es das umgekehrte Phänomen: die Kohäsions-Falle!
Unternehmen lassen dezentral bzw. lokal praktisch jede Art von Lösung zu mit dem Effekt, dass es jeder anders macht. Folge ist, dass die Komplexitätskosten unnötig steigen und potenzielle Synergieeffekte nicht genutzt werden. Die Kohäsion geht verloren, genauso wie Überblick und Transparenz, wenn jeder vor Ort das Rad neu erfindet!
Ungelöste Zielkonflikte führen zu Blockaden.
Besonders verheerend sind auch ungelöste Zielkonflikte, die in den Untergrund abwandern und von dort aus auf irritierende Weise ein Eigenleben führen: Wenn Mitarbeiter und Führungskräfte Unsicherheit bezüglich der Unternehmensziele empfinden oder sie gar für unvereinbar halten, hemmt dies alle Arbeitsprozesse, weil Entscheidungen nicht mehr nachvollzogen werden können. Unklarheiten dieser Art müssen auf Führungsebene beachtet und bestmöglich ausgeräumt werden – die Mitarbeiter müssen wissen, woran sie sind.
Innovation bleibt auf der Strecke.
Die Tendenz, „Altbewährtes“ aufrechtzuhalten und fortzusetzen (obwohl sich dieses „Alte“ selten permanent bewährt hat), ist ein weiterer Stolperstein. Das Muster vom Typ „Mehr desselben!“, wenn es um Arbeitsprozesse etc. geht, steht echter Innovation im Weg. Statt neue und alte Probleme im Kontext der aktuellen Rahmenbedingungen zu diskutieren und nach besseren Lösungen zu suchen, werden schwierige Themen oftmals ausgespart.Am Ende wird so verfahren wie bisher:
Unnötige Meetings mit möglichst vielen Teilnehmern.
Meetings, die zu Multitasking-Einheiten geraten: Die Teilnehmer versuchen, dem Meeting quasi nebenbei zu folgen, und gleichzeitig Laptop und Handy zu bedienen. So ist man mental vermeintlich überall, de facto aber nirgends. Unser Arbeitsgedächtnis verfügt nur über eine begrenzte Speicherkapazität, Multitasking in größerem Rahmen ist deshalb per se zum Scheitern verurteilt.
Protokollzwang zur besseren Dokumentation, obwohl dies oft nur Zeit frisst.
Powerpoint, obwohl keiner hinschaut – oder doch hinschaut und sofort vergisst, was er just sieht, etc.
Viel Aufwand, wenig Ergebnis
Das auffälligste Phänomen ist ein vielgesichtiger Aktionismus: Alle stehen unter Strom, arbeiten wie wild – und niemand hat mehr den Durchblick! Arbeiten werden in der falschen Reihenfolge gestartet, Dinge nicht zu Ende geführt, dafür aber immer wieder neu angefangen. Wenn dann auch noch im Management oft die Gesichter wechseln, verschärft sich die Lage noch: Alte Projekte werden herunterpriorisiert, neue nach oben gestuft. Alle stecken viel Energie in das Unternehmen hinein, ohne dass Ergebnisse produziert werden – das ist sehr frustrierend für alle Seiten.
Strategisches gerät aus dem Blick.
Ursache für Aktionismus ist oft mangelnder Fokus: Wer alles gleichzeitig im Blick haben will, dem geht die Konzentration auf das jeweilige Projekt ab – mit der naheliegenden Gefahr der Qualitätseinbuße. Außerdem: Wenn das Motto lautet, es muss möglichst viel „vom Tisch“, dann wird zwar viel agiert, aber es bleibt wenig Zeit. Insbesondere Zeit, die ablaufenden Prozesse mit einem gesunden Abstand zu reflektieren. Dieser selbst herbeigeführte Zeitmangel, den oft die Führungskräfte besonders stark empfinden, rächt sich mindestens mittelfristig: wenn nämlich die strategische Ausrichtung und der ganzheitliche Fokus im Tagestrubel untergehen. Die Zeit wird mit Nebensächlichkeiten verbracht und wirklich wichtige strategische Dinge bleiben auf der Strecke oder werden nur oberflächlich betrachtet.
Wenn es hart auf hart kommt, wenn Prozesse so aus dem Ruder laufen, erstarren oder stranden, dass niemand mehr die Augen davor verschließen kann, wird natürlich der Ruf laut: „Change!“ Gefordert wird ein Eingriff über ein komplexes Change- oder Reorganisationsprojekt, um die Organisation wieder neu auf Kurs, wieder arbeitsfähig, wieder effektiv zu machen. Als Ultima Ratio ist gegen eine solche Maßnahme nichts einzuwenden. Allerdings ist die Versuchung verführerisch, alles so lange laufen zu lassen, bis die Rettung über einen solchen Eingriff kommt.
Pseudo-Change blockiert echten Change.
Jedes Change-Projekt ruft neben den damit verbundenen Hoffnungen auch „Widerstände“ im Unternehmen hervor, wenn die Mitarbeiter das Gefühl haben, dass mal wieder alles auf den Kopf gestellt wird. Schon aus diesem Grund wäre ein insgesamt dynamisch, agil und evolutionär ausgerichtetes Managementhandeln ratsamer – wenn eruptive, revolutionäre Brüche durch eine kontinuierliche, proaktive Entwicklung durch alle Unternehmensbereiche hindurch ersetzt würden.
Es gibt auch echte Change-Projekte, die durch evolutionäre Strategien nicht zu bewältigen bzw. vorauszusehen sind, zum Beispiel die feindliche Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes. Diese echten Projekte können durch „Pseudo-Change-Projekte“ blockiert werden.
Es ist niemandem gedient, wenn Sie alle Aktivitäten als „Change-Projekt“ bezeichnen. Ein Geschäftsführer eines Unternehmens mit 2000 Mitarbeitern hat mir einmal auf die Frage „Wie viele Change-Projekte haben Sie im gesamten Unternehmen?“ geantwortet: „Etwa 100!“ Das sichtbare Resultat war Verzettelung!
Die Zahl der Unternehmen, die in diese Fallen geraten sind, ist groß. Wer wie Hamlet jedoch lediglich konstatiert „Etwas ist faul im Staate Dänemark“, ohne aktiv etwas zu ändern, der wird seinem Auftrag nicht gerecht. Es ist nämlich nicht Pessimismus angesagt, sondern mutiges Handeln.
Ich möchte für Sie die Chancen beleuchten, die Sie haben, um ein alternatives Arbeiten und mehr Dynamik in Unternehmen möglich zu machen – abseits von allen Selbstblockaden.
Abstand gewinnen!
Zunächst etwas scheinbar ganz Einfaches: Abstand gewinnen! Das ist letztlich Voraussetzung dafür, aus dem Hamsterrad auszusteigen, um das eigene Leben wieder in den Blick zu bekommen und ggf. etwas zu verändern. Aber es ist schwer, auch und gerade im Unternehmenskontext: Alles ist durchorganisiert, eng getaktet! Freiräume, um zu reflektieren, werden nicht geschaffen. Aber sie sind nötig, sonst verlieren sich Mitarbeiter und Führungskräfte im Dickicht des Waldes, den sie vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Zäsuren innerhalb langfristiger Arbeitsprozesse sind nötig, um einen Schritt zurückzutreten.
Dieser Schritt ermöglicht das Einnehmen der Metaebene, die für die Gesamtorganisation und für die Anpassung oder Neujustierung von Abläufen unabdingbar ist. Dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, zeigt nur ein Blick aufs Ganze, der eben kurzfristig den kleinteiligen Arbeitsfokus außen vor lässt. Darüber hinaus sollte der Blick aufs Ganze, der Überblick, nicht nur ein Blick sein: Erst diverse Perspektiven erschließen „das Ganze“.
Von dieser Plattform aus empfiehlt es sich auch, grundsätzlich die Arbeitsweisen immer wieder zu überdenken und neu auszurichten. Dabei sind vor allem zwei Dinge interessant.
Wechselwirkungen beachten
Erstens bedarf jedes Problem, das gelöst werden soll, eines Checks: „Ist X wirklich unser Problem? Oder haben wir nicht ein Problem Y auf einer anderen Ebene, das das Problem X verursacht? Sprich: Könnte es nicht sein, dass wir uns bei X lediglich mit Symptomen rumschlagen, statt die Wurzel des Problems, nämlich Y, zu beheben?“ Dies gilt natürlich insbesondere für Problemlagen, die schon im Angang viel Zeit fressen.
Zweitens müssen Projekte, die aufgelegt werden, im Vorfeld bestmöglich durchdacht werden. Natürlich unterliegt jedes Projekt, das realisiert wird, einer eigenen Entwicklungsdynamik; Nachbesserungen, Korrekturen oder Änderungen lassen sich also nicht vermeiden. Aber es ist eben nötig, alle wesentlichen absehbaren Aspekte und Eventualitäten schon beim Start in den Blick zu bekommen. Was mir immer wieder auffällt: Viele Manager durchdenken zu wenig – und planen zu viel! Beispiel: In einem Unternehmen soll ein grundsätzlicher Wandel angestrebt werden, das Unternehmen soll veränderungsfähiger werden. So weit, so gut! Nun wird die Personalleitung beauftragt, diesen Wandel zu realisieren, weil – so die Argumentation – Wandlungsfähigkeit etwas mit Einstellungen, Fähigkeiten, Haltungen von Menschen zu tun hat und man „Schulung“ braucht.
Mehr denken, weniger planen!
Das ist natürlich wesentlich zu kurz gedacht! Denn die allgemeine Veränderungsfähigkeit eines ganzen Unternehmens auf Vordermann zu bringen ist ein viel zu komplexes Unterfangen, als dass die Personalleitung dies ganz allein und nebenher schaffen könnte. Schulungen und Kulturwandelprojekte vonseiten der Personalentwicklung alleine können bei diesem Thema nichts Substanzielles bewirken. Das Einzige, was sich daraus ergeben kann, ist die kurzfristige Illusion, mit einer isolierten Change-Aktion eine nachhaltige Veränderung angestoßen zu haben.
Statt also die Idee „Das Unternehmen soll veränderungsfähiger werden!“ als Plan sofort auf den Weg zu bringen, wären eine grundsätzliche Analyse und ein zielgerichteter Dialog mit allen relevanten Beteiligten angebracht gewesen: „Was verstehen wir unter ‚veränderungsfähiger werden’?“ Wenn dies geklärt ist, wenn das Ziel der Maßnahme unmissverständlich formuliert ist, muss es konkret werden: „Wo sollen wir ansetzen? Sollen die Änderungen überall greifen oder nur in bestimmten Bereichen? Wie sieht dafür der Zeitplan aus? Welche Mittel sind nötig, welche stehen zur Verfügung?“ Und natürlich die Evaluation: „Wie erkennen wir, ob der Plan erfolgreich war? Welche Faktoren und Kriterien spielen eine Rolle?“
Erst wenn die Denkaufgabe erledigt ist, ist es sinnvoll, an die Planaufgabe zu gehen.
Verdichtung hat Grenzen.
Natürlich spüren Unternehmen und ihre Mitarbeiter, wenn Prozesse sich selbst blockieren oder lediglich suboptimal laufen. Es ist also wenig erstaunlich, dass die Nachfrage nach systemischen und agilen Methoden steigt, weil damit die Hoffnung auf „Selbstorganisation“ und „Dynamik“ sowie weniger Mühe beim Arbeiten verknüpft ist. Und auch Manager registrieren, dass ein grundlegender Wandel nötig ist. Deren Alltag zeigt jeden Tag aufs Neue immer mehr Verdichtung, aber die Produktivität kann nicht unendlich gesteigert werden. Mehrarbeit, Überstunden und Erreichbarkeit rund um die Uhr haben die physiologischen und mentalen Grenzen in den meisten Unternehmen schon erreicht. Nicht umsonst ist der Begriff „Burnout“ mittlerweile viel diskutiert, und viele Unternehmen verstehen, dass sie sich auch um die Stressbelastung und Gesundheit ihrer Mitarbeiter kümmern müssen.
Deshalb ein simples, aber implikationsreiches Fazit: Wir sollten nicht mehr, sondern anders arbeiten! Wie dies konkret aussehen könnte, insbesondere in Bezug auf die Arbeitsorganisation, zeige ich im nächsten Kapitel.
Was Arbeit ist und wie sie aussieht, bestimmt die jeweilige Zeit, in der sie anfällt. Insofern ist „Wandel der Arbeit“ heute ein geflügeltes Wort. Bei allen Veränderungen bleibt jedoch ein Moment bestehen: Arbeit dient einem Zweck. Es ist eine zielgerichtete Tätigkeit, um etwas zu erreichen – sei es die Arbeit auf dem Feld, um von seiner eigenen Hände Arbeit zu leben, eine Erwerbstätigkeit, um den Unterhalt zu sichern, oder Unternehmertum, um im wirtschaftlichen Wettbewerb seinen Gewinn zu sichern und zu steigern.
Profitsteigerung als unternehmerisches Prinzip prägt die Arbeitswelt bis heute. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Effizienz im Unternehmen zunehmen. Das wurde im Lauf des 20. Jahrhunderts vorrangig durch Prozessoptimierung erreicht. Den Begriff dafür geprägt hat der US-Amerikaner Frederick Winslow Taylor (1856–1915). Insbesondere durch das Prinzip der Arbeitsteilung hat der „Taylorismus“ das Gesicht der Arbeit verändert.
Heute kann man feststellen, dass das Optimierungspotenzial bei Produktionsmethoden vielerorts weitgehend ausgeschöpft ist. Die intelligente Arbeitsteilung hat sich bis in die Produktionshallen vorgearbeitet und führte dort zu Gruppenarbeit in der Fertigung, Teamaufstellungen etc. Hier macht Arbeitsteilung nach wie vor Sinn. Insbesondere für komplizierte Abläufe ist Arbeitsteilung sogar unerlässlich.
Die Grenzen intelligenter Arbeitsteilung
Schwieriger wird es, wenn die Abläufe nicht oder nicht nur kompliziert, sondern komplex sind. Dann zeigen sich die Schattenseiten der Arbeitsteilung: Durch die arbeitsteilige Aufspaltung von Denken (im Management) und Handeln (bei den ausführenden Mitarbeitern) entstehen Situationen, wie ich sie zuvor im Zusammenhang mit der Geschirrspülmaschine geschildert habe. Der Mitarbeiter vor Ort muss in der Lage sein, zu denken UND zu entscheiden. Er muss das Know-how an Ort und Stelle parat haben bzw. durch intelligente Vernetzung nutzen können.
Ich möchte Ihnen dazu noch ein bewusst einfaches Beispiel erzählen. Ich gebe für eine Firma Seminare, die den Seminarbetrieb arbeitsteilig organisiert: Mitarbeiter A von der Personalentwicklung kümmert sich um die Inhalte der Seminare, Mitarbeiter B veröffentlicht die Seminarinhalte auf einer internen Plattform und Mitarbeiter C organisiert die Seminarräume in Hotels. Es handelt sich um unterschiedliche Tätigkeiten, die unterschiedliche Kompetenzen erfordern, also eine prinzipiell sinnvolle Form von Arbeitsteilung.
Bei dieser Firma habe ich Folgendes erlebt: Ich hatte für ein Seminar mit intensivem Workshop-Charakter einen Raum von mindestens 70 Quadratmetern sowie einen Gruppenraum bestellt. Als ich dann jedoch am Morgen den gebuchten Seminarraum aufschloss, war dieser vielleicht gerade mal 40 Quadratmeter groß. Ein Gruppenraum war laut Aussage des Hotels gar nicht gebucht worden.
Die Folge: Die aufwändig geplanten, mit der Personalentwicklung intensiv abgestimmten Vorgehensweisen waren nicht möglich, wir mussten den interaktiven Anteil am Seminar massiv reduzieren. Außerdem mussten aufgrund des zu knappen Raums öfter Pausen gemacht werden. Die Produktivität und die Lernzielerreichung verringerte sich also aufgrund schlechterer Rahmenbedingungen. Was war darüber hinaus die implizite Message an die TeilnehmerInnen und mich als Trainerin? „Eure Bedürfnisse sind nicht so wichtig, habt euch nicht so, es ist wichtiger, ein bisschen Raummiete pro Seminar zu sparen!“
Unterkomplexer Umgang mit Komplexität
Was war da passiert? Mitarbeiter D, der für die Finanzen zuständig ist, war seinen Einsparvorgaben nachgekommen, indem er die Anordnung intern an Mitarbeiter C gab, möglichst günstig zu mieten (maximal x Euro pro Tag und Teilnehmer)! Auf diese Art wurden insgesamt 20 Euro pro Tag eingespart. Dieser Fall ist besonders bezeichnend für eine Arbeitsteilung, die nicht mehr Komplexität managt, sondern mit Komplexität „unterkomplex“, also unangemessen umgeht: Die Entscheidungen der Mitarbeiter D und C, die vorrangig ihren Bereich berücksichtigten, wirkten sich verheerend auf das Ganze aus. Einmal vergraulte Seminarteilnehmer gewinnt man so leicht nicht wieder zurück, die Zeit ist verloren, der Lerneffekt gering.
Die klassischen Management-Methoden, die auf dem Prinzip der Arbeitsteilung beruhen, sind rein analytisch: Sie zergliedern Arbeitsprozesse immer mehr – bis zu einem Grad von Zersplitterung, der eine Synthese und den Blick auf das Ganze deutlich erschwert bis unmöglich macht. Damit gerät das Prinzip Arbeitsteilung, insbesondere in einer immer komplexer werdenden Welt, an seine Grenzen. Arbeitsteilung, die ursprünglich sinnvoll war, verkehrt sich in diesen Fällen in ihr Gegenteil, führt sich selbst ad absurdum.
An dieser Stelle möchte ich noch mal einen genaueren Blick auf das Phänomen der Arbeitsteilung werfen: Was genau führt bei der Arbeitsteilung zum Problem? Einerseits ist es eben die Zersplitterung: Die einzelnen Mitarbeiter, die in zergliederten Bereichen arbeiten, um die Komplexität zu managen, verlieren den Blick fürs Ganze. Andererseits bringt jede Zergliederung, Zerteilung zusätzliche Komplexität mit sich, die ebenfalls gemanagt werden muss – und zwar an den Schnitt-Stellen, sprich: an den Stellen, wo Aufgabenbereiche aufgeteilt werden. Zwischen Mitarbeitern sind diese Stellen evident: „Hier hört mein Job auf, dort fängt dein Job an!“ Diese Schnitt-Stellen gibt es bei Projekten, wo es unterschiedliche Zuständigkeiten gibt, zwischen Abteilungen in Unternehmen und überall dort, wo Arbeitsprozesse in abgeteilten Prozessschritten organisiert sind.
Schnittstellen schaffen zusätzliche Komplexität.
Zur Illustration: Wenn in einer Bank ein Kunde einen Finanzierungskredit braucht, landet er zunächst beim Verkäufer, der den Abschluss gerne rasch auf den Weg bringt. Ganz so schnell geht es aber nicht, weil sich dann Mitarbeiter aus der Kreditsachbearbeitung melden: „Ich brauche noch bestimmte Unterlagen, zum Beispiel Verdienstnachweise!“ Und Mitarbeiter aus der Rechtsabteilung: „Die Sachlage X muss noch juristisch geprüft werden!“ Und aus der Revision oder Dokumentation: „Es fehlen die Papiere Y und Z samt Unterschrift!“ Dazwischengeschaltet ist immer auch noch die Teamassistentin des Verkaufsteams, die sich redlich bemüht, zu erfassen, wer was braucht und was denn noch fehlt. Die diversen Nachfragen führen aber nicht dazu, dass der Prozess an sich schneller wird, denn die Sachbearbeiter müssen zusätzlich mit ihr Telefonate führen!
So wird ein scheinbar einfacher Vorgang komplex und oft alles andere als leichter handhabbar – was ja das ursprüngliche Ziel der Arbeitsteilung war. Statt dass ein Mitarbeiter pragmatisch die Sache erledigt, warten viele Beteiligte auf Erledigung durch den jeweils anderen!
Bei der Zergliederung von Arbeitsprozessen muss also stets im Blick sein: Wir schaffen neue Komplexität!
Wir können aus einem Fisch zwar eine Fischsuppe machen,
aber nicht aus einer Fischsuppe einen lebendigen Fisch.
Doch wie kommt es zu Komplexität? Es ist nicht das bloße Vorhandensein vieler Variablen, die Komplexität ausmacht. Viele Variablen alleine sorgen höchstens dafür, dass die Situation kompliziert wird. Komplex wird sie erst durch die wechselseitige Beeinflussung der Variablen, ihrer Vernetztheit. Dadurch sind viele Dinge gleichzeitig zu beachten, ein Eingriff in einen Teil des Systems löst auch immer Auswirkungen in einem anderen Teil des Systems aus.
Die Abstufung von Komplexität entsteht laut Dörner so: „Der Grad an Komplexität ergibt sich also aus dem Ausmaß, in dem verschiedene Aspekte eines Realitätsausschnittes und ihre Verbindungen beachtet werden müssen, um einen Situation in dem jeweiligen Realitätsausschnitt zu erfassen und Handlungen zu planen“ (Dörner, 1997, S. 60). Die Komplexität einer Situation ist also umso höher, je mehr Merkmale vorhanden sind, die voneinander abhängen.
Komplexität ist zudem dabei eine subjektive Größe, man kann also nicht einfach die Zahl möglicher Verbindungen zählen. Ein Führerscheinneuling muss sich mit vielen Details einzeln beschäftigen (Wie kupple und wie schalte ich? Wann schaue ich mich nach anderen Autos um? In welcher Reihenfolge mache ich das?) und wird schnell überfordert sein. Ein erfahrener Autofahrer dagegen beherrscht die Komplexität durch Routinen und das Erkennen von „Mustern“. Eine Verkehrssituation besteht dann nicht mehr aus unzähligen Einzelmerkmalen, sondern nimmt quasi eine Gestalt an: Aus vielen Merkmalen wird ein Handlungsmuster, das als EIN komplettes Vorgehen abgespeichert ist, zum Beispiel „Einfädeln auf der Auto bahn“.
Komplexität und Dynamik
Komplexität ist von Dynamik gekennzeichnet, von autonomen Handlungen von Personen. Ein gutes Beispiel ist die Gerüchteküche bei Change-Prozessen. Entscheidend für den Umgang mit Komplexität ist deshalb die Erfassung der Entwicklungstendenzen, der Dynamik ZWISCHEN den Teilen eines Systems.
Komplexität und Intransparenz
Komplexe Situationen sind oft auch intransparent. Viele relevante Informationen oder Merkmale einer Situation sind dem Entscheider gar nicht zugänglich, oft kann er nur Teile oder Konturen erkennen. Und selbst wenn Daten vorhanden sind, resultieren diese oft aus Reportingsystemen und Statusberichten vergangener Ereignisse. Sie basieren also nicht auf relevanten Infos zu zukünftigen Entwicklungen. Das ist so, als ob man mit zugeklebter Windschutzscheibe und Blick in den Rückspiegel Auto fahren würde.
Für Komplexitätsbewältigung brauchen wir das „DaZwischen“, die Beziehungen ZWISCHEN den Teilen.
Über die letzten Jahrzehnte hat Komplexität in einem Maß in die Wirtschaft Einzug gehalten, das die alten Organisationsmodelle in vielen Teilen obsolet macht. Denn Komplexität entsteht aus dem Zusammenwirken der Teile eines Systems – also dem „Da-Zwischen“ der Teile, den Beziehungen.
Mit der Aufsplitterung werden die Beziehungen zwischen den Teilen vernichtet. Ohne die Beziehung der Teile untereinander zu kennen, kann das System aber nicht mehr reproduziert werden. Oder könnten Sie ein Auto zusammenbauen, wenn Sie zwar alle Einzelteile vor sich liegen, aber keine Gebrauchsanleitung hätten?
Vermutlich nicht! Dabei ist ein Auto nur ein statisches, quasi „totes“ System ohne Eigenleben, mit stabilen Verbindungen zwischen den Teilen – während ein Unternehmen ein „lebendes“ System ist, ein Organismus mit Eigenleben und Dynamik. Tote Systeme können aufgrund ihrer mannigfaltigen Verbindungen kompliziert sein, haben aber im Gegensatz zu lebenden Systemen aufgrund ihrer stabilen Verbindungen zwischen den Teilen kein dynamisches Eigenleben, sind also in diesem Sinne nicht komplex. Ein Auto, das einmal ausgeliefert wurde und jetzt in Ihrem Besitz ist, konfiguriert sich nicht eigenständig um. Wenn Sie abends das Auto abstellen und morgens wieder einsteigen, finden Sie noch das gleiche Auto vor (außer es gab äußere Einflüsse, wie beispielsweise einen Marderbiss, dann ist die Veränderung aber nicht auf die Eigendynamik des Autos zurückzuführen).
Lebende Systeme als Grundlage und Modell systemischen Denkens
Komplexe Systeme sind durch Zerteilen oft nicht mehr zu managen, weil jede Abteilung, jedes Projekt quasi ein Eigenleben führt und der Blick für das große Ganze – für Wirkungen und Wechselwirkungen – verloren geht.
Durch Zerteilen geht der Blick für das Ganze verloren.
Hier bewahrheitet sich auch das Wort des griechischen Philosophen Aristoteles: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Bei zunehmender Zerteilung, die eher einer Zersplitterung gleicht, also: einem Scherbenhaufen, ist das Ganze nicht MEHR, sondern WENIGER als die Summe seiner Teile. Ganz einfach deshalb, weil die Leute isoliert in ihren Projekten arbeiten und es keinen Link zur Gesamtorganisation gibt. Jeder versucht, seinen eigenen Teil zu bearbeiten.
Das Resultat: Die Teile müssen aufwändig wieder zusammengesetzt und koordiniert werden, dadurch entsteht zusätzlich Komplexität, Stress und erhöhter Aufwand.
Neben der Schaffung von Schnittstellen, Zeitverzögerung und Konfliktpotenzial durch nötige Koordinationsmechanismen entstehen durch die resultierende Arbeitsteilung und die vorhandene Komplexität Zielkonflikte und Dilemmas, die gelöst werden müssen. Wichtige Frage in jeder Organisation, die arbeitsteilig organisiert ist: Wer darf was entscheiden? Entscheidet der Chef oder ein Gremium (zum Beispiel der Vorstand)? Dürfen auch die Mitarbeiter bestimmte Dinge selbst entscheiden? Gibt es zentrale Vorgaben oder dezentrale Freiheit?
Der Umgang mit Komplexität bestimmt die Leistungsfähigkeit.
Die Art und Weise, WIE mit Komplexität, Zielkonflikten und Dilemmas umgegangen wird, bestimmt in wesentlichem Maß die Leistungsfähigkeit und Kundenorientierung einer Organisation!
Die Frage ist also: Wie können wir mit Komplexität umgehen, ohne aufgrund der Vielfalt der Wahlmöglichkeiten und Vernetzungen in einer Art „Komplexitätsfalle“ bzw. in einem „Komplexitätsdilemma“ zu sitzen? Denn: Ein System, in dem alles mit allem vernetzt ist, kann sich im schlimmsten Fall selbst blockieren und dann sind Manager handlungsunfähig.
„Ein Dilemma (griechisch δί-λημμα ‚zweigliedrige Annahme‘, Plural Dilemmas oder Dilemmata), auch Zwickmühle, bezeichnet eine Situation, die zwei Möglichkeiten der Entscheidung bietet, die beide zu einem unerwünschten Resultat führen. Es wird durch seine Ausweglosigkeit als paradox empfunden. Auch der Zwang zu einer Auswahl zwischen zwei positiven Möglichkeiten kann ein Dilemma sein. Bei drei Möglichkeiten spricht man von einem Trilemma, bei mehr als drei Möglichkeiten von einem Polylemma“ (Wikipedia: Dilemma).
Manager sehen sich aufgrund der Komplexität der Situation oft mit multiplen Dilemmas konfrontiert wie:
Soll eine nötige interne Dienstleistung zentral oder dezentral erbracht werden? Soll diese Dienstleistung weiter intern erbracht oder an einen externen Anbieter „outgesourct“ werden?
Soll der Fokus in der momentanen Situation eher auf schnelle Kostenreduktion zielen und dabei vielleicht auch „Personalabbau“ ins Auge fassen – oder investiert man eher in die Mitarbeiter und den Service, um eine hohe Kundenzufriedenheit zu erzielen und vielleicht über zusätzliche Leistungen auch zusätzliche Umsätze zu erzielen?
Im Dilemma gibt es keine eindeutig richtige oder falsche Lösung.
Bei Dilemmas gibt es per definitionem keine eindeutig richtige oder falsche Lösung. Das Zurückschrecken vor einer Entscheidung in dieser Situation ist verständlich, aber lähmend. Manager brauchen auch in komplexen Situationen Lösungsansätze. Und die sind oft anders als die althergebrachten Ansätze.
Arbeitsteilung stößt also in der Komplexität der heutigen Welt an ihre Grenzen. Auf den Punkt bringt dies folgende Schachspielmetapher (siehe dazu in abgewandelter Form auch Malik, 2008, S. 303 f.)
Abb.: Unternehmensschach
Arbeitsteiliges Schachspiel – was ist das Resultat?
Das Brettspiel Schach hat 10 hoch 155 mögliche Spielzüge, eine Zehn mit 155 Nullen. Mit den Regeln des klassischen Managements gespielt, würde die erste Maßnahme lauten: „Fasse Gleiches zusammen!“ Es werden Abteilungen gebildet: Man fasst also Bauern, Pferde, Türme etc. zusammen und selbstverständlich brauchen alle Abteilungen einen Manager. Um die Komplexität zu managen, wird ein Führungsteam, ein Vorstandsteam von drei Personen ernannt, das König, Dame und Türme managen soll. Dieser Vorstand trifft sich einmal pro Woche, aber es werden keine wichtigen Entscheidungen gefällt, wenn nicht alle drei anwesend sind. Das ist selbstverständlich nicht immer der Fall, schließlich gibt es genügend andere wichtige Situationen, die die Anwesenheit eines Vorstands erfordern. Dazu gehören diverse Veranstaltungen und Gremiensitzungen ebenso wie repräsentative Verpflichtungen, egal ob es sich um die Preisverleihung an den besten Azubi oder das Benefiz-Golfturnier handelt.
Selbstverständlich gibt es auch Bereichs- und Abteilungssitzungen, die nach ähnlicher Logik funktionieren. Schließlich sind auch Bereichs- und Abteilungsleiter oft unabkömmlich, und zwar für andere Verpflichtungen, die nicht die Leitung ihrer Bereiche betreffen. Die Figuren Bauer, Pferd und Turm dürfen nicht eigenständig von den jeweiligen Managern bewegt werden, es müssen Anträge auf Aktionen mit ausführlichen Begründungen und Business-Cases (Szenarien, Aufwand und Nutzen von Spielzügen) eingereicht werden und die eingesetzten Ressourcen budgetiert werden.