NUR DIE LIEGE ZÄHLT - Susanne Kristek - E-Book

NUR DIE LIEGE ZÄHLT E-Book

Susanne Kristek

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Beschreibung

Endlich der ersehnte Urlaub! Es ist Weihnachten und Vater, Mutter, Kind fliegen nach Thailand. Im Club unter 400 Deutschen erlebt die österreichische Kleinfamilie die drolligsten Abenteuer, es gibt Kartoffelsuppe, Sänger Sash sitzt am Nebentisch und Mutter Susanne kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der ersehnte Badeurlaub zu Weihnachten in Thailand soll der ganzen Familie etwas bringen. Das Kind soll neue Kulturen kennenlernen. Der Gatte zur Ruhe kommen und Kräfte sammeln. Wenige Tage vor Weihnachten wurde seine Firma verkauft. Aber ein echter Betriebsrat lässt sich nicht abschütteln. Der Kampf beginnt, aber auch erste Zweifel tauchen auf und die Frage: Kann man mit Mitte 40 nochmal ganz neu durchstarten? Als DJ? Mutter Susanne freundet sich mit immer mehr Hotelgästen an, besonders die Gäste aus Sachsen haben es ihr angetan, der gemeinsame Dialekt verbindet. Und dann wäre auch noch die beste Freundin, frisch geschieden und neu auf Tinder, ihre täglichen Updates per Whatsapp regen Susanne so richtig auf. "Die Menschheit fliegt ins All. Aber die Sache mit den Strandliegen hat noch keiner schlau in den Griff gekriegt." Österreicher und Deutsche, alles Walzer, alles Club, alles inklusive! Das urkomische Urlaubsreisebuch für Daheimbleiber (und aber auch Fortflieger!).

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Susanne Kristek

Geb.1974 in der Oststeiermark, seit 1993 in Wien in der Werbe- und Marketingbranche. Leitet eine Agentur für Verkaufsförderung und Mystery Shopping. Schreibt auf ihrem Blog superklumpert.com lustige Alltagsgeschichten. Co-Moderatorin des Austro Podkastl (Sony Music Österreich), einen Podcast über Musik in Österreich. Erfinderin und Initiatorin der ersten Lesebühne zum Mitsingen.

Inhalt

Mein deutsches Betriebssystem

Der Reiseapotheken-Punk

Wir holen uns die Wiener zurück

Flughafen Doha

Sie legen ihre Männer ab

Der Häuptling der Indianer

DJ in Residence

Warst du im Tunnel auf Urlaub?

Oh Pupsibaum

Die No-Sports-Pille

Don’t forget Momo

Sauna zum Mitsingen

Das deutsche Buffet

Jeder kann mitmachen

Eine kleine Landpartie

Die Abenteuer der Maus auf dem Mars

Gucke Sie, die Klo ist da draußen

Der Stoff darf nicht ausgehen

Just smell

Man spricht Deutsch

Die Lösung steht auf dem Gemeindebau

Bandenbildung

Selfie mit Sasha

Auf der Flucht

Mama, was heißt Wombada?

Nummerntausch

Treibjagd

Sie haben das Kind allein gelassen

Verliebt in den Fußballer

Aqua-Gym mit Austauschfrauen

Drama im Familienhotel

Louis-Vuitton-Badetaschen

Wohlerzogene Kinder

Pringles in Paradise

Schnuppern für Frauen

Rob-Bob und 3650 andere

Laa-laa, Tinky-Winky, Po und Dipsy

Eitrige

Can I speak the manager?

White Night

Bodenproben

On tour mit Sasha

Sad but true

Landungsklatschen

Für Michael und Lucie

Mein deutsches Betriebssystem

Ich bin aufgewachsen in der Oststeiermark und sozialisiert in Wien, doch mein inneres Betriebssystem ist ein deutsches. Das merke ich vor allem, wenn ich dem Gatten beim beruflichen Telefonieren zuhöre. Was der rumschwafelt, bevor er zum Punkt kommt! Ich hingegen lege gerne gleich los. Problem – Überblick – Analyse – Lösung. Oder auch keine Lösung. Nachher sehr gerne noch tratschen, aber zuerst die Arbeit. Dann das Spiel.

Ich habe da noch ein paar andere deutsche Eigenheiten. Ich esse gerne pünktlich und rechtzeitig. Nicht wie die Spanier, mitten in der Nacht. Ich liebe Butterbrezen, die »Lindenstraße« und deutschen Schlager. Ich lese fast nur deutschsprachige AutorInnen mittleren Alters und wäre auch sehr gerne selbst eine gefeierte deutschsprachige Autorin. Das Einzige, was ich bisher diesbezüglich erreicht habe, ist das mittlere Alter.

Und: Ich bin offen bekennende Liegenreserviererin. Ja, ich weiß. Man macht das nicht. Nicht mehr. Aber man klatscht auch nicht mehr nach einer erfolgreich absolvierten Landung. Ich halte diese Tradition trotzdem hoch und finde speziell unter deutschen Reisenden stets begeisterte Mitklatscher. Ich mag die Deutschen. Deswegen ist mein bevorzugtes Urlaubsland auch Deutschland. Berlin. Hamburg. Leipzig.

Gestern, einen Tag nach Weihnachten, sind wir im derzeit wärmsten deutschen Ortsteil angekommen: einem All-Inclusive-Club in Khao Lak, Thailand.

Einmal etwas Exotisches für die ganze Familie. Sonne, Sand und würzige Kokossuppen. Strandburgen und neue kulturelle Erfahrungen für das Kind, thailändisches Bier und viel Entspannung für den Gatten, das hat er sich nach den Dramen der letzten Wochen verdient. Und erste Reihe fußfrei für mich, um mindestens fünf Bücher zu lesen, eines vielleicht sogar selbst zu schreiben und auf jeden Fall drei Kilo abzunehmen. Weil wo, wenn nicht im Urlaub, hat man ausgiebig Zeit, um endlich mit Sport zu beginnen? Im Glanz der aufgehenden Sonne mit wehendem Haar zu joggen?

Wir waren noch nie in Thailand. Doch es scheint, dass die Exotik in diesem Teil des Landes maximal an sprachlich geringfügigen Abweichungen zwischen Nord-, Süd- und Ostdeutschen liegt. Dazwischen ein paar österreichische oder Schweizer Dialekte.

So ein Abenteuerurlaub beginnt für uns Deutsche auf der ganzen Welt ähnlich:

Wir schmieren uns mit hohem Lichtschutzfaktor ein, setzen unsere Baseballkappen und Sonnenhüte auf und treffen uns pünktlich um zehn Uhr zum geführten Hotelrundgang.

Überblick verschaffen!

Ja und so kam es, dass wir gestern in einem Elektro-Golfwagen, gemeinsam mit Frank und Ernie aus Mainz, einmal das Hotel umrundeten. Beginnend beim Geldautomaten, über die Bogensportanlage, bis hin zum Hotelshop. Alles dabei. Nur beim letzten Steilaufstieg zur Rezeption kam der Golfwagen an seine Grenzen, fast wären wir stehen geblieben. Doch wir Deutschen sind praktisch veranlagt und vor allem lösungsorientiert. Ernie hinten sprang ab und schob den Wagen bis knapp vor die Rezeption.

Der Reiseapotheken-Punk

Mein Bruder trägt den Spitznamen Excel-Punk. Weil er in einem Excel-Sheet genauestens darüber Buch führt, welche Punkrock-Festivals er besucht hat. Ich hingegen bin mehr so der Hippie. Innerlich. Aber ohne Achselhaare.

Als Hippie muss man natürlich exotisch und südlich reisen. Mit Flip-Flops und bunten Tüchern und sonst nix im Handgepäck.

Wir reisen auch gern südlich, in Gedanken. In echt reisen wir dann meistens ins Südburgenland. So weit weg wie diesmal waren wir noch nie.

Allerdings weiß ich nicht, ob die Hippies der 60er Jahre auf ihren VW-Busreisen auch so gut vorbereitet waren. Die wilde Uschi Obermaier zum Beispiel, Hippie-Sex-Ikone, hatte was mit zwei von den Rolling Stones, und später ist sie mit einer Hamburger Kiezgröße in einem umgebauten Bus monatelang durch exotische Länder gefahren. Waren die vorher auch im Tropeninstitut und haben dort zwei Monatsgehälter liegen lassen, um ausreichend Impfschutz sicherzustellen? Wir jedenfalls sind abgesichert gegen Diphterie, Cholera, Typhus, Japanische Enzephalitis und allerhand andere Krankheiten. Der Hippie hat vermutlich was geraucht und war dann auch gegen alles immun. Die Frau Obermaier und ihr Strizzi sind übrigens in einem umgebauten Schuh-Werbebus der Marke Salamander gefahren. Unnützes Wissen, Teil 1.

Die Aufregung vor so einem Reiseabenteuer lässt einen aber auch weitere dringliche Spontankäufe tätigen. Stichwort: Reiseapotheke. Sicherheitshalber hat der Gatte noch ein paar Accessoires in der Apotheke geordert. Als ich alles einpacke, kommen mir ernsthafte Zweifel an unserer Hippie-Existenz. Pass auf, was wir dabeihaben:

- Wundkompressen groß und klein

- Leukosilk (Pflaster für die empfindliche Haut)

- Travelgum (für wenn’s wackelt)

- Zintona (Reiseübelkeit)

- Iberogast (gegen Magen/Darm-Erkrankungen)

- Dulcolax (wenn nix mehr geht)

- Imodium akut (wenn zu viel geht)

- Antibiophilius (für das Gleichgewicht)

- Octenisept (Wunddesinfektion)

- Hansaplast wasserabweisend (der Allrounder)

- Betadona (Wundgel)

- Insecticum Gel

Um die legendären thailändischen Gelsen abzuwehren, werden wir unsere Langarm-Shirts in einer insektenabweisenden Substanz tränken. Und ich rede noch gar nicht über die Multifunktionsjacken, die extra für die kälteren Gegenden angeschafft wurden. Wir haben ja auch vor, an Ausflügen ins Landesinnere teilzunehmen. Man will nicht bloß Strandtourist sein. So wie ein echter Punk vermutlich selten Excellisten erstellt, trägt ein Hippie möglicherweise auch keine Multifunktionsjacken und importiert auch nicht das gesamte westliche Gesundheitssystem ins Urlaubsland. Aber gut, es kommt auf die innere Haltung an. Und sind wir da nicht alle Punks und Hippies?

PS: Die Uschi Obermaier hat übrigens auch noch Jahre nach dem Tod ihres Lebensgefährten in dem umgebauten Schuh-Bus gewohnt. Unnützes Wissen, Teil 2.

Wir holen uns die Wiener zurück

Nachricht von daheim. Meine frisch geschiedene Freundin Lisa schickt eine Nachricht mit einem Selfie neben einer Ortstafel. Poppendorf steht da drauf.

Au weia, wenn jetzt die Wiener das Südburgenland gentrifizieren, Fincas errichten und Ausschau nach Pusta-Boys halten, sehe ich schwarz für die völkerverbindende Freundschaft zwischen den Bundesländern. Pusta-Boys! Wem bitte fällt so was ein. Die wird gleich wieder ausgewiesen werden aus Poppendorf und das schöne Burgenland nie wieder weiter als bis zum Designer-Outlet-Center Parndorf betreten dürfen! Integration beginnt im Urlaub. Darum heißt es auch nicht mehr Fremdenverkehr, sondern »Urlaub bei Freunden«!

Wobei ich da eh noch ein Urlauberintegrationstrauma habe. Als ich einst Kind war, waren wir an einem warmen Sonntag im Frühling beim Kirchenwirt essen. Es muss irgendein akuter Feiertag gewesen sein, denn man ging damals nicht einfach so ins Gasthaus essen. Ich tippe auf Muttertag, denn es war schon warm. Ich durfte zum ersten Mal meine neuen, schneeweißen Sandalen ausführen, und überall in den Gasthäusern wurden die Mütter ausgeführt. Normalerweise waren in diesen Gasthäusern neben den Kirchen eher Sommerfrischler und Urlaubsgäste anzutreffen. Aber an besonderen Hochamtsfeiertagen übernahmen wir Einheimischen wieder den Vorsitz. Und saßen in sicherer Distanz nebeneinander. Kulinarisch waren beide Seiten voll integrationswillig, die Wiener aßen gern Bauernschmaus, wir vom Land hingegen gern Wiener Schnitzel. Mit einer Scheibe Zitrone, oder wenn das Gasthaus etwas Besseres war, sogar mit Preiselbeeren. Neugierig blickte jeder über seinen Tellerrand hinaus und zu den Fremden hinüber. Manchmal wurden unter uns Kindern auch zarte Bande der Freundschaft geknüpft. Obgleich die sprachliche Hürde eine nicht zu unterschätzende Barriere bildete, auch wenn die große Hauptstadt Wien, wo die meisten Sommerfrischler her waren, eigentlich nur 120 Kilometer entfernt war. Ohne Autobahn bedeutete das damals noch drei Stunden Fahrt über kurvige Bergstraßen.

Am Nebentisch an diesem warmen Frühlingssonntag saß ein Sommerfrischler-Ehepaar. Die Sommerfrische dürfte aber das einzig Frische in ihrer Ehe gewesen sein, denn sie hat ihn von der Suppe (Leberknödel) bis zur Nachspeise (Birne Helene) angekeift. Vorwiegend ging es um das Schuhwerk. Und dass man für die Sommerfrische die guten Schuhe nicht hätte beanspruchen müssen. »Man trägt hier Gummistiefel!«, sprach sie. Ich schaute auf meine Füße hinunter, die den Wirtshausboden noch nicht erreichten, auf meine wunderschönen weißen Sandalen, und verstand die Welt nicht mehr.

Später war ich selbst auch nicht besser. Das ferne Wien kannte ich nur aus der beliebten TV-Serie »Ein echter Wiener geht nicht unter«. Das war für mich das echte Wien. Ich wusste nichts von Hietzing oder dem Burgtheater. Als ich zum ersten Mal nach Wien kam, erwartete ich, dass hier alle Familien ihre Badewannen in der Küche hätten und man sich abends rund um den Esstisch versammelte, um viel Bier zu trinken und sehr laut miteinander zu sprechen. Vielleicht braucht der Mensch solche Klischees zur ersten groben Orientierung. Alle Kärntner singen. Alle Schwaben sind sparsam. Alle Tiroler tragen Lederhosen. Alle Wiener sind grantig. Die Berliner noch mehr. Darum mag ich die auch so.

Die Wiener kamen sehr gern zu uns auf Urlaub. Mir gefiel das auch gut, weil es etwas Exotisches in meinen Alltag brachte. Schließlich gab es zu der Zeit noch kein Internet, sondern zwei Fernsehkanäle und Vierteltelefone. Manchmal fuhr ich heimlich mit meinem roten Rennrad zu den touristischen Hotspots unserer Gegend und hielt nach den Fremden Ausschau. Beim Natur- und Waldlehrpfad oder im Freibad. Je älter ich wurde, desto genauer schaute ich, bis irgendwann einer zurückschaute. Mein erster Freund. Ein Wiener!

Auf einmal gab es brasilianische Telenovelas im Fernsehen (»Die Sklavin Isaura«), und ich hatte einen Wiener Freund! Das war der Beginn meiner persönlichen Globalisierung. Vor lauter Freude wollte ich mit meinem Integrationswillen bei ihm Eindruck schinden. Nach unserem ersten romantischen Abend sagte ich zu ihm: »Baba, i drah mi jetzt ham.« Das kannte ich von einem Wolfgang-Ambros-Lied vom Sender ORF Burgenland, der bei uns immer lief, weil wir so nah an der steirisch-burgenländischen Grenze wohnten. Was ich damals nicht wusste, war, dass »I drah mi ham« bedeutet, dass man schwer suizidgefährdet ist und ein letaler Ausgang des Abends im Raum stehen könnte.

Später hörte sich das mit der Sommerfrische leider auf. Die Wiener sind weitergefahren nach Italien oder Jugoslawien. Oder gleich nach Griechenland geflogen. Da war auf einmal alles möglich. Aber wir Steirer und Burgenländer steckten nicht traurig die Köpfe in den Sand, sondern Bohrmaschinen in die Erde. Und siehe da, wir fanden Thermalquellen! So holten wir die Wiener wieder zurück und bauten ihnen gleich noch eine Autobahn dazu, damit das mit der Anreise schneller geht.

Flughafen Doha

Als wir vorgestern um 4 Uhr früh völlig übermüdet und unterkühlt am Flughafen in Doha gebeten wurden, den Pool zu verlassen, hätte ich auch eine kürzere Anreise bevorzugt. Da fiel mir das mit der Sommerfrische und den warmen Thermalquellen wieder ein. Wir wären einfach eine Stunde über die Autobahn A2 gefahren, hätten eine kurze Pause bei der Raststation eingelegt, wären einmal kurz um 50 Cent aufs Klo gegangen und hätten dann einen Kaffee gekauft, um die 50 Cent wieder hereinzuspielen. Weil wir ausgefuchst sind, hätten wir uns gleich so einen Kaffee genommen, wo man das Häferl gratis dazubekommt. Win-win für alle! Eine Stunde später wären wir samt dem neuen Häferl auch schon am Urlaubsziel gewesen. Aber nein, ich wollte ja ein Abenteuer für die ganze Familie!

Statt auf einer Raststation im Wechselgebiet hatten wir also einen Zwischenstopp in Doha. Dort bekamen wir gleich einen kleinen Einblick, welche unverhofften Abenteuer so eine Reise bereithalten kann. Dabei hatte ich mir Doha so spektakulär vorgestellt. Wie eine orientalische Telenovela. Emirate, Ölscheichs und Prinzessinnen, Kaffee aus güldenen Tassen. Aladin und die Wunderlampe. Tausendundeine Nacht. Die bezaubernde Jeannie. Major Nelson und Major Healey. So weit, so unrealistisch. Flaschengeist gab es natürlich keinen. Den hätten wir eher wieder in der steirischen und burgenländischen Thermenregion gefunden. Einen Uhudler-Flaschengeist!

Aber in Doha am Flughafen ist nichts aus irgendwelchen Flaschen gesprungen, auch sonst ist dort nichts herumgesprungen, weil um vier Uhr früh das komplette arabische Flughafenwunderland geschlossen war. Also blieb uns nichts anderes übrig, als nach einer Schlaf- oder zumindest Liegemöglichkeit für die kommenden sechs Stunden Ausschau zu halten. Die einzige Liegemöglichkeit, die ich auf meiner Doha-Flughafen-App fand, war ein Spa mit Schwimmbad. Ein Schwimmbad mitten am Flughafen, das noch dazu 24 Stunden geöffnet hat, wo gibt’s denn so was?! Wenn Geld keine Rolle mehr spielt, gönnt man sich ein Schwimmbad am Flughafen. Sehr klug von den Scheichs! Tourismusmagnet, sag ich nur. Vielleicht hätten wir unsere Thermalbäder auch näher an die Autobahn heranbauen sollen? Oder zumindest so kleine Teaser-Sprudelbecken entlang der Parkplätze aufstellen? Es gibt eh kaum was Grauslicheres als Autobahnparkplätze.

Für wen man ein Schwimmbad an einem Flughafen 24 Stunden lang offen hält, war mir zwar nicht klar, aber dass es für die nächsten sechs Stunden für uns sein würde, das war mir klar. Weil wenn ich von der vielen Thermenbaderei eines gelernt habe: Wo ein Schwimmbad ist, da sind auch Liegen zum Schlafen!

Liegen waren zwar da, auch ein großes Becken zum Schwimmen, aber es war so kalt, dass an Schlaf nicht zu denken war und wir unsere komplette Freizeitkleidungskollektion auftragen mussten. Drei Urlauber in Jogginganzügen dürften wohl nur suboptimal in das Designkonzept vom Flughafen-Spa gepasst haben. Kaum dass ich meine warmen Kuschelsocken unter dem Handtuch ausgestreckt hatte, wurde ein freundlicher Servicemitarbeiter zu uns entsendet, um uns höflich davon in Kenntnis zu setzen, dass das Verweilen am Pool leider nur in Badekleidung erlaubt sei. Nicht dass wir jemanden gestört hätten, wir waren allein dort! Und es war 4 Uhr früh. Vielleicht war das aber auch die Antwort auf das Vermummungsverbot, das bei uns daheim gerade eingeführt worden war. Frei nach dem Motto: Wenn wir in der noblen Wiener Kärntner Straße unsere Frauen nicht mehr einwickeln dürfen, dann müssen sich die Wiener hier eben auswickeln!

Leider war mit dem Mitarbeiter nicht zu verhandeln, weder dass er die Heizung hochdrehte, noch dass wir weiter in unseren Jogginganzügen bleiben durften. Also zogen wir uns wieder bis auf die Badekleidung aus und rollten uns mehrfach in alle verfügbaren Spa-Handtücher ein. Durch geschickte Umleitung der Atemluft in die Handtuchrolle hinein war es uns möglich, die Körpertemperatur um gefühlte 2–3 Grad anzuheben. Ein autarkes Wärmekraftwerk! Irgendwann schliefen wir vor Ermüdung ein. Ich träumte von den warmen Thermalquellen daheim und von der feierlichen Eröffnung einer Infrarotkabine gleich neben den Klos auf dem Autobahnparkplatz. Mit Blasmusikkapelle und Gottesdienst-Segnung. Der Segen hielt nicht lang an. Nach einer halben Stunde wurden wir wieder geweckt. Da war er wieder, der freundliche Mitarbeiter, diesmal mit drei weiteren freundlichen Mitarbeitern und zahlreichen Stativen, Kameras und Beleuchtungen. Der Spa-Bereich war plötzlich taghell, die Scheinwerfer waren wie Flutlicht auf uns gerichtet. Uns wäre auch das egal gewesen, wir hätten in unseren Handtuchrollen gern weitergeschlafen. Aber der freundliche Mitarbeiter informierte uns, dass nun ein Fotoshooting stattfinden würde. OHNE Publikum. Weswegen wir das Spa leider sofort zu verlassen hätten. Selbstverständlich sei man bereit, das bezahlte Eintrittsgeld zu retournieren. Ein Fotoshooting um 5 Uhr früh … genau! Für meinen Geschmack wäre das ein schöner Moment für den Auftritt des Flaschengeists gewesen. Aber dafür hätten wir wohl auch nach Poppendorf fahren müssen, und nicht so weit wegfliegen.

Sie legen ihre Männer ab

Ich finde es ja prima, direkt mit dem Handtuch am Strand zu liegen. Ohne Liege. Weil da ist immer erste Reihe fußfrei zum Meer und ich habe keinen Stress mit dem Reservieren der Liegen. Da kann sich die Mutti morgens mal entspannen, sag ich immer …

Allerdings hat der Gatte so eine Auffälligkeit in puncto Sand. Die mussten den schon als Kleinkind in Spanien direkt aus dem Meer heben und freischwebend über den Strand auf das Handtuch hieven. Kein Körnchen Sand durfte mit ihm in Berührung kommen. Falls doch, musste der kleine Prinz mit Wasser übergossen und abgespült werden. Aus dem Sandspielbecher oder dem Sangria-Kübel, was der Familie eben grad zur Hand war. Zweiteres eher …

Auch unser Kind hat nach den ersten Tagen mit Handtuch am Strand angemerkt, dass es gerne wie die normalen Gäste auf einer Liege liegen würde. Mit Schirm und Tischerl in der Mitte. Also suche ich frühmorgens den Tatort auf. Strandliegen! Und es bewahrheitet sich wieder eines: Beim Tatort und im Fußball sind die Deutschen einfach besser als wir Ösis. Ich bin um halb neun Uhr morgens natürlich viel zu spät dran. Jede Liege belegt! Aber nicht nur irgendwie belegt, sondern nach einem ausgeklügelten Muster, das ich sofort durchschaute: Mann – Buch – Mann – Buch.

Auf jeder zweiten Liege ein herrenloser Mann. Ich hab in meiner langjährigen Erfahrung als Liegenchecker schon viel gesehen, aber das ist selbst mir neu. Warum legen die da ihre Männer ab?

Neugierig streife ich also durch die Reihen auf der Suche nach freien Liegen. Buch – Mann – Buch, wie ein offener Bücherschrank, ein Paradies für mich! Der Spruch »Du kannst in mir lesen wie in einem offenen Buch« traf nie besser zu. Ohne die Menschen hinter den Reservierungen zu kennen, erstelle ich als glasklare Profilerin astreine Psychogramme anhand der abgelegten Bücher. Da die Krimi-Fraktion, Fitzek & Co. Die lesen nur im Urlaub, daheim kommt man ja zu nix. Dort Romane wie »Die Geschichte der Bienen« oder »Der Gesang der Flusskrebse«. Das sind die interessierten Vielleser. Eher so in meinem Alter aufwärts. Dann die frechen, frischen Frauenromane. Cover gerne in türkis oder rosa. Jungmütter mit wenig Zeit zum Lesen, die nur das Hirn auslüften wollen. Oder auch »Global Business Relations«, das sind die mit den aufgestellten Polohemdkrägen, die mit dem Handy am Ohr gschaftig im Vorgarten ihrer privaten Beachvilla auf und ab gehen und internationale Befehle durchgeben. Und es gibt noch die »Café am Rande der Welt«-Leser. Die vom Aussteigen aus dem Hamsterrad träumen, yolo (you only live once), aber bitte vor dem Background geregelter Essenszeiten hier im Club.

Und dazwischen die Männer. Allein. Besitzerlos.

Zum Glück erspähe ich weiter hinten noch drei freie Liegen, die ich schön mit unseren Handtüchern und einem Buch in Beschlag nehme.

Später, als wir nach dem Frühstück die Liegen wieder aufsuchen, löst sich das Rätsel um die frei liegenden Männer. Unsere reservierten Liegen sind nämlich wieder leer. Handtuch weg. Mein Buch weg. Nur ein Zettel, der draufpickt – mit der Bitte, keine Liegen zu reservieren, weil das Personal die leeren Liegen nach 45 Minuten wieder abräumen müsse. Man könne sich sein Zeugs dann gerne bei der Handtuchabgabe wieder abholen.

Und da verstehe ich auch endlich, warum die Frauen hier ihre Männer ablegen! Die kann keiner wegtragen!

Alles haben sie schon erfunden, die Menschheit fliegt ins All, aber die Sache mit den Strandliegen hat noch keiner schlau in den Griff gekriegt.

Der Häuptling der Indianer

»Das Licht am Klo kann auch der Betriebsrat nicht beeinflussen.«

Der Gatte liegt auf seiner Liege und spricht mit geschlossenen Augen. Schläft er? Träumt er? Wenn ja, was ist das für ein seltsamer Traum? Sicher, das hat ihm schon zugesetzt in den letzten Wochen, zuerst die Kündigungswelle, dann der Firmenverkauf. Die Unsicherheit, die Angst, die vielen betroffenen Mitarbeiter. Wie wird es weitergehen?

Ich mache mir langsam Sorgen. Vielleicht träumt er gerade, dass er als Betriebsrat der Letzte sein wird, der die Firma verlässt. Letzte Kuh macht Türe zu! Oder wie heißt der Spruch? Der Letzte dreht das Licht ab. Ich mache mir wirklich Sorgen. Dabei hätte er diesen Urlaub dringend notwendig, um abzuschalten und nicht an dieses ganze Drama zu denken. Jetzt liegt er hier und träumt, dass er das Licht abdreht … am Klo.

»Du, da kann ich wirklich nichts mehr machen«, sagt er jetzt. Der Arme, diese Machtlosigkeit. Wenn du nichts mehr tun kannst für die Kollegen. Das macht ihm zu schaffen. Ich schleiche mich langsam von hinten an, will ihn nicht aufwecken.

»Das ist eine Zeitschaltuhr«, redet er weiter im Schlaf. Jössas, Zeitschaltuhr! Da brauche ich nicht mal mein Traumdeutungsbuch befragen, das kann ich auch so deuten. Er spürt eine Bombe ticken, der Druck, die Existenzangst, das ist alles zu viel. Mir tut das so leid. Ich werde ihn gleich aufwecken, hole aber vorher noch schnell ein Getränk von der Beach Bar, das wird ihn beruhigen. Der All-inclusive-Cocktail-des-Tages nennt sich »Royal Explosion«. Das klingt gut. Er hört die Bombe ticken, und ich nähere mich mit der Royal Explosion.

Als ich mich über ihn beuge, um das Cocktailglas auf dem kleinen Tischchen abzustellen, werfe ich einen Schatten auf sein Gesicht. Er reißt die Augen auf.

»Sorry, ich wollte dich nicht aufwecken. Du hast im Schlaf geredet.«

»Nein, ich habe gar nicht geschlafen. Ich habe mit einem Kollegen aus der Lohnverrechnung telefoniert.«

»Oje, gibt es Probleme wegen der Gehaltsabrechnung?«, frage ich besorgt und bin froh, dass ich den All-inclusive-Cocktail genommen habe und keinen von der Karte, den man extra hätte bezahlen müssen. Jetzt gilt es den Gürtel enger zu schnallen! Jetzt müssen alle ran!

»Nein, nein, er wollte nur wissen, ob ich als Betriebsrat etwas machen kann, damit das Licht am Klo länger eingeschaltet bleibt.«

»Wie bitte?«

»Die Zeitschaltuhr, die geht irgendwann aus, und er möchte, dass man die Intervalle verlängert.«

Diese Forderung kann ich gut nachvollziehen. Manchmal finden dringende geschäftliche Sitzungen eben länger als ursprünglich anberaumt statt, wer kennt das nicht? Und wenn dann mittendrin das Licht ausgeht, hast du zwei Möglichkeiten. Bis zum Ende der Tagesordnung (»Allfälliges«) in völliger Dunkelheit weiter vorgehen. Oder aber mit heruntergelassener Hose in den vorgelagerten Waschraum hoppeln, um dort nach ein bis zwei Hampelmännern zu hoffen, dass der Bewegungsmelder vom Licht schneller anschlägt als eventuell ein Kollege den Waschraum betreten könnte.

So ein Büroklo ist ein Pulverfass an potenziellen Peinlichkeiten. Nie werde ich vergessen, wie mein erster Chef in einem großen Unternehmen mit vielen Mitarbeitern den langen Gang vom Klo in sein Büro zurückmarschierte. Ich stand gerade beim Kopierer, und als er bei mir vorbeikam, sah ich, dass ungefähr ein halber Meter Klopapier hinten aus seiner Hose hing! Was tut man da? Hinlaufen wie beim Flag-Football und dran ziehen? Nichts sagen? Ein anonymes Mail schreiben (»Sie haben da was aus der Hose hängen!«), seiner Sekretärin einen Hinweis geben? Das ist übel, für alle Beteiligten.

»Aber da kann der Betriebsrat leider wirklich nichts machen«, fährt der Gatte fort. »Da muss er sich an die Facility wenden.«

Facility, mein Lieblingswort seit der Erfindung englischsprachiger Berufsbezeichnungen. Was war denn schlecht am Wort »Hausmeister«?

»Und das ist so dringend, dass er dich deswegen im Urlaub anruft?«

»Es hat ihm eh leidgetan. Ich glaube, er hat auch nur einen Grund gesucht, um mit mir zu reden, er hat dann auch noch gefragt, ob ich schon Näheres wegen der Kündigungen weiß.«

»Und weißt du?«

»Nein. Keiner weiß mehr. Wir müssen alle abwarten. Ich kann den Leuten aktuell leider auch nicht mehr helfen«, sagt er und schaut traurig aufs Meer.

»Prost«, sag ich und halte ihm die Royal Explosion hin, weil mir kein besserer Trost einfällt.

»Prost«, antwortet er, »aber eines habe ich ihm sagen können.«

»Was denn?«

»Dass wir nicht kampflos aufgeben werden. Weil aufgegeben wird nur ein Brief!«

Und wer sollte das besser wissen als er! Ein ehemaliger Postler, der vor 30 Jahren seine Berufung als Betriebsrat bei der Post gefunden hat. Oder besser gesagt, die Berufung hat ihn gefunden. Oder noch besserer gesagt, der Kollege Studeny hat ihn gefunden.

»Wüst du net Jugendvertrauensobmann werden?«, hat ihn der Studeny vom Postamt 1080 Wien gefragt, als der Gatte dort Lehrling war. Das macht einen natürlich schon sehr stolz. Ganz gerade hat er sich hingesetzt in seinem Postamtsdienstsessel und gefragt: »Wirklich? Warum genau ich?« Erwartet und erhofft hätte er sich ein paar Lobesreden auf seine Person. Irgendwas mit »Vertrauen«, »Verantwortungsgefühl«, »Stolz« oder »Teamplayer«.

»I wü mi endlich nimma um die Theaterkoartn kümmern miassn«, hat huldvoll der Studeny geantwortet, und kurz danach war der Gatte Jugendvertrauensobmann, sowohl vom Postamt 1080 als auch von den angrenzenden Postämtern 1070 und 1090.

So fing das alles an mit der Betriebsratslaufbahn. Inzwischen greift das auch immer mehr in unser Familienleben über.

Wir sind regelmäßig dazu angehalten, sämtliche Maßnahmen zu boykottieren, die Arbeitsplätze gefährden könnten. Der Schutz von Arbeitskräften und Arbeitsplätzen ist die oberste Maxime. Also tanken wir nicht auf Automatentankstellen. Wir checken niemals beim Self-Check-in ein. Wir benützen auch keine Selbstbedienungskassen im Supermarkt. Da steht man dann schon ab und an einsam und verloren an der Kassa, mit einer einzigen traurigen Wurstsemmel in der Hand und wartet, bis jemand kommt, um das Geld höchstpersönlich und arbeitsplatzschützend entgegenzunehmen.

Wir warten im Theater, bis wir platziert werden, und natürlich verwenden wir auch keine Post-Self-Service-Boxen. Die schon gar nicht! Bei so viel Automatisierungsverweigerung mag ich mir gar nicht vorstellen, wie der Postamtsjugendvertrauensobmann damals die Einführung der elektronischen Mail aufgenommen hat. E-Mail statt Briefe! Der Untergang der Postamtskultur! Konnte damals ja noch keiner ahnen, dass sich das nur verlagert. Dass man als Postbeamter zukünftig statt parfümierter Liebesbriefe Waschmaschinen aus dem Online-Versandhandel ausführen wird. Das wäre was für den Gatten-Papa gewesen, er hätte die Waschmaschinen nicht nur zugestellt, sondern sie auch noch angesteckt.