Geküsst von einem Ritter - Elizabeth Lowell - E-Book
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Geküsst von einem Ritter E-Book

Elizabeth Lowell

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Beschreibung

Nur ihre Liebe kann ihn retten: Der bewegende historische Liebesroman »Geküsst von einem Ritter« von Elizabeth Lowell jetzt als eBook bei venusbooks. England im 12. Jahrhundert. Sie hat geschworen, dass kein Mann sie je wieder berühren wird – doch nun muss Lady Ariane auf Befehl des Königs den Ritter Simon ehelichen. Zu ihrer großen Überraschung geschieht das, womit sie niemals gerechnet hätte: Trotz ihrer schrecklichen Vergangenheit fühlt sie sich nach und nach immer mehr zu dem stattlichen Ritter hingezogen. Auch Simon empfindet mit jedem Tag stärker für seine schöne Frau ... Aber eines Tages steht der Mann vor den Toren der Burg, der Ariane das nahm, was man keiner Frau rauben darf – und setzt nun alles daran, ihr Leben endgültig zu zerstören. Wird Simon sie beschützen oder hat der abscheuliche Geoffrey längst die dunkle Saat des Zweifels in seinem Herzen gesät? »So sinnlich und mitreißend – einfach unvergleichlich!« Romantic Times Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die Ritter-Romance »Geküsst von einem Ritter« von Bestsellerautorin Elizabeth Lowell ist der dritte Band der Valiant-Knights-Saga, der unabhängig von den anderen Bänden gelesen werden kann. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 646

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Über dieses Buch:

England im 12. Jahrhundert. Sie hat geschworen, dass kein Mann sie je wieder berühren wird – doch nun muss Lady Ariane auf Befehl des Königs den Ritter Simon ehelichen. Zu ihrer großen Überraschung geschieht das, womit sie niemals gerechnet hätte: Trotz ihrer schrecklichen Vergangenheit fühlt sie sich nach und nach immer mehr zu dem stattlichen Ritter hingezogen. Auch Simon empfindet mit jedem Tag stärker für seine schöne Frau ... Aber eines Tages steht der Mann vor den Toren der Burg, der Ariane das nahm, was man keiner Frau rauben darf – und setzt nun alles daran, ihr Leben endgültig zu zerstören. Wird Simon sie beschützen oder hat der abscheuliche Geoffrey längst die dunkle Saat des Zweifels in seinem Herzen gesät?

»So sinnlich und mitreißend – einfach unvergleichlich!« Romantic Times

Über die Autorin:

Elizabeth Lowell ist das Pseudonym der preisgekrönten amerikanischen Bestsellerautorin Ann Maxwell, unter dem sie zahlreiche ebenso spannende wie romantische Romane verfasste. Sie wurde mehrfach mit dem Romantic Times Award ausgezeichnet und stand bereits mit mehr als 30 Romanen auf der New York Times Bestsellerliste.

Elizabeth Lowell veröffentlichte bei venusbooks bereits ihre historischen Liebesromane der Valiant-Knights-Saga »Begehrt von einem Ritter«, »Verführt von einem Ritter« und »Geküsst von einem Ritter«.

Die Website der Autorin: elizabethlowell.com

***

eBook-Neuausgabe Februar 2023

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1994 unter dem Originaltitel »Enchanted« bei Avon Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1996 unter dem Titel »Lockende Nachtigall« bei Goldmann.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1994 by Two of Kind, Inc.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1996 by Wilhelm Goldmann Verlag, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Malinovskaya Yulia, michelaubryphoto, SergeyKlopotov, FXQuadro

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96898-228-1

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

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Elizabeth Lowell

Geküsst von einem Ritter

Roman

Aus dem Amerikanischen von Elke Bartels

venusbooks

Für DEBBY TOBIAS – In allem die Beste

Kapitel 1

Herbst zur Zeit König Heinrichs I.

Stone Ring Keep, Burg von Lord Duncan und Lady Amber, in den Kriegsgebieten im nördlichen Teil des normannischen Englands.

»Was wird es sein«, murmelte Ariane vor sich hin, »eine Hochzeit oder eine Totenwache?«

Sie starrte auf den Dolch in ihren Händen, als könnte sie dort eine Antwort finden; alles, was sie sah, war flackerndes Kerzenlicht, das wie silbernes Blut über die Klinge rann. Als sie das gespenstische Glühen betrachtete, fand die Frage ein Echo in der Stille ihrer Gedanken.

Eine Hochzeit oder eine Totenwache?

Die Antwort, die Ariane schließlich in den Sinn kam, war jedoch kein Trost für sie.

Was spielt es schon für eine Rolle? Es sind nur zwei verschiedene Wörter für die gleiche Sache.

Jenseits der hohen Burgmauern von Stone Ring Keep kündigte das Heulen des Windes den nahenden Winter an.

Ariane nahm den klagenden Laut nicht wahr. Sie hörte nichts, nur das Echo der Vergangenheit, das Echo jenes Tages, an dem ihre Mutter den juwelenbesetzten Dolch in die kleinen Hände der Tochter gelegt hatte.

In ihrer Erinnerung konnte Ariane noch immer das dunkelviolette Funkeln von Amethysten sehen und das kalte Gewicht des Silbers fühlen. Die Worte ihrer Mutter waren sogar noch kälter und bedrohlicher gewesen.

Selbst das ewige Fegefeuer kann keine größere Bestrafung sein als ein grausames Ehelager. Mach lieber von dieser Waffe Gebrauch, statt unter einem Mann zu liegen, den du nicht liebst.

Unglücklicherweise hatte Arianes Mutter nicht lange genug gelebt, um ihrer Tochter zu erklären, wie sie die Waffe benutzen sollte und gegen wen sie sie richten sollte. Wessen Totenwache sollte es sein, die das Bräutigams oder die der Braut?

Soll ich mich denn wohl selbst töten oder Simon, dessen einziges Verbrechen darin besteht, mich heiraten zu wollen – aus Treue zu seinem Bruder, Lord Dominic von Blackthorne Keep?

Treue.

Ein sehnsüchtiges Zittern durchlief Ariane und ließ die Falten ihres gold- und rotbraunen Gewandes erbeben, als wären sie lebendig.

Lieber Gott, wie glücklich würde ich mich preisen, wenn es solche Treue auch in meiner eigenen Familie gäbe!

Düstere Alpträume drohten den inneren Schutzwall zu durchbrechen, den Ariane gegen ihre Erinnerungen errichtet hatte. Grimmig verdrängte sie jeden Gedanken an die Nacht, in der sie erst von Geoffrey dem Schönen und dann von ihrem eigenen Vater verraten worden war.

Die Klinge des Dolches ritzte Arianes Hand und sagte ihr, daß sie die Waffe zu fest hielt. Vage fragte sie sich, was es wohl für ein Gefühl sein würde, wenn der Dolch noch ein ganzes Stück tiefer in ihr Fleisch schnitte.

Sicherlich könnte es nicht schlimmer sein als ihre Alpträume.

»Ariane, hast du mein ... oh, was für ein hübscher Dolch«, sagte Amber, deren Blick beim Betreten des Raums auf den quecksilbrigen Glanz gefallen war. »Er ist so fein gearbeitet wie eine Brosche.«

Die Stimme riß Ariane aus ihrer düsteren Versunkenheit, und mit einem unterdrückten Seufzer lockerte sie ihren Griff um den Dolch und wandte sich zu der jungen Frau um, deren goldfarbener Überwurf die Farbe ihrer Augen und ihres Haares betonte.

»Der Dolch gehörte meiner Mutter«, erklärte Ariane.

»Wirklich ungewöhnlich schöne Amethyste. Sie haben genau die Farbe deiner Augen. Waren ihre auch violett?«

»Ja.«

Mehr sagte Ariane nicht.

»Und deine Gedanken«, fuhr Amber sachlich fort, »sind von der gleichen Farbe wie dein Haar. So schwarz wie die finstersten Stunden der Nacht.«

Ariane stockte der Atem. Argwöhnisch beäugte sie die Gelehrte Herrin von Stone Ring Keep, die die Wahrheit in einem Menschen erkennen konnte, wenn sie ihn nur berührte.

Doch das tat sie in diesem Moment nicht einmal.

»Ich brauche dich nicht zu berühren«, erklärte Amber, die ihre Gedanken erraten hatte. »Die Finsternis ist in deinen Augen. Und in deinem Herzen.«

»Ich fühle nichts.«

»Aber sicher tust du das. Deine Gefühle sind wie eine Wunde, die nur verborgen wurde, aber nicht geheilt.«

»Ist das so?« fragte Ariane gleichgültig.

»Ja«, erwiderte Amber. »Ich habe es gefühlt, als ich dich das erste Mal berührte. Du mußt es doch auch spüren.«

»Nur im Schlaf.«

Ariane schob den Dolch wieder in die lederne Scheide an ihrem Gürtel und griff nach der kleinen Harfe, die einmal ihre Freude gewesen war. Jetzt spendete sie ihr Trost. Das dunkle, fein geschwungene Holz war mit Einlegearbeiten aus Silber, Perlmutt und Karneol in Form einer blühenden Weinrebe verziert.

Aber es war nicht deren elegante Form, die Ariane nach der Harfe greifen ließ. Sondern deren Stimme. Die langen Finger des Mädchens bewegten sich über die Saiten und entlockten ihnen einen Akkord, der auf unheimliche Weise mit dem Sturm draußen harmonierte und eine mühsam beherrschte Wildheit verriet.

Verborgen, nicht geheilt.

Als Amber die Harfe für die schweigsame junge Frau sprechen hörte, wollte sie gegen die Mischung aus Furcht, Zorn und Kummer protestieren, die hinter der ruhigen Fassade des normannischen Mädchens schwelte.

»Es gibt nichts, wovor du Angst haben müßtest, wenn du Simons Ehefrau wirst«, sagte Amber eindringlich. »Er ist ein Mann starker Leidenschaft, aber er zeichnet sich auch dadurch aus, daß er sie zu zügeln vermag.«

Einen Moment lang hielten Arianes Finger in ihrem Spiel inne. Dann nickte sie langsam und allmählich verloren die Klänge, die sie der Harfe entlockte, etwas von ihrer zornigen Wildheit.

»Ja«, erwiderte sie leise. »Er hat mich sehr freundlich behandelt.«

Doch so freundlich wird er nicht reagieren, wenn er entdeckt, daß seine Ehefrau keine Jungfrau mehr ist.

Kriege sind schon wegen geringerer Beleidigungen begonnen worden. Männer haben getötet. Frauen haben den Tod gefunden.

Tod. Dieser letzte Gedanke hatte einen düsteren Reiz für Ariane. Er versprach flüsternd eine Fluchtmöglichkeit vor der brutalen Falle des Schmerzes und des Verrats, zu der ihr Leben geworden war.

»Simon hat einen starken Körper und ein schönes Gesicht«, fügte Amber hinzu, »und er ist von einer Beweglichkeit, die den Katzen der Burg Schande macht.«

Arianes Finger verharrten über den Saiten. Nach einer Pause murmelte sie: »Seine Augen sind sehr ... dunkel.«

»Es ist nur sein sonnengebleichtes Haar, das seine Augen so schwarz erscheinen läßt«, erwiderte Amber augenblicklich.

Ariane schüttelte den Kopf. »Es ist mehr als das.«

Nach kurzem Zögern stimmte Amber schließlich seufzend zu.

»Es ist wie bei so vielen anderen Männern, die aus den Sarazenenkriegen zurückgekommen sind«, gab sie zu. »Sie haben ihre Unbekümmertheit verloren.«

Ein gedämpfter Akkord zitterte in der Stille.

»Simon mißtraut mir«, sagte Ariane nach einer Weile.

»Dir?« Amber lachte bitter. »Er vertraut dir so sehr, daß er dir den Rücken zukehrt. Ich bin diejenige, der er mißtraut. Insgeheim nennt Simon mich die Höllenhexe!«

Verblüffung hellte das freudlose Violett von Arianes Augen flüchtig auf.

»Wenn es dir hilft«, fügte Amber trocken hinzu, »deine eigenen Augen wirken trotz all ihrer elfenhaften Schönheit so kalt und unnahbar wie ein Druidenmond.«

»Sollte mich das trösten?«

»Kann dich überhaupt etwas trösten?«

Arianes Finger hielten erneut inne, als sie über die Frage nachdachte. Dann schlugen ihre Finger plötzlich wie Falkenklauen zu und entrissen den Saiten statt einer Melodie einen harten, schrillen Klang.

»Warum nennt er dich Höllenhexe?« wollte sie wissen.

Bevor Amber antworten konnte, ertönte hinter ihr eine tiefe männliche Stimme und beantwortete ihre Frage.

»Weil ich dachte«, erklärte Simon, »daß sie Duncan den Verstand geraubt hat.«

Beide Frauen fuhren herum und sahen ihn in der Tür des kleinen Eckzimmers stehen, das man Ariane für die Dauer ihres Aufenthalts auf Stone Ring Keep zugewiesen hatte. Sie rechnete eigentlich nicht mit einem längeren Aufenthalt. Alles, was Lord Dominic von Blackthorne Keep hier festhielt, war seine Entschlossenheit, Ariane mit einem seiner getreuen Ritter vermählt zu sehen, bevor noch mehr schiefgehen konnte.

Simon war der zweite Bräutigam, den man für Baron Deguerres Tochter erwählt hatte. Obwohl sich Ariane niemals in irgendeiner Weise zu ihrem ersten Verlobten – Duncan – hingezogen gefühlt hatte, ließ der bloße Anblick von Simon seltsam prickelnde Schauer über ihren Körper laufen. Seine hochgewachsene Gestalt füllte den Türrahmen fast vollständig aus. Weil die meisten Menschen ihn zuerst als Begleiter seines Bruders Dominic kennenlernten oder neben Ambers noch kräftigerem Ehemann, Duncan, zog seine Größe meist keine besondere Aufmerksamkeit auf sich, auch nicht die ungewöhnliche Breite seiner Schultern.

Dennoch hatte Ariane jede Einzelheit an Simon wahrgenommen, schon vom allerersten Augenblick an, als er auf Blackthorne Keep auf sie zugekommen war und sie aufgefordert hatte, sich für einen harten Ritt nach Stone Ring Keep bereitzumachen. Sie war sich nur zu deutlich seiner Schnelligkeit und Geschmeidigkeit bewußt gewesen, seines eleganten, kraftvollen Körpers. Seine ausgeprägte Intelligenz und Willenskraft hatten seine Augen wie schwarzes Feuer brennen lassen.

Und bisweilen, wenn Ariane sich unerwartet zu ihm umdrehte, hatte sie die intensive Glut seiner Sinnlichkeit in Simons Augen flackern sehen. Er begehrte sie.

Voller Furcht hatte sie darauf gewartet, daß er sie bedrängen, ihr seine Begierde aufzwingen würde. Doch das hatte er nicht getan. Er war ihr stets mit untadeliger Höflichkeit begegnet, hatte sie mit einer Zuvorkommenheit und disziplinierten Zurückhaltung behandelt, die sie ebenso beruhigend wie ... verführerisch fand.

Simon hätte in einem Heer von Riesen stehen können und hätte sie in Arianes Augen immer noch überragt. Die katzenartige Schnelligkeit und maskuline Eleganz seines Körpers übten einen Reiz auf sie aus, der ihm in ihren Augen noch mehr Anziehungskraft verlieh als etwa ausgeprägte Muskeln.

Oder vielleicht waren es auch einfach seine Freundlichkeit, sein Humor und seine Spottlust, die es ihr angetan hatten. Kurz nachdem sie aus der Normandie gekommen war, hatte sie nach Stone Ring Keep reiten müssen, und das war tatsächlich hart gewesen. Blackthorne Keep lag im Norden Englands, am Rande der Umstrittenen Gebiete, wo Normannen und Angelsachsen noch immer um Land und Einfluß kämpften.

Stone Ring Keep befand sich noch weiter nördlich, genau im Herzen des Gebiets, wo Normannen Anspruch auf Ländereien erhoben und Angelsachsen eben jene Ländereien mit Waffengewalt verteidigten. Zwar waren es die Normannen, die die Schlacht von Hastings eine Generation vorher gewonnen hatten, dennoch dachten die Angelsachen keineswegs daran, sich geschlagen zu geben.

»Es scheint«, sagte Simon, als er den Raum betrat, »als ob ich mich in Amber getäuscht habe. Es war nur Duncans Herz, was sie gestohlen hat. Was sicherlich keine so schwerwiegende Sache ist wie der Verlust des Verstandes.«

Das Gelehrte Mädchen weigerte sich, den geschickt dargebotenen Köder anzunehmen, obwohl der Bernsteinanhänger zwischen ihren Brüsten vor heimlichem Lachen bebte.

Simons Lächeln wurde noch eine Spur wärmer. »Ich halte Euch jetzt nicht mehr für das Werkzeug des Teufels«, sagte er. »Könnt Ihr mir jemals verzeihen, daß ich Euch soviel Schmerz und Furcht verursacht habe?«

»Eher, als Ihr allen Frauen für das vergeben könnt, was Euch eine einzige von uns angetan hat, wer auch immer sie war«, erwiderte Amber.

Es wurde so still im Zimmer, daß das Knistern der Flammen im Kohlenbecken plötzlich laut zu sein schien. Als Simon erneut zu sprechen begann, war keine Wärme mehr in seiner Stimme oder seinem Lächeln.

»Armer Duncan«, sagte er voller Ernst. »Er wird vor seiner Hexenfrau keine Geheimnisse verbergen können.«

»Er wird auch keinen Grund dafür haben«, erwiderte Duncan hinter Simons Rücken.

Beim Klang von Duncans Stimme wirbelte Amber zur Tür herum, übers ganze Gesicht strahlend, als leuchte sie von innen.

Ariane starrte sie verwundert an. Obwohl sie jetzt schon sieben Tage auf Stone Ring Keep war, staunte sie immer noch über die unbändige Freude, die Amber jedesmal beim Erscheinen ihres frischgebackenen Ehemannes zeigte. Duncans Freude war nicht geringer, eine Tatsache, die Arianes Begriffsvermögen schlicht und einfach überstieg.

Als Amber mit weit ausgebreiteten Armen auf Duncan zustürzte, warf Simon Ariane einen Seitenblick voller Ironie zu. Der Blick sagte ihr, daß Simon von Ambers und Duncans Verhalten nicht weniger irritiert war als sie selbst.

Der Augenblick schweigenden Einverständnisses war ebenso wärmend wie beruhigend für Ariane. Er erweckte in ihr den Wunsch, Simon zu vertrauen.

Närrin, schalt sie sich gleich darauf. Sein Lächeln ist nur eine charmante List, um dir deine Befangenheit zu nehmen, damit du nicht gegen den brutalen Zwang ehelicher Pflichten ankämpfen wirst.

»Ich dachte, du hättest den ganzen Morgen damit zu tun, dir die Klagen der Leibeigenen anzuhören«, sagte Amber zu Duncan.

»Das hatte ich auch.« Duncan nahm Ambers Hände. »Aber Erik hatte schließlich Mitleid mit mir und ließ die Wolfshunde herein, damit sie sich ans Feuer legen konnten.«

»Stagkiller auch?« fragte sie, denn ihr Bruder war nur selten ohne seinen vierbeinigen Schatten anzutreffen.

»Mmmm«, murmelte Duncan, während er Ambers Fingerspitzen küßte und ihre Handflächen mit seinem Schnurrbart kitzelte. »Und kurz danach sind alle geflüchtet.«

Simon unterdrückte ein Lachen.

Die Leibeigenen verehrten Ambers Bruder Erik, den früheren Herrn von Stone Ring Keep, waren jedoch äußerst mißtrauisch, was die Tiere des Gelehrten Mannes betraf. Etliche der Pächter und Dorfbewohner hatten sich erleichtert darüber geäußert, daß der neue Herr von Stone Ring Keep ein muskulöser Krieger war, der nichts mit vorsintflutlichen Bräuchen, Gelehrtenmethoden und Tieren im Sinn hatte, die anderthalbmal so schlau waren wie die einfachen Leute.

»Ich werde deinen Bruder vermissen, wenn er nach Sea Home Keep zurückgeht«, sagte Duncan.

»Meinen Bruder oder seine Hunde?« fragte Amber lächelnd.

»Beide. Vielleicht könnte Erik uns ein paar hierlassen.«

»Große?«

»Hat er denn überhaupt irgendeine andere Sorte?« fragte Duncan zurück. »Stagkiller ist so groß, daß er meinem Schlachtroß fast bis zur Schulter reicht.«

Amber schüttelte den Kopf über diese Übertreibung und hob lachend Duncans von Kampfnarben gezeichnete Handfläche erneut liebkosend an ihre Wange.

Ariane beobachtete das frischvermählte Paar, wie ein Jagdfalke eine unerwartete Bewegung tief unter sich auf dem Erdboden beobachten würde. Die Worte der Liebenden waren unwichtig; es war die Art, wie sie einander anschauten, ihre zärtlichen Berührungen, das intensive Band, das sie in Beziehung brachte wie die gegenüberliegenden Ufer eines unsichtbaren Flusses.

»Verblüffend, nicht?« fragte Simon leise.

Er war so dicht an Ariane herangetreten, daß sie seinen warmen Atem im Nacken spüren konnte.

Zu dicht.

»Was?« fragte sie erschrocken.

Es kostete sie ihren ganzen Mut, nicht zurückzuweichen, als sie in Simons klare, mitternachtsschwarze Augen blickte. Aber Rückzug würde ihr nichts nützen. Auch Bitten würden ihn nicht dazu bringen, sie in Ruhe zu lassen.

Das hatte sie bei Geoffrey gelernt – und noch vieles andere, was sie hinter diesem Wall an Schmerz und Enttäuschung begraben hatte.

»Wirklich erstaunlich«, erklärte Simon gedämpft, »wie ein gefährlicher Krieger wie der Schottische Hammer in den Händen eines Mädchens weich wie Wachs wird.«

»Ich würde eher das Gegenteil behaupten«, murmelte Ariane, »daß es die Bernsteinhexe ist, die zu Wachs wird, und er ist die starke Hand, die es formt.«

Simon zog überrascht die blonden Brauen hoch. Er wandte sich ab und betrachtete Duncan und Amber einen Moment lang nachdenklich.

»Da könntet Ihr recht haben«, gab er schließlich zu. »Ihre Augen sind ebenso von Liebe erfüllt wie seine. Oder ist es Blindheit?«

Als er sich wieder zu Ariane umwandte, beugte er sich erneut vertraulich über sie, bevor sie sich dagegen wappnen konnte. Hastig wich sie zurück, tat aber so, als wollte sie ihre Harfe stimmen.

Simon ließ sich jedoch nicht täuschen. Seine schwarzen Augen verengten sich, und er richtete sich kerzengerade auf. Er hielt sich zwar nicht für so gutaussehend wie Erik – und ganz sicherlich nicht für so reich an Land und Besitztümern –, aber er war es nicht gewöhnt, daß eine Frau vor ihm zurückschreckte, als wäre er schmutzig und abstoßend.

Was das alles für ihn noch verwirrender machte, war die Tatsache, daß er geglaubt hatte, seine Erscheinung wirke ebenso anziehend auf Ariane wie ihr Anblick auf ihn. Sie hatte nur einen Blick auf ihn geworfen, als er bei ihrer ersten Begegnung durch den Schloßhof von Blackthorne Keep auf sie zugekommen war, und ihn dann gleich darauf unverwandt angestarrt, als hätte sie noch nie zuvor einen Mann gesehen.

Simon hatte ebenfalls seine Augen nicht von ihr abwenden können, was ihm immer noch unbegreiflich war. Er hatte schon andere schöne Frauen in seinem Leben gesehen, aber noch niemals zuvor eine, die seine Sinne derart in Aufruhr versetzt hatte. Selbst der Sirene Marie war dies nicht gelungen.

Dabei war es Simon wie ein grausamer Scherz Gottes vorgekommen, daß Ariane mit Duncan von Maxwell verlobt war, dem Schottischen Hammer, einem Mann, der Simons Freund und Dominics Verbündeter war. Als sich herausstellte, daß Duncan eine andere Frau liebte, hatte Simon sich sofort erboten, die Tochter des mächtigen normannischen Barons zu heiraten. Die Heirat würde den Frieden sichern, den Dominic in den Umstrittenen Gebieten so dringend brauchte, wenn sein eigener Besitz – Blackthorne Keep – blühen und gedeihen sollte.

Als Simon ihr seinen Heiratsantrag gemacht hatte, war er sicher gewesen, daß Ariane ihn allen anderen Männern vorzog. Jetzt war er davon nicht mehr so sehr überzeugt. Doch vielleicht legte sie es einfach darauf an, ihn immer wieder zu verwirren und aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das war jedenfalls Maries Taktik gewesen, ein Spiel, das sie vorzüglich beherrscht hatte.

»Habe ich Euch in irgendeiner Weise beleidigt, Lady Ariane?« fragte Simon kühl.

»Nein.«

»Was für eine schnelle Antwort! Und eine Lüge obendrein.«

»Ihr habt mich erschreckt, das ist alles. Ich habe nicht damit gerechnet, Euch so dicht hinter mir zu finden.«

Simons einzige Antwort war ein dünnes Lächeln.

»Soll ich Meg bitten, mir eine spezielle Seife zu mischen, die Eure empfindliche Nase erfreuen wird?« fragte er.

»Euer Duft ist auch so recht angenehm für mich«, erwiderte Ariane höflich.

Bei diesen Worten ging ihr plötzlich auf, daß es ihr ernst war. Im Gegensatz zu vielen anderen Männern roch Simon nicht nach altem Schweiß und ungewaschenen Kleidern.

»Ihr scheint überrascht, daß ich nicht wie ein Unrathaufen stinke«, spottete er. »Soll ich die Wahrheit Eurer Worte überprüfen?«

Mit beunruhigender Schnelligkeit beugte er sich erneut ganz nahe zu ihr herab. Einen flüchtigen Moment lang zuckte sie erschrocken zurück, bevor sie ihre Fassung wiederfand und vorsichtig ihr Gewicht auf dem Holzstuhl verlagerte, bis sie sich nicht länger von Simon weglehnte.

»Ihr könnt jetzt wieder atmen«, sagte er trocken.

Ariane schnappte nach Luft, und über ihre Lippen kam ein rauher Laut, der Furcht oder auch Belustigung bedeuten konnte. Unter den gegebenen Umständen sagte sich Simon, daß es höchstwahrscheinlich Furcht war.

Oder Abscheu.

Unter dem weichen, kurzgeschnittenen Bart preßte er die Lippen zusammen. Er erinnerte sich nur zu gut an Arianes Worte, als Duncan sie gefragt hatte, ob sie sowohl dem Namen nach als auch in Wirklichkeit eine Ehefrau sein würde:

Ich werde meine Pflicht tun, aber der Gedanke an das Ehebett stößt mich ab.

Auf die Frage, ob ihre Kälte daher rühre, daß ihr Herz einem anderen Mann gehöre, hatte Ariane unverblümt erklärt:

Ich habe kein Herz.

Es stand außer Frage, daß sie damit die Wahrheit gesagt hatte, denn Amber hatte sie die ganze Zeit berührt und nichts als trostlose Aufrichtigkeit in den Worten der normannischen Erbin entdeckt.

Ariane hatte sich mit der Heirat einverstanden erklärt, hatte jedoch auch deutlich gemacht, daß die Vorstellung, bei einem Mann zu liegen, Ekel in ihr hervorrief. Selbst bei dem Mann, der bald ihr Ehemann sein würde.

Oder vielleicht gerade bei ihm?

Simons Mund nahm einen grimmigen Zug an, als er die junge Frau musterte, die zugestimmt hatte, seine Braut zu sein.

Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, hat sie mich da mit Furcht angesehen, während ich sie mit Begehren betrachtet habe?

Der Gedanke ließ Simon frösteln, denn er hatte sich geschworen, niemals wieder eine Frau mehr zu begehren, als sie ihn wollte. Diese Art von Sehnsucht gab Frauen Macht über einen Mann, eine grausame Macht, die ihn vernichten konnte.

Könnte es sein, daß Ariane wie Marie ist – abwechselnd die Kühle und die heiß Entflammte spielt, einen Mann mit Ungewißheit an sich kettet und ihn zum Wahnsinn treibt, indem sie ihn hinhält oder sein Verlangen nur halb stillt?

Oder gar nicht.

Aber dieses Spiel von Täuschung und Verlockung, Rückzug und Aufforderung kann von mehr als einem gespielt werden!

Es war ein Spiel, das Simon unter Maries Anleitung recht gut gelernt hatte. So gut, daß er sie schließlich mit ihren eigenen Waffen besiegt hatte.

Schweigend richtete er sich schließlich wieder auf und trat von Ariane zurück, ohne sie auf irgendeine Weise zu berühren.

Obwohl sie erleichtert war, spürte sie doch, daß ihr hastiges Zurückweichen Simons Stolz verletzt hatte. Der Gedanke machte ihr Sorge, denn er hatte nichts getan, für das er solche Zurückweisung verdient hätte.

Und dennoch, als sie den Mund öffnete, um es Simon zu sagen, kam kein Wort heraus. Es war sinnlos, die Wahrheit zu leugnen: Die Vorstellung, mit einem Mann den Liebesakt zu vollziehen, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.

Simon hatte ihre Kälte nicht verdient, aber sie konnte nichts tun, um daran etwas zu ändern. Jegliches Gefühl der Wärme hatte sie in jener langen Nacht vor vielen Monaten verlassen, als sie betäubt und hilflos dagelegen hatte, während Geoffrey der Schöne über ihr gegrunzt hatte wie ein Schwein, das in einem unberührten Obstgarten wühlt.

Ein Schauder von Ekel lief durch Ariane, obwohl ihre Erinnerungen an jene schreckliche Nacht nur vage waren. Sie waren verzerrt durch den seltsamen schwarzen Trunk, den Geoffrey ihr eingeflößt hatte, um sie gefügig und hilflos zu machen.

Manchmal hielt es Ariane für eine Gnade, daß sie sich nicht genau entsinnen konnte.

Und manchmal hatte sie das Gefühl, daß es ihr Grauen nur noch verstärkte.

»Simon«, flüsterte sie, ohne sich bewußt zu sein, daß sie seinen Namen laut ausgesprochen hatte.

Einen Moment lang hielt Simon inne, als hätte er sie gehört. Dann wandte er ihr mit kühler Entschiedenheit den Rücken zu.

Kapitel 2

Die scherzenden Worte der Neuvermählten füllten jedoch die angespannte Stille, die zwischen Simon und Ariane entstanden war.

»Hast du Zeit, mit mir auszureiten?« fragte Duncan seine junge Frau.

»Für dich habe ich alle Zeit der Welt!« erwiderte Amber lächelnd.

»Nur der Welt?« fragte er in gespielter Enttäuschung. »Was ist mit dem Himmel und dem Jenseits?«

»Willst du mit mir handeln, Gemahl?«

»Habe ich denn irgend etwas, was du gern in die Finger bekommen würdest?« parierte Duncan.

Ambers Lächeln war so alt wie Eva und so jung wie die Röte, die ihre Wangen überzog.

Duncan lachte schallend. Es war ein Lachen, in dem pures männliches Entzücken mitschwang.

»Heißgeliebte Amber, wie sehr du mich erfreust!«

»Tue ich das?«

»Immer.«

»Wie?« fragte sie neckisch.

Duncan war drauf und dran, es ihr zu erzählen, bis ihm auf einmal wieder einfiel, daß sie nicht allein waren.

»Frag mich heute abend«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »wenn das Feuer im Kohlenbecken nur noch aus rotglühender Kohle besteht, von silbriger Asche verschleiert.«

»Du hast mein Wort darauf«, erwiderte Amber und legte ihre Hand auf Duncans muskulösen Unterarm.

»Ich werde dafür sorgen, daß du es auch hältst«, murmelte er. »So, wenn du hier fertig bist, dann laß uns zu den Pferden gehen.«

»Hier fertig?« Amber blinzelte. »Oh, mein Kamm. Den hatte ich ganz vergessen.«

Sie drehte sich zu Ariane um, die sie mit Augen so klar und unnahbar wie Edelsteine beobachtete.

»Hast du einen Kamm mit Verzierungen aus rotem Bernstein gesehen?« fragte Amber. »Ich glaube, er muß mir irgendwo in der Burg aus dem Haar gerutscht sein.«

»Es gab einmal eine Zeit, da hättest du nur zu fragen brauchen, und ich hätte das Versteck des Kammes sofort gewußt«, erwiderte Ariane leise. »Früher einmal, aber jetzt nicht mehr.«

»Ich verstehe nicht.«

Ariane zuckte die Achseln. »Ist auch nicht wichtig. Ich habe deinen Kamm nicht gesehen. Ich werde Blanche fragen.«

»Geht es deiner Zofe heute wieder besser?«

»Nein.« Ariane zog die Mundwinkel hinab. »Ich fürchte, die Krankheit von Blanche kommt häufiger vor als die, die meine Ritter auf unserer Reise von der Normandie geplagt hat.«

»So?« fragte Amber verwirrt.

»Ich glaube, Blanche ist schwanger.«

»Das ist keine Krankheit, sondern ein Segen«, warf Simon ein.

»Für ein verheiratetes Mädchen vielleicht«, erwiderte Ariane. »Aber Blanche ist weit fort von ihrer Heimat, von ihrer Familie und höchstwahrscheinlich auch von dem Jungen, der sie in diesen Zustand gebracht hat. Da kann man wohl kaum von einem Segen sprechen, nicht?«

Simon tat Arianes Einwände mit einem raschen Schulterzucken ab.

»Als Euer Ehemann werde ich dafür sorgen, daß Eure Zofe versorgt ist und alles bekommt, was sie braucht«, sagte er kühl. »Wir brauchen dringend mehr Babies in den Umstrittenen Gebieten.«

»Babies«, wiederholte Ariane mit seltsamer Stimme.

»Richtig, meine Ehefrau in spe. Babies. Habt Ihr vielleicht etwas dagegen?«

»Nur gegen die Mittel.«

»Die Mittel?«

»Den Liebesakt.« Ein Schauder durchlief Arianes Körper. »Es ist ein trauriger Weg zu einem so süßen Ziel.«

»So wirst du nicht mehr denken, wenn du erst einmal verheiratet bist«, sagte Amber sanft. »Dann wirst du wissen, daß deine jungfräulichen Ängste ebenso grundlos sind wie der Wind.«

»Ja«, meinte Ariane gepreßt. »Natürlich.«

Aber niemand glaubte ihr, am allerwenigsten sie selbst.

Blindlings suchten ihre Hände erneut Trost bei der Harfe. Die Klänge, die sie dem schlanken Instrument entlockte, waren so düster wie ihre Gedanken. Dennoch verschaffte ihr das Spiel auch dieses Mal ein gewisses Maß an innerem Frieden und brachte sie zu der Überzeugung, daß sie ertragen könnte, was zu ertragen war – erbitterte, schmerzhafte Paarungsakte und Alpträume, die sie bis in den Tag hinein verfolgen würden.

Amber warf Ariane einen prüfenden Blick zu, aber die junge Frau bemerkte es nicht.

»Vielleicht wäre es besser, die Eheschließung nicht zu überstürzen«, sagte Amber leise zu Simon. »Ariane ist ... ziemlich verstört.«

»Dominic befürchtet, daß noch etwas schiefgehen wird, wenn wir zu lange warten.«

»Noch etwas?« Doch dann begriff Amber, was Simon gemeint hatte. »Ach so. Ihr meint Duncans Eheschließung mit mir statt mit Lady Ariane.«

»Richtig«, erwiderte Simon spöttisch.

Nach einer Pause fügte er hinzu: »Auf jeden Fall ist die nördliche Grenze von Blackthorne Keep erst einmal wieder sicher, jetzt, wo Euer Bruder Erik mit Eurer Heirat zufrieden ist.«

Amber nickte.

»Aber mit dieser Sicherheit könnte es bald wieder vorbei sein«, erklärte er brüsk, »wenn Baron Deguerre zu Ohren kommen sollte, daß Duncan seine Tochter Euretwegen verschmäht hat.«

Amber warf einen schnellen Blick auf Ariane. Falls sie zuhörte, war das jedenfalls nicht an ihrer Miene zu erkennen oder an dem ruhigen, gemessenen Spiel ihrer Finger auf den Saiten der Harfe.

»Ihr braucht Euch über Lady Arianes Gefühle keine Gedanken zu machen«, fügte Simon spöttisch hinzu. »Sie ist als Adlige geboren und erzogen worden. Sie weiß, daß es ihre Pflicht ist, denjenigen zu heiraten, der sich als passender Bewerber anbietet.«

»Lady Ariane muß mit einem getreuen Vasallen von Dominic le Sabre verheiratet werden«, erklärte Duncan entschieden. »Und je schneller das geschieht, desto besser für uns alle.«

»Aber –« begann Amber, nur um von Simon unterbrochen zu werden.

»Und ihr Ehemann muß jemand sein, der sowohl die Zustimmung des Königs als auch von Deguerre hat«, fügte Simon hinzu.

»Aber Ihr habt diese Zustimmung nicht!« gab Amber zurück.

»Simon ist Dominic ebenso treu ergeben wie kaum ein anderer in seinem Gefolge«, warf Duncan ein, »deshalb wird der englische König die Eheschließung billigen. Simon ist eher Normanne als Schotte oder Angelsachse, daher wird Baron Deguerre in dieser Hinsicht weniger zu klagen haben, als wenn ich der Bräutigam gewesen wäre.«

»Richtig. In allen Punkten, die von Bedeutung sind, bin ich für Deguerres Tochter als Ehemann besser geeignet als Duncan.«

»Dieser Baron«, meinte Amber stirnrunzelnd. »Ist er wirklich so mächtig, daß Könige vor ihm auf der Hut sind?«

»Ja«, sagte Ariane entschieden.

Ein Mißklang von der Harfe begleitete dieses eine Wort.

»Hätte er mich mit Geoffrey dem Schönen verheiratet, dem Sohn eines anderen mächtigen, normannischen Barons«, fuhr Ariane fort, »dann wäre mein Vater bald Eurem König Henry an Reichtum und militärischer Macht ebenbürtig gewesen, wenn auch nicht dem Gesetz nach. Also wurde ich statt dessen mit einem Ritter verlobt, dessen Loyalität eher Henry gilt als einem normannischen Herzog.«

»Und jetzt«, warf Simon trocken ein, »müssen wir Baron Deguerre nur noch davon überzeugen, daß seine Tochter von mir ganz außerordentlich angetan ist. Auf diese Weise wird es keinen Vorwand für einen Krieg geben.«

»Ah«, sagte Amber. »Das erklärt die Geschichte, die Sven unter den Bewohnern der Burg und den Dorfleuten verbreitet hat.«

»Welche Geschichte?« fragte Ariane verwirrt.

Simon lachte unfroh. »Allerdings, da gibt es eine. Und was für eine!«

Ariane sagte nichts weiter, aber ihre Finger zupften eine melancholische Melodie auf der Harfe. Simon antwortete ihr, als hätte sie eine Frage ausgesprochen.

»Sven behauptet, wir hätten uns verliebt, als ich Euch von Blackthorne nach Stone Ring Keep begleitet habe.«

Arianes Hände zuckten, als die empörende Bemerkung sie abrupt aus ihren unglücklichen Gedanken riß.

»Verliebt?« murmelte sie. »Was für ein rührseliger Schmalz! Männer empfinden keine Liebe für ihre Verlobte. Sie lieben nur die Mitgift und die Macht.«

Amber wand sich unbehaglich, doch Simon lachte.

»Richtig, Mylady«, sagte er. »Liebe ist nichts als rührseliger Schmalz. In der Tat!«

»Aber es ist eine raffinierte Geschichte«, bemerkte Duncan bewundernd. »Selbst der König muß sich dem absoluten Recht eines Mädchens beugen, ihren Ehemann selbst auszuwählen. Deguerre kann sich da ebenfalls nicht widersetzen.«

»Dominic verdient es wirklich, daß man ihn den Glendruid-Wolf nennt«, warf Amber ein. »Seine klugen Pläne bringen Frieden, nicht Krieg.«

»Es war Simons Idee, mich zu heiraten, nicht die seines Bruders«, erklärte Ariane. »Simons Verstand übertrifft an Schnelligkeit sogar noch seine Hände.«

Ein flüchtiger Ausdruck der Überraschung erschien auf Simons Gesicht. Das letzte, was er von Ariane erwartet hatte, war ein Kompliment, wie beiläufig auch immer es geäußert wurde.

Andererseits wollte sie vielleicht nur wieder ihr neckisches Spielchen aufnehmen.

»Meint Ihr, Deguerre wird Euch glauben?« fragte Amber Simon voller Zweifel.

»Glauben? Was denn? Daß ich seine Tochter heirate?«

»Nein, daß es ein ... eine ...« Amber suchte mühsam nach den richtigen Worten.

»›... eine spontane Verbindung zweier Herzen war, die dem englischen König und dem normannischen Vater gleichermaßen trotzte‹«, zitierte Ariane. »›Natürlich aus Liebe‹.«

Ihr Tonfall gab exakt den Spott wieder, der in Simons Stimme mitgeschwungen hatte, als er angeboten hatte, Ariane zu heiraten – als Lösung für das gefährliche Dilemma ihrer gescheiterten Verlobung.

Simon zuckte die Achseln. »Deguerre kann die Geschichte glauben, oder er kann in Jerusalem betteln gehen. Wie auch immer, bevor die Mitternachtsmesse beendet ist, wird Lady Ariane meine Ehefrau sein.«

Ein lauter Ruf aus dem Schloßhof lenkte Simon ab. Er trat an das schießschartenähnliche Fenster und horchte, dann warf er Duncan von der Seite einen amüsierten Blick zu.

»Du hast zu lange mit deiner Flucht gewartet, o mächtiger Herr von Stone Ring Keep«, sagte Simon spöttisch, während er sich so tief verbeugte, wie es ein Sarazener vor seinem Sultan tun würde. »Der Leibeigene mit dem umherwandernden Schwein – wie war doch gleich der Name?«

»Der des Schweins?« fragte Duncan ungläubig.

»Der des Leibeigenen«, korrigierte Simon trocken.

»Ethelrod.«

»Ach ja, wie konnte ich das vergessen?« meinte Simon kopfschüttelnd. »Anscheinend hat das Schwein eine Vorliebe für Äpfel entwickelt. Und zwar gleich scheffelweise.«

»Aus diesem Grund werden Schweine freigelassen, um nach der Ernte im Obstgarten zu wühlen«, gab Duncan zurück. »Sonst würden nämlich nur die Würmer fett werden.«

»Zur Zeit ist das fragliche Schwein aber unter der Erde, während es in einem deiner Weinkeller herumwühlt.«

»Verdammt und zugenäht!« fluchte Duncan unterdrückt und eilte zur Tür. »Ich hatte Ethelrod angewiesen, einen Koben zu bauen, der stabil genug ist, dieses schlaue Viech zurückzuhalten.«

»Entschuldigt mich«, sagte Amber. Sie hatte Mühe, nicht laut herauszuprusten. »Das muß ich sehen! Ethelrods Schwein ist eine Quelle ständiger Belustigung für die Bewohner der Burg.«

»Wenn jenes Schwein nicht unter Kontrolle gehalten wird«, warf Simon trocken ein, »wird es eine Quelle von viel Speck sein.«

Amber lachte hell auf und eilte ihrem Ehemann nach.

Simons schneller Blick erhaschte die Andeutung eines Lächelns auf Arianes Lippen. Die Schönheit dieses Lächelns erinnerte ihn an den Augenblick, als er die normannische Erbin zum ersten Mal gesehen hatte. Ihr Anblick hatte ihm den Atem verschlagen.

Selbst jetzt fiel es ihm noch schwer, zu glauben, daß Ariane fast in Reichweite für ihn war, ein Mädchen von hoher Geburt, verlobt mit einem Bastard, dessen einziger Anspruch auf Reichtum oder Wert in seinem schnellen Schwertarm begründet lag.

Ohne sich dessen bewußt zu sein, streckte Simon eine Hand nach ihr aus.

»Ariane ...« flüsterte er.

Ariane blinzelte überrascht, als sie ihren Namen hörte. Einen Moment lang hatte sie völlig vergessen, daß sie nicht allein war.

Als Simon sanft ihr Haar berührte, zuckte sie zurück.

Langsam ließ er den Arm wieder sinken. Die Anstrengung, die es ihn kostete, seine Hand nicht zur Faust zu ballen, war so groß, daß es ihn regelrecht schmerzte. Doch er hatte sich geschworen, nie wieder zuzulassen, daß sein Handeln von der Begierde für eine Frau beherrscht wurde.

»Bald werden wir Ehemann und Ehefrau sein«, sagte er ausdruckslos.

Ein Schauder durchlief die junge Frau.

»Reagiert Ihr auf alle Männer so abweisend«, fragte Simon, »oder nur auf mich?«

»Ich werde meine Pflicht tun«, erwiderte sie tonlos.

Doch dabei erkannte sie auf einmal, daß ihre Worte eine Lüge waren. Sie hatte geglaubt, sie könnte sich dazu überwinden, ihre Pflichten als Ehefrau zu erfüllen. Jetzt wußte sie, daß es ihr unmöglich war. Sie konnte sich einfach nicht dazu zwingen, wieder Gewalt über sich ergehen zu lassen.

Leider kam diese Erkenntnis zu spät. Die Hochzeit war bereits festgesetzt. Die Falle war zugeschnappt.

Kein Ausweg.

Außer einem.

Dennoch vermittelte der Gedanke an den Tod ihr diesmal keinen Trost.

Wie kann ich Simon töten, dessen einziges Verbrechen die Liebe zu seinem Bruder ist?

Und wenn das nicht möglich ist, wie soll ich noch eine Vergewaltigung ertragen? Und dann wieder und immer wieder, mein ganzes Leben lang?

»Meine Pflicht«, flüsterte sie.

»Pflicht«, wiederholte Simon grimmig. »Ist das alles, was Ihr in die Ehe einzubringen habt? Ist Eure Schönheit wie die der Hure Marie, ein buntschillernder Stoff, der eine Seele eiskalter Berechnung verhüllt?«

Ariane erwiderte nichts, denn sie hatte Angst, daß nur ein Schrei der Wut und der Enttäuschung herauskommen würde, wenn sie den Mund öffnete.

»Ich bin wirklich überwältigt, mit welcher Vorfreude Ihr unserer Eheschließung entgegenseht«, sagte Simon sarkastisch. »Sorgt dafür, daß ich nicht eine bewaffnete Eskorte schicken muß, um Euch zum Altar zu schleppen. Denn bei Gott, das werde ich tun, wenn es sein muß!«

Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

Es waren auch keine weiteren Worte nötig. Ariane zweifelte nicht daran, daß Simon genauso verfahren würde, wie er es gesagt hatte. Er war in jeder Beziehung ein Mann, der seine Versprechungen hielt.

Es gibt kein Entrinnen.

Bis auf eine Möglichkeit ...

Ohne sich dessen bewußt zu sein, umkrampften Arianes Finger die Harfensaiten, und ein verzweifelter, dissonanter Jammerlaut war auf einmal zu hören.

Es war der einzige Laut, den Ariane von sich gab.

Die Hochzeit würde beginnen, bevor die Sonne unterging, und enden, bevor der Mond am Himmel aufstieg. Bevor der Mond wieder unterging, mußte die Braut einen Weg finden, um zu töten.

Oder zu sterben.

Kapitel 3

Melancholische, fast unmelodiöse Akkorde erklangen in der Stille von Arianes Eckzimmer. Obwohl Stone Ring Keep vor Geschäftigkeit nur so summte, während in aller Eile Vorbereitungen für die bevorstehende Hochzeit getroffen wurden, ließ man Ariane in Ruhe, bis ihre Zofe Blanche recht spät erst erschien, um sich um die Bedürfnisse ihrer Herrin zu kümmern.

Einen Blick, mehr brauchte Ariane nicht, um zu erkennen, daß sich nichts an dem Befinden ihrer Zofe geändert hatte. Das Gesicht des Mädchens war immer noch zu bleich. Unter einem Kopftuch von zweifelhafter Sauberkeit hatte Blanches hellbraunes Haar keinerlei Glanz. Auch ihre blauen Augen wirkten stumpf. Offensichtlich fühlte sie sich heute nicht besser als seit Beginn ihrer Reise von der Normandie nach England.

»Guten Morgen, Blanche. Oder ist es schon Nachmittag?«

In Arianes Stimme schwang kein Tadel mit, eher simple Neugier.

»Habt Ihr nicht gehört, wie die Wachen die Stunde verkündet haben?« fragte Blanche.

»Nein.«

»Nun, das ist ja auch kein Wunder, wenn man bedenkt, daß Ihr Euch so bald mit einem Bräutigam verheiratet findet, der nicht der Mann ist, den zu heiraten Ihr erwartet hattet«, erwiderte Blanche mit einer Reife, die weit über ihre fünfzehn Jahre hinausging.

Ariane zuckte die Achseln. »Ein Mann ist wie der andere.«

Blanche warf ihr einen verdutzten Blick zu. »Bitte um Verzeihung, Mistress, aber da besteht ein beträchtlicher Unterschied.«

Arianes einzige Antwort war eine Serie rasch gezupfter Harfentöne, die klangen, als wäre sie anderer Meinung.

»Nicht, daß ich Euch wegen Eurer Unsicherheit Vorwürfe machen würde«, fügte Blanche hastig hinzu. »Es gibt schon ein paar äußerst merkwürdige Leute hier. Es reicht, um einen vor jedem Schatten ängstlich zusammenzucken zu lassen.«

»Merkwürdig?« fragte Ariane abgelenkt, während sie den Saiten der Harfe einen fragenden Triller entlockte.

»Tz, tz, Mylady, Ihr sprecht schon so lange mit Eurer Harfe, daß Euer Verstand ebenso taub ist, wie es Eure Finger sein müssen. Die Gelehrten sind schon ein seltsamer Haufen, findet Ihr nicht?«

Ariane blinzelte. Ihre Finger hielten einen Moment in ihrem Spiel inne.

»Ich denke nicht, daß die Gelehrten seltsam sind«, erklärte sie schließlich. »Lady Amber ist so gut und freundlich, wie sie schön ist. Sir Erik ist gebildeter und attraktiver als alle Ritter, die ich kenne, von wenigen Ausnahmen abgesehen.«

»Aber diese riesigen Hunde, die ihn ständig begleiten, und dieser teuflische Falke auf seinem Arm. Also ich behaupte, das ist nicht natürlich.«

»Es ist ebenso natürlich wie zu atmen. Alle Ritter lieben Hunde und Falken.«

»Aber –« protestierte Blanche, nur um brüsk unterbrochen zu werden.

»Genug des sinnlosen Geplappers«, sagte Ariane fest. »Alle Burgen und ihre Bewohner kommen einem sonderbar vor, wenn man noch nicht sehr lange unter ihnen lebt.«

Blanche erwiderte nichts, als sie sich daranmachte, alles Nötige für das Bad ihrer Herrin vorzubereiten. Der Anblick eines langen Elfenbeinkammes erinnerte Ariane wieder an ihre Unterhaltung mit der Herrin der Burg.

»Hast du einen Kamm gesehen, der mit rotem Bernstein verziert ist?« fragte sie ihre Zofe. »Lady Amber hat einen verloren.«

Blanche war so erschrocken über die Frage, daß sie Ariane nur schweigend anstarrte und an einem abgerissenen Fingernagel kaute.

»Blanche? Wird dir wieder übel?«

Benommen schüttelte das Mädchen den Kopf. Die Bewegung ließ ein paar Haarsträhnen unter dem Tuch hervorrutschen, das ihre einzige Kopfbedeckung war.

»Falls du den Kamm noch findest«, meinte Ariane, »dann sag es mir bitte.«

»Ziemlich unwahrscheinlich, daß ich den Kamm vor Euch finde, M’lady. Sir Geoffrey hat oft gesagt, daß Ihr Eurer Tante so sehr ähnelt.«

Ariane versteifte sich unwillkürlich und sagte nichts.

»Ist es wahr?« wollte Blanche wissen.

»Was?«

»Daß Eure Tante eine silberne Nadel in einem Feld voller Heuhaufen finden konnte?«

»Ja.«

Blanche grinste und zeigte dabei eine Lücke, wo sie im Alter von zwölf Jahren einen Zahn an die Kneifzange des Schmieds verloren hatte.

»Ich hätte auch gern ein Talent dafür, verlorene Dinge wiederzufinden«, sagte Blanche seufzend. »Lady Eleanor hat mich immer geschlagen, weil ich ihre silbernen Sticknadeln verlegt hatte.«

»Ich weiß.«

»Macht nicht so ein trauriges Gesicht«, sagte Blanche.

»Wenn Lady Amber ihren Kamm verloren hat, dann werdet Ihr ihn bald wiederfinden.«

»Nein.«

Der brüske Widerspruch ließ Blanche verwirrt blinzeln.

»Aber Geoffrey sagte, Ihr hättet einen silbernen Pokal und eine Schale wiedergefunden, die niemand ...« begann die Zofe.

Ariane fiel ihr ins Wort. »Ist mein Bad fertig?«

»Ja, M’lady«, erwiderte Blanche leise.

Die Niedergeschlagenheit der Zofe erweckte Arianes Mitgefühl, aber sie hatte nicht das geringste Bedürfnis, dem Mädchen zu erklären, daß sie ihre ungewöhnliche Gabe zusammen mit ihrer Jungfräulichkeit verloren hatte.

Sie war auch des Gefühls überdrüssig, daß sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog, sobald Geoffreys Name fiel.

»Leg mein bestes Hemd und mein scharlachrotes Kleid heraus«, wies Ariane das Mädchen mit gedämpfter Stimme an.

Ob Hochzeit oder Totenwache, das Kleid würde in jedem Fall passend sein.

»Das wage ich nicht!« platzte die Zofe heraus.

»Warum nicht?« fragte Ariane verdutzt.

»Lady Amber hat mir erklärt, sie würde Euch Euer Hochzeitskleid persönlich bringen.«

Unsicherheit stieg in Ariane auf.

»Wann ist das gewesen?« wollte Ariane wissen.

»Eine andere Gelehrte Hexe – äh, Frau – ist in die Burg gekommen«, erklärte Blanche.

»Wann?«

»Kurz vor Tagesanbruch. Habt Ihr nicht das Bellen dieser Höllenhunde gehört?«

»Ich dachte, es wäre nur der Nachhall eines Traums.«

»Nein«, erwiderte Blanche. »Es war eine Gelehrte Frau, die ein Geschenk für Euch brachte. Ein Kleid für die Hochzeit.«

Stirnrunzelnd legte Ariane ihre Harfe beiseite. »Amber hat mir nichts davon gesagt.«

»Vielleicht konnte sie das nicht. Die Gelehrte Frau sah besonders böse aus. Weißes Haar und Augen wie Eis.« Blanche bekreuzigte sich hastig. »Es war die, die sie Cassandra nennen. Die Leute sagen, sie kann in die Zukunft sehen. Es gibt hier Hexen, M’lady.«

Ariane zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Nach Aussagen einiger Leute gab es auch Hexen bei mir zu Hause. Meine Tante war eine von ihnen. Ich ebenfalls. Erinnerst du dich?«

Blanche blickte verwirrt drein.

»Wenn es dir eine Beruhigung ist – ich habe die Gelehrte Frau schon von Angesicht zu Angesicht gesehen«, sagte Ariane. »Cassandra ist durchaus menschlich.«

Das Stirnrunzeln der Zofe verschwand, und sie seufzte tief.

»Der Kaplan hier hat mir gesagt, daß dies ein sehr gottesfürchtiger Ort ist, ganz gleich, was die Gerüchte behaupten«, sagte Blanche. »Ich bin froh, das zu hören. Ich hätte sonst Angst um mein Ba-«

Sie brach abrupt ab, als wären ihre Worte von einem Messer durchtrennt worden.

»Mach dir keine Sorgen, Mädchen«, sagte Ariane ruhig. »Ich weiß, daß du schwanger bist. Dem Baby wird nichts geschehen. Simon hat es versprochen.«

Blanche Miene wirkte immer noch alarmiert.

»Möchtest du gern, daß Simon einen passenden Ehemann für dich findet?« erkundigte sich Ariane.

Wehmut verdrängte die Furcht auf Blanches Gesicht. Dann schüttelte sie den Kopf.

»Nein, danke, M’lady.«

Elegant geschwungene schwarze Brauen hoben sich überrascht, aber alles, was Ariane sagte, war: »Weißt du, wer der Vater deines Kindes ist?«

Blanche zögerte einen Moment, dann nickte sie.

»Ist er in der Normandie?«

»Nein.«

»Ah, dann muß es einer von meinen Männern sein. Ist er ein Junker oder einer von den Wachen?«

Wieder schüttelte Blanche den Kopf.

»Dann also ein Ritter«, meinte Ariane leise. »War er einer von denen, die an dieser gefährlichen Krankheit gestorben sind?«

»Ist ja auch egal«, sagte Blanche und räusperte sich. »Kein Ritter würde eine Bedienstete heiraten, die keine Familie hat, keine Mitgift und keine besondere Schönheit.«

Tränen schimmerten in den Augen der jungen Zofe und ließen ihre hellblaue Iris mit ungewöhnlicher Klarheit glitzern.

»Nun beruhige dich«, sagte Ariane beschwichtigend. »Zumindest verfolgt dich kein Mann wegen dem, was du ihm einbringen kannst. Außerdem wird dir nie irgendein Mann mit Gewalt oder List wegnehmen, was du gern als dein Eigentum behalten willst.«

Blanche bedachte ihre Herrin mit einem sonderbaren Blick und sagte nichts.

»Du brauchst keine Angst zu haben«, erklärte Ariane energisch. »Für dich und dein Kind wird gut gesorgt werden. Und du wirst auch keinen Ehemann in deinem Bett ertragen müssen, wenn du nicht willst.«

»Ach, das.« Blanche lächelte. »So ein Problem ist das nun auch wieder nicht. Im Winter ist ein Mann wärmer als ein Schwein und stinkt nicht halb so schlimm. Jedenfalls tun das die meisten Männer nicht.«

In Ariane stieg die ungebetene Erinnerung an Simon auf, wie er sich zu ihr herabbeugte, bis sein warmer Atem ihre Wange streifte.

Soll ich Meg bitten, mir eine spezielle Seife zu mischen, um Eure empfindliche Nase zu erfreuen?

Euer Duft ist auch so sehr angenehm für mich.

Ein eigenartiges Gefühl beschlich Ariane, als sie von neuem erkannte, wie wahr ihre Worte gewesen waren. Simon wirkte so frisch und sauber auf ihre Sinne wie das Sonnenlicht, das in seinem Haar spielte und den Eindruck erweckte, als stände es in Flammen.

Wenn ich als Ehefrau nichts weiter tun müßte, als mich um Simons Haus zu kümmern, über seine Einnahmen und Ausgaben Buch zu führen und für seine Behaglichkeit zu sorgen ...

Aber das ist nicht alles, was ein Mann von einer Ehefrau will. Und auch nicht alles, was Gott verlangt.

»M’lady? Fühlt Ihr Euch wohl?«

»Ja«, erwiderte Ariane schwach.

Blanche beugte sich vor, um das Gesicht ihrer Herrin genauer zu mustern.

»Ihr seht weiß wie Salz aus«, sagte die Zofe. »Erwartet Ihr auch ein Kind?«

Ariane stieß einen rauhen Laut aus. »Nein«, erklärte sie energisch.

»Tut mir leid, ich wollte Euch nicht beleidigen«, erwiderte Blanche hastig. »Es ist nur so, daß ich ständig an Babies denke, und Sir Geoffrey sagte, Ihr wäret besonders eifrig darauf bedacht, ein Kind zu bekommen.«

»Sir Geoffrey hat sich getäuscht.«

Die tödliche Ruhe in Arianes Stimme sagte Blanche, daß sie wieder einmal die Grenzen ihrer Pflichten und Rechte als Zofe überschritten hatte.

Sie seufzte und wünschte sich, alle Adligen wären so charmant und umgänglich, wie es Geoffrey der Schöne gewesen war. Kein Wunder, daß Lady Ariane so grimmig und verschlossen war, seit man ihr erklärt hatte, sie würde nach England geschickt, um einen ungehobelten, angelsächsischen Fremden zu heiraten, statt zu Hause zu bleiben und Sir Geoffreys Ehefrau zu werden, der der Sohn eines mächtigen normannischen Barons war.

Ariane die Enttäuschte, Betrogene.

»Eure Sachen liegen bereit, Mylady«, sagte Blanche mitfühlend. »Wünscht Ihr, daß ich Euch beim Baden behilflich bin?«

»Nein.«

Obwohl die Spuren des Martyriums, das sie unter Geoffreys Händen erlitten hatte, schon lange von Arianes Körper verblaßt waren, konnte sie selbst die flüchtigen Berührungen ihrer Zofe beim Baden und Ankleiden noch immer nicht ertragen.

Besonders nicht, wenn Blanche dabei ständig Geoffreys Namen erwähnte.

Kapitel 4

Ein Kohlenbecken erfüllte den Raum im dritten Stock von Stone Ring Keep mit Wärme und einem Hauch wohlriechenden Rauchs. Die Vorhänge um das Himmelbett waren zugezogen, und ein grüblerischer Dominic le Sabre saß an einem Tisch, der mit kaltem Fleisch, Brot, frischen Früchten und Ale gedeckt war.

Der Ausdruck von Mißmut verlieh seinen Zügen etwas Finsteres, was selbst starke Männer verunsichern könnte. In Verbindung mit seiner auffallenden Größe und dem Glendruid-Symbol an seinem schwarzen Umhang – eine uralte Silberbrosche in Form eines Wolfskopfes mit klaren, unheimlichen Kristallaugen – war Dominic eine strenge, fast furchterregende Erscheinung.

Die Grübelei über die Eheschließung, die in wenigen Stunden stattfinden würde, war seinem Seelenfrieden nicht gerade förderlich gewesen, denn das Band der Liebe zwischen den beiden Brüdern war weitaus stärker, als es Blutsverwandtschaft oder Brauch verlangten.

»Du hast nach mir geschickt?« fragte Simon.

Dominics Stirnrunzeln verschwand, als er zu dem hochgewachsenen, geschmeidigen Krieger aufschaute, der vor ihm stand. Simons blondes Haar war windzerzaust, sein brauner Umhang zurückgeschlagen, so daß er die scharlachrote Tunika mit der violetten und silbernen Stickerei enthüllte, die ein Geschenk von Erik gewesen war. Unter der eleganten Kleidung verbarg sich ein in hartem Kampf gestählter Körper. Obwohl Simon Dominics rechte Hand war, drückte er sich niemals vor dem endlosen Schwertkampftraining, das der Glendruid-Wolf seinen Rittern verordnete – und sich selbst.

»Du siehst aus, als wärst du sehr gut in Form«, bemerkte Dominic anerkennend.

»Du hast mich den ganzen Weg von den Schutzwällen bis hier herauf laufen lassen, um festzustellen, ob ich in Form bin?« gab Simon zurück. »Das nächste Mal läufst du mit mir um die Wette. Es wird dir einen besseren Eindruck von meinem Durchhaltevermögen vermitteln.«

Dominic lachte. Doch sehr schnell verstummte sein Lachen wieder, und um seinen Mund bildeten sich erneut grimmige Linien. Er kannte seinen Bruder zu gut, um sich lange durch dessen Schlagfertigkeit täuschen zu lassen.

»Was gibt es denn?« fragte Simon, während er Dominics nachdenkliche Miene musterte. »Hast du Neuigkeiten aus Blackthorne? Ist irgend etwas nicht in Ordnung?«

»In Blackthorne steht alles zum Besten. Arianes Truhen mit der Mitgift stehen immer noch ungeöffnet und unberührt in der Schatzkammer und werden dort von Thomas dem Starken bewacht.«

»Warum machst du dann so ein finsteres Gesicht? Hat Sven schlechte Nachrichten von den Wikingern oder den angelsächsischen Banditen mitgebracht?«

»Nein.«

»Wo ist Meg? Hat der gutaussehende Hexenmeister Erik es geschafft, sie zu bezaubern und von dir wegzulocken?«

Diesmal klang Dominics Lachen aufrichtig amüsiert.

»Zugegeben, Erik ist ein so ansehnlicher Ritter, wie ich nur selten einen gesehen habe«, erwiderte Dominic. »Aber meine Frau würde sich ebensowenig von mir weglocken lassen wie ich mich von ihr.«

Simon räumte lächelnd ein, daß er keinen Zweifel daran hege. Er wußte, daß Lady Margarets Treue zu Dominic so groß war wie seine, Simons.

»Ich bin froh, daß du dich überwunden hast, Meg als deine Schwägerin willkommen zu heißen«, sagte Dominic. »Setz dich zu mir, Bruder. Iß von meinem Teller, und trink aus meinem Becher.«

Simon beäugte kritisch den zierlichen Stuhl auf der anderen Tischseite und zog statt dessen eine Bank von der Wand heran. Als er sich setzte, rückte er sein Breitschwert an seiner linken Hüfte zurecht, um im Notfall blitzschnell mit der rechten Hand nach dem Heft greifen zu können. Die unbewußte Anmut seiner Geste verriet viel über seine Geschicklichkeit im Umgang mit dieser Waffe.

»Natürlich habe ich Meg in mein Herz geschlossen«, sagte Simon jetzt, während er nach dem Krug mit Ale griff.

»Aber du hast doch keine Liebe für Hexen, ob sie nun Böses oder Gutes tun.«

Simon goß Ale in den fast leeren Becher, prostete Dominic schweigend zu und trank. Nach einigen durstigen Schlucken stellte er den Becher ab und blickte seinen Bruder an. Seine Augen waren so klar wie der Frühling und so schwarz wie die Nacht.

»Meg hat ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um deines zu retten«, erklärte Simon. »Sie könnte Satans eigene Schwester sein, und ich würde sie dennoch dafür lieben, weil sie dir das Leben gerettet hat.«

»Simon, genannt der Loyale«, sagte Dominic versonnen. »Es gibt nur wenig, was du nicht für mich tun würdest.«

»Es gibt nichts, was ich nicht für dich tun würde.«

Die Entschiedenheit in Simons Stimme wirkte jedoch nicht beruhigend auf Dominic. Im Gegenteil, sie ließ erneut besorgte Falten auf seiner Stirn erscheinen. Er griff nach dem Becher, trank ihn aus und füllte ihn wieder mit Ale.

»Du warst mir gegenüber auch loyal, bevor wir gegen die Sarazenen gekämpft haben«, stellte er nach einer Weile fest. »Aber es war eine andere Art von Band.«

»Wir sind Brüder.«

»Nein«, erwiderte Dominic und schob den Becher zu Simon über den Tisch. »Es ist mehr als das. Und gleichzeitig weniger.«

Der Unterton in Dominics Stimme ließ Simon aufhorchen. Seine Hand mit dem Becher hielt in der Luft inne, während er seinen Bruder anschaute – und sich von einem Blick durchbohrt fand, der so starr war wie der des silbernen Wolfskopfes an Dominics Umhang.

»Es ist, als fühltest du dich für die Folterqualen verantwortlich, die ich unter dem Sultan erleiden mußte.«

»Das tue ich auch«, erwiderte Simon barsch.

»Nein!« rief Dominic. »Es war mein Irrtum, der die Männer in den Hinterhalt tappen ließ.«

»Es war der Verrat einer Frau, der uns in den Hinterhalt lockte«, gab Simon nüchtern zurück und setzte den Becher energisch auf der Tischplatte ab. »Die Hure Marie hatte Robert verzaubert, und dann betrog sie ihn mit jedem Mann, der ihr gefiel.«

»Sie war nicht die erste Ehefrau, die ihrem Mann Hörner aufgesetzt hat, und auch nicht die letzte«, gab Dominic zurück. »Aber ich konnte eine christliche Frau nicht der Gnade der Sarazenen überlassen, nicht einmal sie, die unter ihnen gelebt hat, seit sie als Kind geraubt worden war.«

»Das hätten deine Ritter wohl ebenfalls nicht zugelassen«, erwiderte Simon sarkastisch. »Sie waren ihr regelrecht verfallen. Wie verhext von Maries Haremstricks.«

Dominic lächelte leicht. »Richtig. Sie ist eine überaus geschickte Hure, und ich brauche eine solche Frau, um meine normannischen Ritter davon abzuhalten, angelsächsische Töchter zu verführen und dadurch weiteren Unfrieden zu stiften.«

Er lehnte sich in dem schweren Eichenstuhl zurück, der zur Bequemlichkeit des Glendruid-Wolfs aus dem Sonnenzimmer des Burgherrn heraufgeschafft worden war, und fixierte seinen Bruder aus schlauen, lebhaften Augen.

»Manchmal war ich ernstlich besorgt, Marie könnte auch dich verhext haben.«

»Das hatte sie auch. Eine Zeitlang«, gab Simon zu.

Dominic verbarg seine Überraschung. Er hatte sich immer gefragt, wie stark Simon Maries Verführungskünsten erlegen war.

»Dich hat sie auch zu betören versucht«, meinte Simon beiläufig.

Dominic nickte.

»Du hast ihr kaltes Spiel nur eher durchschaut als ich«, fügte Simon hinzu.

»Ich bin schließlich vier Jahre älter als du. Marie war nicht meine erste Geliebte.«

Simon schnaubte verächtlich. »Sie war auch nicht meine erste.«

»Die anderen waren Mädchen, die weniger Erfahrung hatten als du. Marie war ...« Dominic zuckte die Achseln. »Marie war in einem Harem dazu angeleitet worden, die Gelüste eines korrupten Despoten zu befriedigen.«

»Es würde keinen Unterschied machen, selbst wenn Lilith in der Hölle ihre Lehrmeisterin gewesen wäre. Marie kann mich nicht mehr erregen.«

»Richtig«, erwiderte Dominic. »Ich habe beobachtet, wie sie es während der ganzen Reise von Jerusalem nach Blackthorne Keep bei dir versucht hat. Du warst höflich zu ihr, aber mir schien, du würdest dich eher mit einer Schlange abgeben als mit ihr. Warum?«

Simons Ausdruck verhärtete sich. »Hast du mich heraufkommen lassen, um über Huren zu reden, Herr?«

Nach einem tiefen Atemzug akzeptierte Dominic, daß er aus seinem Bruder nicht mehr über das Thema Marie herausbekommen würde.

»Nein«, erklärte Dominic. »Ich wollte mit dir unter vier Augen über deine bevorstehende Heirat sprechen.«

»Hat Ariane Einwände erhoben?« fragte Simon scharf.

Schwarze Augenbrauen schossen in die Höhe, aber dann kam von Dominic nur ein ruhiges »Nein.«

Simon stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Ausgezeichnet.«

»Bist du dir sicher? Lady Ariane findet offensichtlich wenig Geschmack an der Ehe.«

»Einen Krieg wegen einer normannischen Erbin, die von einem namenlosen schottischen Krieger verschmäht wurde, kann Blackthorne kaum überleben«, gab Simon nüchtern zu bedenken. »Ariane wird meine Frau sein, noch bevor heute nacht der Mond aufgeht.«

»Es widerstrebt mir, dich eine so kalte Verbindung eingehen zu lassen«, sagte Dominic.

Schwache Belustigung zeigte sich auf Simons Gesicht. Mit einer Schnelligkeit und Geschicklichkeit, die mehr als einen Feind irritiert hatten, zog er seinen Dolch aus dem Gürtel und spießte lässig ein Stück kalten Fleisches auf. Kräftige weiße Zähne gruben sich in das Rehfleisch und kauten.

Einen Augenblick später schnellte die Dolchspitze wie eine Schlangenzunge vor. Mit einer flüchtigen Bewegung seines Handgelenks warf Simon Dominic die Scheibe Fleisch zu, und der fing sie geschickt auf.

»In deiner Ehe gab es zu Anfang kaum mehr Wärme«, erklärte Simon, während sein Bruder das Fleisch verzehrte.

Dominic lächelte versonnen.

»Mein kleiner Falke war eine würdige Gegnerin«, gestand er.

Simon lachte. »Sie hat dir ganz schön zu schaffen gemacht, Bruder. Sie ist auch jetzt noch kein zahmes Täubchen. Ich glaube, ich werde mich in meiner Ehe doch lieber mit weniger Leidenschaft und mehr Behaglichkeit zufriedengeben.«

Der Glendruid-Wolf betrachtete Simon eine Weile prüfend aus silbergrauen Augen. Jenseits der dicken Steinmauern heulte der Herbstwind so wild um die Burg, daß sich die schweren Vorhänge leise im Luftzug bewegten.

Der Raum war luxuriös eingerichtet, denn er war ursprünglich für die Herrin von Stone Ring Keep gedacht. Jetzt diente er als zeitweilige Unterkunft für Dominic und Meg, Lord und Lady von Blackthorne Keep. Aber selbst die massiven Steinmauern, die dichten Vorhänge und die hohen, schießschartenähnlichen Fenster konnten nicht vollständig die eisbewehrten Klauen eines für diese Jahreszeit zu kalten Sturms abwehren.

»Du bist dennoch ein leidenschaftlicher Mann«, sagte Dominic schlicht.

Die Farbe von Simons Augen wechselte von klarem Schwarz zu einem noch tieferen, undurchdringlicheren Samtschwarz. Sie erinnerten auf einmal an einen mitternächtlichen Himmel, an dem weder Sterne noch Mond stehen.

»Jungen lassen sich von Leidenschaft beherrschen«, erwiderte er bestimmt. »Männer nicht.«

»Ja. Und trotzdem sind Männer genauso leidenschaftlich.«

»Deine Belehrungen mögen ja durchaus ihre Berechtigung haben, aber ...«

Dominic wurde ein wenig ernster. Obwohl er Simons älterer Bruder war und sein Herr, hatte der wenig Geduld für gute Ratschläge. Dennoch hatte es niemals einen treueren Ritter als ihn gegeben. Dominic war sich dessen so sicher wie der Liebe seiner Frau.

»Ich habe festgestellt«, sagte er, »daß eine leidenschaftliche Ehe von unschätzbarem Wert ist.«

Simon knurrte nur etwas Unverständliches.

»Du bist anderer Meinung?« fragte Dominic.

Die Ungeduld in Simons Achselzucken fand sich in der schmalen Linie seines Mundes wieder.

»Ob ich anderer Meinung bin oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle«, erwiderte er.

»Als du mich aus der Hölle jenes Sultans gerettet hast –«

»Nachdem du dich in die Hände eben jenes Sultans begeben hattest, um mich und elf andere Ritter freizubekommen«, warf Simon ein.

»– kam ich als ein gebrochener Mann heraus«, fuhr Dominic fort, ohne sich um die Bemerkung seines Bruders zu kümmern.

»Ach wirklich?« fragte Simon in beißendem Ton. »Die wenigen Sarazenen, die danach dein Schwert überlebt haben, müssen erleichtert gewesen sein.«

Dominics Mund verzog sich zu einem Lächeln, das der Härte seines Bruders in nichts nachstand.

»Ich habe nicht von meinen Fähigkeiten im Kampf gesprochen«, erklärte er.

»Ausgezeichnet. Eine Zeitlang hatte ich nämlich befürchtet, deine süße Hexengattin hätte dein Hirn benebelt.«

»Ich sprach von meinem Mangel an Leidenschaft.«

Wieder zuckte Simon die Achseln. »Die Hure Marie hat sich vor ihrer Ehe mit Robert niemals darüber beklagt, daß es dir an irgend etwas mangelte. Danach habe ich auch keine Klagen gehört.«

Dominic zeigte jetzt offen seine Ungeduld. »Hör auf, den tumben, begriffsstutzigen Bediensteten bei mir zu spielen, Simon. Ich weiß nur zu gut, wie schnell dein Verstand ist.«

Simon wartete schweigend.

»Wollust ist eine Sache«, erklärte Dominic nüchtern. »Liebe dagegen eine ganz andere.«

»Für dich vielleicht. Für mich sind beide schlicht und einfach gleichbedeutend mit einzigartiger Dumm-, äh, Verletzlichkeit bei einem Mann.«

Der Glendruid-Wolf grinste. Er wußte sehr gut, was sein jüngerer Bruder von Männern hielt, die aufrichtige Liebe für eine Frau empfanden. »Dumm« war noch die am wenigsten beleidigende von allen Bezeichnungen, die er Simon hatte benutzen hören.

Aber es war nicht immer so gewesen. Erst seit dem Heiligen Kreuzzug und den Kerkern der Sarazenen.

»Nichts, was ich bei den Sarazenen gelernt habe, hat mich davon überzeugt, daß ein verletzlicher Ritter ein kluger Ritter sein kann«, schloß Simon.

»Liebe ist kein Krieg zwischen Feinden, bei dem es um Sieg oder Niederlage geht.«

»Für dich, ja«, gestand Simon. »Für andere Männer trifft das nicht zu.«

»Was ist mit Duncan?«

»Was ich bei Duncan gesehen habe, hat mir die Liebe nicht unbedingt schmackhafter gemacht«, erwiderte Simon kalt.

Dominic blickte ihn überrascht an.