Gehen oder bleiben? (Fachratgeber Klett-Cotta) - Roland Weber - E-Book

Gehen oder bleiben? (Fachratgeber Klett-Cotta) E-Book

Roland Weber

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Beschreibung

- Paare mit Trennungsabsichten entlastet es,wenn sie verstehen,warum Partnerschaften heute brüchiger sind als früher. - Beziehungs-Checks helfen dabei,widersprüchliche Gefühle und Argumente gegeneinander abzuwägen und eine kluge Entscheidung zu treffen. - Warum es ohne Verzeihen und Sich-Versöhnen nicht geht: Die Kunst, einen guten Schlussstrich zu ziehen, macht Menschen wieder frei für einander.

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ROLAND WEBER

Gehen oder bleiben?

Entscheidungshilfe für Paare

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Besuchen Sie uns im Internet: www.klett-cotta.de

Klett-Cotta

© 2013 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Gesamtgestaltung: Weiß-Freiburg GmbH – Graphik & Buchgestaltung

Titelbild: © istockphoto.com

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-86118-1

E-Book: ISBN 978-3-608-10516-2

Das E-Book basiert auf der 2. Auflage 2012 der Printausgabe.

Schnelleinstieg

Was wir heute von einer Partnerschaft erwarten

Viele Partnerschaften scheitern an überhöhten Erwartungen

Wo steht Ihre Beziehung?

Wie gehen Sie miteinander um, wie sprechen Sie miteinander?

Was genau wollen Sie verändern?

Was bei Entscheidungen zu bedenken ist

Die wichtigsten Strategien für eine glückliche Partnerschaft

Warum es ohne Vergessen und Vergebung nicht geht

Inhalt

Einleitung

1. TEILWARUM IST ES HEUTE SCHWERER, ALS PAAR ZUSAMMENZUBLEIBEN?

1. Kapitel: Julia und Andreas – ein Normalpaar

2. Kapitel: Beziehungsbiografien im sozialen Wandel

Partnerschaften im Umbruch

Beziehungen sind endlich

Bewährungsphasen einer Beziehung

Die häufigsten Trennungsgründe

3. Kapitel: Die wichtigsten Ursachen und Erklärungsversuche

Wandel der Werte

Alte Erwartungen und neue Rollen

Überhöhte Erwartungen

Lösungsversuche

Ein Fazit

4. Kapitel: Und Julia und Andreas?

2. TEILZUSAMMENBLEIBEN TROTZ KRISE ODER TRENNUNG?

1. Kapitel: Machen Sie eine Bestandsaufnahme Ihrer Beziehung

Befindet sich Ihre Beziehung auf Talfahrt?

Überprüfen Sie Ihre partnerschaftliche Kommunikation

Der Verlauf Ihrer Beziehung

Vergleichen Sie Ihre Werte

Die Stärken und Schwächen Ihrer Beziehung

2. Kapitel: Um welche Veränderung geht es Ihnen?

Die Botschaft Ihrer Beziehungskrise entschlüsseln

Den Gedanken an Trennung ernst nehmen

Gehen ist schmerzhaft, bleiben auch

In der Beziehungsambivalenz gefangen

In einer unglücklichen Beziehung ausharren

3. Kapitel: Wie Sie eine gute Entscheidung treffen können

Warum uns Entscheidungen oftmals nicht leichtfallen

Die wichtigsten Schritte zu einer guten Entscheidung

Wie Verstand und Intuition funktionieren

Die Beachtung von Emotionen und Körpersignalen

Ihre Alternativen

4. Kapitel: Die Entscheidung überprüfen, die Partnerschaft beenden zu wollen

Sich selbst aufgeben kann keine Beziehung retten

Leidet Ihre Beziehung an unüberbrückbaren Differenzen?

Die Angst überwinden, die Beziehung zu beenden

Die Vor- und Nachteile der Trennung abwägen

Sich die Zukunft ohne den Partner ausmalen

Wird es Ihnen leidtun, wenn Sie gehen?

5. Kapitel: Die Entscheidung überprüfen, zusammenbleiben zu wollen

Verpassen Sie womöglich etwas Besseres, wenn Sie bleiben?

Ihre wichtigsten Erwartungen an Ihren Partner

Checken Sie Ihre Gefühle

Ängste überwinden, um bleiben zu können

Das Für und Wider zu bleiben abwägen

Das Zusammenbleiben durchspielen

6. Kapitel: Der Wendepunkt

Woran Sie merken, dass sich Ihre Entscheidung gut anfühlt

3. TEILBAUSTEINE EINER INNIGEN PARTNERSCHAFT

1. Kapitel: Worauf wir in der Liebe Einfluss haben und worauf nicht

Irrtümer ausräumen

Alte Werte neu entdecken

Die acht wichtigsten Strategien

2. Kapitel: Ziehen Sie keine falschen Vergleiche

Falsche Vergleiche machen schlechte Stimmungen

Gute Stimmung wirkt motivierend

3. Kapitel: Managen Sie Ihre Erwartungen

Der regelmäßige Abgleich von Erwartungen

Sich für realistische Erwartungen entscheiden

Mit Enttäuschungen leichter umgehen

4. Kapitel: Seien Sie alltäglich romantisch

Zuneigung zeigen durch Zuwendung

Trost und Ermutigung spenden

Einfühlungsvermögen zeigen

Positives Denken

Zuwendung durch liebenswürdige Kleinigkeiten

5. Kapitel: Pflegen Sie das Gefühl von Zusammengehörigkeit

Die Dritte im Bunde – Ihre Beziehung

Das »Wir« wieder stärker betonen

Gemeinsame oder ähnliche Werte

6. Kapitel: Lösen Sie Konflikte konstruktiv

Harmonie braucht auch Streit

Hilfreiche Streitregeln

7. Kapitel: Verhalten Sie sich wertschätzend

Der Partner ist anders

Die Andersartigkeit des Partners akzeptieren

Wertschätzung ausdrücken

8. Kapitel: Sorgen Sie für Aufregung im Alltag

Raus aus der Bequemlichkeitsfalle

Selbsterweiterung im Zweierteam

Erotik und Sex lebendig halten

9. Kapitel: Bleiben Sie offen für Veränderung

Offen bleiben für den Partner

Der Rahmen muss mitwachsen

4. TEILVERGEBEN UND VERGESSEN KÖNNEN

1. Kapitel: Wenn an Kränkungen festgehalten wird

Kränkungen und ihre Auswirkungen

Kränkungen sind nahezu unvermeidlich

Zeit allein heilt keine Wunden

2. Kapitel: Vergeben und vergessen

Die Methode des Ausgleichs als gemeinsamer partnerschaftlicher Akt

Die Methode der Vergebung als autonomer Akt

Epilog – Gezeiten der Liebe

Verzeichnis der Entscheidungshilfen

Literatur

Einleitung

»Die Liebe bringt auf Ideen undin Gefahren.«

Heinrich Mann

»Wer a sagt, der muss nicht b sagen.Er kann auch erkennen, dass a falsch war.«

Bertolt Brecht

Dieses Buch behandelt ein Thema, mit dem ich in meiner mehr als 25-jährigen Tätigkeit als Paar- und Familientherapeut immer häufiger konfrontiert werde: dem drohenden Ende einer Partnerschaft. Auch wenn dies vor allem das einzelne Paar betrifft, so ist dieses Thema darüber hinaus von großem allgemeinen und gesellschaftspolitischen Interesse; geht es doch um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage nach der Gültigkeit und Glaubwürdigkeit dauerhafter Liebe. Diese wird heute immer seltener gelebt. Dabei ist das wohl am besten gesicherte Faktum das, dass fest gebundene Menschen glücklicher sind als alle anderen. Beides zusammen hat mich bewogen, darüber zu schreiben.

Wenn Sie oder Ihr Partner vor der Frage stehen, ob Sie trotz Krise zusammenbleiben oder sich trennen sollen, machen Sie sich die Antwort bestimmt nicht leicht: Wenn ich gehe, wird es mir nicht leidtun? Und wenn ich bleibe? Verpasse ich dann womöglich ein besseres Leben? Und über allem schwebt wie ein Damoklesschwert die Frage: Welche Entscheidung ist die richtige? Dieser Anspruch macht es auch nicht gerade leichter, eine Entscheidung zu treffen. Doch es ist notwendig, irgendwann eine Entscheidung zu treffen, damit Ihr Leben – mit Ihrem jetzigen Partner, allein oder mit einem neuen Partner – weitergehen kann.

Diese Entscheidung ist mehr als eine Entscheidung zwischen Gehen oder Bleiben. In Wirklichkeit geht es um die Eröffnung eines neuen Lebensabschnitts. Unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt – es gibt kein Zurück mehr: weder zum alten Leben noch zur alten Beziehung. Einfach weitermachen wie bisher hieße nichts anderes, als die Krise und ihre Ursachen zu verleugnen oder als Bagatelle abzutun.

Dieses Buch will unentschlossene Paare darin unterstützen, die für sie richtige Lösung zu finden – durch grundsätzliche Überlegungen zur heutigen Situation von Paaren, durch wissenschaftliche Fakten und Hintergrundwissen, durch konkrete und erprobte Entscheidungshilfen und durch eine Zusammenstellung der wichtigsten Bausteine einer innigen Partnerschaft.

Im ersten Teil gehe ich auf die gesellschaftliche Situation heutiger Ehen und Partnerschaften ein. Diese befinden sich in einem weit reichenden sozialen Wandel, der alte Orientierungsmuster ablöst und neue in den Vordergrund stellt. Die Auswirkungen auf Paare sind vielfältig und reichen von mehr Wahlmöglichkeiten für die Entwicklung eines eigenen Partnerschaftsmodells bis zur zeitweisen oder grundsätzlichen Überforderung. Ich hoffe, dass Sie nach der Lektüre dieses Teils besser verstehen, warum Partnerschaften heute brüchiger sind als früher und was dies für Ihre persönliche Paarsituation bedeutet.

Der zweite Teil beinhaltet eine Reihe konkreter und aus der Praxis stammender individueller Entscheidungshilfen wie Tests, Partner-Checks, Fantasiereisen, Für-und-Wider-Listen und Mindmaps. Diese helfen dabei, widersprüchliche Gefühle gegeneinander abzuwägen und vorausschauend eine kluge Entscheidung zu treffen. Hierfür stütze ich mich auf neue Erkenntnisse der Entscheidungsforschung. Demnach gelten das Formulieren einer Frage, das Sammeln von Fakten, die Klärung der kurz-, mittel- und langfristigen Konsequenzen der Entscheidung sowie die Analyse und Bewertung der Fakten im Einklang mit unseren tiefsten Überzeugungen als wichtige Schritte zu einer guten Entscheidung. Wenn Sie sich stattdessen für das entscheiden, was die meisten Paare in dieser Situation tun, was im Moment am einfachsten klingt oder was Ihnen Freunde raten, entscheiden Sie sich möglicherweise gegen Ihre eigenen wahren Interessen. Es geht nicht darum, überhaupt eine Entscheidung zu treffen, sondern eine Entscheidung, mit deren Folgen man leben kann, weil sie gut genug ist.

Der dritte Teil beinhaltet die wichtigsten Bausteine einer innigen Partnerschaft. Damit will ich deutlich machen, wie romantische Liebe auch heute noch gelingen kann und gelingt. Diese Bausteine bilden einen guten Rahmen für die Liebe, auch wenn diese sicher mehr umfasst. Zu wissen, was die Liebe auf Dauer am Leben hält, erleichtert den Neustart – gleich, ob mit dem alten oder einem neuen Partner.

Unentschlossene Paare stellen nach der Lektüre dieses Teils womöglich fest, dass eine gute Partnerschaft kein »Hexenwerk« ist, jedoch Wollen und Einsatz verlangt. Ihre Eckpfeiler sind Pragmatismus und Romantik.

Im vierten und letzten Teil erhalten Sie Hinweise dazu, wie Vergeben und Versöhnen möglich sind. Ich habe dieses Thema bewusst an den Schluss gesetzt, weil es sowohl für das Beenden einer Partnerschaft wichtig ist als auch für deren Fortsetzung. Die Kunst, einen guten Schlussstrich zu ziehen, macht Menschen wieder frei füreinander.

Wenn Sie und Ihr Partner optimal von diesem Buch profitieren wollen, sollten Sie die Tests und Übungen machen – entweder zusammen oder allein. Außerdem finden Sie im Anschluss an viele Übungen eine feste Rubrik für Ihre persönlichen Notizen.

Grundlage meiner Ausführungen sind zum einen meine einschlägigen Erfahrungen als Ehemann. Meine Frau und ich feiern dieses Jahr unsere Silberhochzeit. Unsere Ehe würde ich als eine ausgewogene Mischung aus Pragmatik und Romantik bezeichnen. Dazu kommen die vielen beruflichen Erfahrungen als Paar- und Familientherapeut. Seit 1982 begleite ich Paare und Familien bei ihrer Suche nach Lösungen für ihre Probleme. Last but not least bin ich ein wissenschaftlich interessierter Praktiker, der sich immer schon für die Frage interessierte, was wir dafür tun können und was wir sollten, damit die Liebe auf Dauer gelingt. In den letzten 15 Jahren konnten Wissenschaftler einige wichtige Erkenntnisse dazu beitragen. Sie haben im Kern eines gemeinsam: Sie belegen, dass es gelebte Liebe nicht umsonst gibt. Dafür kann man sich entscheiden.

Gute Entscheidungen sind eine Kombination aus Intuition und Verstand. Wenn dieses Buch Ihnen den Zugang dazu öffnet und Sie darüber hinaus neue Einstellungen und Haltungen für Ihre jetzige oder zukünftige Partnerschaft gewinnen, sind meine beiden größten Anliegen in Erfüllung gegangen.

Bedanken möchte ich mich bei Christine Treml, meiner Lektorin bei Klett-Cotta. Unsere Zusammenarbeit war in jeder Phase der Erstellung des Manuskripts unkompliziert und anregend. Gerne möchte ich meiner Familie danken, die in liebevoller Weise nicht allzu viel Aufhebens um mein Schreiben gemacht hat.

Ascona, März 2010

1. TEILWarum ist es heute schwerer, als Paar zusammenzubleiben?

»Die Liebe, welch lieblicher Dunst;doch in der Ehe, da steckt Kunst«

Theodor Storm

»Heute ist eine Ehe schon glücklich,wenn man dreimal die Scheidung verschiebt«

Danny Kage

1. KapitelJulia und Andreas – ein Normalpaar

In meiner Praxis sitzt mir ein Paar gegenüber, gespannt, was nun kommt. Es ist ein herbstlicher Nachmittag, die letzten Sonnenstrahlen werfen ein Muster auf den Boden. Die beiden sind Mitte vierzig, nennen wir sie Julia und Andreas. Sie haben zwei Kinder. Das ältere von den beiden kommt gerade in die Pubertät. Julia und Andreas sind schon lange zusammen. Sie haben sich im Studium kennengelernt und sind inzwischen seit 17 Jahren verheiratet. Andreas ist schlank und groß. Er wirkt angespannt und müde. Julia ist einen Kopf kleiner. Auch sie ist angespannt. Ihre Augen haben etwas Trauriges. In der ersten halben Stunde unseres Gesprächs wird deutlich, dass beide mit ihrer Situation unzufrieden sind, ohne genau sagen zu können warum. Alles in allem läuft es recht gut, nichts Dramatisches: keine allzu großen Verletzungen, kein Dauerstreit, kein Alkohol, keine Affären. Die Kinder waren gewollt, und am Wochenende unternehmen alle etwas zusammen. Andreas geht einmal die Woche ins Joga, Julia einmal die Woche zum Sport. Ein normales Paar mit einem gut funktionierenden Alltag. Von außen gesehen eine gute Beziehung. Was also ist das Problem der beiden? Julia und Andreas haben einfach etwas anderes erwartet. Und das ist so nicht eingetroffen. Und daher fehlt ihnen etwas, und dies macht sie unzufrieden. Ist »gut« nicht mehr »gut genug«? Wollen beide mehr, und wenn ja, »mehr« von was?

2. KapitelBeziehungsbiografien im sozialen Wandel

Partnerschaften im Umbruch

Julia und Andreas sind kein Einzelfall. In Beratungsstellen und Praxen häufen sich solche Paare. Sie sind zwischen 45 und 60 Jahre alt, leben in einer festen Beziehung oder sind verheiratet. Ihre Beziehung begann im Alter von 30 Jahren oder früher. Fast alle haben Kinder. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in den mittleren Lebensjahren trennen, ist relativ hoch. »Umbruchsbiografie« nennen Soziologen diesen Typ von Beziehungsbiografie.

Frauen und Männer heiraten heute seltener und später. In Deutschland schlossen im Jahr 2006 insgesamt 374000 Paare eine Ehe. Damit ging die Zahl der Eheschließungen weiter zurück: Die Heiratsneigung hat im Westen langsam, im Osten rapide abgenommen. Insbesondere junge Menschen warten mit der Eheschließung immer länger. Statistiker des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung haben zudem berechnet, dass unter den Jüngeren jede dritte Frau und sogar knapp 40 Prozent der Männer niemals heiraten werden. Dabei sind Ehen von allen Partnerschaften die stabilsten.

Während die traditionelle Ehe auf dem Rückzug ist, sind neue Lebensformen auf dem Vormarsch: nicht eheliche Lebensgemeinschaften und lockere Beziehungen ohne gemeinsame Wohnung, Ein-Eltern-Familien, Singles. Trennungen von Familien führen dazu, dass immer mehr Kinder nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen. Die Ehe hat ihre Monopolstellung, sowohl was die Partnerschaft als auch die Familie anbelangt, verloren. Heute ist ein Paar dann ein Paar, wenn zwei Menschen sagen, dass sie eines sind, unabhängig vom Familienstand und unabhängig vom Geschlecht des Partners. Und dasselbe gilt auch für die Familie. Sie ist dort, wo Kinder sind, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind, die Kinder in einem oder beiden Haushalten aufwachsen oder bei einem Elternteil wohnen – oder zusammen mit anderen Partnern der Eltern.

Beziehungsbiografien von Frauen, Männern und Kindern befinden sich in einem weit reichenden sozialen Wandel, den Forscher als einschneidender ansehen als beispielsweise die »sexuelle Revolution« der späten 1960er- und 1970er-Jahre. Ging es bei der »sexuellen Revolution« um eine freiere Sexualmoral und liberalere sexuelle Verhaltensweisen, geht es jetzt darum, nicht mehr um jeden Preis zusammenzubleiben. Damit steht auch die Glaubwürdigkeit dauerhafter Beziehungen zur Disposition. Andererseits: Wenn Paarbeziehungen generell nicht mehr so stark wie bisher an Kindern anknüpft, könnte dies auch eine Chance für eine neue Sinngebung sein.

Beziehungen sind endlich

Ein markantes Kennzeichen des sozialen Wandels sind die häufiger werdenden Trennungen und Scheidungen. Trennungen haben mittlerweile Normalstatus, und damit steigt der Beziehungsumsatz pro Leben. Interessant dabei ist, dass diese Entwicklung auch für frühere Phasen der Partnerschaft gilt. Die Abfolge vom »getrennten Zusammensein« über das »unverheiratete Zusammenwohnen« hin zur Ehe wird immer seltener und ist im jungen Erwachsenenalter untypisch geworden. Die Folge ist, dass schon im Stadium des »getrennten Zusammenseins« heute mehr Beziehungen auseinandergehen. Die eine große Liebe gibt es immer seltener. Liebe wird zu »Lieben in Folge«. Im Jahr 2008 ist die Zahl der Ehescheidungen um 3% gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Die Zahl der amtlichen Trennungen ist damit seit dem Rekordstand von 2004 wieder angestiegen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, wurden 2008 in Deutschland etwa 191 900 Ehen geschieden. Von den im Jahre 2008 geschiedenen Ehepaaren hatten knapp die Hälfte Kinder unter 18 Jahren. Bundesweit lässt sich ein Drittel aller Paare scheiden. Hinzu kommen die ungezählten Trennungen unverheirateter Paare, die in der Statistik naturgemäß nicht enthalten sind.

Die Bereitschaft, sich vom Partner zu trennen, hat in der Vergangenheit stetig zugenommen. 1960 betrug die Scheidungshäufigkeit in einem Heiratsjahrgang noch 15%, 1970 waren es bereits 25%, 1980 dann 33%. 1995 lag diese statistische Häufigkeit dann bei 40%.

Trennungserfahrungen sind längst kein Merkmal jüngerer Paare, wie Leipziger und Hamburger Sexualforscher in einem Ost-West-Projekt herausfanden, in dem 776 Frauen und Männer aus Leipzig und Hamburg über ihre Beziehungen und Singlephasen interviewt wurden, und zwar drei Generationen:

30-Jährige, 45- und 60-Jährige. Wie groß die Veränderungen sind, zeigt sich deutlich bei den 30-Jährigen. 92 Prozent von ihnen haben sich schon mindestens einmal getrennt. Viele von ihnen haben bereits mehr Beziehungen hinter sich, als die 60-Jährigen in ihrem ganzen Leben hatten. Partner- und Beziehungswechsel bewerten sie positiv als »Phase des Suchens und Ausprobierens«. Auch rund 88 Prozent der befragten 45-Jährigen haben sich schon einmal getrennt. Sie kennen ebenfalls wechselnde Partnerschaften und bewerten dies positiv, doch wünschen sie sich eine dauerhafte Beziehung. Auch das Beziehungsverhalten der älteren Generation verändert sich. Die große Mehrheit der 60-Jährigen ist noch unter vorliberalen Verhältnissen aufgewachsen und oft ganz traditionell in das Beziehungsleben gestartet. Doch etwa 50 Prozent sind schon einmal geschieden worden.

D.h., auch ältere Paare trennen sich mittlerweile immer öfter. Laut statistischem Bundesamt entscheidet sich jedes zehnte Ehepaar auch noch 26 oder mehr Jahre nach der Hochzeit für die Scheidung – Tendenz steigend. Eine langjährige Ehe oder Partnerschaft ist heute keine Garantie mehr für eine stabile Beziehung im Alter. Andererseits: Die Mehrzahl der Paare – rund zwei Drittel – bleibt auch heute noch bis zum Tod eines Partners zusammen, und von diesen wiederum leben 60% schon seit 45 Jahren zusammen. Diverse Untersuchungen zeigen, dass ein Großteil von ihnen mit ihrer Partnerschaft zufrieden oder sogar sehr zufrieden ist. Zufriedenheit mit der Beziehung ist ein entscheidender Faktor für ihre Dauer. Von einer »sehr hohen« Beziehungszufriedenheit kann man dann sprechen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:

Die Partner fühlen sich sehr wohl miteinander

Die Partner sind in der Beziehung heute ebenso zufrieden oder zufriedener als am Anfang der Partnerschaft und

Sie würden sich heute noch einmal für ihren Partner entscheiden.

Bewährungsphasen einer Beziehung

Eines der auffälligsten Merkmale des weitreichenden sozialen Wandels in Partnerschaften ist, dass Ehen und Partnerschaften immer früher auseinandergehen. Die meisten Ehen gingen im Jahr 2007 bereits sechs Jahre nach der Heirat zu Bruch, der Anteil macht fast 30% aller geschiedenen Ehen aus. Wird dabei berücksichtigt, dass die meisten Scheidungen nach der Trennung vollzogen werden, erfolgt der tatsächliche Bruch in den meisten Fällen sogar schon deutlich früher. Der kritische Punkt: wenn die Verliebtheit vom Alltagsmanagement abgelöst wird. Und manche Paare stellen dann auch fest, dass sie keine gemeinsamen Kinder haben wollen; mehr als die Hälfte der geschiedenen Ehen ist kinderlos.

Im Laufe jeder Partnerschaft gibt es bestimmte Problemphasen und Übergänge, die die Partner besonders herausfordern. So tragen zwar Kinder zur Stabilität einer Partnerschaft bei, andererseits belasten sie sie auch. Kinder haben also einen paradoxen Effekt auf ein Paar. Sie verlängern die Dauer einer Partnerschaft, und sie verschlechtern deren Qualität: Paare mit Kindern streiten öfter und heftiger, tauschen seltener Zärtlichkeiten miteinander aus und haben weniger Sex – zumindest vorübergehend. Der Hauptgrund: Sie haben weniger Zeit füreinander. Dabei spielt heute das Gefühl der verstärkten Abhängigkeit voneinander eine große Rolle. Wer den Eindruck hat, vom anderen abhängig zu sein, bei dem schwinden heutzutage die positiven Gefühle rascher. Daher sind die ersten sieben Jahre eine Zeit hoher Anpassungsforderungen. Die jungen Eltern sind plötzlich eine »Arbeitsgemeinschaft«. Das aber gilt vonseiten der Paarforschung als Risikofaktor. Ähnliches gilt nun auch für die Zeit, in der die Kinder nach und nach in die Pubertät kommen und dann das Elternhaus verlassen. Der soziale Druck lässt nach, zusammenzubleiben. Geht die turbulente Familienphase zu Ende, stellen manche Partner fest, dass sie sich nichts mehr zu sagen haben. Sind die Kinder aus dem Haus, treten die lange ignorierten Kommunikationsprobleme zutage. Das sogenannte »Leeres-Nest-Syndrom« ist oft der Beginn der Krise. Auch die in älteren Generationen klassisch nach Geschlecht geregelte Rollenverteilung sorgt mit fortschreitendem Alter für Beziehungsprobleme. Während der Mann in seinem Beruf aufgeht, ist die Frau oftmals zu Hause, kümmert sich um das Familienleben und pflegt soziale Netzwerke. So entstehen zwei völlig voneinander getrennte Lebenswelten. Was während der aktiven Jahre gut funktioniert, führt spätestens mit dem Renteneintritt zu Konflikten. Die Männer sind dann häufig verwundert über das eigenständige Leben, das sich ihre Frauen aufgebaut haben. Plötzlich stellen sie fest, dass ihre Partnerin ihr Leben aktiv gestaltet und keine Zeit für sie hat. Die Partner müssen sich in der Beziehung neu positionieren und so etwas wie eine nachelterliche Gefährtenschaft entwickeln, und das klappt manchmal und manchmal klappt es nicht. Wer heute 60 ist, wird mit großer Wahrscheinlichkeit noch 20 Jahre leben. Sagten früher viele, »die paar Jahre halte ich noch aus«, heißt es heute: »Das tue ich mir nicht weiter an.« Männer sind oft eher bereit, sich mit einer unerfüllten Ehe zu arrangieren, wenn sie darin ein zweites Leben führen können, mit Hobbys, Freunden, Affären. Frauen wollen klare Verhältnisse. Männer fallen deshalb aus allen Wolken, wenn ihre Partnerin nach so vielen Jahren die Scheidung einreicht. Während früher Eltern nur selten so alt wurden, dass sie noch den Auszug des jüngsten Kindes erlebten, folgt heute eine ganze weitere Lebensphase, die länger dauern kann als die Familienphase. Frühe Trennungen enden meist mit einem riesigen Knall und in großem Streit. Späte Trennungen sind leiser und resignierter, dafür oft komplizierter.

Die häufigsten Trennungsgründe

2008 veröffentlichte eine bekannte Onlinepartneragentur eine Rangliste der zehn häufigsten Trennungsgründe. Hier waren rund 4000 Personen nach den Ursachen für das Scheitern ihrer Beziehungen befragt worden.

Top-10-Trennungsgründe:

Wir haben uns auseinandergelebt. (37%)Wir waren zu unterschiedlich. (30%)Das Geben und Nehmen war nicht ausgeglichen. (26%)Wir hatten unterschiedliche Bedürfnisse nach Nähe und Freiraum. (26%)Wir konnten nicht miteinander reden. (23%)Einer von uns ist fremdgegangen. (21%)Unsere Sexualität ist eingeschlafen. (19%)Wir hatten keine gemeinsamen Ziele. (17%)Es fehlte die gegenseitige Unterstützung. (16%)Einer von uns hat sich in jemand andern verliebt. (15%)

Quelle: ElitePartner.de

Der häufigste von Männern und Frauen genannte Grund ist, dass sie sich »auseinandergelebt haben«. Vor allem vonseiten der Männer wird dieser Grund besonders oft genannt. Jeder Zweite gibt dies als Trennungsgrund an, bei den Frauen nur knapp jede Dritte. Für frühere Generationen wäre das niemals ein Grund gewesen, sich zu trennen. Das Nebeneinanderherleben war früher selbstverständlicher Teil des Ehelebens. Was daran nicht gut war, wurde ertragen. Wenn Paare sich bereits nach wenigen Jahren mit dieser Begründung trennen, steht eigentlich dahinter, dass sie als Partner erst gar nicht »zusammengefunden« haben. Liebe braucht nämlich Zeit. Am zweithäufigsten wurde die Unterschiedlichkeit der Partner genannt. Bei Promi-Paaren ist diese Begründung besonders beliebt. Sie ist so vielsagend wie nichtssagend, und so kann sich jeder seinen Teil dazu denken. Eigentlich ein spannendes Thema! Ziehen sich Gegensätze nicht an? Können dadurch nicht neue Sichtweisen und ergänzende Eigenschaften kennen- und lieben gelernt werden? Der Umgang mit Unterschieden zwischen den Partnern kann sehr unterschiedlich ausfallen: Man kann sie »groß-« oder »kleinreden«. Man kann sie akzeptieren oder bekämpfen. Man kann sie als Bereicherung und Anziehungsfaktor ansehen oder als Gefahr und Bedrohung für die erhoffte Zweisamkeit. Wenn Paare sich aus diesem Grund trennen, steckt oft eine Einstellung zur Partnerschaft dahinter, die diese eher als Schicksal ansieht nach dem Motto: Entweder es passt, oder es passt nicht. Solange die Partner zueinanderpassen, ist alles gut, passen sie nicht oder nicht mehr zusammen, trennt man sich.

Ein weiterer Trennungsgrund ist, dass das Geben und Nehmen nicht ausgeglichen war. D.h., meist einer der Partner hatte das Gefühl, dass er mehr gibt, als er oder sie zurückbekommt. Jede dritte Frau hat das Gefühl, dass das Maß an Geben und Nehmen in der Beziehung nicht ausgeglichen war – diese Meinung teilt nur jeder fünfte Mann. Verhaltensforscher betrachten eine Liebesbeziehung als eine Art soziales Tauschgeschäft, das dann für beide belohnend bleibt, wenn der eine so viel gibt, dass der andere ihn attraktiv findet und seinerseits viel zurückgibt. Wenn jedoch ständig aufgerechnet wird, wer wie viel einzahlt, ruiniert dies eine Partnerschaft genauso, wie wenn nur einer von beiden in die Beziehung investiert. Interessanterweise muten glückliche Paare einander diese herbe Prüfung nicht zu, weil sie wissen, dass beide dabei nur verlieren können.

Unterschiedliche Bedürfnisse nach Nähe und Freiraum werden am vierthäufigsten für die Trennung verantwortlich gemacht. Die Balance von Nähe und Distanz zählt tatsächlich zu den schwierigen Bereichen einer Partnerschaft und ist oftmals Anlass von Konflikten und Enttäuschungen: Sei es, weil sich die Partner in dieser Frage polarisiert haben – sei es, weil beide zu viel desselben wollen: entweder größtmögliche Nähe oder größtmöglichen Freiraum. In beiden Bereichen sind die Ansprüche an den Partner und die Qualität der Beziehung gewachsen.

Weitere Trennungsgründe sind Kommunikationsprobleme, Untreue, eingeschlafene Sexualität, fehlende gemeinsame Ziele, fehlende gegenseitige Unterstützung und sich in jemand anderen verlieben. An mangelndem Vertrauen oder aus Karrieregründen scheitert das Liebesglück dagegen selten.

So verschieden die Antworten zunächst wirken, sie haben etwas Wesentliches gemeinsam: die Ernüchterung und Enttäuschung darüber, dass die hohen Erwartungen an die emotionale Qualität und Intensität der Beziehung nicht aufgehen.

Moderne Beziehungen sind heute durch und durch psychologisiert und basieren vor allem auf Gefühlen und Affekten. Der Wunsch nach Nähe und Geborgenheit, Aufregung und Abwechslung und nachrangig – nach Sexualität ist für moderne Partnerschaften zentral. Ein guter Ehemann war früher einer, der nicht trinkt und Geld nach Hause bringt; eine gute Ehefrau war früher eine, die nicht fremdgeht und sich um die Kinder kümmert. Im Laufe der Zeit lernten sich die Partner kennen und manchmal auch lieben. Der Partner muss heute mehr sein. Heute soll er oder sie alles auf einmal bieten: Empathie und Interesse, leidenschaftlichen Sex, Akzeptanz und Wertschätzung, Unterstützung des Partners in Krisen, im Alltag Spaß bringen, in die Lebensplanung passen, vorzeigbar sein, Entwicklungsmöglichkeiten bieten, treu sein, Freiräume lassen und Sicherheit und Halt geben.

Trotz Partnerwechsel und seriellen Beziehungen – für die Mehrzahl aller Generationen ist die dauerhafte Beziehung weiterhin das Ideal. Und die meisten von ihnen wissen, dass Gefühle wie Liebe und Vertrauen durch eine neue Beziehung weniger schnell ersetzt werden als Verliebtheit, Leidenschaft und Intensität. Verliebte Liebe geht schnell, gelebte Liebe braucht Zeit.

Noch nie waren die Bedingungen hierfür so günstig wie gegenwärtig. Warum ist es heute trotzdem so schwierig für Paare, auf Dauer zusammenzubleiben und eine glückliche Beziehung zu führen? Meine praktischen Erfahrungen sowie neuere Umfragen machen deutlich, dass Paare nicht deshalb scheitern, weil sie so wenig von langfristigen Beziehungen halten, sondern weil ihnen so viel daran liegt, und weil sie alles unter einen Hut bringen wollen: Geborgenheit, Liebe, Partnerschaft, Aufregung und eigene Sinnfindung.

Wer in einer Partnerschaft lebt und über die tief greifenden Veränderungen in Partnerschaften nicht ausreichend informiert ist und die wichtigsten Ursachen nicht kennt, zieht schnell die falschen Schlüsse und landet ungewollt im Lager der trennungsgefährdeten Paare.

3. KapitelDie wichtigsten Ursachen und Erklärungsversuche

Wandel der Werte