Geister der Vergangenheit - Akela Fisher - E-Book

Geister der Vergangenheit E-Book

Akela Fisher

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Beschreibung

Acht Geschichten, Acht Tore in die Geisterwelt Wo das Dunkel niemals wirklich weicht, erwachen unheilvolle Mächte, und das Grauen nimmt seinen Lauf. Ein schutzloses Dorf wird von einem erbarmungslosen Geisterheer heimgesucht, während ein der Hexerei Beschuldigter ums Überleben kämpft und ein mysteriöser Fürst schreckenerregende Geheimnisse birgt. Acht fesselnde Gruselgeschichten, die dich in eine mittelalterliche Welt entführen, in der das Unheimliche mehr ist als nur ein Schatten – ein düsteres Abenteuer, das du nicht so schnell vergessen wirst. Klappentext: Poltergeister, Hexen, Vampire und andere Spukgestalten treiben in dieser Sammlung von Kurzgeschichten ihr Unwesen. Unheilvolle Träume und Vorhersehungen, aber auch homoerotische Augenblicke entführen den Leser in eine gespenstische und dennoch liebevolle Welt.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Akela Fisher

 

Geister der

Vergangenheit

 

Band 1

 

 

Impressum

Copyright © 2023 Akela Fisher

Alle Rechte vorbehalten.

2. Auflage, Vorgängerausgabe 2022

Website: https://akelasbooks.de

Lektorat von: "Die Flinke Feder", https://www.die-flinke-feder.de/

Coverdesign von: "Dream Design - Cover and Art", https://coverandart.jimdofree.com/

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors.

 

Verantwortlich im Sinne des § 5 TMG:

Akela Fisher

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

 

 

Inhalt

 

Heimsuchung

Verhängnisvolle Ereignisse

Das Notizbuch

Nie wirst du entkommen

Nächte des Schreckens

Briefe von dir

Vorhersehung

In meinen Träumen

Content Notes

Über Akela

Akelas Gruselgeschichten

Akelas Romane

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heimsuchung

 

 

Ein lautes Poltern riss Nevio aus dem Tiefschlaf. Mit weit aufgerissenen Augen saß er in seinem Bett und starrte auf die geschlossene Tür seiner Schlafkammer. Seltsame Geräusche erklangen von der anderen Seite.

Langsam stand er auf und schritt auf die Tür zu. Vorsichtig öffnete er sie und wagte einen Blick auf den Flur, doch war niemand zu sehen.

Während er dicht an der Wand entlang Richtung Küche schlich, wurden die Geräusche immer lauter. Ein Knarzen ertönte, als er auf eine lose Diele trat und der Lärm in der Küche verstummte. Mit klopfendem Herzen blickte er um die Ecke in den Raum hinein. Ihm stockte der Atem, als er die Unordnung sah, die dort herrschte. Schranktüren standen offen, Geschirr lag zerbrochen auf dem Boden, auch Stühle waren umgestoßen worden, nur war weit und breit niemand zu sehen.

Nevio zündete eine Öllampe an und warf einen Blick in jeden Raum, um sicherzugehen, dass außer ihm niemand hier war.

Beunruhigt ging er zurück in sein Bett, doch schlafen konnte er nicht mehr.

 

Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, quälte Nevio sich müde aus seinem Bett und begann damit seine Küche wieder aufzuräumen. Erschrocken zuckte er zusammen, als es plötzlich an der Haustür klopfte. Er warf einen Blick aus dem Fenster und sah seinen besten Freund Luca. Erleichtert atmete er aus und öffnete ihm die Tür. Freudig lächelnd setzte der zu einem Guten Morgen an, jedoch brachte er keinen Ton heraus, als er Nevios verstörten Gesichtsausdruck sah.

»Du siehst müde aus«, stellte er fest.

»Ich habe nicht gut geschlafen.«

»Ist irgendetwas passiert?« Luca ging mit besorgter Miene auf Nevio zu.

»Nein. Es ist alles in Ordnung.« Er lächelte verlegen und hoffte, dass sein Freund die Lüge nicht durchschauen würde. Der sah ihn skeptisch an und betrat das Haus.

 

»Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?«, fragte Nevio und stieg vorsichtig über einen Scherbenhaufen auf dem Küchenfußboden.

»Danke. Was ist denn hier passiert? Wurde bei dir eingebrochen?« Luca betrat hinter ihm die Küche und traute seinen Augen kaum.

»Das ist mir runtergefallen«, antwortete Nevio. »Ich werde Tee aufsetzen«, ergänzte er und griff nach dem Kessel.

»Hoffentlich hast du noch zwei Tassen, die nicht kaputt sind.« Luca sah sich verwundert um.

 

Nur wenig später saßen die beiden Männer am notdürftig gesäuberten Küchentisch und tranken Tee.

»Möchtest du mir nicht doch erzählen, was passiert ist?«, hakte Luca vorsichtig nach.

»Es ist nichts passiert.« Nevio vermied es, ihm in die Augen zu sehen und nippte an seinem Tee. Luca lehnte sich ein Stück vor und strich ihm sanft über die Hand.

»Nevio, ich mache mir etwas Sorgen bei diesem Anblick hier. Deine Küche ist verwüstet, du empfängst mich kreidebleich an der Tür und möchtest mir trotz allem weismachen, es sei nichts geschehen?«

»Es ist nichts geschehen, weshalb du dich sorgen müsstest. Das kannst du mir glauben.« Nevio sah ihn durchdringend an und Luca verstand, dass sein Freund nicht darüber reden wollte.

 

Es war bereits mitten in der Nacht, als Nevio von seiner Arbeit in einem nahe gelegenen Wirtshaus nach Hause kam. Müde und erschöpft ließ er sich in sein Bett fallen, doch war ihm auch in dieser Nacht der wohlverdiente Schlaf nicht vergönnt. Nur kurz nachdem er eingeschlafen war, wurde er erneut durch lautes Poltern in seinem Haus geweckt.

Schwer atmend trat er aus seiner Schlafkammer und bahnte sich vorsichtig seinen Weg bis zur Küche. Stets darauf bedacht nicht wieder auf die lose Diele im Flur zu treten, stieß er sich den Fuß an einer Kommode. Er biss sich auf die Unterlippe und ging mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Knie. Der Lärm in der Küche verstummte. Langsam stand Nevio wieder auf und warf nervös einen Blick hinein. Jedoch war nichts außer der gleichen Unordnung wie in der vorangegangenen Nacht zu sehen.

Schweigend stand er auf dem Flur und zweifelte an seinem Verstand. Auch heute war außer ihm niemand im Haus zu sehen. So fragte er sich, wie dieses Chaos schon wieder hatte entstehen können.

Er war sich sicher, dass er es nicht selbst gewesen war, und überprüfte noch einmal Türen und Fenster. Die waren jedoch alle verschlossen.

Er stand am Küchenfenster und sah nachdenklich auf den Weg vor seinem Haus, als sich plötzlich ein Schatten in der Scheibe spiegelte. Erschrocken fuhr er herum, doch die Küche war nach wie vor leer. Hastig atmend ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, um sich zu versichern, dass außer ihm niemand hier war. Als er sah, wie ein weiterer Teller auf ihn zugeflogen kam, erschrak er und duckte sich. Der Teller zersprang am Fensterrahmen und ließ das Glas der Scheibe zersplittern. Schmerzhaft zerschnitten die Scherben seinen Rücken und seine Arme.

 

Mit zittrigen Händen stand er an einer Waschschüssel und versuchte seine Verletzungen zu säubern. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er einige kleinere Scherben aus seiner Haut und starrte fassungslos in den Spiegel, der vor ihm auf der Kommode stand. Er verstand nicht, was in seinem Haus passierte, und befürchtete schon, langsam verrückt zu werden.

 

Bis am nächsten Morgen die Sonne aufging, saß er in einem Sessel und starrte angespannt ins Leere.

So bekam er auch nicht mit, wie Luca abermals an seiner Tür klopfte.

Erst, als dieser plötzlich vor ihm stand, riss es ihn aus seinen Gedanken.

»Wie bist du denn hier reingekommen?«, fragte er müde und sah seinen Freund aus halbgeöffneten Augen an.

»Durch das Fenster in deiner Schlafkammer. Das stand offen«, sagte Luca und kniete sich vor Nevio auf den Boden. Der sah schweigend an seinem Freund vorbei.

»Das stand offen? Aber ich hatte doch alle Fenster kontrolliert«, flüsterte er zu sich selbst.

Luca sah ihn irritiert an. »Du siehst heute noch schlimmer aus als gestern. Erzählst du mir bitte endlich, was passiert ist?«

»Ich habe einfach nur sehr schlecht geschlafen«, entgegnete Nevio ausweichend.

Lucas Blick fiel auf Nevios Unterarm, den eine kleine Schnittverletzung zierte. »Und wie ist das passiert?«, fragte er und schob Nevios Hemdärmel ein Stück nach oben, wobei er noch weitere Verletzungen freilegte. Nevio zog seinen Arm zurück.

»Nevio, was ist geschehen? Woher hast du diese vielen Verletzungen?«

»Ich weiß es nicht.« Er schob seinen Hemdärmel wieder über seinen Arm, um die Verletzungen zu verstecken.

»Das glaube ich dir nicht«, entgegnete Luca mit Nachdruck. Er machte sich große Sorgen um seinen Freund und wünschte sich nichts mehr, als ihm helfen zu können.

»Ich muss gleich zur Arbeit«, sagte Nevio, Lucas Einwände ignorierend, stand auf und verließ den Raum.

»Du solltest dir etwas anderes anziehen, bevor du das Haus verlässt«, rief Luca ihm hinterher, als er die Risse in Nevios Hemd sah. Am liebsten wäre er ihm in diesem Moment hinterhergelaufen, um sich das Ausmaß der Verletzungen genauer ansehen zu können, doch war ihm bewusst, dass Nevio sich dadurch nur weiter von ihm abwenden würde und dass er ihn nicht dazu zwingen konnte mit ihm zu reden.

 

Wie immer kam Nevio auch an diesem Abend sehr spät nach Hause. Mit dem Schlüssel in der Hand stand er regungslos vor seiner Haustür und wagte es nicht einzutreten. Er fragte sich, was ihn wohl in dieser Nacht wieder erwarten würde. Und recht hatte er. Bereits als er den Flur hinunter zu seiner Schlafkammer ging, huschte ein düsterer Schatten an ihm vorbei. Erschrocken wich er zurück und überlegte kurz, ob er die Nacht im Wirtshaus verbringen sollte. Nur was würde die Wirtin dazu sagen? Sie würde ihn für verrückt halten, wenn er ihr sagen würde, dass es in seinem Haus scheinbar spukte. Er atmete tief durch, eilte in seine Schlafkammer und verschloss die Tür hinter sich. Sollte auch in dieser Nacht wieder lautes Poltern aus der Küche zu vernehmen sein, würde er einfach in seinem Bett bleiben.

 

Er stand vor der Waschschüssel und starrte teilnahmslos auf die Wasseroberfläche, bis er abermals einen Schatten bemerkte und ruckartig seinen Kopf hob. Sein Blick fiel in den kleinen Spiegel vor ihm und er erkannte das bleiche Gesicht einer Frau hinter sich. Panisch drehte er sich um, doch war er allein in seiner Schlafkammer. Hektisch atmend, ließ er seinen Blick durch den Raum streifen und wandte sich dann zögerlich wieder dem Spiegel zu, jedoch war außer seinem eigenen Spiegelbild niemand zu sehen.

Langsam schritt er auf sein Bett zu. Sein Blick richtete sich auf das kleine Fenster. Es war eine sternenklare Nacht und der Mond schien hell, doch plötzlich tauchte das gespenstische Gesicht in der Fensterscheibe auf und abermals wich Nevio erschrocken zurück. Ein spitzer durchdringender Schrei ertönte und hastig eilte er aus seinem Haus. Erst als er draußen auf dem Weg stand, drehte er sich noch einmal um. Alles schien vollkommen normal zu sein. Es war ruhig und dunkel im Inneren des Hauses, und trotzdem traute er sich nicht wieder hineinzugehen. So schlug er nun doch den Weg zurück in das Wirtshaus ein, in dem er arbeitete.

 

Er klopfte und die Wirtin öffnete ihm.

»Nevio? Was machst du denn so spät noch hier?«, fragte sie überrascht, als sie in ihrem Nachthemd vor ihm stand.

»Verzeih mir bitte, dass ich dich störe. Hast du noch ein freies Zimmer? Ich würde heute gerne hier übernachten, du kannst mir das auch vom Lohn abziehen, nur bitte ...«, begann er hastig, doch unterbrach die Wirtin ihn.

»Ganz ruhig. Komm erst mal rein.« Sie trat beiseite und ließ ihn eintreten.

 

Sie machte für Nevio eine Tasse Tee und setzte sich mit ihm in die Gaststube.

»Was ist denn passiert? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen«, sagte sie und lachte kurz auf.

Nevio jedoch schwieg mit ernster Miene. »Ich bin nur müde und habe wohl meinen Schlüssel verlegt. Ich bin nicht in mein Haus gekommen«, log er, als er den fragenden Blick der Wirtin bemerkte.

»Na gut, dann geh erst mal schlafen und morgen früh suchen wir in Ruhe deinen Schlüssel.«

 

Auch am nächsten Morgen klopfte Luca an Nevios Haustür. Er machte sich noch immer große Sorgen und wollte nach ihm sehen, doch auch heute öffnete ihm niemand. Er ging um das Haus herum, sah in alle Fenster, jedoch schien Nevio nicht zu Hause zu sein. Kurz überlegte er, wo er seinen Freund wohl finden könnte, und schlug dann den Weg zu dessen Arbeitsstelle ein.

Er betrat das Wirtshaus und fand die Wirtin bei ihrem Frühstück an der Theke sitzend vor.

»Verzeihen Sie mir bitte die frühe Störung. Ich bin auf der Suche nach Nevio. Ist er hier?«

Die Wirtin drehte sich zu ihm um und musterte ihn genau.

»Mein Name ist Luca, ich bin ein guter Freund von Nevio. Ich war eben an seinem Haus, doch da ist er nicht.« Er machte ein paar Schritte auf die Wirtin zu.

»Ja, Nevio hat die vergangene Nacht hier verbracht. Du musst die Treppe nach oben. Die zweite Tür auf der linken Seite ist sein Zimmer.«

»Vielen Dank.« Luca verneigte sich leicht und ging nach oben.

Er klopfte an die Zimmertür und kurz darauf wurde ihm geöffnet.

»Was machst du denn hier?«, fragte Nevio überrascht.

»Ich mache mir nach wie vor Sorgen und in deinem Haus habe ich dich nicht angetroffen.« Luca ließ seinen Blick an Nevios Körper entlanggleiten. Der junge Mann stand mit nacktem Oberkörper vor ihm. Er trug nichts außer einer dünnen Stoffhose, die locker auf seiner schmalen Hüfte hing. Einen kurzen Moment vergaß er bei dem Anblick, weshalb er eigentlich hier war, bis Nevios Stimme ihn aus seinen Gedanken riss.

»Komm rein.« Nevio wandte sich von der Tür ab und schritt auf sein Bett zu. Luca schloss die Tür und folgte ihm. Dabei fiel sein Blick auf die Verletzungen am Rücken seines Freundes. Er seufzte. Zu gerne hätte er gewusst, wie es zu diesen Schnitten hatte kommen können und wer ihm das angetan hatte, doch machte er sich wenig Hoffnung, dass Nevio offen mit ihm darüber reden würde.

Der zog sich indes ein Hemd über und schlüpfte in seine Schuhe.

»Du siehst auch heute sehr müde aus, wenn ich das so sagen darf«, sagte Luca ernst.

»Worauf willst du hinaus?«, fragte Nevio mit genervtem Unterton.

»Ich beobachte das jetzt schon einige Tage und war durchaus gewillt dir zu glauben, dass du einfach nur schlecht geschlafen hast, ansonsten aber alles in Ordnung ist. Nur fällt es mir jeden Tag schwerer, dir das zu glauben. Also würdest du mir nun bitte endlich sagen, was mit dir los ist?«

Nevio seufzte und setzte sich auf das Bett. »Du wirst mich für verrückt halten.«

»Nein, werde ich nicht. Ich sehe doch, dass es dir schlecht geht, also ist irgendetwas und was auch immer es ist, ich werde dich ernst nehmen.«

Schweigen trat ein.

»Ich verspreche es dir.«

»Nun gut.« Nevio seufzte erneut. »In meinem Haus geschehen seltsame Dinge. Ich kann es mir nicht erklären. Nachts wecken mich laute Geräusche und wenn ich nachsehe, dann finde ich zerbrochenes Geschirr oder auf dem Boden liegende Bücher mit rausgerissenen Seiten. Mein Haus ist völlig verwüstet, aber es ist niemand anwesend. Ich habe noch nie jemanden erwischt und jede Nacht geschieht das Gleiche. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, es spukt.«

Luca sah ihn nachdenklich an. »Wieso sollte es nicht spuken?«

»Glaubst du etwa wirklich an Geister?«, entgegnete Nevio verwirrt.

»Es ist mir bisher keiner begegnet, allerdings ist das kein Beweis dafür, dass sie nicht existieren.«

Lucas Worte brachten Nevio zum Nachdenken.

»Und wovon hast du diese Verletzungen?«

»Irgendetwas hat Geschirr nach mir geworfen und ich habe die Scherben der splitternden Fensterscheibe abbekommen.« Nevio sah ihn verzweifelt an. Er konnte selbst nicht glauben, was er da sagte, und hoffte Luca würde sein Versprechen halten und ihn trotz der irrsinnigen Geschichte ernst nehmen.

»Was hältst du davon, wenn ich heute Nacht bei dir schlafe und wir uns gemeinsam ein Bild von den Geschehnissen machen?«

»Das würdest du für mich tun?« Nevio war überrascht.

»Selbstverständlich. Was wäre ich denn für ein Freund, wenn ich dich in dieser schwierigen Lage allein lassen würde?«

Ein Lächeln schlich sich auf Nevios Lippen und erleichtert atmete er aus.

 

Als Nevio mitten in der Nacht nach Hause kam, wartete Luca bereits vor dessen Haustür auf ihn.

Mit zittrigen Händen schloss Nevio auf und die beiden traten ein. Luca beobachtete seinen Freund sehr genau. Was auch immer die letzten Nächte in diesem Haus geschehen war, hatte seine Spuren an ihm hinterlassen und so war Luca sehr froh, dass Nevio diese Nacht nicht allein war.

 

Nur wenig später lagen die beiden nebeneinander im Bett und Nevio knetete nervös seine Hände.

»Was hast du?«, fragte Luca ruhig.

»Es ist nur ... etwas seltsam, dass du mit mir in meinem Bett liegst«, gab Nevio mit einem verlegenen Lächeln zu.

»Bist du nervös?« Luca schmunzelte.

»Nein, natürlich nicht.«

Er sah Nevio skeptisch an.

»Na gut, es macht mich ein bisschen nervös.«

»Meinetwegen brauchst du nicht nervös zu sein. Ich tue dir ganz sicher nichts. Dazu liebe ich dich viel zu sehr.«

Nevio starrte ihn sprachlos an.

»Wusstest du das etwa nicht?«, fragte sein Freund überrascht. Nevio schüttelte zaghaft den Kopf, brachte jedoch immer noch kein Wort heraus.

»Ich dachte, mein Verhalten hätte mich längst verraten«, gab Luca peinlich berührt zu. Schweigend sah Nevio ihm tief in die Augen und streckte zögerlich eine Hand nach ihm aus. Unsicher, ob er ihn wirklich berühren sollte, hielt er inne und versuchte Lucas Gesichtsausdruck zu deuten. Der spürte die Unsicherheit seines Freundes und lächelte ihn liebevoll an, während er sich ein Stück zu ihm rüber lehnte. Nevio legte seine Hand an Lucas Wange und ihre Lippen trafen zärtlich aufeinander. Genießend schlossen sie die Augen und Luca zog seinen Freund in seine Arme.

 

Mit den ersten Sonnenstrahlen des nächsten Tages erwachten beide ausgeruht und entspannt. Ein glückliches Lächeln zierte Lucas Lippen, als er Nevio, der noch immer in seinem Arm lag, verschlafen blinzeln sah.

»Guten Morgen«, flüsterte er sanft und brachte somit auch Nevio zum Lächeln. »Hast du gut geschlafen?«

»Die Nacht war ruhig, zumindest habe ich nichts gehört«, antwortete Nevio und seine Miene verfinsterte sich. Er befürchtete, dass Luca ihm nun nicht glauben würde, was die Nächte zuvor geschehen war.

»Es scheint, als ob es wusste, dass du die Nacht nicht allein warst«, entgegnete Luca. Nevio sah ihn erleichtert an.

»Ich sollte bei dir bleiben, damit es dich auch weiterhin in Ruhe lässt.«

»Ob deine Vermutung stimmt, können wir aber nur herausfinden, wenn ich in der nächsten Nacht wieder alleine schlafe«, sagte Nevio nachdenklich.

»Möchtest du das wirklich herausfinden?«, hakte Luca besorgt nach.

»Ich will verstehen, was hier vor sich geht.«

»In Ordnung. Aber ich bleibe in der Nähe des Hauses, für den Fall, dass etwas passiert, und ich dulde keine Widerrede.« Luca hatte bemerkt, dass Nevio der Vorschlag missfiel. Ihm war klar, dass der befürchtete, er würde ihm zur Last fallen, doch war dem nicht so. Er machte sich Sorgen und er wollte für Nevio da sein. »Ich lasse dich damit nicht allein«, fügte er an und gab seinem Freund einen liebevollen Kuss auf die Lippen. Der stimmte nickend zu und stand auf.

 

Sein Weg führte ihn direkt in seine Küche, die er an diesem Morgen sauber und ordentlich vorfand. Alles stand an seinem Platz und es gab keine Anzeichen für irgendwelche seltsamen Ereignisse.

»Vielleicht bin ich auch verrückt«, sagte Nevio ungläubig.

»Nein ... nein, du bist auf keinen Fall verrückt.« Luca betrat hinter ihm die Küche und zog ihn in seine Arme. »Wir werden schon dahinterkommen, was hier vor sich geht.« Luca ließ wieder von ihm ab und setzte Tee auf.

 

Als sie wenig später gemeinsam frühstückend am Tisch saßen, griffen sie das Thema noch einmal auf.

»Wenn wir davon ausgehen, dass es tatsächlich spukt, dann stellt sich mir die Frage, weshalb das erst jetzt geschieht. Du lebst schließlich schon sehr lange hier. Es hätte längst etwas in der Art passiert sein müssen«, sagte Luca nachdenklich.

»Ich wohne schon mein ganzes Leben in diesem Haus. Ich bin hier geboren und hier geblieben, nachdem meine Eltern verstorben sind. Es ist nie zuvor irgendetwas Seltsames vorgekommen«, erklärte Nevio und zog die Stirn in Falten.

»Ist das Haus schon lange in Familienbesitz, oder hat hier vor deinen Eltern jemand anderes gewohnt?«, fragte Luca.

»Das weiß ich gar nicht. Aber vielleicht können wir das herausfinden.«

»Wie willst du das denn herausfinden?«, hakte Luca verwirrt nach.

»Es gibt viele ältere Menschen hier in der Stadt, irgendeiner wird sich doch sicher daran erinnern, wer hier früher mal lebte. Ich werde nachher die Wirtin fragen, ob sie etwas weiß. Sie wohnt schließlich auch schon ewig hier.«

»In Ordnung. Lass mich wissen, wenn du etwas herausfinden konntest.« Luca stand auf und räumte den Tisch ab, während Nevio sich auf den Weg in das Wirtshaus machte.

 

»Hast du einen Augenblick Zeit für mich? Ich würde dich gerne etwas fragen«, sagte Nevio, als er auf die Wirtin traf.

»Für dich habe ich doch immer Zeit«, entgegnete sie lächelnd und setzte sich mit Nevio an einen Tisch.

»Ich habe mich gefragt, wer eigentlich in meinem Haus lebte, bevor es in den Besitz meiner Eltern kam. Da du schon so lange hier lebst, hatte ich gehofft, du wüsstest das vielleicht oder kennst jemanden, der das wissen könnte.« Er sah die Wirtin verunsichert an. Es war ihm unangenehm, sie mit solchen Dingen von der Arbeit abzuhalten.

»An der Stelle stand früher kein Haus. Deine Eltern haben es gebaut, als dein Vater eine feste Arbeit bei unserem Schmied bekam.«

Überrascht sah Nevio sie an. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass das Haus, in dem er lebte, noch so neu war. Es war an vielen Stellen marode und baufällig, was ihn hatte glauben lassen, dass das Haus schon viele Jahrzehnte dort gestanden haben muss.

»Und was war vorher an der Stelle?«, hakte er nach.

Die Wirtin zögerte und schien zu überlegen, was sie ihm antworten sollte. »Nichts. Es war einfach nur ein brachliegendes Stück Land«, sagte sie, zwang sich zu einem Lächeln und machte sich wieder an ihre Arbeit.

 

Nachdem am späten Abend das Wirtshaus seine Tore geschlossen hatte, ging Nevio mit Luca durch die menschenleeren Straßen spazieren und erzählte ihm von dem Gespräch mit der Wirtin.

»Das Haus ist kaum älter als ich«, sagte er und sah Luca ungläubig an.

»Das ist wirklich seltsam. Es sieht uralt aus. Vielleicht hat dein Vater minderwertige Materialien für den Bau verwendet.«

»Das wäre möglich. Als Schmied verdient man nicht besonders viel.« Nevio sah zu Boden. »Oder irgendwas stimmt mit der Erde nicht, auf der es steht.«

»Auch das wäre denkbar«, entgegnete Luca und schlug mit Nevio den Heimweg ein.

 

Als sie vor dessen Haus ankamen, zog er ihn in seine Arme und küsste ihn sanft.

»Ich wünsche dir trotz allem eine gute Nacht und hab keine Angst. Ich bleibe in der Nähe und wenn es laut wird im Haus, dann bin ich sofort da. Am besten lässt du wieder das Fenster in deiner Schlafkammer offen stehen.« Nevio nickte und wandte sich der Tür zu. Es beunruhigte ihn sehr, dass er heute Nacht wieder allein in seinem Haus sein würde, doch gab es ihm auch Sicherheit zu wissen, dass Luca stets in der Nähe war.

»Gute Nacht«, sagte er leise und verschwand im Haus.

Luca wartete vor der Tür bis in Nevios Schlafkammer das Licht erlosch und entfernte sich dann ein wenig vom Haus.

 

Nevio lag schlafend in seinem Bett, bis ein Gefühl von eisiger Kälte ihn weckte. Gänsehaut hatte sich auf seinen Armen ausgebreitet und mit klappernden Zähnen zog er die Decke bis zu seiner Nase. Verunsichert sah er sich im Raum um. Es war Sommer und somit unmöglich, dass es plötzlich derart kalt werden konnte. Es kam ihm seltsam vor und so setzte er sich, noch immer bis zur Nase in die Decke gewickelt, auf. Er erhob sich, trat an das offene Fenster heran und hielt eine Hand nach draußen. Es fühlte sich deutlich wärmer an als in seiner Schlafkammer. Ein Schatten huschte hinter ihm entlang und ruckartig drehte er sich um. Nichts war zu sehen. Er schritt auf die Tür zu. Sein Blick fiel auf den kleinen Spiegel und er erkannte dasselbe aschfahle eingefallene Gesicht wie zuvor, dass ihn aus dunklen Augenhöhlen anzusehen schien. Er erschrak, stolperte und fiel zu Boden, wobei er sich die Schulter schmerzhaft am Bettpfosten stieß. Regungslos blieb er auf dem Boden liegen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und hektisch atmend beobachtete er, wie dieser Geist aus dem Spiegel trat und sich groß und bedrohlich vor ihm aufbaute. Verängstigt versuchte er zurückzuweichen.

»Was willst du von mir?«, fragte er mit zittriger Stimme.

»Ich will, dass du verschwindest«, erklang die Stimme des Geistes, ohne dass sich dessen Lippen bewegten.

---ENDE DER LESEPROBE---