Paare in Therapie (Leben Lernen, Bd. 191) - Roland Weber - E-Book

Paare in Therapie (Leben Lernen, Bd. 191) E-Book

Roland Weber

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Beschreibung

Ein verfeindetes, gleichgültig nebeneinanderher lebendes oder unglückliches Paar einander wieder näherzubringen ist kein leichtes Unterfangen. Zu eingeschliffen sind meist die wechselseitigen Vorurteile, Urteile und Verhaltensweisen. Um den sonst in der Paartherapie üblichen verbalen Schlagabtausch zu umgehen, der nur alte Positionen neu verfestigt, hat der erfahrene systemische Therapeut Roland Weber einen Fundus an vorzugsweise nichtsprachlichen, erlebnisintensiven Übungen und Interventionen zusammengetragen und neu entwickelt, die bereits mit der ersten Therapiestunde ungewohnte Sichtweisen auf den Partner eröffnen können. - »Inselübung« - »Der Partner im Landkartencheck« - »Was uns verbindet« - »Umschuldung« heißen einige der Übungen, die den bevorzugten Interaktionsstil des Paares sichtbar machen. Außerdem zeigen sie Gemeinsamkeiten und Ressourcen, die die Basis eines Neustarts bedeuten können. Das Buch bietet eine Vielzahl an praktischen Arbeitsmöglichkeiten für Paartherapeuten und Familienberater, bettet diese in ein systemisches Konzept ein und veranschaulicht das Vorgehen anhand zahlreicher Fallbeispiele.

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Roland Weber

Paare in Therapie

Erlebnisintensive Methoden und Übungen

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2006 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Roland Sazinger

Unter Verwendung eines Fotos von © Thomas Francois/fotolia.com

Illustrationen im Innenteil: Bild 1 bis 15: Thomas Di Paolo

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-89169-0

E-Book: ISBN 978-3-608-10104-7

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20287-8

Dieses E-Book entspricht der aktuellen Ausgabe der Printausgabe

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Vorwort zur 3. Auflage

I. KAPITELEinleitung

1. Ein Fallbeispiel

2. Theoretischer Rahmen

II. KAPITELErlebnisintensives Vorgehen

1. Ziele

2. Willkürliche und unwillkürliche Erlebnisprozesse

3. Trance

4. Gestaltungselemente

5. Anforderungen an den Therapeuten

6. Interventionen

7. Materialien

III. KAPITELErlebnisorientierte Kurzinterventionen

1. Ziele

2. Ressourcenübung

3. Die Zeichen erkennen

4. Bild der Beziehung

5. Der Partner-Landkartencheck

6. Inselspiel

7. Die 3-Felder-Beziehungsanalyse

8. Stressmanhattan

9. Faustübung

10. Aufeinander zugehen

11. Was uns verbindet

12. Sich durchsetzen

13. Umschuldung

14. Der Stellenwert der Beziehung

15. Kompromisse eingehen

16. Vorwürfe in Wünsche verwandeln

17. Imaginationsübung »Samenkorn«

18. Ja-Nein-Übung

19. Führen und führen lassen

IV. KAPITELKomplexe und vertiefende Interventionen

1. Einführung

2. Beobachterräume schaffen

2.1 Konzeptioneller Hintergrund

2.2 Der Teufelskreis als gemeinsamer Außenfeind der Beziehung

2.3 Die Externalisierung des Problems

2.4 Der Gebrauch der dritten Person

2.5 Stuhltechniken

2.6 Kinotechnik

2.7 Einsatz von Figuren

3. Paarskulpturen

3.1 Definition

3.2 Die Familienskulptur nach V. Satir

3.3 Die Familienchoreographie von P. Papp

3.4 Vorteile der Skulpturmethode

3.5 Aufbau einer Paarskulptur

3.6 Variationen der Familienskulptur

3.7 Fallbeispiel (Spontanskulptur)

3.8 Fallbeispiel choreographische Skulptur

3.9 Fallbeispiel thematische Skulptur

3.10 Fallbeispiel Überforderung

3.11 Fallbeispiel Triggerskulptur

3.12 Fallbeispiel Symptomskulptur

4. Time-Line-Arbeit mit Paaren

4.1 Einleitung

4.2 Imaginationsübung

4.3 Die Metapher vom Fluss der Zeit

4.4 Das NLP-Modell der Zeitlinie

4.5 Das Lebensflussmodell als begehbare Landschaft

4.6 Das praktische Vorgehen

4.7 Die Rolle des Therapeuten

4.8 Anwendungsmöglichkeiten

4.9 »In Bewegung kommen«

4.10 Fallbeispiel Paargeschichte

4.11 Fallbeispiel symbolische Vergangenheitsbewältigung

4.12 Fallbeispiel Trennungsambivalenz

4.13 Ressourcen schöpfen

4.14 Fallbeispiel Lebensthemen der Partner

5. Teilearbeit mit Paaren

5.1 Lernen Sie Ihre Persönlichkeitsteile kennen

5.2 Teilemodelle

5.3 Die Metapher vom Inneren Team

5.4 Das praktische Vorgehen bei Paaren

5.5 Fallbeispiel Kinderwunsch

5.6 Fallbeispiel Fremdgehen

5.7 Fallbeispiel Auslandsaufenthalt

5.8 Fallbeispiel Sexuelle Abstinenz

Nachwort

Literatur

Vorwort

Seit über 20 Jahren arbeite ich therapeutisch mit Paaren. Die meisten von ihnen waren mit der Therapie zufrieden, und viele konnten ihre Probleme lösen und wieder besser miteinander zusammenleben. Einige haben sich auch getrennt, und das in einem guten Sinn.

Sowohl in den Abschlussgesprächen mit diesen Paaren als auch in den von diesen am Ende der Therapie ausgefüllten Fragebögen kam immer wieder sehr deutlich heraus, dass sich diese Paare gerade auch von den spielerischen und nonverbalen Übungen und Interventionen angesprochen fühlten, die ihnen in der Therapie angeboten worden waren. Was wirklich hängen blieb, waren meist Bilder, Metaphern und Übungen. Diese wirkten oft auch noch nach dem Abschluss der Therapie nach, was in den Nachgesprächen oder Wiederaufnahmen der Therapie deutlich wurde. Offensichtlich haben gerade die Aktivierung innerer Bilder und kinästhetischer Prozesse sowie das gemeinsame emotionale Tun und Erleben eine viel stärkere Wirkung hinterlassen als so manch andere Intervention oder auch klug gemeinte Anweisung an die Paare.

Diese Erfahrung hat letztlich den Anstoß gegeben, die von mir im Rahmen von Paartherapien verwendeten Übungen und Methoden zu einem praxisorientierten Buch zusammenzustellen. Ich hoffe, dass ich damit den einen oder anderen Paartherapeuten dafür gewinnen kann, sein methodisches Repertoire zu erweitern.

Denken, Fühlen und Handeln sind im Sinn der modernen Hirnforschung untrennbar miteinander verknüpft. Ein systemischer mehrperspektivischer Umgang, der diese Aspekte verbindet, mit unseren Klienten wie mit uns selbst kann heute eigentlich nicht mehr Gegenstand von Kontroversen sein. Die moderne Hirnforschung besagt zudem, dass etwa 20% aller Informationen über das Bewusstsein, die anderen 80% also über das Vor- und Unbewusste laufen.

Angesichts dieser Ausgangslage stellt sich die Frage, ob wir unsere therapeutische Wirksamkeit nicht verbessern können, wenn wir neben kognitionsgeleiteten und edukativen Interventionen stärker als bisher auch metaphorische, imaginative, affektive und bewegungs- und körperbezogene Interventionen einsetzen und dadurch implizite und unbewusste Lernprozesse anregen, die wiederum eine stärkere prozessuale Aktivierung und Ressourcenaktivierung beim Klienten hervorrufen. Es ist eine Binsenweisheit, dass man Probleme besser bewältigt, wenn man nicht durch einengende Bilder blockiert ist und wenn man an seine Fähigkeiten glaubt.

Nicht nur im Klienten, sondern auch in seinen Beziehungen zum Partner liegen wichtige Selbstheilungskräfte, die es zu aktivieren gilt.

Um sowohl die emotionalen Ressourcen von Paaren als auch die individuellen Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten der Partner zu fördern, plädiere ich für eine Integration systemischer und erlebnisintensiver Vorgehenswesen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Aktivierung innerer Bilder und kinästhetischer Prozesse gelegt sowie auf das Nutzen von Raum und Zeit. Erlebnisintensive Interventionen sind nicht nur geeignet, Veränderungsprozesse bei Klienten zu fördern, sondern tragen auch entscheidend zur Psychohygiene von uns Therapeuten bei.

Wichtige Impulse zu dem hier vorgestellten integrativen paar- und familientherapeutischen Ansatz verdanke ich meiner familientherapeutischen Ausbildung Ende der Siebziger- und Anfang der Achtziger-Jahre, die schwerpunktmäßig an der wachstumsorientierten und strukturellen Familientherapie von V. Satir und S. Minuchin orientiert war. Dadurch verfügte ich von Beginn meiner therapeutischen Tätigkeit an über einen breiten Fundus erlebnisaktivierender Methoden und Techniken.

In den Neunziger-Jahren habe ich weitere wertvolle Impulse durch die moderne Hypnotherapie Erikson’scher Prägung, das NLP, die Gestalttherapie und das Psychodrama erfahren und mein Vorgehen um hypnotische, imaginative und metaphorische Methoden und Übungen erweitert.

Erlebnisintensive Vorgehensweisen sind kein Selbstzweck, sondern erfordern von uns einen sowohl ernsthaften wie spielerischen Umgang mit diesen. Vielleicht gelingt uns dies am ehesten, wenn wir einen Zugang zu unserem inneren Kind herstellen können. Erickson meinte, Erwachsene sind nur groß gewordene Kinder. Als Therapeut Kontakt zu seinem inneren Kind herzustellen und darüber auch zu den inneren Kindern unserer Klienten, verstehe ich nicht im Sinne einer eigenen kindlichen Regression oder Infantilisierung erwachsener Klienten, sondern im Sinne bestimmter Qualitäten und Eigenschaften wie Neugierde, Freude an Überraschung, Mitgefühl, Phantasie, Spielfreude und aufrichtige Ernsthaftigkeit, wie sie für Kinder so typisch ist.

Die Anzahl erlebnisintensiver Interventionen ist außerordentlich groß. Die meisten mir bekannten erlebnisintensiven Verfahren und Techniken werden in der Einzeltherapie oder in der Gruppenbehandlung eingesetzt. Einige von diesen sind jedoch auch in der Paartherapie einsetzbar, was bisher kaum beschrieben ist. Dazu habe ich diese für die Paartherapie modifiziert. Andere wiederum habe ich speziell für die Paartherapie entwickelt.

In den ersten beiden Kapiteln konzentriere ich mich auf die theoretischen Grundlagen meines paartherapeutischen Ansatzes. Angesichts der Vielzahl theoretischer Veröffentlichungen zur Paartherapie (Willi, 2002; Welter-Enderlin, 1996; Revenstorf, 1999; Jellouschek, 2002; Retzer, 2004; Gottmann & Silver, 2000; Wirsching & Scheib, 2002) beschränke ich mich auf einige wenige grundsätzliche Überlegungen, die ich für das Verständnis meines Vorgehens für wichtig erachte. Zum einen stelle ich ein zirkuläres Mehrebenenmodell der Paarbeziehung vor, zum anderen gehe ich auf die wichtigsten Elemente erlebnisintensiven Vorgehens ein. Damit möchte ich auch deutlich machen, dass die Auswahl und der Einsatz erlebnisintensiver Methoden und Übungen keine reine »Bauchgeschichte« ist, sondern Mittel zum Zweck ist und Einleitung, Durchführung und Abschluss einer prozessualen Logik folgt.

Im dritten Kapitel stelle ich eine Reihe von Kurzinterventionen vor, die entweder zu Beginn einer Paartherapie eingesetzt werden können oder um einen Medienwechsel zu erreichen sowie als erlebnisintensiver Einstieg in ein Thema. Es umfasst die ausführliche Darstellung von 18 kurztherapeutischen Interventionen zu wesentlichen Themen und Beziehungskonstellationen von Paaren.

Das vierte Kapitel umfasst eine Reihe weiterführender, erlebnisorientierter Verfahren, bei denen Raum und Zeit in besonderer Weise therapeutisch genutzt werden. Hierzu zählt der Einsatz von Paarskulpturen, die Time-Line-Arbeit mit Paaren und die Teilearbeit mit Paaren. Jedes dieser Verfahren wird in einem ausführlichen Kapitel beschrieben. Nach der Vorstellung des theoretischen Hintergrundes wird der Ablauf detailliert erklärt und verschiedene Anwendungsmöglichkeiten präsentiert. Außerdem wird auf die Rolle des Therapeuten eingegangen, die er bei diesen Verfahren hat. Fallbeispiele und Abbildungen veranschaulichen das Ganze. Sämtliche vorgestellte Fallbeispiele stammen aus meiner Tätigkeit an einer Beratungsstelle und aus meiner privaten Praxis.

In einem kurzen Nachwort ziehe ich einige Schlussfolgerungen für die Ausbildung von Paartherapeuten.

Dieses Buch wendet sich an alle Berufsgruppen, die bereits mit Paaren arbeiten und unabhängig von ihrer Orientierung gerne ihr therapeutisches Repertoire erweitern möchten. Für Neueinsteiger bieten die vorgestellten Interventionen eine Möglichkeit, bereits von Anfang an mit diesem Handwerkszeug zu arbeiten. Mein Ansatz stellt andere systemische, verhaltenstherapeutische und tiefenpsychologisch fundierte Vorgehensweisen in keiner Weise in Frage, sondern versteht sich als Ergänzung und Erweiterung. Ich verstehe ihn darüber hinaus auch als einen Beitrag zu einer integrativen systemischen Psychotherapie.

Roland Weber, im Januar 2006

Vorwort zur 3.Auflage

Die jetzt vorliegende dritte Ausgabe wurde überarbeitet und durch ein neues Kapitel ergänzt. Letzteres reflektiert meine aktuelle Entwicklung im Bereich paartherapeutischer Methoden und Techniken. Sie sind unter dem Begriff „Beobachterräume schaffen“ zusammengefasst und basieren auf dem Vorgang der dissoziativen Distanzierung. Hierbei kommen verschiedenen Techniken zum Einsatz, die jedoch alle dasselbe Ziel verfolgen: Die Partner treten einen Schritt zurück, nehmen eine Beobachterposition ein, distanzieren sich emotional vom unmittelbaren Erleben und sind dann besser in der Lage, sowohl ihr eigenes Verhalten und Erleben als auch das ihres Partners reflektieren und neu betrachten zu können. Dissoziative Techniken eignen sich besonders gut für die Klärung und Veränderung von Teufelskreisen und deren biografischen Hintergründe, für das schrittweise Erarbeiten von Lösungsverhalten sowie zur Bearbeitung problem- und schambelasteter Themen, die ein indirektes Vorgehen nahelegen, durch das sich die Partner dem Thema schrittweise annähern können. Im 3. Kapitel wurden einige Übungen neu aufgenommen, andere besser systematisiert.

Roland Weber, im September 2013

I. KAPITELEinleitung

1. Ein Fallbeispiel

Die Ehefrau rief an, um einen Termin für sich und ihren Mann zu vereinbaren. Die Empfehlung hatte sie von ihrer Einzeltherapeutin bekommen, die sie wegen Panikattacken aufgrund einer schweren körperlichen Erkrankung konsultiert hatte.

Beide kamen bereitwillig zum Erstgespräch. Schnell entfachte sich ein heftiger Streit zwischen den beiden. Sie klagte darüber, dass sie sich von ihrem Mann nicht wahrgenommen und dadurch nicht ernst genommen fühle. Er beklagte, dass er dauernd von ihr angegriffen und für alles, was schief läuft, verantwortlich gemacht werde. Sie dagegen betonte, dass sie ihn nur deshalb kritisiere, weil er nie auf ihre Anliegen eingehe und sie jahrelang um jede kleine Veränderung habe kämpfen müssen. Schließlich bezeichnet sie ihn als Egoisten, der sich auf ihre Kosten durchsetze. Der Ehemann wiederum warf nun ihr vor, dass sie in allem übertreibe und aus jeder Mücke einen Elefanten mache und damit die Beziehung schlechtrede.

Die permanenten Brandherde waren Ordnung, Erziehung der Kinder, Absprachen und Sexualität.

Nach der Paargeschichte gefragt, berichtet die Ehefrau, dass sie und ihr Mann sehr ungleich in die Beziehung gestartet seien: er um vieles älter als sie, beruflich erfolgreich, geschieden, Künstlertyp; sie jung und gerade mal am Anfang ihres Berufslebens und der gewissenhafte Typ. Trotz dieser Unterschiede sei die Beziehung am Anfang sehr intensiv gewesen, – intensiver als alles, was beide zuvor an Beziehung erlebt hatten.

Aufgrund des Altersunterschiedes und der dominanten Art ihres Mannes seien die Rollen klar verteilt gewesen: er habe bestimmt und sie habe sich ihm angepasst, womit sie lange Zeit kein Problem hatte. Mit den Kindern hätten dann die Probleme begonnen. Das erste Kind kam früher als geplant, wodurch die Ehefrau ihre kaum begonnene Berufstätigkeit unterbrechen musste. Baldmöglichst versuchte sie ihre Berufstätigkeit wieder aufzunehmen, wurde jedoch von ihrem Mann nicht genügend entlastet. Mit dem 2. Kind fühlte sie sich überfordert und wurde depressiv. Später kam noch eine Lungenerkrankung dazu, die sie erneut aus ihrer Berufstätigkeit warf. Seit einigen Jahren versuche sie sich mehr durchzusetzen, stoße aber bei ihrem Mann auf Granit. Seither habe sich die Beziehung verschlechtert. Unter solchen Voraussetzungen könne sie mit ihrem Mann keinen Sex haben, was er ihr wiederum schwer anlaste.

In ihrem Elternhaus waren die Machtverhältnisse klar. Der Vater traf alle wichtigen Entscheidungen, die Mutter war finanziell von ihm abhängig und durfte für sich nichts fordern. Sie wollte nie in die Situation ihrer Mutter kommen, hat aber nicht gelernt, ihre Wünsche durchzusetzen. Er kommt aus einem Elternhaus mit einem gewissen Habitus. Vor dem Vater hatte er Angst. Sich auseinanderzusetzen hat er nie gelernt. Aber er hat früh verstanden, wie man sich durch die sanfte Kunst des Ignorierens letztlich doch durchsetzt.

Die Paartherapie kann in diesem Fallbeispiel auf vielen Ebenen ansetzen. Im Bereich der Kommunikation ginge es darum, wie beide ihr gewohntes Kommunikationsmuster – er sein Sich-Verteidigen und sie ihr Attackieren einschließlich der dazugehörigen Gesten – begrenzen lernen können. Auf der praktischen alltäglichen Ebene wünscht sich die Ehefrau deutlich mehr Erleichterung und Verbindlichkeit. Käme der Ehemann diesem Anliegen nach, entstünde auch wieder mehr Emotionalität zwischen Ehemann und Ehefrau. Da beide im Laufe ihrer Paargeschichte viele Verletzungen erlebt haben, würde man sich auch damit beschäftigen müssen. Auf der Ebene der Passung geht es darum, dass sich beide ihrer zentralen Beziehungswünsche und deren Realisierbarkeit bewusst werden.

Bezüglich der individuellen Entwicklung könnte es darum gehen, das erlernte Muster der Beziehungsgestaltung zu überwinden, was nicht leicht wäre. Könnte der Ehemann es wagen, seine Frau mehr als eigenständige Person wahrzunehmen und ihr mit mehr Verbindlichkeit entgegenzutreten, ohne Angst zu haben, dadurch seine Freiheit und Unabhängigkeit zu verlieren? Und könnte seine Ehefrau auf ihre Anklagen verzichten und sich ganz in der Beziehung fallen lassen, ohne befürchten zu müssen, übergangen zu werden und unterzugehen, so wie es ihrer Mutter erging? Wenn beide persönliches Wachstum und Entwicklung als wichtiger ansehen könnten als die vertraute Sicherheit, könnten die Gegensätzlichkeit der beiden und ihr Leiden daran einen Sinn haben und eine Herausforderung zum Wachstum darstellen.

2. Theoretischer Rahmen

Um sowohl der Komplexität eines Paarsystems annähernd gerecht zu werden als auch um die Möglichkeiten des therapeutischen Vorgehens zu ordnen, empfiehlt sich die Verwendung eines mehrdimensionalen, zirkulären Therapiemodells (Jellouschek, 2005; Revenstorf, 1999; Welter-Enderlin, 2002), in dem folgende Ebenen unterschieden werden können:

• Die Interaktionsebene

Diese kann auf drei Ebenen beobachtet werden: auf der Handlungsebene, auf der nonverbalen Ebene und anhand verbaler Mitteilungen. Kommunikation zwischen Partnern wird im sozial-konstruktivistischen Modell als eine Kokonstruktion oder Koaktion verstanden. Sie kann auf zwei Ebenen beobachtet werden: einmal auf der nonverbalen Ebene, die den Ausdruck in Mimik, Stimme und Körperhaltung umfasst, zum anderen anhand der verbalen Mitteilungen. Da jede sprachliche Äußerung auch einen nonverbalen, körperlichen Ausdruck hat, spielt diese Ebene eine wichtige Rolle in der Paartherapie. Kommunikation schließt also multiple Kommunikationskanäle, Wechselwirkungen der verbalen und nonverbalen Ebene wie auch Metakommunikation ein. Durch Metakommunikation evaluieren die Partner ihre Kommunikation in einem reflexiven Prozess, in dem sie darüber reflektieren, wie sie ihre Kommunikation erlebt haben oder zukünftig führen wollen. Kommunikation umfasst nicht nur die Kommunikation mit dem Partner, sondern auch innere Dialoge wie Selbstgespräche, Träume und Schreiben. Das Erleben der Partner ist deshalb nicht nur von der äußeren Kommunikation abhängig, sondern auch davon, welche inneren Dialoge diese hervorrufen.

Die Handlungsebene wiederum umfasst alle Handlungen, die die Partner in den Zusammenhang ihrer Beziehung stellen: Geschenk mitbringen, dem anderen einen Gefallen tun, Sexualität, alltägliche Abläufe sowie die Arbeitsteilung zwischen den Partnern. Dabei geht es nicht nur darum, wer was macht oder nicht macht, sondern wie beide ihren Alltag erleben: Ob sie die Verteilung der Aufgaben als annähernd gerecht oder ungerecht empfinden, ob einer mehr investiert als der andere und wer sich wie gegen den anderen durchsetzt. Daraus können sich entsprechende Schieflagen zwischen den Partnern entwickeln, die wiederum die Beziehung erheblich belasten können (Jellouschek, 2005).

Kommunikations- und Handlungsebene beruhen auf einer gegenseitigen Entsprechung von Interessen und Werten und sind oft symmetrisch. Hingegen ist das Verhältnis hinsichtlich der tiefer liegenden Bedürfnisse der Partner oft komplementär.

• Die Ebene der Paargeschichte

Durch wiederholte Kommunikation und Interaktion schaffen die Partner eine gemeinsame Paargeschichte und werden damit zu Kokonstrukteuren ihrer Paarbeziehung, die sich durch einen ständig im Fluss befindlichen Beziehungsprozess weiterentwickelt. Die Entwicklung des Paarsystems von seinen Anfängen bis in die aktuelle Gegenwart des Paares kann anhand verschiedener Phasen beschrieben werden. Nach Bader und Pearson (1988) handelt es sich im Wesentlichen um drei Phasen der Paarentwicklung: eine Phase der Symbiose, auf die eine Phase der Differenzierung folgt, und schließlich eine Phase der Konsolidierung beziehungsweise inneren Festigung. In der symbiotischen Phase der Verliebtheit wird von den Partnern der Grad der Gemeinsamkeiten häufig überschätzt und die Unterschiede werden ignoriert. Danach folgt eine Phase der Enttäuschung, die nicht unbedingt zeitgleich einsetzt und die den Übergang in die Differenzierung ankündigt. Dies führt in aller Regel zu heftigen Auseinandersetzungen und Verletzungen. Kommt es darüber nicht zu einer Trennung der Partner, erreichen beide eine einvernehmlich geklärte, konsolidierte Form ihrer Partnerschaft. Die Geschichte eines Paares kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden: Verliebtheit und Zauber des Anfangs, Schwellensituationen und Übergänge, Sicherheits -und Wachstumszyklen (Schnarch, 2004), Verletzungen und Schieflagen (Jellouschek, 2005).

• Die Ebene der Passung

Diese beinhaltet die kognitiven, affektiven und körperlichen Prozesse sowie die zentralen partnerschaftlichen Beziehungswünsche, die die Partner bewusst und unbewusst aneinander haben. Diese reichen vom einfachen Wunsch bis hin zu umfangreichen Ansprüchen und komplizierten Liebesbedingungen (Stiemerling, 2002). Allerdings lässt sich Liebe nicht erzwingen. Allein schon dieser Tatbestand löst in Partnerschaften eine Menge Konfliktstoff aus. Dazu kommen weitere: seelische Leerstellen auf Seiten eines oder beider Partner, aus der Norm fallende Bedürfnisse, unerfüllbare Wünsche. Der häufigste Verstoß gegen das Realitätsprinzip liegt in der Überschätzung der Änderungsmöglichkeiten des anderen. Wer zudem mehr liebt oder geliebt werden möchte, ist immer in der benachteiligten Position, weil seine Abhängigkeit vom Partner einfach größer ist. Auf der anderen Seite können wichtige partnerbezogene Bedürfnisse verdrängt werden, wodurch sie der Beziehung fehlen und der Partner selber von einer wichtigen Energiequelle abgeschnitten ist. Viele Beziehungen leiden auch daran, dass der eine nicht offen und deutlich ausspricht, was er wann und wie viel davon vom anderen möchte. Ein weiterer Konfliktstoff ergibt sich aus den Unterschieden im Dringlichkeitsgrad und dem Anspruchsniveau der Bedürfnisse.

Während Interessen auf Übereinstimmung basieren, herrscht auf der Ebene der zentralen Beziehungswünsche häufig eine komplementäre Ausgangslage vor, sodass sich diese ergänzen. Der hilflose Partner braucht den Helfer, der zum Helfen Motivierte den Hilflosen. Der Passive braucht den Aktiven und umgekehrt. Der Anlehnungsbedürftige braucht den Führenden. Wer bereit ist, zu bewundern und zu bestätigen, sucht den Bewunderungsbedürftigen, wer auf Bestätigung angewiesen ist, braucht den Bewundernden. Im Lauf der Zeit kann es dann neben den zwangsläufig einsetzenden Enttäuschungen zu einer starren Komplementarität kommen. Entwickelt einer den Partner dann neue Wünsche, kommt es zum Konflikt, und der alte Beziehungskontrakt (Sager, 1976) muss neu verhandelt werden.

Mit entscheidend für das Ausmaß des Konflikts ist der Umstand, wie die Partner mit der Nichterfüllung ihrer an den anderen gerichteten Bedürfnisse umgehen. Je nach erfolgter Attribuierung sind die Konsequenzen für die Partnerschaft unterschiedlich. Sie reichen von einem flapsigen Achselzucken, konstruktiver Auseinandersetzung über Einschnappen und »Rabattmarken sammeln« bis zur offenen Aggression, Rache, Maximierung von Wiedergutmachungsansprüchen, Rückzug und zu einer inneren Aufkündigung der Partnerschaft.

Diese verschiedenen Ebenen kann man nun anhand eines Schichten- oder Zwiebelschalenmodells ordnen: Kommunikation, Gesten und Handlungen bilden die äußeren Schichten oder Schalen. Danach folgen die inneren Schichten psychischer Vorgänge: Kognitive, affektive und intentionale Prozesse im Zusammenhang mit den an den Partner gerichteten Bedürfnissen. Diese weisen meist auf einen Zusammenhang mit der individuellen Lebensgeschichte der Partner und den damit zusammenhängenden Lebensthemen (Welter-Enderlin, 2002; Jellouschek, 2005) hin. Als zeitliche Dimension stellt die Paargeschichte die Verbindung zwischen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Paares dar.

Die Frage, auf welcher Ebene man am besten die Therapie beginnt, ist bisher nicht systematisch geklärt (Revenstorf, 1999). Jellouschek (2005) beispielsweise empfiehlt ein Vorgehen von außen nach innen. Oft hängt es von der fachlichen Ausrichtung des Therapeuten ab, auf welcher Ebene er interveniert. Je ganzheitlicher jedoch sein Vorgehen ist, umso größer ist die Chance, dass der therapeutische Prozess auf mehreren Ebenen gleichzeitig in Gang kommt. Hierfür bietet ein integratives, erlebnisintensives Vorgehen therapeutisch wirksame Voraussetzungen.

Interaktionsebene

HandelnVerbale KommunikationNonverbaler AusdruckParaverbaler Ausdruck

Vertikale Ebene

PaargeschichteHerkunftsfamilienLebensthemen

Passungsebene

InteressenWerteKognitionenAttributionenBedürfnisseUnbewusste Prozesse

Mehrdimensionales zirkuläres Modell der Paarbeziehung

II. KapitelErlebnisintensives Vorgehen

1. Ziele

Ein wesentliches Ziel in der Paartherapie besteht darin, neue Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten zu schaffen. Erlebnisintensive Vorgehensweisen und Methoden eröffnen ein vielfältiges Spektrum von Zugangsweisen. Durch Interventionen auf der körperlichen, emotionalen und unbewussten Ebene können bestimmte Stimmungszustände in Gang gesetzt werden, die ihrerseits Veränderungen auf der kognitiven Ebene und im Verhalten nach sich ziehen.

Angesichts der häufig anzutreffenden verbalen Immunisierung der Partner sind dem Paartherapeuten auf der verbalen Ebene enge Grenzen gesetzt. Bei Paaren sind darüber hinaus Sackgassen des Verhaltens besonders dauerhaft, weil sich die Partner gegenseitig darin stabilisieren.

Erlebnisorientierte Verfahren erleichtern über das Erleben von Gefühlen und Bildern die Internalisierung von Veränderungen. Aus diesen Gründen ist es wichtig, von Anfang an das Gewicht darauf zu legen, dass die Partner in den Sitzungen selber neue Erfahrungs- und Erlebnismöglichkeiten machen können, die sie dann schrittweise in ihren Paaralltag integrieren können. Aus dem Erleben entsteht im Idealfall ein gefühltes Wissen, das dem gedachten überlegen ist.

Kanfer et al. (2000) weisen auf die Bedeutung der affektiv-gefühlsorientierten Methoden für folgende Bereiche hin:

Zur Internalisierung von neuen Erfahrungen und zur Erweiterung des Bezugssystems

Zur direkten Aktivierung und Veränderung der motorischen Verhaltensebene

Zur Lenkung der Aufmerksamkeit auf neue Informationen

Zur Ausschöpfung der ganzen Bandbreite des sensorisch-perzeptuellen Systems des Klienten

Nach Görlitz (2004) können mithilfe erlebnisintensiver Vorgehensweisen generell folgende Ziele angestrebt werden:

Reduzierung des sprachlichen Übergewichts in der Therapiesituation

Erleichterung des therapeutischen Zugangs zu den Emotionen der Partner

Geringere Ansprüche an die Partner bezüglich intellektueller Differenziertheit

Förderung von Lebendigkeit in der Therapiesituation

Auflösung von Schulhaltungen wie Müssen und Sollen

Förderung von Authentizität und Stimmigkeit der Partner

Nutzung mehrerer Sinneskanäle

Herstellen einer Verbindung von Kopf und Bauch

Bessere Verankerung neuer Verhaltensweisen durch Nutzung verschiedener Erlebnisebenen

Nach den Ergebnissen der modernen Hirnforschung kann davon ausgegangen werden, dass erlebnisintensive Verfahren vorwiegend von der rechten Hirnhälfte verarbeitet werden, da diese mehr als die linke an der Vermittlung emotionaler und imaginativer Prozesse beteiligt ist. Durch die direkte Kommunikation mit der rechten Hirnhälfte werden darüber die unwillkürlichen Erlebnisprozesse beeinflusst.

Mithilfe erlebnisintensiver Verfahren spielt sich der therapeutische Prozess gleichzeitig auf zwei Ebenen ab: einer bewussten Ebene, auf der der Therapeut seine Anweisungen gibt und die Partner entsprechende Handlungen vollziehen, und auf einer assoziativen, persönlichen Ebene, auf der sich bei den Partnern eigene Querverbindungen und Bedeutungen herstellen, die dann in das Bewusstsein überschwappen und als gefühltes Wissen erlebt wird. Die Aufmerksamkeit wird dabei ähnlich wie bei der Trance nach innen und auf sich selbst gerichtet.

2. Willkürliche und unwillkürliche Erlebnisprozesse

Die moderne Psychologie definiert sich als Wissenschaft vom äußerlich sichtbaren Verhalten und inneren Erleben. Unter Erleben wird die Gesamtheit aller inneren, im Bewusstsein repräsentierten Vorgänge in der Person verstanden (Brockhaus, 2001). Hierbei sind alle psychischen Vorgänge wie Empfinden, Wahrnehmen, Denken, Vorstellen, Gedächtnis, Gefühle, Motive und psychische Vorgänge mit organischer Basis wie z.B. Schmerz und Schwindel eingeschlossen.

Aus systemischer Sicht wurde bis vor wenigen Jahren davon ausgegangen, dass individuelles Verhalten in erster Linie oder ausschließlich über den Beziehungskontext, in dem das Verhalten stattfindet, zu erklären sei. Die Theorie der Selbstorganisation lebender Systeme weist aber darauf hin, dass vor allem die innere Selbstorganisation des Individuums letztlich bestimmend für sein Erleben ist.

Für die Therapie folgt hieraus, Interventionen sowohl auf interaktioneller als auch auf intrapsychischer Ebene durchzuführen und dabei deren Wechselseitigkeit zu beachten.

Sowohl für die interaktionelle als auch die intrapsychische Ebene spielt die Aufmerksamkeitsfokussierung eine zentrale Rolle. Nach G. Schmidt (2000) kann diese als eine selbstorganisierte Form des assoziativen Zusammenfügens von sinnlichen Erlebniselementen beschrieben werden. So werden beispielsweise Zeitwahrnehmung, Erinnerungsfähigkeit, Körperwahrnehmung, Energiepegel, Zugang zu Ressourcen (Kaiser Rekkas, 1998), visuelle innere und äußere Bilder, auditive Elemente, innere und äußere Dialoge und Sinneseindrücke mit Verhalten, Bewertungen und Bedeutungen synchron verwoben. Derartige Verkoppelungen können als Muster bezeichnet werden. Erleben ist demnach das Ergebnis solcher auf willkürlicher und unwillkürlicher Ebene zusammengefügten Muster. Jede Wahrnehmung und jedes Erleben wird daher autonom von der Person durch ihre Aufmerksamkeitsausrichtung selektiv gestaltet.

Als Teil eines Erlebnismusters können die verschiedensten Elemente identifiziert werden. In Anlehnung an G. Schmidt haben sich für die praktische Arbeit mit Paaren folgende Ebenen bewährt:

• Die interaktionelle Ebene

Diese umfasst die Regeln zwischen den Partnern und deren Kommunikation und Verhalten: Wie ist Nähe und Distanz verteilt, wie werden Entscheidungen vollzogen, was wird kommuniziert und was nicht, was ist erlaubt und toleriert, wie wird mit Unterschieden umgegangen? Werden diese überbetont, bekämpft oder kleingeredet? Wie dürfen Grenzen nach außen und innen markiert werden?

• Die Ebene der Außenwahrnehmungen

Diese umfasst, wie andere Personen und Kontextfaktoren in Relation zur eigenen Person wahrgenommen und eingeschätzt werden: Fühle ich mich ähnlich attraktiv wie mein Partner? Oder weniger? Sehe ich gleiche Einflussmöglichkeiten innerhalb der Beziehung oder fühle ich mich dem Partner über- oder unterlegen? Nehme ich die Situation als eine ernsthafte Krise wahr oder als vorübergehende Unstimmigkeit?

• Die innere Kommunikationsebene

Diese umfasst die Beziehung der Partner zu sich selbst: Wie werden eigene Impulse wahrgenommen und bewertet? Welche inneren Teile melden sich zu einem bestimmten Thema, welche bleiben stumm? Wie treten die Partner in Dialog mit sich selbst? Wie alt fühlen sie sich: jünger, älter oder ihrem tatsächlichen Alter entsprechend? Welche Erinnerungen aus der Paargeschichte oder der Herkunftsfamilie werden fokussiert?

Die verschiedenen Ebenen und Elemente beeinflussen sich ständig wechselseitig. Werden einzelne Elemente eines Musters geändert, verändert dies auch das jeweilige Erlebnismuster. Auch zwischen den Partnern läuft ständig eine Vielzahl willkürlicher und unwillkürlicher Erlebnisprozesse ab. Was ein Partner als Wirklichkeit erlebt, ist Ergebnis seiner Wahrnehmungsausrichtung. Jedem Menschen steht eine Vielzahl von Erlebnismustern zur Verfügung. Davon sind viele in seinem unbewussten Erlebnisrepertoire gespeichert. Jeder Erlebnisprozess fokussiert selektiv auf bestimmte Wahrnehmungsmöglichkeiten: Man erlebt sich identisch mit diesen, man blendet andere aus oder sie treten in der eigenen Wahrnehmung an den Rand. Wer kennt nicht die Situation, dass die Partner ein und dasselbe Geschehen ganz unterschiedlich wahrnehmen und erinnern und vielleicht auch noch in seiner Bedeutung ganz unterschiedlich bewerten. Alles, was durch die jeweilige Wahrnehmungsausrichtung ausgeblendet oder »vergessen« wird, bleibt aber als Potential und Anknüpfungspunkt bestehen. Unter dem Gesichtspunkt der selektiven Fokussierung erscheinen Menschen als »multiple Persönlichkeiten«, bei denen die jeweils gerade gelebte und erlebte Persönlichkeit durch die Art der Aufmerksamkeitsfokussierung bestimmt ist. Auch Paare zeigen eine Vielzahl von Erlebnismustern und können daher analog auch als »multiple Paare« beschrieben werden. (G. Schmidt)

Der Zugang zum Erleben kann auch durch entsprechende sprachliche Formulierungen des Therapeuten angeregt und vertieft werden, wie sie hier zusammengefasst sind:

FokussierungselementTherapeutenformulierungenVisuell»Welches Bild passt dazu?«»Betrachten Sie es von mehreren Seiten!«Auditiv»Klingt da etwas in Ihnen?«»Gibt es einen Ton oder ein Wort, das dazu passt?«Kinästhetisch»Wo spüren Sie das jetzt?«»Wo zieht es Sie in Gedanken hin?«»Welche Gangart oder Körperhaltung drückt das am ehesten aus?«Olfaktorisch»Ist das so nach Ihrem Geschmack?«»Gibt es einen Geruch, der dazu passt?«Zeiterleben»Wie vergeht momentan die Zeit für Sie?«Aufmerksamkeit»Wo sind Sie im Moment mit Ihrer Aufmerksamkeit?«»Sind Sie mehr nach außen orientiert oder mehr innerlich mit sich beschäftigt?«Körperwahrnehmung»Wie ist Ihr Atem?«»Wie nehmen Sie im Moment Ihren Körper wahr?«Energiepegel»Was passiert jetzt gerade mit Ihrer Energie?«»Wo in Ihrem Körper spüren Sie Ihre Energie am stärksten?«Denken»Was sagen Sie gerade zu sich?«»Welcher Gedanke herrscht gerade vor?«Tun»Welchen Impuls spüren Sie jetzt?«»Was sehen Sie sich als nächstes tun?«Fühlen»Was ist im Moment Ihr vorrangiges Gefühl?«»Wo spüren Sie dieses Gefühl?«»Was teilt es Ihnen bzw. uns mit?«Zugang zu Ressourcen»Was fallen Ihnen für Varianten des Verhaltens ein?«»Wozu haben Sie jetzt wieder Zugang?«Beziehung»Was stellt Ihr Partner Neues an Ihnen fest, wenn das Wunder passiert ist?«» Wie reagiert er darauf?«»Wie reagieren Sie Ihrerseits auf die Reaktion Ihres Partners?«

Fallbeispiel

Das Paar ist Mitte vierzig, verheiratet und hat zwei Kinder. Der Ehemann hat seine Frau während mehrerer Jahre betrogen. Trotz dieses schweren Vertrauensbruchs möchten beide die Ehe fortsetzen und suchen hierfür therapeutische Hilfe.

Als sich der Ehemann in einer Sitzung um eine Viertelstunde verspätet, reagiert seine Ehefrau mit heftigen Vorwürfen. Seine Einlenkungsversuche und seine Entschuldigung bleiben unerhört. Schließlich sitzen beide wütend und schweigend da. Nichts geht mehr.

Daraufhin setze ich mich dicht neben die Ehefrau und frage sie nach ihrem Erleben: zuerst nach ihrer Aufmerksamkeit, dann nach ihrem Denken, Zeiterleben, Gefühlen, Energiepegel usw. Sie teilt mir mit, dass die Zeit wie verrückt vorbeirase, ihr Atem sei flach und beschleunigt, sie habe heftiges Herzklopfen, möchte am liebsten davonrennen, fühle sich gleichzeitig wie angewachsen. Sie käme sich wie fünf- oder siebenjährig vor und habe auf einmal ihren betrunkenen Vater vor sich gesehen. Selbst jetzt habe sie noch starke Gefühle der Wehrlosigkeit und Ohnmacht.

Ich bitte die Ehefrau aufzustehen und sich so weit von ihrem Stuhl zu entfernen, bis sie spüre, dass sie ruhiger werde. Sie hat Mühe, sich von ihrem Stuhl zu erheben. Sie geht dann mehrere Schritte in Richtung der gegenüberliegenden Wand. Ich begleite sie dabei und stelle mich dann neben sie. Ich schlage ihr vor, den Boden unter den Füßen zu spüren, den Rücken durchzustrecken, tief durchzuatmen und mit jedem Atemzug sich ihrem tatsächlichen Alter und ihrer ganzen Lebenserfahrung anzunähern. Sobald sie ihr tatsächliches Alter erreicht habe, soll sie dies durch ein kleines Handzeichen äußern.

Zur weiteren Stabilisierung und Distanzierung mache ich ihr den Vorschlag, sich in ihrer Vorstellung für einige Minuten an einen Ort zu begeben, der ihr gut tut und an dem sie sich sicher fühlt. Dort angekommen soll sie Kraft tanken. Mit dem Mann halte ich Blickkontakt. Nach einigen Minuten öffnet sie ihre Augen und schaut mich klar an. Ich frage sie, was jetzt anders ist, und lenke ihre Aufmerksamkeit erneut auf die verschiedenen Fokussierungselemente. Anschließend schlage ich ihr vor, jetzt wieder auf ihrem Stuhl Platz zu nehmen und ihre wiedergewonnene Ruhe und Kraft dorthin mitzunehmen.

Danach kann das Gespräch zwischen den Partnern wieder aufgenommen werden. Mit klarer Stimme teilt die Ehefrau ihrem Ehemann mit, dass ihr die Annäherung zu schnell gehe und sie mehr Abstand zu ihm brauche. Das weitere Gespräch geht dann darüber, wie es dem Ehemann mit der Aussage seiner Frau gehe, ob er eventuell selbst ähnliche Bedürfnisse habe und wie sie den Prozess der Annäherung entschleunigen können.

3. Trance

Erlebnisprozesse, die im subjektiven Erleben einfach so passieren und man sich quasi als außerhalb davon erlebt, werden in der modernen Hypnotherapie als Trance bezeichnet. Der Trancebegriff umfasst alle Erlebnisprozesse, bei denen unwillkürliches Erleben vorherrscht. Unwillkürliche Prozesse wirken nicht nur schneller, sondern auch effektiver als willkürliche. Um Elemente eines Erlebnismusters oder das Muster selbst zu verändern, können in der Therapie auch gezielt Tranceprozesse angeregt werden.

Trance ist ein Zustand innerer Fokussierung und erhöhter Empfänglichkeit. Dabei werden die Vorstellung und die Erinnerung lebendiger als im Alltagsbewusstsein. Die Umstellung von verbalen Prozessen auf Vorstellungsprozesse regt außerdem die Kreativität an. Der Zustand der Trance entkrampft physisch und psychisch (Kaiser Rekkas, 1998). Außerdem lässt sich durch sie der verbale Kommunikationsprozess der Partner unterbrechen. Trancephänomene können sowohl mit geschlossenen als auch mit offenen Augen erzielt werden. Eine Trance, bei der die Augen offen bleiben, entspricht weitgehend jenem Zustand, den wir von Tag- und Wachträumen kennen.

Charakteristisch für die Veränderung der inneren Realität sind folgende Merkmale (Ulfried Geuter, 2002 a, a.O.S.45):

»Die Aufmerksamkeit ist eingeschränkt; beispielsweise hört man nur noch die Stimme des Therapeuten und blendet andere Wahrnehmungen aus.

Der Körper wird anders erlebt, größer oder kleiner, schwerer oder leichter.

Innere Bilder treten lebendiger vor Augen und werden wörtlich genommen.

Das Denken erfolgt assoziativ, ohne sich um Logik zu kümmern.

Gefühle sind leichter zu spüren.

Die Grenze zwischen Phantasie und Realität wird durchlässiger.«

Zusätzlich treten noch eine Reihe körperlicher Veränderungen auf. Dazu zählen: Veränderung der Körperwahrnehmung, Dissoziation eines Körperbereichs, vertiefte, ruhige Atmung, Veränderung der Pulsfrequenz. Trance wirkt primär entspannend und somit entängstigend. Außerdem entsteht eine höhere Akezeptanz von gedanklich Widersprüchlichem und größere Flexibilität im Auffinden ganz neuer Gedankengänge, wodurch sich der innere Bezugsrahmen erweitert.

Für die Paartherapie können insbesondere folgende Trancephänomene genutzt werden:

Entspannungs- und somit Entängstigungseffekt zur Verbesserung der KommunikationDissoziation, d.h. das gleichzeitige Erleben von hier und dort zur Distanzierung von heftigen GefühlenZeitprogression und Zeitregression zur Einnahme verschiedener zeitlicher PerspektivenVeränderung der Körperwahrnehmung zur Neubewertung partnerschaftlichen VerhaltensVerbesserte Erinnerungsfähigkeit zur Fokussierung auf biografische Themen der PartnerTrancelogik, was die Bereitschaft für flexiblere Denkvorgänge durch geistige Akzeptanz von konträren Inhalten bedeutetKlare innere Aufmerksamkeit und somit bessere Konzentration der Partner auf ein ThemaSuggestibilität und damit Zugang zu den inneren Selbstdialogen der PartnerVerlangsamte Reaktionsbereitschaft und damit Unterbrechung unwillkürlicher ErlebnisprozesseLebendigere Vorstellung und Erinnerung und damit Zugang zu den inneren und äußeren Bildern der PartnerRegt Kreativität an und damit Zugang zu spielerischen Problemlösungen.

Zum Einsatz kommen dann sowohl direkte als auch indirekte hypnotherapeutische Interventionen. Direkte hypnotherapeutische Interventionen wie die landläufig bekannten Entspannungszustände mit Katalepsie und nach innen gerichteter Aufmerksamkeit stellen nur einen Sonderfall möglicher Tranceprozesse dar. Generell braucht man für erlebnisintensive therapeutische Prozesse keine tiefe Hypnose und oft erleichtert bereits eine kurze Tranceinduktion den Einstieg in die weiter unten beschriebenen Kurzinterventionen. Dabei empfiehlt es sich, dass sich die Partner während dieser kurzen Trance den Rücken zukehren. Dies gilt auch für Imaginations- und Vorstellungsübungen. Imaginations- und Vorstellungsübungen beinhalten ebenso wie metaphorische Techniken wie Paarskulpturen, Time-Line- und Teilearbeit zahlreiche Tranceelemente, bei denen unwillkürliches Erleben vorherrscht.

4. Gestaltungselemente

Ich möchte an dieser Stelle die wesentlichen Gestaltungselemente des von mir praktizierten erlebnisintensiven Vorgehens vorstellen. Hierbei gehe ich von fünf Elementen aus:

1. Hier-und-Jetzt-Orientierung

Bei diesem Element geht es darum, neue Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten unmittelbar in den therapeutischen Sitzungen mit dem Paar zu ermöglichen. Im Zentrum stehen dabei die der unmittelbaren Beobachtung zugänglichen, sich wiederholenden Sequenzen oder Muster in der Interaktion der Partner. Im geschützten Rahmen des Therapiesettings schafft der Therapeut einen vorübergehenden Handlungsfreiraum, in dem andere Regeln gelten als zu Hause. Die in den Sitzungen gemachten Erfahrungen können dann schrittweise generalisiert in den Paaralltag integriert werden.

2. Bewegung und Berührung

Für ein In-Bewegung-Kommen des Paares haben körperliche Prozesse eine ganz wesentliche Funktion. Die körperliche Bewegung der Partner löst Schulhaltungen schneller auf und verbessert die Erlebnisqualität spürbar. Bewegt sich der Therapeut gemeinsam mit dem Paar im Therapieraum, kommt es zu einer körperlichen und affektiven Synchronisation, wodurch sich das Paar »begleitet« fühlt.

3. Mobilisierung emotionaler Prozesse

Durch entsprechende Interventionen auf der körperlichen und emotionalen Ebene können bestimmte Stimmungszustände induziert werden, die ihrerseits Veränderungen auf der kognitiven und der Verhaltensebene nach sich ziehen. Zusätzlich bieten gefühlsorientierte Interventionen eine andersartige, bereichernde und oft schnellere Zugangsweise zu den Gefühlen. Dies kommt vor allem den Paaren entgegen, bei denen einer oder beide Partner in ihrer bisherigen Lebensgeschichte nicht gelernt haben, ihre Gefühle zuzulassen und körperlich auszudrücken. Die Bedeutung der emotionalen Selbstöffnung für die Partnerschaftsqualität wurde in mehreren Studien nachhaltig belegt (Bodenmann, 2001).

4. Progression und Regression

In der Psychotherapie spielt die Zeitdimension eine wichtige Rolle. Ausgehend von der Gegenwart suchen wir nach Bildern aus der Vergangenheit, die Auswirkungen auf das momentane Erleben haben. Wir versuchen aber auch Zukunftsbilder zu entwickeln, die dem Paar in der Gegenwart neue Möglichkeiten eröffnen.

5. Dissoziation und Assoziation

Bei der Dissoziation geht es darum, sich von seinen unmittelbaren Gefühlen zu lösen und eine Außen- oder Beobachterperspektive einzunehmen. Dadurch kann ein Perspektivenwechsel stattfinden. Bei der Assoziation geht es darum, sich ganz und gar in ein Erlebnis oder eine Erinnerung zu versetzen, sie mit allen Sinnen zu erfassen versuchen. Dadurch können bisher nicht wahrgenommene Gefühle gespürt und bewusst werden. Es können auch zukünftige Situationen in der Vorstellung so erlebt werden, als würden sie gerade jetzt stattfinden.

5. Anforderungen an den Therapeuten

Erlebnisorientierte Paartherapie stellt an den Therapeuten die Anforderung, in seinem Vorgehen sowohl ernst als auch spielerisch zugleich zu sein und dabei sein eigenes kreatives Potenzial nutzbringend für die Klienten einzusetzen. Erickson meinte einmal, Erwachsene sind nur große gewordene Kinder. Wer daher als Therapeut auch mit großen Kindern genauso arbeiten möchte wie mit kleinen Kindern, benötigt als Quelle hierfür den Kontakt zu seinem inneren Kind und dessen Fähigkeiten: Neugierde, Spontaneität, Bewegungsfreude, Phantasie und Imagination.

Spontaneität und Vorstellungsvermögen sind bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, beides weiterzuentwickeln. Hier sind zunächst einige Übungen, die Ihnen helfen können, Ihr bildliches Denken zu verbessern:

Betrachten Sie eine geometrische Figur, dann schließen Sie Ihre Augen und stellen sich die Figur vor.

Untersuchen Sie einen dreidimensionalen Gegenstand wie z.B. einen Apfel, ein Glas Wasser oder eine Lampe. Schließen Sie wieder die Augen und stellen Sie sich den Gegenstand vor.

Stellen Sie sich ein Klassenzimmer aus Ihrer Schulzeit vor.

Visualisieren Sie Ihr Haus oder Ihre Wohnung. Gehen Sie in Ihrer Vorstellung von Zimmer zu Zimmer.

Stellen Sie sich einen Menschen vor, den Sie kennen.

Stellen Sie sich ihr Spiegelbild vor.

Stellen Sie sich eine Obstschale vor.

Übung: Obstschale – Halluzination auf allen Sinneskanälen (Kaiser Rekkas, 1998)

»Nimm Abstand von allem, was dich eben noch beschäftigte, und entspanne dich. Schließe dafür die Augen und atme ruhig und tief ein.

Begib dich nun an einen Ort, der dir gefällt und der dir gut tut. In eine Oase der Stille …

An einen Quell sprudelnd klaren Wassers …

Auf die Veranda eines tropischen Hauses, eingebettet in üppiges Grün …

Einen Ort deiner Wahl, an dem du dich vollkommen geborgen fühlst.

Schau dich dort um.

Sei ganz aufmerksam.

Betrachte alles genau.

Beobachte, welche Farben sich dir zeigen, welches Licht- und Schattenspiel.

Horche, ob es etwas zu hören gibt …

Atme mal tief ein … nach was riecht es?

Tauche so in deine neue Umgebung ein und spüre nach, wie du dich wohler und wohler fühlen kannst: warm, angenehm gelassen und gelöst.

Nun kannst du zu deiner Überraschung entdecken, wie auf einmal ein kleiner Tisch aus edlem Holz,

von unsichtbarer Hand und wie auf der Theaterbühne,

in die Szene hereingeschoben wird.

Und er bleibt direkt vor dir stehen.

Auf dem Tisch befindet sich eine Schale mit Obst. Welch schönes Bild!

Prachtvoll sattreife Früchte, kunstvoll arrangiert, ineinander geschmiegt, lachen dich an.

Früchte aller Farben, aller Formen.

Wie ihre Oberfläche schimmert! Und wie der Wassertropfen auf der einen Frucht als Vergrößerungsglas wirkt, die Poren der Schale zeigend, das Licht spiegelnd, leicht noch zitternd von der Bewegung des Tischchens, vielleicht ein Tautropfen nur und doch eine Welt für sich …

Dies alles mag dich an die Gemälde alter Meister erinnern, diese wunderbaren Stillleben mit den Früchten zum Hineinbeißen.

Und es gelüstet dich eine bestimmte Frucht. Zu verführerisch!

Das Aroma längst auf der Zunge, streckst du jetzt in deiner Vorstellung den Arm und greifst begehrlich nach einer bestimmten Frucht.

Während du von außen gesehen tief entspannt und bewegungslos in Ruhe bist, verspürst du in der inneren Wirklichkeit die Bewegung deines Armes, das Greifen deiner Hand, das Tasten der Fingerspitzen, und genießt den Duft, und besonders den, den deine Frucht verströmt.

Du spürst die Festigkeit des Fruchtfleisches, fühlst das Gewicht in deiner geöffneten Hand.

Und in dem Moment, in dem die Frucht deine Hand füllt, bringt sie dich wie im Märchen durch Zauberkraft in einen Traum: in den Traum von der Lebensgeschichte deiner Frucht.

Er lässt dich in das Geburtsland deiner Frucht wandern.

Zu der Erde, die sie zeugte …

Wo sie Knospe war, dann erblühte …

Unter welcher Sonne ist sie herangewachsen und gereift? Welche Sprache hat sie vernommen, welchen Liedern gelauscht, welches Lachen gehört …?

Welch Auge hat sie gefällig geschaut, welche Hand sie umsorgt und gepflückt?

Wie ist sie verpackt worden? Vielleicht verschifft?

Welchen Weg, welch weite Reise hat diese Frucht genommen, um hierher zu kommen, sich in deiner Hand zu wiegen …

Um dir Genuss zu bereiten …?

Eine besondere Frucht, die dir munden wird.

Du kannst es nicht mehr erwarten, so öffnest du sie, teilst sie, um davon zu kosten.

Den Geschmack im Munde, lässt du ihr Fleisch auf der Zunge zergehen und bist für einige Momente ganz hingegeben, ganz betört …

Versunken in Wohlbefinden …

Heitere Klänge, ein wundervolles Bild …

Noch ohne genauer zu wissen, wofür du diese Erfahrung wirst nutzen können, gibst du jetzt deinem Erlebnis den passenden Rahmen und ordnest es ein in dein inneres Haus.

Und wann immer du deine Vorstellungskräfte brauchen wirst, dass sie dir helfen mögen, deine Ziele zu verwirklichen, werden sie dir greifbar sein.

Lass es nun noch für ein paar Sekunden ganz still in dir werden, dass du dein Erlebnis in Ruhe abschließen mögest, um danach erholt und guter Dinge wie aus einem süßen Traum zu erwachen, erfrischt und ganz klar.«

Wenn Sie diese Übung mehrmals wiederholen, werden Sie überrascht darüber sein, wie Ihre Vorstellungsfähigkeit von Mal zu Mal intensiver wird.

Kreativität wird heute von den meisten Experten nicht mehr als Merkmal einiger weniger Genies verstanden, sondern als eine Ressource, derer sich jeder Mensch in seinem Alltag mehr oder weniger bedient. Jedes Individuum, so Cropley (1998), verfügt über seine ganz persönliche Kreativität – auch dann, wenn es »nie im Leben etwas anerkannt Kreatives produzieren wird«.

Machen Sie sich daher bewusst, in welchem Bereich Sie alltäglich kreativ sind, sei es beim Kochen, Reisen, Reparieren, Ausreden erfinden, Urlaub planen, Kinder erziehen.

Erinnern Sie sich daran, welche ungewöhnlichen und unerwarteten Einfälle und Verhaltensweisen Sie als Kind hatten, und nehmen Sie dazu Kontakt auf.

Wie das Vorstellungsvermögen, so lässt sich auch die eigene Kreativität weiterentwickeln. M. Michalko (1998) schlägt hierfür neun Strategien vor:

Das Problem aus einer neuen Perspektive betrachtenDie Gedanken optisch darstellenBrainstormingVorhandene Vorstellungen, Gedanken und Ideen neu kombinierenEine Lösung von einem Gebiet auf ein ganz anderes Gebiet übertragenGegensätze im Geist nebeneinander stehen lassenSich in anderen Welten Lösungen abschauenFinden, was man gar nicht gesucht hatDen Gruppengeist wecken.

Weniger allgemein sind die folgenden kleinen Übungen, die die eigene Kreativität dadurch fördern, dass man versucht, in scheinbar vertrauten Gegenständen das Ungewöhnliche zu entdecken:

Wählen Sie einen beliebigen Alltagsgegenstand aus. Überlegen Sie, zu welchen ungewöhnlichen Zwecken er dienen könnte.Denken Sie an eine Alltagsaufgabe und überlegen Sie sich, wie man sie mit ungewohnten Hilfsmitteln erledigen könnte.Bringen Sie fünf Alltagsgegenstände in einer kurzen Geschichte unter.Denken Sie sich eine Geschichte aus, die an einem Alltagsort spielt und einen ungewöhnlichen Verlauf und Ausgang nimmt.

Erweitern Sie die Übungen mit weiteren Gegenständen und Orten und konstruieren Sie Ihre Geschichten zunehmend phantasievoller und skurriler.

Wie jemand den Kontakt zu seinem inneren Kind herstellt, wird bei jedem anders sein. Wichtig ist nicht, wie sich der Kontakt einstellt, sondern wie wirklich und echt er sich anfühlt.

Für den einen ist das innere Kind vielleicht unbeschwert und kapriziös, für den anderen vielleicht empfindsam und einfühlend, für einen Dritten offenherzig und naiv. Welche Eigenschaften es auch immer sind, der erwachsene Therapeut bringt von diesem besonderen Kontakt eine Sichtweise mit zurück, die der Therapie eine sowohl mitfühlende als auch eine spontane und spielerische Komponente verleiht.

Ein solcher permissiver Stil führt die Paare auf verschiedenen indirekten Wegen direkt zum gewünschten Ziel; gleichzeitig haben diese psychologisch das Gefühl, dass sie die Freiheit besitzen, das gewünschte Ziel auf ihrem eigenen Weg zu erreichen.

6. Interventionen

Die in diesem Buch vorgestellten Interventionen lassen sich in vier Gruppen unterteilen:

Metaphorische Aktionen (Time Line, Was uns verbindet, Sich Durchsetzen, Umschuldung, Faustübung)

Imaginations- und Vorstellungsübungen (Inselspiel, Bild der Beziehung, der Stellenwert der Beziehung, Dissoziieren, Ressourcenübung, Die Zeichen erkennen, Kompromisse eingehen, Stressmanhattan, 3-Felder-Beziehungsanalyse)

Körperorientierte Übungen (Skulptur, Ja-Nein Übung, Aufeinander zugehen, Führen und führen lassen)

Darstellung der inneren Bühne (Teilearbeit, Partnerlandkarte, Teufelskreis)

Die erste Gruppe von Interventionen umfasst metaphorische Aktionen. Wie der Name andeutet, ist eine metaphorische Aktion eine Aktivität, die das Paar vollzieht und die in irgendeiner Weise symbolisch das Problem, die Lösung oder beides auf eine andere Ebene verlagert. Metaphorische Aktionen sind eine ausgezeichnete Ergänzung zu Geschichten und Metaphern, da sie helfen, die therapeutisch induzierte Botschaft in einer tatsächlichen physischen Erfahrung zu verankern. Bei der zweiten Gruppe von Interventionen handelt es sich um eine Reihe von Imaginations- und Vorstellungsübungen. Diese können sowohl im Sitzen als auch in der Bewegung eingesetzt und mit anderen Interventionen wie z.B. der Time-Line-Arbeit verknüpft werden. Eine leichte Tranceinduktion erleichtert den Einstieg in das eigene Vorstellungsvermögen.

Die dritte Gruppe von Interventionen umfasst körperorientierte nonverbale Verfahren und Übungen, durch die mit sehr wenig Aufwand in relativ kurzer Zeit vielfältige Erfahrungen initiiert werden können. Sie können angenehme und schmerzliche Gefühle provozieren und erfordern eine entsprechende Nachbearbeitung oder Verknüpfung mit Anschlussübungen. Die vierte Gruppe umfasst Interventionen, die auf die Darstellung der inneren Bühne der Partner abzielen und damit eine wichtige Ergänzung zur interaktionellen Ebene der Paarbeziehung darstellen.

Für das konkrete Vorgehen wird zwischen kurztherapeutischen Interventionen und weiterführenden Interventionen unterschieden. Kurztherapeutische Interventionen haben stark pragmatischen Charakter, erfordern wenig technischen Aufwand und wenig Zeit. Weiterführende Interventionen benötigen oft eine entsprechende Vorbereitung, einen höheren technischen Aufwand und mehr Zeit beziehungsweise ein sorgfältigeres Timing von Seiten des Therapeuten, damit die Übung zumindest zu einem vorläufigen Abschluss kommt und das Paar nicht »im Regen stehen gelassen« wird. Sie erfordern auch mehr Erfahrung im Umgang mit Paaren und dem paartherapeutischen Prozess.

Jenseits dieser Unterscheidung ist dabei die Frage zu klären: Welches Ziel verfolge ich mit welcher Übung und welcher Intervention? Dazu werde ich bei der Darstellung der einzelnen Interventionen Stellung nehmen. Egal, welche Übung oder Methode angewandt wird, diese sollte immer ein Angebot an das Paar sein, das es annehmen oder ablehnen kann.

Die nachfolgende Tabelle zeigt alle im Buch enthaltenen Interventionen im Überblick:

Kurzinterventionen

RessourcenübungDie Zeichen erkennenBild der BeziehungDer Partner-LandkartencheckInselspiel3-Felder-BeziehungsanalyseStressmanhattanFaustübungAufeinander zugehenWas uns verbindetSich durchsetzenUmschuldungDer Stellenwert der BeziehungKompromisse eingehenDissoziierenJa-Nein-ÜbungFühren und führen lassenTeufelskreisübung

Weiterführende Interventionen

PaarskulpturTime LineTeilearbeit

7. Materialien

Zum Abschluss dieses Kapitels möchte ich eine Reihe von erlebnisintensiven Materialien vorstellen, mit denen assoziative Wahrnehmungs- und Erlebensprozesse induziert und implizite Lernprozesse aktiviert werden können. Die Auswahl hängt dabei sowohl von den Vorlieben des Therapeuten ab als auch von den Methoden, die er vorzugsweise verwendet. Die von mir verwendeten Materialien sind:

Symbolische Gegenstände

Herzen, Magnet, Kristallkugel, Schwamm, leerer Bilderrahmen, helle und dunkle Steine, verschiedenfarbige Seile, Problemstein, Waage, Kinderstühle, Geheimnisdecke, Kissen, Symbol für Zukunftsperspektive

Bildkarten

Postkarten mit und ohne Text und Motiven zu Lebenssymbolen, Partnerschaft, Liebe, Mann und Frau, Übergängen, Weisheiten

Texte

Gedichte, Sprüche, Comics, literarische Texte

Blankokarten

Verschiedene Farben und Größen zum Beschriften und Bemalen und sich Daraufstellen

Podeste

Mehrere Podeste aus Holz, ca. 6 cm hoch, für die Skulpturarbeit

Tierpuppen und Holzfiguren

Henne und Hahn, Hund, Schaf, Drache, Maus, Schmetterling, Bär, Fuchs, Schildkröte

Verschieden hohe Holzfiguren

Flipchart

zum Visualisieren

Die sichtbare Anwesenheit dieser Materialien im Therapieraum schafft eine spielerische und kreative Atmosphäre, die ohne Worte zum Ausdruck bringt: Hier wird nicht nur geredet.

Bild 1: Erlebnisintensive Materialien

III. KAPITELErlebnisorientierte Kurzinterventionen

1. Ziele

Im Folgenden möchte ich eine Reihe von überwiegend nonverbalen Kurzinterventionen vorstellen, mit deren Hilfe der therapeutische Prozess vom Reden zum Handeln kommt. Die Mehrzahl der Interventionen besteht aus Übungen, die ohne größeren Aufwand in jeder Phase einer Paartherapie eingesetzt werden können. Das Hauptziel dieser Einstiegs- und Basisübungen sehe ich in der damit verbundenen Aktivierung von emotionalen und physiologisch-körperlichen Zuständen. Diese Aktivierung kann methodisch auf verschiedene Weise erfolgen:

Durch Phantasiereisen, Imaginations- und Vorstellungsübungen kann die gesamte Vielfalt des Wahrnehmungs- und Erlebnisspektrums angesprochen werden.

Durch Übungen, die gezielt an bestehende emotionale Zustände anknüpfen, kann direkt an einem veränderten Umgang mit Emotionen gearbeitet und damit die emotionalen Ressourcen des Paares gestärkt werden.

Durch Übungen, die gezielt körperliche Zustände aktivieren, können neue Erfahrungen vermittelt werden.

Durch körperliche und emotionale Interaktionen der Partner können reale neue Erfahrungen erlebt werden, die für Verhaltens-, Einstellungs- und Feedbackprozesse genutzt werden können.

Durch die bewusste Wahrnehmung von Unterschieden kann der Aufbau von Akzeptanz gefördert werden.

Neben der Aktivierung bieten diese Übungen eine Reihe weiterer Vorteile, die ich kurz erwähnen möchte:

Sie ermöglichen einen raschen Zugang zu den Schwierigkeiten und Ressourcen der Klienten. Dies kann man auch kritisch sehen. Ich vertrete jedoch die Auffassung, dass Therapeuten bestrebt sein sollten, das Leid ihrer Klienten möglichst rasch zu verringern.

Die Übungen machen den Partnern etwas über ihre Beziehung deutlich und dienen zugleich dem Therapeuten als Diagnostik (Revenstorf, 1999), wodurch seine Expertenstellung relativiert wird und mehr Kooperation zwischen Klienten und Therapeut entsteht: Beide sehen und erleben zwar nicht unbedingt das Gleiche, aber doch Ähnliches.

Ohne größeren Aufwand kann das Medium der Kommunikation gewechselt und dadurch andere Zugänge aktiviert werden. Ein solcher Medienwechsel empfiehlt sich immer dann, wenn die verbalen Muster der Partner so eingefahren sind, dass sie argumentativ auch vom Therapeuten kaum zu unterbrechen sind.

Sowohl die durch diese Übungen angeregte emotionale als auch die physiologisch-körperliche Stimulierung und Aktivierung der Partner muss jedoch wohl überlegt sein und darf nicht nur um ihrer selbst willen oder gar als Nabelschau durchgeführt werden. Um solchen Tendenzen entgegenzuwirken, gehe ich auf die jeweiligen Anwendungsmöglichkeiten der einzelnen Interventionen ein.

Bei der Auswahl und Zusammenstellung der auf den nächsten Seiten beschriebenen Kurzinterventionen habe ich mich einerseits von meiner therapeutischen Erfahrung leiten lassen, zum anderen habe ich versucht, wesentliche Themen der therapeutischen Arbeit mit Paaren zu erfassen wie Stress, Nähe, Bindung, Rückzug, Schuld, Kompromisse finden und mehr.

Wenn Sie Ihre Klienten zu einer Selbststeinschätzung ihres »Beziehungskonzepts« anregen möchten, können Sie ihnen folgenden kleinen Selbsttest vorlegen, der auf Schindler, Hahlweg und Revenstorf (1998) zurückgeht. Unter »Beziehungskonzept« versteht man das aufgrund früherer Lernerfahrungen in Kindheit und Jugend geprägte, persönliche Arbeitsmodell über enge Beziehungen. Dieses wird durch spätere Lernerfahrungen ergänzt und verändert. Dieses »Beziehungskonzept« bestimmt im Wesentlichen, welchen Partner wir wählen, was wir von ihm erwarten, aber auch wie wir selbst die Partnerschaft gestalten.

Wie fühlen Sie sich in Beziehungen?

Es fällt mir leicht, mich anderen zu nähern, auch von anderen abhängig zu sein, wenn die anderen auch mal von mir abhängen. Ich mache mir fast nie Sorgen darüber, dass ich anderen zu nahe bin oder dass ich verlassen werden könnte.Manchmal fühle ich, dass die anderen mir nicht so nahe stehen, wie ich es gerne möchte. Oft habe ich Zweifel, ob mein Partner mich wirklich liebt und bei mir bleiben möchte. Ich habe das Bedürfnis, ganz und gar mit ihm zu verschmelzen, und ich glaube, dass ich ihn damit überfordere.Ich mag es nicht, anderen nahe zu sein. Mir fällt es schwer, meinem Partner zu vertrauen, und ich mag es nicht, von ihm abhängig zu sein. Mein Partner möchte manchmal mehr Innigkeit, als ich geben oder tolerieren kann.

2. Ressourcenübung

Erlebnisintensive Methoden können in der therapeutischen Arbeit mit Paaren von Beginn an eingesetzt werden. Gerade zu Beginn der Therapie kann es sehr wichtig sein, rasch einen Stimmungsumschwung bei den Partnern in Gang zu setzen oder vorhandene Ressourcen zu verstärken.

Eine solche Basisübung, die die Bereitschaft des Paares zur Veränderung verstärken kann, ist die nachfolgende Ressourcenübung. Ihr Ziel ist es, die Zustimmung zur Therapie emotional zu verankern, die innere Verbindung der Partner zu stärken sowie eine spielerische Komponente zukünftiger Veränderung zu präsentieren.