Geht’s noch?! - Susanne Kristek - E-Book

Geht’s noch?! E-Book

Susanne Kristek

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Beschreibung

Als frischgebackene Bestsellerautorin sollte eigentlich alles rund laufen, oder? Von wegen. Susanne Kristeks Alltag ist alles andere als glamourös: Übernachtungen neben dem Kiffer-Shop, Selbstzweifel auf einsamen Landstraßen, gefloppte Lesungen, Verlagsdruck und die verrückte Suche nach der Muse auf einer Bus-Wallfahrt. Das soll das Autorinnenleben sein, das sie unbedingt wollte? Und was ist sie bereit, dafür zu opfern? Ein humorvoller Blick hinter die Kulissen des Literaturbetriebs.

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Seitenzahl: 363

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Susanne Kristek

Geht’s noch?!

Roman

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

Bei Fragen zur Produktsicherheit gemäß der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (GPSR) wenden Sie sich bitte an den Verlag.

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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Satz/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

Illustration und Coverdesign Agostina Suazo, www.agostinasuazo.com

ISBN 978-3-7349-3264-9

Zitat und Widmung

Lass dich nicht aufhalten.

(Leipziger Verkehrsbetriebe)

*

Für Lucie, Michl und Martina.

Frag Susi – Buch-Business für Beginner!

Liebe Susi, fünf Jahre habe ich dran geschrieben, jetzt ist es endlich fertig: Mein erstes Buch! Was meinst du, wie stehen die Chancen, einen Verlag zu finden, der das auch veröffentlicht? Von Michelle

Liebe Michelle, kühl schon mal den Sekt ein, aber mach ihn noch nicht auf! Nur 2 Prozent der eingeschickten Manuskripte werden tatsächlich von Verlagen veröffentlicht. Aber wer weiß, vielleicht bist du ja die nächste literarische Sensation!

Nichts geht mehr

»Hast du dich da eingesperrt?« Der Gatte klopft an die Schlafzimmertür.

Ich ziehe mir die Decke noch weiter über den Kopf. Jetzt höre ich das Klopfen nur mehr gedämpft.

Ich schnäuze mich in den Überzug meiner Bettdecke. Auch schon wurscht.

»Mama?«

Nein, bitte, sie soll mich nicht so sehen.

»Was ist mit der Mama?«

»Ich weiß es nicht.« Seine Stimme klingt besorgt.

Ich ziehe noch schnell den Rotz hoch und dann schlage ich die Decke zur Seite, damit die Stimme nicht gedämpft klingt.

»Alles okay, Schatz! Mir war nur kurz schlecht, wahrscheinlich von der Torte oder so. Ich bin gleich wieder bei euch!«

»Aber die Torte war doch eh gekauft, oder, Papa?«

»Das ist es ja«, schluchze ich leise in meine Decke. Niemand soll mich hören. Niemand soll so eine hysterische Mutter haben. Schon gar nicht am Geburtstag.

Das Handy vom Kind läutet, sie hebt ab, ich höre, wie jemand »Happy Birthday« für sie singt. Kurz danach knallt die Tür vom Kinderzimmer.

»Schatz, bitte, da stimmt doch was nicht.« Da hat er recht. Es stimmt hier etwas gröber nicht. Es sollte ein fröhlicher Tag heute sein. Wir sollten glücklich um den Tisch sitzen, selbst gebackene Torte essen und Geburtstagslieder singen. Stattdessen liege ich hier eingesperrt im Schlafzimmer und heule.

»Magst du nicht drüber reden?«

Wortlos schleppe ich mich zur Tür, drehe den Schlüssel um und werfe mich wieder bäuchlings zurück aufs Bett. Das Gesicht vergrabe ich im Kopfpolster, der eigentlich weiß sein sollte. Jetzt hat er schwarze und braune Flecken von der frischen Schminke.

Der Gatte nimmt mich in den Arm und sagt erst mal nichts. Er hält mich nur fest.

Man hört das Kind fröhlich aus dem Kinderzimmer plappern. Und mich Rotz hochziehen.

»Was ist denn passiert?«, fragt er mich mit sanfter Stimme.

»Nichts!«, sage ich, weil, mehr kommt nicht raus aus mir.

»Das klingt aber nicht nach nichts.« Er legt sich jetzt neben mich aufs Bett. Auch auf den Bauch. Er dreht den Kopf seitlich zu mir, sodass ich mit meinem einen Auge genau in sein Auge sehe. Ich muss jetzt gleichzeitig lachen und weinen.

»Spiegelst du mich?«, frage ich ihn. »Wie bei so einem vertrottelten Business-Seminar?«

Er grinst mich an und nickt mit dem Kopf: »Klappt, oder? Zumindest lachst du wieder.«

Gleich weine ich wieder von Neuem los.

»Was ist denn passiert?«, fragt er.

»Nichts ist passiert. Nichts. Das ist es ja! Nichts kriege ich auf die Reihe! Gar nichts!«

»Geh, das stimmt doch nicht, ich kenne niemanden, der so viel macht wie du.«

»Ich kann nicht mal eine Geburtstagstorte für das eigene Kind machen. Ich kaufe eine, was bin ich für eine Mutter! Noch dazu einen Tag zu früh, weil ich am eigentlichen Geburtstag lieber eine blöde Lesung irgendwo im Nirgendwo in einem Hotel habe. Ich lass sie allein am Geburtstag! Wofür? Für ein blödes Hobby, mehr ist es nicht. Und mehr wird es auch nicht werden, weil ich keine richtige Autorin bin und nie sein werde!«

Ich wische mir wieder mit dem Deckenzipfel über mein Gesicht und rede weiter, ohne Luft zu holen. »Wäre ich nämlich eine richtige Autorin, dann hätte ich dieses blöde Buch schon längst geschrieben. Dann hätte ich gleich begonnen, als ich die Zusage dafür bekommen habe, und es nicht rausgeschoben. Und jetzt habe ich nur mehr eine Woche Zeit und muss gleich auch noch auf die blöde Buchmesse und so tun, als wäre alles super. Und alle erwarten was von mir und ich versemmel das einfach nur. Für dich habe ich auch nie Zeit, immer bin ich weg, und wofür das Ganze? Wofür???« Ich hole tief Luft.

»Das Kundenevent gestern habe ich auch voll verkackt, Max will mit mir reden. Er glaubt, ich bin nicht bei der Sache. Und schau, wie es hier aussieht!« Ich lasse eine Hand aus dem Bett hängen und fahre mit den Fingerspitzen über den Fußboden. Dabei hebe ich ein kleines Lurchknäuel auf. »Ich schaffe es nicht mal, die Wohnung zu putzen! Da, schau, überall schaut es aus!«

»Aber das ist doch nicht deine Schuld! Du schaffst so viel, und ich bin so stolz auf dich!«

»Nein, eben nicht! Ich wollte ihr zum Geburtstag einen schönen Tag bereiten, ich wollte ihr einen neuen Schreibtisch schenken und mit ihr die Ecke im Zimmer ausmessen, stattdessen keife ich sie an, weil sie das nicht gleich tun wollte.«

»Schatz, weil der alte Tisch für sie auch okay ist.« Er nimmt mich fest in den Arm.

»Und dir hab ich versprochen, dass ich mich um den Umbau kümmere. Das war der Deal. Nicht mal das schaffe ich. Ich krieg es einfach nicht hin. Wir haben kein Klo. Und keine Senkgrube. Wir können maximal in den Weinberg scheißen.« Immer mehr Tränen laufen über mein Gesicht auf den Polster.

Ich habe alle, alle, alle enttäuscht.

Frag Susi – Buch-Business für Beginner!

Liebe Susi, sag mal, wird der Büchermarkt nicht bald explodieren? Wie viele Bücher kommen denn da jährlich neu raus? Von Leseratte Irmi

Liebe Leseratte Irmi, schnall dich an! Tatsächlich ist es eine Bücherflut. Bis zu 80.000 neue Bücher erscheinen allein im deutschsprachigen Raum pro Jahr!

Acht Monate vorher … Mein glamourösester Tag

Es ist 05:00 Uhr früh, ich stehe daheim auf, um mich zurechtzumachen.

06:00 Uhr, ich verlasse Wien.

08:00 Uhr, ich komme hier am Parkplatz an und klappe den Laptop im Auto auf meinem Schoß auf, um kurzfristig an einem Online-Meeting mit einem möglichen Neukunden teilzunehmen. Neue Anfragen müssen immer schnell beantwortet werden!

08:05 Uhr, ich stelle mir so einen Fake-Hintergrund bei meiner Kamera im Videokonferenzprogramm ein. Es sieht jetzt aus, als würde ich in einem hippen New Yorker Start-up-Loftbüro sitzen.

08:10 Uhr, die Geschäftsführerin der Firma stellt sich und das Produkt vor, das am österreichischen Markt groß eingeführt werden soll. Sie: Doktor Knaus. Ehemalige Frauenärztin. Das Produkt: irgendwas mit Beckenboden? Die Verbindung ist furchtbar am Parkplatz.

08:20 Uhr, langsam wird es kalt im Auto.

08:45 Uhr, die Kundin fragt mich, ob ich rauche, weil so kleine Atemwolken beim Sprechen aus meinem Mund rauskommen.

08:50 Uhr, ich fliege aus dem Meeting, bevor ich noch die Frage beantworten kann. Akku leer. Verdammt.

09:15 Uhr, es geht los!

Moderatorin: »Heute freuen wir uns besonders, eine neue aufstrebende Autorin bei uns begrüßen zu dürfen: Frau Susanne Kristek.«

Ich sitze in einem Aufnahmestudio von einem Lokalradiosender, drei Autostunden von Wien entfernt. Ein kleiner Raum, ein Schreibtisch, ein Aufnahmegerät und zwei Sitzplätze. Donnerstags schaue ich immer die Rosenheim Cops. Das Verhörzimmer dort sieht fast genauso aus.

Ich: »Vorab möchte ich mich ganz herzlich für die Einladung bedanken und wünsche allen Zuhörer…innen einen wunderschönen Sonntag.«

Ich mache eine sehr ausgeprägte Genderpause vor dem »innen«, es gilt jetzt, alles richtig zu machen! Die Moderatorin sieht mich dabei irritiert an, vielleicht hat sie kurz einen Schlaganfall oder so was bei mir befürchtet.

Moderatorin: »Frau Kristek, vor zwei Tagen ist Ihr Buch erschienen. Es trägt den Titel Die nächste Depperte – von einer, die auszog, um Autorin zu werden. Das klingt ja schon mal sehr unterhaltsam. Worum geht es da?«

Ich: »Es geht um die Höhen und Tiefen des Autorenlebens. Also eher um die Tiefen. Und dass man vor nichts zurückschrecken darf, um seinen Traum wahr werden zu lassen!«

Moderatorin: »Jetzt sind Sie aber schon bei den Höhen angekommen! Denn Ihr Buch ist bereits in der ersten Woche auf den Bestsellerlisten. Das schaffen nicht viele.«

Ich: »Oh mein Gott, ich kann es selbst noch nicht glauben!«

Habe ich jetzt ernsthaft »oh mein Gott« gesagt? Kann man das vielleicht rausschneiden?

Haben die bei Live-Sendungen im Regionalradio auch so Busenblitzer-Zeitverzögerungen wie im Super Bowl?

Ich: »Ich zwicke mich selbst jeden Tag, aber es stimmt wirklich, ich bin Bestseller. Es erscheinen so viele Bücher jedes Jahr. Fast 70.000 allein im deutschen Sprachraum! Und vielleicht 100 davon werden Bestseller, wenn überhaupt! Ich bin so dankbar für alles. Vor allem meinen Leserinnen und Lesern, die mich erst zum Bestseller gemacht haben.«

Beim Wort »dankbar« falte ich die Hände vor der Brust und senke demütig den Blick. Helene Fischer macht das immer bei ihren Auftritten. Ich habe das genau beobachtet, das kommt immer gut an.

Moderatorin: »In Ihrem Buch ist immer wieder auch von Ihrer sogenannten Schreibschwester, Martina Parker, die Rede. Was hat es damit auf sich?«

Ich: »Ohne sie wäre das alles nicht passiert. Dieser Traum, den ich leben darf, wäre ohne sie niemals wahr geworden!«

Ich unterstreiche den Satz mit der Helene-Fischer-Herz Geste. Linke Hand geöffnet und bedeutungsvoll auf das Herz legen. Ich komme etwas zu weit links an und erwische meinen Busen. Sofort ziehe ich die Hand zurück. Die Moderatorin ist in ihre Notizen versunken und hat zum Glück nichts bemerkt.

Ich: »Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich dieses Buch überhaupt geschrieben habe. Sie ist mein Mentor und meine Lehrmeisterin. Mein Albus Dumbledore!«

Ich freue mich selber, dass mir spontan so ein kluger Vergleich eingefallen ist, Harry Potter passt einfach immer. Das Buch der Bücher, das finden alle gut.

Moderatorin: »Wer?«

Vielleicht doch nicht alle.

Ich: »Dumbledore, aus Harry Potter. Der alte weiße Mann mit dem langen Bart.«

Jetzt steigt es mir heiß auf. Martina wird mich killen bei dem Vergleich. Die Moderatorin legt den Kopf schief zur Seite und zieht die Augenbrauen zusammen.

Ich: »Der berühmteste Zauberer aller Zeiten! So wie Martina Parker, die berühmteste Bestsellerautorin. Sie ist wie eine gute Fee für mich.«

Fee, der Vergleich wird ihr besser gefallen.

Ich: »Ohne sie hätte ich auch diesen wunderbaren Buchverlag nicht.«

Soll ich vielleicht jemanden namentlich erwähnen vom Verlag? Claudia? Jochen? Alex?

Moderatorin: »Sie sind ja nicht hauptberuflich Autorin …«

Ich: »Noch nicht.«

Verlegenes Lachen.

Moderatorin: »… sondern leiten auch noch eine Agentur.«

Ich: »Ja, genau, ich bin Chefin einer großen Agentur für Verkaufsförderung und Mystery Shopping. Ich liebe meinen Job! Ganz ehrlich, ich würde das nicht aufgeben wollen!«

Ich ärgere mich, dass ich das Wort »Chefin« verwendet habe. Das klingt irgendwie so … nach 90er-Jahren. In jungen Start-up-Firmen sagt man fix nicht mehr »Chefin«, das klingt wie Nordkorea. Ich hätte lieber irgendwas mit »Female Em­powerment« sagen sollen.

Moderatorin: »Und dann sind Sie ja auch noch Ehefrau und Mutter!«

Ich: »Ja. Mein schönster Job und mein größtes Glück: die Familie! Meine Tochter und mein Mann.«

Diesmal landet meine Hand am Herzen.

Mir fällt ein, ich bin nur im Radio. Dieses ganze Herumgefuchtel sieht ja nicht mal wer. Egal. Es werden schon noch Fernsehinterviews kommen. Dann bin ich bereit!

Moderatorin: »Ihr Mann wird ja in Ihrem Buch liebevoll ›Der Gatte‹ genannt, stört ihn das nicht, wenn er vorkommt?«

Ich: »Nein, im Gegenteil! Er liebt es. Und er unterstützt mich. Hinter jeder starken Frau steht ein starker Mann!«

Was rede ich da??? Vielleicht ist das die Übermüdung (best case), oder es kommt wirklich ein Schlaganfall (worst case).

Moderatorin: »Sie sind in der Oststeiermark geboren und aufgewachsen, leben aber schon sehr lange in Wien …«

Sie macht eine Pause.

Ich werde ihr jetzt sicher keine Jahreszahl nennen. Da rechnet ja jeder sofort nach.

Ich: »Ja, das stimmt, ich habe mich inzwischen aber schon eingelebt in Wien.«

Moderatorin: »Und seit Kurzem sind Sie auch Wahlburgenländerin. Wie kam es dazu?«

Ich: »Ich habe mir meinen Traum herbeigeschrieben, sozusagen. In meinem Buch steht, dass ich so gerne ein kleines altes Häuschen im Burgenland hätte. Einen romantischen Rückzugsort für die Familie. Wo ich auf der Terrasse sitzen und über die Weinberge schauen kann, während ich meine Bücher schreibe.«

Moderatorin: »Und das ist genau so wahr geworden?«

Ich: »Ja, noch während das Buch gedruckt wurde, hat sich das durch Zufall ergeben. Ich kann es selbst noch gar nicht glauben! Und auch hier war die gute Fee wieder beteiligt.«

Moderatorin: »Wie geht es jetzt weiter? Ich nehme an, es warten schon viele Lesungen und Termine auf Sie?«

Ich: »Ja, jetzt geht es so richtig los! Ich darf gemeinsam mit Martina Parker zahlreiche Lesungen in ganz Österreich machen. Gleich heute Abend ist unsere Premierenlesung, bereits ausverkauft, vor 500 Gästen.«

Moderatorin: »Wow, und wie Sie mir im Vorfeld schon verraten haben, gibt es ja auch schon Anfragen aus dem Ausland?«

Ich: »Ja, ich darf auf der berühmten Leipziger Buchmesse lesen. Eine ganz besondere Ehre für österreichische Autoren. Darauf freue ich mich schon wahnsinnig!«

Moderatorin: »Und ein weiteres Buch schreiben Sie auch schon?«

Ich: »Ja, aber da darf ich leider noch nichts darüber verraten.«

Ich mache eine verschwörerische Sprechpause und kneife die Augen zu Schlitzen zusammen.

Ich: »Sie wissen ja, der Verlag sagt, das muss noch geheim bleiben!«

Moderatorin: »Und jetzt verraten Sie uns abschließend bitte noch Ihr Geheimnis. Wie bringt man das alles unter einen Hut? Job, Karriere, Bücher schreiben, Familie, Lesungen …«

Ich: »Man kann alles schaffen, wenn man nur will und wenn es Spaß macht! Ich sage immer, sei mutig und spring über deinen Schatten!«

Einen größeren Schwachsinn habe ich noch nie von mir gegeben.

Aber das weiß ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht …

Frag Susi – Buch-Business für Beginner!

Liebe Susi, in der Schule habe ich gehört, dass es Vertreter gibt, die den ganzen Tag nur Buchhandlungen besuchen! Stimmt das? Wenn ja, dann will ich das auch werden! Ich liebe Buchhandlungen!

Lieber Buchhandlungs-Liebhaber! Ja das gibt es wirklich. Vertreter sind die Superhelden der Bücherwelt. Sie informieren die Buchhandlungen über die neuesten Bücher und schauen, welche Bücher mit welcher Buchhandlung am besten zusammenpassen. Wie beim Tinder! Es geht um das Perfect Match. Also, wenn du Bücher liebst und kommunikativ bist, go for it!

Zombie-Apokalypse

WhatsApp-Chat:

Martina: Ich habe einen Albtraum gehabt!!! 🫣

Martina: Die Gemeinde Oberwart hat Zombie- Experimente gemacht.

Martina: Erich, unser Vertreter, und ich hatten einen Busunfall. Er war übermüdet, weil er zu so vielen Buchhandlungen musste unsere Bücher verkaufen!!!!

Martina: Die Zombies wollten uns dann fressen!! 🧟‍♀️🧟‍♀️🧟‍♀️🧟‍♀️🧟‍♀️

Martina: Hallo?

Martina: ????

Martina: Wo bist du?

Martina: Haben dich die Zombies doch gefressen?

Frag Susi – Buch-Business für Beginner!

Liebe Susi, überall diese Buchlesungen! Können die Leute heutzutage nicht mehr selber lesen, oder was steckt da dahinter? Moni aus Wien

Liebe Moni aus Wien, Buchlesungen sind sehr beliebt, weil es eine super Gelegenheit ist, Autoren und Autorinnen persönlich kennenzulernen und mehr über sie zu erfahren. Aber auch die Schriftstellerinnen lieben das. Sie kommen mal raus zum Entlüften und freuen sich auf den Austausch mit den Leserinnen.

Hast du Schnaps dabei?

Langsam wird es wieder kalt im Auto. Ich bin viel zu früh hier in Mattersburg, wo heute Abend die Premierenlesung stattfindet. Martina präsentiert Aufblattelt, ihr drittes Buch der Gartenkrimi-Erfolgsreihe. Ich bin stolz und aufgeregt, dass auch ich mein Buch präsentieren und die Veranstaltung moderieren darf.

Irgendwo vibriert mein Handy auf dem Beifahrersitz, ich kann es aber nicht finden, weil so viel Zeug dort liegt. Es sieht aus, als würde ich im Auto wohnen. Laptop, Ladekabel, Wimperntusche, Lippenstift, Pinsel, Rouge, das leere Sackerl der Bäckerei, Brösel vom Salzstangerl, eine Packung Manner Schnitten, mein Buch mit zahlreichen bunten Post Its, die zwischen den Seiten rausstehen, um die Lesestellen zu markieren, und einige bekritzelte Notizzettel für die Moderation. Da, endlich, unter einer Red-Bull-Dose fische ich mein Handy aus dem Chaos. Eine neue Nachricht ist eingegangen von »Hansi Literaturkurs«. Ich sollte seinen Namen endlich mal umspeichern. Genauso wie die vielen Mama-Kontakte. »Doris Mia Mama«, »Schirin Kian Mama«, »Luljeta Elisa Mama«.

Hansi Literaturkurs: Bist du schon in Mattersburg? Ich bin dann auch gleich on the way! Lg Joe.

Ich habe mich noch immer nicht an seinen neuen Namen gewöhnt. Als Hansi Feranek habe ich ihn im Literaturkurs letztes Jahr kennengelernt. Er hatte schon zwei Wien-Krimis bei einem kleinen Verlag veröffentlicht. Ihm ging das aber alles zu langsam mit der Autorenkarriere. Jetzt hat er sich neu erfunden und hofft als Joe Ferrari auf einen rasanteren Durchbruch.

Ich: Ja, aber die Lesung beginnt erst in 3 Stunden. Du kannst dir noch Zeit lassen.

Hansi Literaturkurs: Macht nix, ich kann euch ja aufbauen helfen oder du kannst mir die Martina schon mal vorstellen! 😉

Ich: Danke, aber lieber nachher. Wir haben vorher noch einen Termin mit dem ORF Burgenland, einmal für eine Radio Kultursendung und einmal fürs Fernsehen.

Hansi Literaturkurs: Das klingt gut! Ich komme!

Ich schalte die Nachrichten auf stumm, ich möchte mich noch auf den Moderationseinstieg vorbereiten. Was sagt man da am besten? »Hallo, Mattersburg«? Klingt vertrottelt. Aber irgendeinen Bezug sollte ich zu Beginn schon herstellen. Ich schaue aus meinem Autofenster, draußen dämmert es schon leicht, viel ist nicht zu sehen an ortstypischen Besonderheiten, die ich einbauen könnte. Weiter hinten erkenne ich ein einzelnes Hochhaus. Es wirkt, wie wenn der Herrscher aller Plattenbauten das Hochhaus eigentlich auf Wien hätte abwerfen wollen, und dabei ist er leicht vom Weg abgekommen. Mattersburg statt Wien. Jetzt steht da mitten in einer eher ländlichen Kleinstadt so ein Wohnsiloturm. Nichts, womit man einen unterhaltsamen Abend eröffnen könnte …

Ich öffne ChatGPT auf meinem Handy – angeblich weiß die künstliche Intelligenz ja alles – und tippe »Fakten über Mattersburg« ein. Und tatsächlich werden mir sofort ein paar Punkte aufgezählt:

Mattersburg liegt im Burgenland, im Osten Österreichs.

Das ist jetzt allerdings auch keine bahnbrechende Neuigkeit.

Bekannt für Fußball. Der Fußballverein SV Mattersburg ist in der österreichischen Bundesliga vertreten und hat eine treue Fangemeinde.

Der nächste Schwachsinn. Den Verein gibt es seit ein paar Jahren nicht mehr. Der ehemalige Obmann und zugleich Gründer einer lokalen Bank wurde wegen Betrug und irgendwelchen Fälschungen verhaftet. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Hälfte seines privaten Wohnhauses versteigert wurde. Die andere Hälfte gehört seiner Frau. Seitdem frage ich mich die ganze Zeit, wie man so ein Wohnhaus halbieren kann. Geht da eine Linie durch das Wohnzimmer? Gibt es zwei Toiletten? Was ist mit der Speis?

Architektur: In der Stadt gibt es eine Mischung aus historischer Architektur und modernen Gebäuden, die einen faszinierenden Kontrast bieten.

So viel zur künstlichen Intelligenz.

Aber halt, es gibt noch einen vierten Punkt!

Kulturveranstaltungen: Die Stadt beherbergt regelmäßig kulturelle Veranstaltungen, darunter Konzerte, Theateraufführungen und Kunstausstellungen.

Die Bauermühle, in der unsere Lesung heute stattfindet, ist eine historische Mühle aus dem 19. Jahrhundert. Früher wurde hier mit der Kraft des Wassers aus einem nahen Fluss Getreide gemahlen. Inzwischen wurde die Mühle liebevoll restauriert und zu einem Kultur- und Veranstaltungszentrum umgebaut. Ich drücke zögerlich die Türschnalle von dem großen, schweren Holztor, weil ich eigentlich immer noch viel zu früh dran bin. Aber seit ich an das Klo vom Bankbetrügerhaus hab denken müssen, pressiert es mir diesbezüglich auch und ich hoffe, dass vielleicht schon jemand vom Veranstalter da ist oder wenigstens die Toiletten zugänglich sind.

Zum Glück lässt sich das Tor schon öffnen, nur wo ich dann ankomme, damit war jetzt nicht zu rechnen. Mitten im Wald! Ich stehe plötzlich in einem Wald! Der ganze Innenhof des Veranstaltungszentrums ist voll mit Bäumen. Ich bin sehr schlecht mit Naturfakten, aber irgendwas mit Nadeln. So Christbäume, Fichten, Tannen, so was. Vielleicht bin ich hier falsch und es gibt einen anderen Eingang zum Veranstaltungssaal? Da höre ich es auf einmal laut und schallend lachen, und mir ist klar, dass ich hier goldrichtig bin, weil, diesen Lacher gibt es nur einmal. Martina. Ansteckend und laut wie die Sirenenprobe am Samstag zu Mittag am Land.

Der Gang über den Hof zum hinteren Teil des Hauses (und hoffentlich auch zum Klo) ist zwischen den Nadelbäumen hinweg mit getrockneten Blättern ausgelegt. Wie bei Hänsel und Gretel folge ich dem Weg. Warum liegt hier eigentlich Laub unter Nadelbäumen? Und seit wann gibt es überhaupt mitten im Winter so viele Blätter? Ich hätte in Biologie vielleicht etwas besser aufpassen sollen, nicht nur bei den Sexualkundefilmen …

Dieses Mattersburg wirft auf jeden Fall sehr viele Rätsel auf, bevor es überhaupt losgeht.

Der Veranstaltungssaal selbst ist riesig. Er erinnert mich an die Mehrzweckhalle in meiner Heimatstadt. Erbaut irgendwann in den 80er-Jahren, als Dinge noch nach ihrer Funktion benannt wurden: »Mehrzweckhalle«. Genauso wie »Fremdenzimmer«.

Der Saal erscheint mir riesig, es müssen mehrere 100 Sitzplätze sein, und es gibt sogar eine eigene Galerie mit fix montierten Scheinwerfern und einem Beamer. Ich bin massiv beeindruckt und vielleicht auch ein klein wenig eingeschüchtert. Ich soll das alles moderieren? Ich denke an meine gekritzelten Moderationskarten und schäme mich, dass ich nicht professioneller bin.

Am allergrößten ist jedoch die Bühne! Die ist höher als ich! Wenn ich knapp davorstehe, sieht man von oben wohl nur meinen Schopf.

Und die Bühne ist komplett dekoriert, es wirkt, als wäre da eine komplette Szene für ein Theaterstück oder so was aufgebaut. Genauso wie im Hof, stehen auch auf der Bühne wieder unzählige Nadelbäume. Aber nicht nur das, denn von oben hängen mehrere Geweihe herunten, und zwischen den Bäumen guckt ein schneeweißer Hirsch hervor. Der wird ja wohl nicht … Ich steige langsam und zögerlich die Stufen zur Bühne hoch und nähere mich dem Hirschen. Keine Reaktion. Es ist nur Deko. Ich hatte auch noch nie von weißen Hirschen gehört. Aber was weiß ich, was im Burgenland alles heimisch geworden ist …

Ich lasse mich kurz auf einem der schweren alten Ohrensessel nieder, die ebenfalls Teil der Bühnendeko sind, und schaue zu meinen Füßen. Der gesamte Bühnenboden ist ausgelegt mit Laub und alten Teppichen. Neben den Sesseln steht ein rustikaler alter Bücherschrank, prall gefüllt mit unseren Büchern. Das ganze Bühnenbild sieht großartig aus, wie aus einer Szene aus Martinas aktuellem Buch. Aufblattelt, ein Krimi, der im Wald und im Milieu der Adeligen spielt.

Wo haben die das alles her? Haben die ein Schloss ausgeraubt? Oder vielleicht war das alles mal das Interieur von der zweiten Haushälfte, die jetzt versteigert wird?

Ich probiere die verschiedenen Lehnstühle durch, die auf der Bühne stehen. Von so weit oben sieht der Saal gleich noch viel riesiger aus. Mir wird heiß, dabei ist noch nicht mal jemand hier! Ich teste mehrere verschiedene Sitzpositionen auf den alten Stühlen. Wenn ich mich ganz hinten reinfallen lasse, ist es zwar bequem, man wird aber nichts mehr von mir sehen. Der Sessel verschluckt mich. Wenn ich ganz vorne auf der Kante sitze, geht es besser. Dann habe ich auch eine aufrechtere Haltung und kann die Beine übereinanderschlagen. Allerdings rutscht mein schwarzer Lederrock beim Sitzen leicht nach oben. Sehen die von der ersten Reihe dann womöglich unter meinen Rock? Panisch gehe ich die Stufen in der Mitte der Treppe wieder nach unten, um mir die Aussicht aus der ersten Reihe noch mal anzuschauen. Dann gehe ich wieder rauf und noch mal runter, weil ich vergessen habe zu schauen, wie der Blickwinkel von der anderen Seite der ersten Reihe ist. Beim dritten Mal die Stufen rauf beginne ich zu keuchen.

»Schatzi, da bist du ja!« Martina steht auf einmal mit roten Stiefeln wie so eine Waldfee zwischen den Bäumen. Wo kommt die jetzt her? Kurz überlege ich, ob es nicht eine Martina-Attrappe sein könnte, so wie der Hirsch. Aber sie spricht. Und das wiederum spricht gegen meine Theorie.

»Ein Wahnsinn, was die Knotzers da alles aufgebaut haben, gell?«, sagt sie und breitet die Arme weit aus, wie um die Bühne zu umarmen. »Sie haben alle nicht verkauften Christbäume in der Region aufgekauft und hergebracht, und seit Oktober sammeln sie Laub und haben es extra zum Trocknen aufgelegt!«

Hinter ihr aus dem Bühnenwald tauchen noch drei Personen auf, zwei Frauen und ein Mann. Bitte, woher kommen die alle? Sind die schon die ganze Zeit dagestanden während meiner Solositzprobe vorher? Martina stellt mir das Trio vor, das Buchhändlerehepaar Knotzer und Bettina, ihre Mitarbeiterin. Sehr sympathisch alle.

»Schau mal, es gibt sogar eine eigene Hexenküche für die Uschi.« Martina geht zu dem alten Holztisch auf der Bühne, wo verschiedene Sachen draufstehen: kleine braune Flaschen, Seifen, Schalen, wie beim Apotheker. Die Uschi ist die ORF-Kräuterhexe, die ebenfalls Teil unserer Show sein wird.

»Und das hier«, Martina deutet jetzt auf einen alten Ofen in der Bühnendeko, »das ist eine Destille für den Steppenduft Stefan.« Stefan ist ein burgenländischer Duftbauer, der für Martina einen eigenen Leseduft entwickelt hat.

Sie begutachtet jedes einzelne Teil der Bühnendeko so begeistert wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal die Geschenke auspacken darf. Als sie irgendwas zwischen den Tannenbäumen sucht, schreit sie kurz auf: »Oh nein, ich darf den Rock nicht kaputt machen!« Behutsam versucht sie, ihren Rock von einem kleinen Aststück zu lösen. »Der gehört nämlich nicht mir!«

Das Buchhändler Ehepaar wirft sich verwunderte Blicke zu. Verständlich. Die haben den neuen Krimistar gebucht und wochenlang Laub und Bäume gesammelt, und jetzt kommt die mit einem gestohlenen Rock?

»Ich hab den von der Boutique Bellezza aus Bad Tatzmannsdorf zur Verfügung gestellt bekommen«, sagt Martina und zupft an dem kurzen Rock rum. »Die kleiden mich ein für meine Auftritte, ich muss den aber nachher wieder zurückbringen.«

Das Buchhandelstrio atmet erleichtert auf. Ich nicht, denn der Rock ist wirklich sehr kurz, und ich muss an die tiefen Sessel und die erste Reihe denken.

Vielleicht haben die wo doppelseitiges Klebeband hier?

»Und sind die Stühle hier auch Teil der Deko?«, frage ich und deute auf die Sessel, die links und rechts am Rand der Bühne aufgestellt sind.

»Das ist Deko, und gleichzeitig brauchen wir noch Ausweichplätze, weil sich so viele angemeldet haben.« Herr Knotzer geht zwischen den Bäumen nach hinten. »Aber jetzt zeig ich euch erst mal in Ruhe eure Garderoben.« Und da check ich erst, dass die Bühne auch hinten einen Ausgang hat.

»Hast du einen Schnaps dabei?« Ich lasse mich auf den Stuhl vor dem Spiegel fallen. Martina und ich sind jetzt alleine in unserer Garderobe. Ja genau, Garderobe! Es gibt hier nämlich eine eigene Künstlergarderobe. Genauer gesagt würde es sogar zwei geben. Aber wir teilen uns lieber eine, damit wir nicht allein sind in unserer Aufregung. Außerdem sollte gleich das ORF-Team für das Interview kommen.

»Ich glaube, ich habe Angst!« Ich stehe wieder auf und inspiziere den kleinen Raum. Es gibt zwei Schminkplätze mit Spiegel, einen Kleiderständer, drei Sessel und sogar eine Dusche!

»Wir schaffen das schon«, sagt Martina aufmunternd zu mir und blättert in ihrem Buch, in dem noch mehr Haftnotizen oben rausschauen als bei meinem. Nur ihre sind schöner.

»Sag einmal, hast du Post Its von Chanel?« Ich gehe jetzt ganz nah an ihr Buch ran und erkenne tatsächlich das berühmte Logo. Martina grinst mich an: »Irgendeinen Sinn muss meine lange Tätigkeit in der Beautybranche auch gehabt haben.«

Es klopft an die Garderobentür, und ohne eine Antwort von uns abzuwarten, geht die Tür auch schon einen Spalt auf und jemand steckt keck den Kopf rein. Der Kopf kommt mir sehr bekannt vor. Männlich, Alter fortgeschritten, hoher Haaransatz, lange dunkle Haare zu einem Zopf im Nacken gebunden. Dazu eine bläulich getönte Brille.

»Hansi? Was machst du denn schon hier?«

»Guten Tag, die Damen, es ist mir eine Ehre!« Die Tür fällt hinter ihm zu, und er macht eine tiefe Verbeugung, vor allem vor Martina. Der vordere Teil von seinem schwarzen Ledermantel streift dabei den Boden.

»Gestatten, Joe Ferrari«, sagt er und streckt Martina die Hand hin.

»Äh, das ist mein Kollege Hansi, äh, Joe vom Literaturkurs«, stelle ich ihn ihr vor.

»Hallo, Joe«, sagt Martina freundlich, »freut mich, dich kennenzulernen.«

»Aber wir müssen uns jetzt konzentrieren, wir haben gleich ein Interview hier.«

»Pst«, sagt er und legt den gestreckten Zeigefinger auf seine Lippen. »Ich kann leise sein wie ein Mäuschen!«

Es klopft wieder, und diesmal steckt Bettina, die blonde Buchhändlerin, den Kopf herein. »Ich hätte da Besuch für euch.« Hinter ihr stehen drei Leute mit Mikros und Kameras.

»Bevor es hier zu eng wird, komme ich vielleicht lieber inzwischen mit dir mit«, flirtet Joe die Buchhändlerin an, und so schnell, wie er gekommen ist, ist er auch schon wieder weg mit ihr.

»Sie sagen mir eh, wenn es so weit ist, oder?« Ich starre Herrn Knotzer panisch an. Vor lauter Aufregung habe ich das Interview nicht mal richtig mitbekommen. Jetzt ist es auch schon vorbei, das Kamerateam hat im Saal Position bezogen, und gleich geht es los.

Der Buchhändler hat sich gerade in der ersten Reihe neben der Frau Bürgermeister niedergelassen. Es war ausgemacht, dass ich als Erste von vorne über die Treppe auf die Bühne gehe und dann Martina ankündige, die wiederum von hinten durch den Bühnenwald einschweben wird. Der Saal ist schon bummvoll mit Publikum. In der dritten Reihe entdecke ich Andreas, meinen Frisör. Er ist auch aus Mattersburg, und ich freue mich sehr, dass er gekommen ist. Vor allem, weil er mir mit einer Flasche Eierlikör winkt. Niemand kennt mich besser. Und niemand lacht mitreißender als er.

Dann fällt meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf Herrn Knotzer. Er hat meine Frage noch nicht beantwortet und schaut nur verstört. Vielleicht war das ganze Bäumesammeln auch zu viel in den letzten Wochen.

»Also bitte, geben Sie mir einfach Bescheid, wenn ich loslegen soll!«, fordere ich ihn noch mal auf, während ich jetzt den Thomas im Publikum entdecke. Ein lieber ehemaliger Arbeitskollege. Ich winke ihm zu. Und suche den Saal weiter nach dem Joe ab. Wo ist der eigentlich? Ich bin schon ganz reizüberflutet von den vielen Eindrücken hier.

Herr Knotzer steht direkt vor mir, antwortet hingegen noch immer nicht. Er hält mir nur freundlich seine Hand hin. Die Einzige, die etwas sagt, ist die Frau Bürgermeister. »Ich glaube, das ist eine Verwechslung«, flüstert sie mir zu. »Das ist der Herr Vizebürgermeister.«

Verdammt! Und tatsächlich sehe ich den echten Herrn Knotzer gerade hinten beim Büchertisch vorbeigehen. Peinlich berührt ergreife ich die Vizebürgermeisterhand und schüttle sie. »Sehr erfreut, Herr Vizebürgermeisterin, äh, Vizebürgermeister.«

Wenn das so weitergeht, kann ich gleich heimfahren. Sehnsuchtsvoll schaue ich in Richtung Eierlikörflasche. Herr Knotzer winkt jetzt von hinten. Mein Zeichen. Es geht los!

Und dann passiert alles wie von alleine. Ich gehe die Stufen hoch, sehe all die Menschen im Saal, wie sie da sitzen. Sie sind extra hergekommen, haben vielleicht Parkplatz gesucht, den Mantel abgegeben, sich angestellt beim Einlass, einen Platz gesucht. Sich fesch angezogen, haben die Haare schön und sind jetzt gespannt und voller Vorfreude auf das, was kommt. All die Menschen, nur wegen Martina. Und zumindest zwei davon auch wegen mir. Ein warmes Gefühl wie eine Riesenportion Schlagobers durchströmt mich. Ganz hinten sehe ich jetzt das ganze Buchhandlungsteam und muss daran denken, wie die wochenlang das alles vorbereitet haben. Ich sehe sie im Wald knien, wie sie Laub in Körbe schaufeln und Bäume ausgraben. Und das alles nur wegen uns? Ich spüre Rührung gefährlich weit hochsteigen, aber bevor es nass wird in meinen Augen, strecke ich mich durch und spüre, dass es genau das ist, was ich tun will. Diesen Menschen den schönsten aller Abende bereiten!

»Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Bühne Bestsellerautorin Martina Parker!« Musik setzt ein, und Martina betritt die Bühne. Jetzt erst sehe ich, dass da drei Musiker live spielen. Sie sitzen seitlich vor den Reserveplätzen auf der Bühne, und eigentlich sind sie zu viert. Nur dass der vierte Mann nicht musiziert. Dafür winkt er mir aufgeregt zu. Hansi!

Hansi alias Joe sitzt während der gesamten Lesung unmittelbar neben uns bei den Musikern auf der Bühne. Fast so, als wäre er Teil der Performance. Er verfolgt begeistert die Ausführungen der ORF-Kräuterhexe Uschi Zezelitsch, die auf der Bühne zeigt, wie man bestimmte Heilsalben herstellen kann. Er lacht am lautesten bei den lustigen Lesestellen aus Martinas Buch. Verfolgt aufmerksam die Interviewfragen, die ich für Martina vorbereitet habe, und er lässt sich als Erster vom Steppenduft-Stefan mit dem neuen Leseduft einsprühen. Kurz zuckt er nur zusammen, als der Stefan erklärt, dass manche Düfte auch halluzinogene Wirkung haben können. Ich präsentiere zum ersten Mal vor Publikum auch mein Buch und lese eine kurze Passage.

Nach maximal zehn Minuten ist die ganze Show wieder vorbei. Zumindest fühlt es sich so an. In echt waren es fast eineinhalb Stunden. Die Zeit ist verflogen, und natürlich ist der Applaus großartig am Ende. Aber viel besser ist es, währenddessen in die Gesichter zu schauen.

»Für wen darf ich unterschreiben?« Martina sitzt neben mir am Signiertisch. Seit einer halben Stunde signiert sie schon Buch um Buch, und die Schlange wird immer noch nicht kürzer. Einige haben gleich alle drei Bücher von ihr in der Hand. Jedes Mal, wenn jemand mit meinem Buch kommt, würde ich es vor Freude am liebsten herschenken.

Nach einer Stunde ist noch immer kein Ende in Sicht, Frau Knotzer bringt uns Brötchen vom Buffet, aber ich will lieber nichts essen, damit ich keine fettigen Finger habe, und außerdem kann ich ja mit vollem Mund nicht reden.

»Gehen wir nachher noch was trinken?«, flüstert mir Martina zu. Noch immer ist eine lange Warteschlange vor ihr.

»Sehr gerne doch!«, antwortet eine Stimme, die allerdings nicht meine ist. Hansi-Joe! Er grinst uns an. War der die ganze Zeit schon hinter uns?

Frag Susi – Buch-Business für Beginner!

Liebe Susi, dauernd nur Absagen von Verlagen. Meine Frau sagt, dann soll ich halt Selfpublishing machen. Hat sie recht oder will sie mich nur ruhigstellen? Leo.

Lieber Leo, Selfpublishing kann eine Alternative sein, wenn man schon viele Absagen von Verlagen bekommen hat, denn besser Selfpublishing, als gar nicht veröffentlichen! Aber du solltest viel Zeit und Engagement mitbringen. Denn hier liegt alles in deiner Verantwortung, Lektorat, Marketing, Vertrieb, Gestaltung, PR … Andererseits: no risk – no fun. Also sei schlau, vertrau der Frau!

Die Burenheidl-Beichte

»Und woher kennst du diesen Joe noch mal?« Martina hebt mein ganzes Klumpert vom Beifahrersitz vorsichtig nach hinten auf die Rückbank. Wir sind am Weg zur After-Show-Party nach der Lesung in einer kleinen Weinbar. Martina fährt mit mir im Auto mit, so sparen wir uns, zwei Parkplätze suchen zu müssen, und können in Ruhe noch mal Nachbesprechung machen.

»Woher ich den Hansi kenne?«

»Wen?« Martina wirft mir einen verwirrten Blick zu.

»Ja, ich mein eh den Joe. Der heißt in Wahrheit Hansi. Joe ist jetzt nur sein Künstlername. Also ich kenn ihn von dem Literaturkurs, wo ich letztes Jahr mehrere Wochenenden war.«

»Sinnlos!«, unterbricht mich Martina. »Du kannst eh schreiben, du musst es nur tun!«

»Ja, das ist egal jetzt.«

Sie bekommt da immer gleich so eine Gouvernantenstimme.

»Ich probiere eben gerne was Neues aus und lerne Gleichgesinnte kennen.«

»Du hast eh mich«, sagt sie. »Genügt das nicht mehr?« Dabei klimpert sie lasziv mit ihren Glitzerwimpern.

Wir klingen schon wie ein Ehepaar. »Was Neues ausprobieren«, »Gleichgesinnte«, »Genüg’ich dir nicht mehr«. Als ob wir schon 30 Jahre verheiratet wären und uns jetzt nach neuen Abenteuern umschauen. Einem FKK-Strand für den nächsten Urlaub, zum Beispiel.

»Egal jetzt«, sage ich und versuche, dem Navi im Finsteren ins Stadtzentrum von Mattersburg zu folgen.

»Auf jeden Fall, der Joe, der hat dann immer so Schreibtreffen organisiert, damit wir auch nach dem Kurs weiter in Kontakt bleiben. Dort haben wir uns unsere Texte vorgelesen und gegenseitig Feedback gegeben.«

»Das ist aber eine nette Idee! Wo habt ihr euch da getroffen?«

»Immer in unterschiedlichen Beisln in Wien. Die hat er ausgesucht. Damit wir dranbleiben am echten Leben mit unserer Inspiration, hat er immer gesagt.«

»Und wie viel Leute waren da?«

»Am Anfang waren noch mehr dabei, aber nach den ersten zwei Treffen wollte dann keiner mehr. Danach waren wir immer nur zu dritt. Der Joe, die Conni und ich.«

»Wieso wollte keiner mehr?«

»Den anderen war es dann entweder zu laut oder zu weit weg oder zu verraucht.«

»Zu verraucht? Wo gibt es so was noch?«

»Na ja, im echten Leben halt …«

Wir haben den Zielort erreicht, sagt das Navi, ich halte Ausschau nach einem freien Parkplatz. Dabei sehe ich gerade noch die Familie Knotzer hinter einer Tür verschwinden.

»Da ist eh einer frei, direkt vorm Lokal, schau!« Martina tippt von innen auf das Beifahrerfenster.

»Er ist aber nicht hauptberuflich Autor, oder?« Jetzt klappt sie den Beifahrerspiegel nach unten, um ihr Make-up zu checken, während ich einparke.

»Na ja, so ähnlich.«

»Was bitte ist so ähnlich, wie hauptberuflich Autor sein?«

»Er hat schon einen Vollzeitjob, aber so genau weiß ich das auch nicht. Irgendwas bei der Gemeinde Wien in einer Bauabteilung, wo sie für kleinere Reparaturen in Gemeindebauten zuständig sind oder so. Ganz genau weiß ich das auch nicht.«

»Er ist also Hausmeister?«

»Nein, er ist eher in so einer Koordinationsstelle, wenn ich das richtig verstanden habe.«

»Und wieso ist das so ähnlich, wie hauptberuflich Autor sein?« Sie klappt den Spiegel wieder zu. Wir steigen aus.

»Weil er seine Bücher immer in der Arbeit schreibt. Ich glaub, die haben dort nicht so einen Stress.«

»Bücher? Mehrere? Hat er schon welche veröffentlicht?« Martina hält mir die Tür zum Lokal auf. Sofort dringt typische Gasthausakustik raus. Diese Mischung aus Musik, Stimmengewirr, Gläser- und Besteckgeklapper.

»Ja, zwei Stück … aber das war …«

»Huhuuuuuu.« Ich muss mitten im Satz aufhören, Hansi-Joe fuchtelt von einem großen, runden Tisch in unsere Richtung. Das Lokal ist klein, eng und sehr gemütlich. Überall sind sehr viele Weinflaschen Teil der Deko. In Wien wäre das eine Champagnerbar, wo reifere Herren in Bundfaltenhosen und Mokassins mit Bömmeln drauf am Freitagnachmittag das Wochenende mit Zigarren einläuten.

»Schau, ich hab euch extra Plätze freigehalten.« Hansi steht sofort auf und schiebt charmant für Martina den Sessel nach hinten wie so ein Oberkellner. Natürlich ist es der Platz neben seinem Platz. Auf der anderen Seite von ihm sitzen der Buchhändler Herr Knotzer, dann seine Frau, ebenfalls Buchhändlerin, und ihre Mitarbeiterin Bettina, dann ist ein Platz unbesetzt, es steht aber schon ein volles Glas Wasser dort.

Ich setze mich neben Martina auf den noch verbleibenden leeren Platz, wo kein Getränk steht. Meinen Sessel kann ich mir selber nach hinten schieben, der Charme von Hansi konzentriert sich jetzt voll und ganz auf ein Gespräch mit Martina.

»Conni!!!!!!!!!!« Ich springe gleich wieder auf, als ich das kleine, zierliche Persönchen zu unserem Tisch kommen sehe.

»Überraschung gelungen?« Sie strahlt mich an, die brünetten Haare hat sie schlampig hochgesteckt, vorne fallen ihr ein paar Strähnen ins Gesicht. Sie trägt einen dunkelblauen, leicht ausgestellten Cordrock, dazu schwarze Sneakers, ein schwarz-weiß gestreiftes T-Shirt und darüber eine dunkelblaue Strickjacke. Ein bisschen sieht sie aus wie die kleine Schwester von Judith Holofernes, der berühmten Sängerin der ehemaligen Band Wir sind Helden. Conni strahlt diese unaufgeregte und leicht verträumte Mischung aus Coolness und Schutzbedürftigkeit aus. Ihre Kleidung ist wie ihr Charakter, nie aufdringlich, immer im Hintergrund, aber darauf hoffend, vielleicht auch mal entdeckt zu werden. Während Hansi und ich bei unseren Schreibsessions davon geträumt haben, die Menschen zu unterhalten (ich) oder wirtschaftlich erfolgreiche Bücher zu schreiben (er), hat Conni davon geträumt, anerkannte Literatur zu machen. So eine Literatur, die von wichtigen Literaturmenschen Wertschätzung erfährt, die in wichtigen Zeitungen besprochen wird und Literaturpreise gewinnt.

Angeblich war der Thomas Bernhard so was wie ihr Patenonkel. Bestätigt ist das aber nicht. Es gibt nur ein altes, vergammeltes Familienfoto, wo er angeblich drauf ist. Was bestätigt ist, ist, dass ihr Vater ein Universitätsprofessor für Literaturwissenschaften war und ihre Mutter seine Studentin. Daher ist die Mutter auch noch relativ jung und der Vater schon länger tot. Hinterlassen hat er ihr die Liebe zur Literatur und eine winzig kleine Substandard-Eigentumswohnung in einem typischen Wiener Gründerzeithaus mit Klo am Gang.

»Wieso hast du nicht gesagt, dass du da bist?« Ich umarme Conni ganz fest und spüre sogar durch den Pullover durch, wie dünn und zerbrechlich sie ist.

»Ich wollte nicht stören, ich kann mir vorstellen, wie aufgeregt man vor so einer großen Lesung ist, und dann die vielen Leute überall …« Sie schaut verlegen auf den Tisch und knetet dabei ihre Fingerkuppen.

»Aber ich freue mich sehr, dass wir uns schon mal kennengelernt haben«, sagt Frau Knotzer und lächelt Conni freundlich an. Auch Martina beugt sich gleich über mich zu Conni und stellt sich vor, wird aber umgehend wieder vom Hansi in Beschlag genommen.

Wie sie zum Verlag gekommen ist, will er wissen, ob ihre Bücher in allen Buchhandlungen aufliegen, wie sie zu den Lesungen kommt, ob sie Mitspracherecht bei der Cover-Gestaltung hat. Er stellt Fragen wie so eine Tennisballwurfmaschine. Alle paar Sekunden eine neue Frage.

»Ich muss nur leider gleich wieder fahren, aber ich wollte dir unbedingt noch persönlich gratulieren!« Conni schiebt ihren Ärmel nach oben, um auf die Uhr zu schauen.

»Wieso musst du schon wieder weg?«

»Mein Zug geht gleich, und Frau Schuh ist so nett, mich zum Bahnhof mitzunehmen.«

»Bettina, wir waren ja schon beim Du«, sagt diese und winkt dem Kellner.

»Ja, stimmt, Bettina …« Conni lächelt verlegen.

»Aber wieso musst du schon los?«

»Mein Flix-Bus geht um 5 Uhr früh.«

»Fährst du auf Urlaub mit dem Flix-Bus?« Ich stelle mir grad vor, wie die Conni einen schweren, vermutlich alten Reisekoffer die Stufen zum Bus hochhebt und am Mittelgang Ausschau hält nach einem Single-Sitzplatz. Wo sie dann sofort wieder ihre Nase in ein Buch stecken kann.

»Nicht so richtig Urlaub, also nur ein bisschen, also ich hänge einen Tag noch dran. Aber eigentlich bin ich bei einem Seminar.«

Inzwischen kommt der Kellner zu uns an den Tisch.

»Ich zahle ein stilles Mineralwasser, bitte«, sagt Conni und kramt ihre Geldbörse hervor.

»Sicher nicht«, sage ich und bitte den Kellner, das Wasser auf meine Rechnung zu setzen. »Du bist heute meine Ehrengästin, wenn du extra schon gekommen bist.«

»Danke, das wäre nicht nötig«, sagt sie. Ich weiß, dass das nicht stimmt. Es ist nötig.

»Welches Seminar machst du eigentlich?«, frage ich noch, als wir uns zum Abschied umarmen.

»Ein Lesungsangst-Seminar«, flüstert sie mir zu und dann ist sie auch schon weg.

Frau Knotzer ist inzwischen auf den freien Platz neben ihrem Mann aufgerückt.

»Also das war ein Wien-Krimi, und es ging um einen Mord am Riesenrad. Es hätte eigentlich eine Serie werden sollen, jeder Mord an einer berühmten Wiener Sehenswürdigkeit.« Hansi ist offenbar gerade dabei, seine ersten Bücher nachzuerzählen. »Also Band zwei war dann Mord am Stephansdom. Ich hatte sogar schon Kontakt mit dem Wien-Marketing aufgenommen, ich mein, was gibt es für eine bessere Werbung!«

»Als Tote?«, frage ich und ernte dafür einen strafenden Blick.

»Und ihr habt tatsächlich noch nie von den Büchern gehört?« Hansi starrt das Ehepaar Knotzer ungläubig an und schüttelt den Kopf. »Also ich bin mir jetzt nicht ganz sicher«, sagt Frau Knotzer, »aber es erscheinen ja so viele Bücher in einem Jahr. Kannst du dich erinnern, Rudi?«

Hansi wartet aber gar nicht erst die Rudi-Antwort ab. Die nächsten Bälle der Maschine fliegen tief unters Netz. »Der Verlag war ja wirklich ein Saftladen, die haben gar nichts gemacht! Das muss man sich einmal vorstellen. Was soll denn das für ein Vertrieb sein, wenn man nicht mal in den Buchhandlungen aufliegt? Sie haben auch keine Werbung gemacht, keine Pressearbeit, nicht mal Lesungen haben sie organisiert. Also ganz ehrlich, da frag ich mich schon, wofür ich dann einen Verlag brauche, oder nicht?« Er schaut links und rechts und erwartet eine Antwort.