Geliebt von einem Scheich - Liebesromane aus 1001 Nacht - Abby Green - E-Book

Geliebt von einem Scheich - Liebesromane aus 1001 Nacht E-Book

Abby Green

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Beschreibung

DER SCHEICH UND DIE TÄNZERIN

"Du bist achtundzwanzig und arbeitest in einem Stripclub. Wieso, zum Teufel, bist du da noch Jungfrau?""Es ist kein Stripclub. Und Sex hat mich einfach nicht interessiert."Scheich Arkim sinnt auf Rache, seit die schöne Revuetänzerin Sylvie versucht hat, ihn zu verführen und seinen Ruf zu ruinieren. Sein Plan: Weil er Sylvie trotz allem begehrt wie keine Frau zuvor, muss sie seine Geliebte sein - so lange, bis er endgültig von ihr kuriert ist! Doch als er sie in seinen luxuriösen Wüstenpalast entführt, macht er eine Entdeckung, die ihn zweifeln lässt. Ist Sylvie gar nicht die verführerische Sirene, für die er sie hielt, sondern völlig unschuldig? Oder lockt sie ihn etwa gerade zum zweiten Mal in eine Falle?

VERFÜHRT UNTER DEM HIMMEL DER WÜSTE

Mit ihren sexy Kurven und dem verführerischen Lächeln erregt Isla sofort Scheich Shazims Verlangen. Doch heiße Nächte mit ihr sind undenkbar für ihn als Thronfolger! Schließlich ist er seinem Land gegenüber verpflichtet, eine passende Ehefrau zu finden. Eine Studentin, die ihr Studium als Nachtclub-Tänzerin finanziert, kommt da nicht infrage. Doch allein mit Isla unter dem Himmel der Wüste, kann er ihren verlockenden Reizen trotz allem nicht mehr widerstehen. Und ehe er sich versieht, steht er vor der schwersten Entscheidung seines Lebens …

BETÖRENDE NÄCHTE IN KUWAIT

Seit Felicia in seiner Villa wohnt, fühlt sie sich mehr und mehr zu Rashid hingezogen. Der stolze Wüstensohn weckt in ihr bisher ungekannte Gefühle. Dabei ist sie nur in den Orient gereist, damit Rashid ihr und ihrem Verlobten, seinem Neffen, seinen Segen gibt …

GEKÜSST VON EINEM SCHEICH

"Bella, du lebst!" Scheich Adan ist überglücklich. Endlich kann er seine tot geglaubte Verlobte wieder in den Armen halten. Nun steht einer baldigen Hochzeit nichts mehr im Wege - doch Bella wirkt vollkommen verändert. Ist diese Frau wirklich die, für die Adan sie hält?

SO SINNLICH KÜSST NUR EIN WÜSTENPRINZ

Prinzessin Anna will keine arrangierte Ehe eingehen! Nur deshalb verführt sie einen attraktiven Fremden zu einem heißen Kuss vor den Paparazzi-Kameras - mit diesem Beweis ihrer Untreue wird ihr Verlobter sie sicher nicht mehr wollen. Doch der Fremde ist niemand anders als Prinz Zahir - ausgerechnet der Bruder ihres Verlobten! Was hat sie bloß getan? fragt Anna sich verzweifelt. Um einen Skandal für Zahirs Land zu vermeiden, muss sie ihn jetzt heiraten. Einen Mann, der sie verachtet, auch wenn er auf ihren Kuss erregend sinnlich reagiert hat …

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Seitenzahl: 950

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Abby Green, Susan Stephens, Penny Jordan, Lynn Raye Harris, Andie Brock

Geliebt von einem Scheich - Liebesromane aus 1001 Nacht

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Abby Green Originaltitel: „Awakaned by Her Desert Captor“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2265 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Helga Meckes-Sayeban

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733707170

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Sechs Monate vorher …

Resigniert bereitete Sylvie Devereux sich auf den Besuch bei ihrem Vater und ihrer Stiefmutter vor, während sie die breite Auffahrt zum Herrenhaus hinaufging. Dieses Opfer nahm sie nur für ihre Halbschwester auf sich. Für Sophie würde sie alles tun.

Das mächtige Herrenhaus in Richmond erstrahlte in vollem Lichterglanz, und im Partyzelt im Garten spielte eine Band klassischen Jazz. Grant Lewis’ Mittsommerparty war der jährliche Höhepunkt der Londoner Gesellschaft und fand stets unter der Schirmherrschaft seiner Ehefrau Catherine statt – Sylvies verhasster Stiefmutter und Mutter ihrer jüngeren Halbschwester Sophie.

Eine zierliche Gestalt erschien am Eingangsportal. Mit aufgeregtem Freudengeschrei lief Sophie ihrer sechs Jahre älteren Schwester entgegen. Lachend umarmte Sylvie die bildhübsche Blondine und scherzte: „Das soll wohl bedeuten, du freust dich, mich zu sehen?“

Sophie gab sie frei und schnitt ein Gesicht. „Du ahnst nicht, wie! Mutter ist noch schlimmer als sonst – jeden möglichen Heiratskandidaten drängt sie mir förmlich auf. Und Vater hat sich wieder einmal im Arbeitszimmer verschanzt – diesmal mit einem Scheich. Ein schrecklicher Mensch, aber er sieht fantastisch aus. Schade, dass er nicht …“

„Da bist du ja, Sophie …“

Sylvies Stiefmutter war in die Tür getreten, und das Licht im Haus umflorte Catherine Lewis’ elegante Gestalt und ihr perfekt gestyltes blondes Haar.

Abschätzig musterte sie Sylvie. „Ach du bist es! Wir waren nicht sicher, ob wir mit dir überhaupt rechnen können.“

Wir hatten gehofft, du würdest nicht kommen, sollte das heißen. Sylvie rang sich ein Lächeln ab und ließ sich nichts anmerken. Mit achtundzwanzig hätte sie über alles das längst hinweg sein müssen. „Ich freue mich wie immer, dich zu sehen, Catherine.“

Aufmunternd drückte Sophie ihrer Schwester den Arm, und Catherine trat notgedrungen beiseite, um ihre Stieftochter ins Elternhaus zu bitten. „Dein Vater ist in einer Besprechung mit einem Gast, die aber bald beendet sein dürfte.“

Missbilligend kehrte Catherine in die hell erleuchtete Empfangshalle zurück und erging sich in kritischen Bemerkungen über die Kleidung ihrer Stieftochter. Darauf hätte Sylvie gefasst sein müssen, doch sie war die ewigen Plänkeleien leid.

„Du kannst dich in Sophies Zimmer umziehen, wenn du möchtest“, sagte Catherine kühl. „Ich nehme an, du kommst direkt von einer deiner … Shows in Paris?“

So war es tatsächlich. Sylvie war bei einer Matinee aufgetreten. Erst im Zug hatte sie sich umgezogen.

Ihre Müdigkeit war verflogen, aufreizend bewegte sie die Hüften. „Das Kleid ist das Geschenk eines Fans“, klärte sie ihre Stiefmutter übertrieben liebenswürdig auf. „Ich weiß doch, wie wichtig es dir ist, dass deine Gäste sich herausputzen.“

Eigentlich gehörte das Kleid Sylvies glamouröser Mitbewohnerin Giselle, die oben herum nicht so üppig ausgestattet war. Sylvie hatte es sich extra ausgeliehen, weil sie wusste, welche Wirkung es auf Catherine haben würde. Natürlich war es kindisch, die Frau immer wieder zu provozieren, doch im Moment brauchte sie das.

In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Arbeitszimmer, und Sylvie folgte ihrer Stiefmutter, um ihren Vater zu begrüßen, der in die Empfangshalle heraustrat. Doch Sylvie nahm ihn nicht richtig wahr. In seiner Begleitung befand sich ein Gast – der atemberaubendste Mann, der ihr je begegnet war. Sein Gesicht war hart und kantig, kühler Blick, dunkle buschige Brauen … dieser Mensch kannte weder Nachsicht noch Duldsamkeit.

Ihn hatte Sophie also gemeint …

Er verströmte Macht und Charisma … und Sex pur. Erschauernd registrierte Sylvie: leichter grauer Anzug, dunkle Krawatte, weißes Hemd – kurzes schwarzes Haar und dunkle Augen, die keine Regung zeigten …

Nun blickten beide Männer zu ihr herüber. Sie musste den Gesichtsausdruck ihres Vaters nicht sehen, um zu wissen, was er empfand: die alte Trauer, Enttäuschung, Müdigkeit.

„Ach Sylvie. Nett, dass du kommen konntest“, begrüßte er sie leise.

Sie rang sich ein Strahlelächeln ab. „Dad … schön, dich zu sehen.“

Ein kurzer Kuss auf die Wange, er vermied es, ihr in die Augen zu blicken. Die alten Wunden schmerzten, doch Sylvie ließ sich nichts anmerken – wie all die Jahre schon.

Erst jetzt wagte sie es, den Fremden direkt anzusehen. „Und wen haben wir hier?“, bemerkte sie kokett.

Höflich stellte Grant Lewis ihr den Besucher vor: „Darf ich dich mit Arkim Al-Sahid bekanntmachen, Sylvie? Wir verhandeln einen wichtigen Businessdeal.“

Irgendwie sagte ihr der Name etwas, doch sie konnte ihn nicht einordnen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als dem Besucher zur Begrüßung die Hand zu reichen. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Aber ist es nicht langweilig, auf einer Party über Geschäfte zu reden?“

Fast konnte sie den vorwurfsvollen Blick ihrer Stiefmutter im Rücken spüren.

Forsch trat sie näher an den Mann heran. Er hatte ihre Hand noch nicht ergriffen, nun geruhte er endlich, sie zu schütteln. Ihre Finger verschwanden fast in seiner kraftvollen Hand – die sich fest und stark anfühlte.

Dann schien alles nur noch gedämpft, wie in Zeitlupe abzulaufen, als würde ein magischer Kokon sie beide einhüllen. Alles in Sylvie begann zu prickeln, unkontrollierbare Empfindungen liefen so schnell ab, dass sie benommen war. Ihr wurde heiß, eine seltsame Schwäche erfüllte sie. Etwas zog sie unwiderstehlich zu dem Fremden hin – gleichzeitig klingelten bei ihr alle Alarmglocken.

Verwirrt entzog sie ihm ihre Hand und wich einen Schritt zurück.

„Ich freue mich auch, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Seine Stimme war dunkel, er sprach mit leicht amerikanischem Akzent – und sein Ton verriet, dass er sich keineswegs freute. Er presste die Lippen zusammen und begutachtete sie kurz, damit war sie für ihn abgetan.

Auf einmal kam Sylvie sich billig vor. Ihr wurde bewusst, wie kurz ihr Goldlameekleid war – es bedeckte nur notdürftig die Schenkel, während das Oberteil gefährlich knapp saß. Für dieses Kleid war sie entschieden zu üppig ausgestattet. Sie kam sich halb nackt vor. Und durch ihr langes feuerrotes Haar musste sie noch aufdringlicher wirken.

Aber natürlich … sie verdiente ihr Geld als Revuetänzerin, die bei ihren Auftritten wenig anhatte und nicht zimperlich sein durfte. Nach und nach hatte sie gelernt, ihre angeborene Scheu zu überwinden – sich ein dickes Fell zuzulegen. Doch der Fremde schien ihre Tarnung in Sekundenschnelle durchschaut zu haben.

Sylvie wich weiter zurück.

Glücklicherweise kam Sophie ihr zu Hilfe, die sich bei ihrem Vater unterhakte und ihn locker erinnerte: „Komm, Daddy. Die Gäste werden sich schon fragen, wo du bleibst.“

Schweigend beobachtete Sylvie, wie ihr Vater, ihre Stiefmutter und ihre Schwester mit dem beunruhigenden Gast vorausgingen – der sie keines Blickes mehr würdigte … und folgte ihnen nach draußen.

Irgendwann hatte Sylvie das Bedürfnis, allein zu sein und den Partygästen zu entrinnen, die zunehmend betrunkener wurden – auch den kritischen Blicken ihrer Stiefmutter und ihres Vaters, der sie immer wieder seltsam betrachtete.

Erleichtert entdeckte Sylvie eine ruhige Ecke in der Nähe eines Pavillons am anderen Ende des Gartens, wo ein Bächlein vorbeiplätscherte. Sie atmete auf, als sie endlich die Schuhe abstreifen und ihre Füße im frischen Wasser kühlen konnte.

Als sie sich zurücklehnte und zum Mond aufblickte, spürte sie, dass sie nicht allein war. Sie sah sich um und bemerkte eine groß gewachsene, dunkle Gestalt an einem Baum lehnen.

Ihr Herz begann zu jagen. „Wer ist da?“

Der Mann löste sich aus dem Schatten … und Sylvie hätte selbst nicht erklären können, warum sie so stark reagierte.

„Sie wissen genau, wer da ist“, erwiderte der geheimnisvolle Besucher.

Anfangs konnte sie nur seine dunklen Augen ausmachen. Schnell stand sie auf, weil sie sich sitzend im Nachteil fühlte, und schlüpfte in ihre Schuhe. Die High Heels gruben sich tief in die weiche Erde ein, sodass sie etwas wacklig dastand.

„Wie viel haben Sie getrunken?“, fragte der Fremde abschätzig.

Die ungerechtfertigte Unterstellung machte sie wütend. „Eine Magnumflasche Champagner, falls Sie das hören wollten.“

In Wirklichkeit hatte sie diesmal auf Alkohol verzichtet, weil sie wegen einer beharrlichen Bronchitis immer noch Antibiotika nehmen musste. Aber das ging den Kerl nichts an.

„Zu Ihrer Information, ich bin hier draußen, weil ich allein sein wollte. Also sparen Sie sich Ihre arroganten Bemerkungen.“

Stolz wollte sie Arkim Al-Sahid einfach stehen lassen, doch er war ihr jetzt so nahe, dass er nur die Hand auszustrecken brauchte, um sie zu berühren. Und genau das tat er, als sie mit dem Absatz in der weichen Erde stecken blieb und stolperte.

Er fing sie so schnell auf, dass sie das Gleichgewicht verlor und mit einem kleinen Aufschrei an seiner Brust landete … die sich hart wie Stahl anfühlte.

Der Mann war wirklich unerhört groß!

Sylvie vergaß, warum sie gehen wollte. „Sagen Sie, hassen Sie jeden auf den ersten Blick – oder nur mich?“, fragte sie atemlos.

Im Mondschein konnte sie sehen, dass er spöttisch lächelte.

„Ich kenne Sie und habe Sie oft genug gesehen … auf fast jedem Plakatanschlag in Paris. Seit Monaten.“

Sie überlegte kurz. „Das war vor einem Jahr, als die neue Revue Premiere hatte.“ Aber die Plakate zeigten nicht die wahre Sylvie. Man hatte sie für das Fotoshooting ausgewählt, weil sie üppiger gebaut war als die anderen Mädchen. Normalerweise zeigte sie sehr viel weniger Haut als die anderen Girls der Truppe.

Jetzt hätte sie sich diesem Mann entziehen müssen. Wieso tat sie es nicht? Und warum ließ er sie immer noch nicht los? Offensichtlich gehörte er zu den Moralaposteln, die sich aufregten, wenn Frauen sich im Showgeschäft offenherzig zeigten.

Am meisten ärgerte sie, dass Arkim Al-Sahid sie von vornherein verurteilt hatte.

Ironisch zog sie eine Braue hoch. „Ach das ist es also? Bestätigt es Ihre schlimmsten Vermutungen, mich jetzt in Natura zu sehen?“

Ihr entging nicht, dass sein Blick kurz zu ihren Brüsten glitt, die sich immer noch gegen ihn pressten.

„Also zugegeben … im Moment zeigen Sie tatsächlich viel Haut.“ Er sah ihr in die Augen. „Aber ich gehe mal davon aus, dass Sie sich normalerweise nicht so freizügig geben.“

Sylvie befreite sich aus seinem Griff und schob ihn von sich. Sie war jetzt so wütend, dass sie diesem Mann unbedingt die Meinung sagen musste, ehe sie ging.

„Leute wie Sie machen mich krank! Sie urteilen und verdammen, ohne eine Ahnung zu haben, wovon Sie reden.“

Aufgebracht tat sie einen Schritt auf ihn zu und bohrte ihm den Finger in die Brust. „Sie sollten wissen, dass die L’Amour-Revue zu den anspruchsvollsten Tanzshows der Welt gehört. Wir sind ausgebildete Tänzerinnen von Weltklasse und keine billige Striptruppe.“

„Trotzdem ziehen Sie sich aus“, gab er zu bedenken.

„Na ja …“ Bei ihrem Auftritt musste Sylvie sich nicht ganz ausziehen. Dazu waren ihre Brüste zu voll, und Pierre schickte lieber flachbrüstige Mädchen auf die Bühne. Das wirke ästhetischer, fand er.

Arkim Al-Sahid lachte verächtlich … und Sylvie war sich nicht sicher, ob er sie damit meinte.

Dann sagte er: „Es ist mir egal, ob Sie Ihre Nummer splitternackt oder am Trapez strippend abziehen. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.“

Arkim Al-Sahid drehte sich um und ging davon.

Obwohl es ihr egal sein sollte, was er von ihr dachte, machte es Sylvie unglaublich wütend, dass er sie verurteilte, ohne sie überhaupt zu kennen. Was bildete dieser arrogante Kerl sich überhaupt ein?

Ohne länger darüber nachzudenken, schrie sie ihm ihre Meinung hinterher und bedachte ihn mit einer Salve von Schimpfwörtern.

Arkim Al-Sahid blieb stehen und drehte sich langsam zu ihr um. „Wie bitte?“

Sein Gesichtsausdruck war so komisch, dass Sylvie hell auflachen musste. Von diesem arroganten Schnösel würde sie sich nicht einschüchtern lassen. „Ich sagte, Sie sind ein eingebildeter, verklemmter Affe.“

Gefährlich langsam schlenderte Arkim Al-Sahid zu ihr zurück. Trotz seines eleganten Maßanzugs wirkte er auf Sylvie wie ein Raubtier, das zum Sprung ansetzte. Elektrisierendes Kribbeln überlief sie, unwillkürlich wich sie zurück … bis sie gegen etwas Hartes stieß.

Den Pavillon.

Groß und bedrohlich blieb Arkim vor ihr stehen und stemmte sich mit den Händen so gegen die Mauer, dass sie gefangen war. Ihr schlug das Herz bis zum Hals, ihre Haut prickelte, sie war auf alles gefasst. Ein exotischer Duft ging von ihm aus – voller Verheißung und Gefahr und Sünde …

„Entschuldigen Sie sich?“

Sylvie schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht daran.“

Sekundenlang sagte er nichts, dann wurde er seltsamerweise nachdenklich. „Eigentlich haben Sie recht …“

Sie wagte kaum zu atmen. Er entschuldigte sich? „So?“

Arkim nickte und ließ einen Finger sanft über ihre Wange zu ihrer nackten Schulter gleiten.

Auf einmal atmete Sylvie viel zu schnell – als wäre sie einen Marathon gelaufen – ihre Haut glühte, wo er sie berührt hatte. Meine Güte! Noch kein Mann hatte diese Wirkung auf sie gehabt – und sie wusste nicht einmal genau, warum.

„Ja“, sagte er leise. „Ich bin verklemmt. Durch und durch. Vielleicht können Sie mir helfen, das zu ändern.“

Ehe Sylvie reagieren konnte, hatte Arkim sie an sich gezogen, schob die Finger in ihr Haar – und küsste sie.

Es war, als würde sie in Sekundenschnelle von null auf hundert katapultiert. Das war kein sanft erkundender Kuss, er war unmissverständlich und hatte eine verheerende Wirkung auf sie. Ehe Sylvie bewusst wurde, dass Arkim ihren Mund plünderte, führten ihre Zungen einen feurigen Tanz auf … und sie dachte nicht daran, ihn abzuwehren, genoss es sogar, was dieser Mann mit ihr machte – obwohl das gar nicht zu ihr passte.

Sie presste die Hände an seine Brust, verkrallte sich in seine Weste, legte ihm die Arme um den Hals und stellte sich auf Zehenspitzen, um ihm noch näher zu sein.

Ein teuflischer Adrenalinschub fegte sie mit sich, sie bebte vor Lust und Verlangen. Dann spürte sie seine Finger an ihrer Schulter, der Stoff des Kleides glitt herunter. Etwas Wildes, Hemmungsloses erwachte in ihr, als Arkim ihre Lippen freigab und ihre Schulter mit Küssen bedeckte.

Selbstvergessen bog sie den Kopf zurück und schloss die Augen. Ihre Welt bestand nur noch aus einem wahnwitzigen drängenden Rhythmus, dem sie sich nicht entziehen konnte – und auch nicht wollte – als Arkim ihr das Kleid herunterstreifte und die kühle Nachtluft ihre heiße Haut umfächelte.

Benommen, wie berauscht hob Sylvie den Kopf. „Arkim …“ Nur undeutlich fiel ihr ein, dass sie diesen Mann nicht einmal kannte. Wollte sie, dass er aufhörte … weitermachte?

Und wie er sie mit seinen diamantharten dunklen Augen ansah, raubte ihr den letzten klaren Gedanken.

„Scht … Sylvie, ich möchte Sie berühren.“

Wie er ihren Namen aussprach, ließ sie endgültig schmelzen. Im nächsten Moment spürte sie seine Hand an ihrem Schenkel, zwischen den Beinen … er schob ihr Kleid nach oben. So intim hatte noch kein Mann sie berührt, weil sie keinen wirklich an sich heranließ … aber es war wunderbar. Notwendig. Als hätte sie etwas Entscheidendes versäumt, als wäre etwas in ihr befreit worden, das fest versiegelt gewesen war.

Willig öffnete sie ihm die Schenkel und sah, dass Arkim lächelte, aber nicht siegessicher oder berechnend … sondern verlangend.

Dann beugte er sich über sie und küsste ihre nackte Brust, sog an ihrer Spitze und liebkoste sie mit der Zunge, katapultierte Sylvie in eine neue Umlaufbahn. Elektrisierende Ströme durchzuckten sie, ihr Schoß wurde feucht, und ein schmerzliches Ziehen breitete sich in ihr aus.

Berauscht klammerte Sylvie sich an Arkim, der sie nun mit dem Mund, der Zunge, den Händen erkundete, bis eine unerträgliche Spannung sich in ihr aufbaute. Hatte er das mit verkrampft gemeint? Denn nun fühlte sie es auch, tief in sich, so unglaublich, dass sie es nicht mehr aushielt.

Überwältigt von den unbeschreiblichen Empfindungen, zwang sie ihn, sie anzusehen. „Ich kann nicht … Was tun Sie da …?“

Sie konnte nicht weitersprechen. Nur noch fühlen. Eben noch hatte sie ihn für den Teufel persönlich gehalten – jetzt bescherte er ihr den Himmel, presste sich an sie und drückte ihre Beine auseinander, erkundete sie unsäglich intim …

Sylvie brachte kein Wort hervor, drängte ihm entgegen, küsste ihn auf den Mund …

Unvermittelt hielt Arkim inne und stand ganz still. Dann gab er sie unerwartet frei und wich zurück, sodass Sylvie fast gegen ihn gestolpert wäre. Im Mondlicht betrachtete er sie so entsetzt, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen. Seine Krawatte war verrutscht, die Weste stand offen, sein Haar war zerzaust …

„Was zum Teufel …?“

Arkim tat einige Schritte zurück. „Komm mir nie mehr nahe“, warnte er sie und schritt durch den Garten auf das hell erleuchtete Herrenhaus zu.

Drei Monate vorher …

Nie hätte Sylvie gedacht, dass sie sich so bald wieder im Herrenhaus in Richmond blicken lassen müsste. Normalerweise konnte sie dortige Besuche vermeiden, weil ihre kleine Schwester im Londoner Apartment der Familie wohnte.

Doch für dieses Ereignis war es zu klein. Gefeiert wurde Sophies Verlobung – mit Arkim Al-Sahid.

Selbst jetzt noch konnte Sylvie hören, wie atemlos Sophie bei ihrem Anruf vor einigen Tagen geklungen hatte. „Alles ging so schnell …“

Nichts hätte Sylvie dazu bringen können, nach dem schockierenden Abend so schnell wieder bei der Familie zu erscheinen. Und nun das! Auf keinen Fall durfte sie zulassen, dass ihre kleine Schwester zum Spielball der Machenschaften ihrer Stiefmutter wurde. Oder dieses Arabers.

Des Mannes, an den sie seit jenem Abend nicht einmal mehr denken wollte … der sie weggeschickt hatte und dann … Selbst jetzt erschauerte Sylvie bei der Vorstellung, ihm wieder zu begegnen.

An den demütigenden Zwischenfall erinnerte sie sich, als wäre es erst gestern gewesen. An seine Stimme. Den verächtlichen Ton, in dem er sie gewarnt hatte: „Komm mir nie mehr nahe.“

Die schrille Stimme ihrer Stiefmutter, die einen bedauernswerten Angestellten zurechtwies, verdrängte Sylvies unerfreuliche Erinnerungen.

Stirnrunzelnd beugte sie sich übers Badezimmerbecken und betrachtete sich im Spiegel. Irgendwie kam sie nicht über die Scham hinweg, die sie überwältigt hatte, nachdem Arkim Al-Sahid sie einfach hatte stehen lassen – den Slip halb heruntergestreift, nur mit einem Schuh bekleidet. Und sie hatte mitgemacht, von Anfang bis Ende, konnte sich nicht einmal einreden, er hätte sie dazu gezwungen.

Er hatte nur mit den Fingern schnippen müssen – und sie hatte sich nicht gewehrt. Hungrig. Gierig. Hatte es kaum erwarten können …

Wie konnte sie nur! Sylvie war wütend auf sich selbst. Nur wegen Sophie war sie hier, garantiert nicht, um Erinnerungen aufzufrischen. Seufzend richtete sie sich auf und überprüfte ihr Aussehen. Heute mochte sie nicht einmal an das sexy Goldlameekleid denken, das sie an dem Abend getragen hatte. Im kleinen Schwarzen mit passenden High Heels, das Haar zum strengen Nackenknoten gewunden, mit dezentem Make-up wirkte sie elegant und vornehm zurückhaltend.

Würdevoll betrat Sylvie endlich den großen Speisesaal, in dem ein erlesenes Buffet aufgebaut war. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie Arkim Al-Sahid sofort, der so umwerfend wie damals aussah. Natürlich würde sie ihn ignorieren und alles daran setzen, um nicht einmal in seine Nähe zu geraten. Was nicht einfach war, weil sie Sophie unbedingt allein sprechen musste.

Der Abend schien kein Ende zu nehmen. Immer wieder ließ Sylvie sich auf nichtssagenden Small Talk ein, dann überlief sie unvermittelt eine Gänsehaut … instinktiv spürte sie, dass jemand sie beobachtete. Doch wann immer sie sich unauffällig umsah, konnte sie ihn nirgends entdecken.

Da sie auch Sophie nicht finden konnte, machte Sylvie sich auf die Suche nach ihrer Schwester. Vielleicht war sie im Arbeitszimmer bei ihrem Vater. Vorsichtig öffnete Sylvie die Tür einen Spalt, doch im Raum gab es nur die Eichenpaneele voller Bücher, und das Feuer im Kamin war fast heruntergebrannt.

Die Wärme und der Frieden waren verlockend, spontan trat Sylvie ein und schloss die Tür hinter sich.

Dann wurde sie auf eine Bewegung hinter einem hohen Armsessel am Kamin aufmerksam. „Soph? Bist du da?“ Hier hatte ihre kleine Schwester sich früher immer gern verkrochen, und Sylvie lächelte verständnisvoll.

Aber es war nicht Sophie, wie sich schnell herausstellte, als eine dunkle Gestalt sich aus dem Sessel erhob.

Instinktiv wich Sylvie zurück. „Bilde dir bloß nicht ein, ich hätte dich gesucht“, erklärte sie Arkim eisig und wollte gehen. „Aber da du schon mal hier bist, kann ich dir auch gleich etwas sagen.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „So?“

Unverrückbar wie eine Marmorsäule stand er da. Es nervte Sylvie, dass er sie mühelos in Rage bringen konnte. Steif ging sie zum Kamin und legte die Hand auf die Rückenlehne des Sessels, in dem er wieder Platz genommen hatte. Einfach unverschämt, dass er noch fabelhafter aussah als vor Monaten.

Wie damals trug er einen eleganten Dreiteiler und betrachtete sie abschätzig. „Wem willst du etwas vormachen?“, fragte er ironisch. „Oder möchtest du eine Exklusivvorstellung einlegen, um zu zeigen, was sich hinter der Fassade der Achtbarkeit verbirgt?“

Nun ging das Temperament mit Sylvie durch. „Erst habe ich nicht verstanden, was du auf Anhieb gegen mich hattest. Jetzt weiß ich es. Dein Vater gehört zu den bekanntesten amerikanischen Pornobaronen, und du machst kein Geheimnis daraus, dass du ihn übertrumpft hast, um dein eigenes Imperium aufzubauen. Sogar seinen Namen hast du abgelegt.“

Fast sprungbereit saß Arkim da und kniff die Augen zusammen. „Wie du richtig bemerkt hast – es ist kein Geheimnis, meine Liebe.“

Auf die Antwort war Sylvie nicht gefasst. „Nein …“

„Und?“

Sie schluckte. Die Unverfrorenheit des Mannes war kaum zu überbieten! „Du willst meine Schwester nur heiraten, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Aber Sophie hat sehr viel mehr verdient. Liebe zum Beispiel …“

Arkim lachte spöttisch. „Lebst du in einer Traumwelt? Seit wann heiratet man aus Liebe? Deine Schwester kann durch unsere Verbindung nur gewinnen – vor allem lebenslange finanzielle Sicherheit und Ansehen. Sie hat auch nie den Eindruck erweckt, über unserer Verlobung unglücklich zu sein. Ihr Vater wünscht sich für sie eine gesicherte Zukunft … was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, was aus seiner ältesten Tochter geworden ist.“

Kalt sah Sylvie ihn an. Erstaunlich, wie schnell der Mann die Situation durchschaut hatte.

„Meine liebe Sylvie“, fuhr Arkim fort. „Ich bin weder blind noch einfältig. Dein Vater möchte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Und hier bietet sich ihm die ideale Gelegenheit, ein gutes Geschäft und die Zukunft seiner Tochter unter Dach und Fach zu bringen. Es ist kein Geheimnis, dass sein Imperium durch die weltweite Finanzkrise einen schweren Schlag erlitten hat – dass er jetzt alles tut, um die Verluste wieder auszubügeln.“

Gutes Geschäft. Sylvie wurde übel. Natürlich wusste sie, dass ihr Vater geschäftlich schwere Verluste erlitten hatte … doch sie wusste auch, dass ihre Stiefmutter hinter dieser Verlobung steckte. Eine Frau müsse sich einen reichen Mann schnappen, war ihr Motto. Und zweifellos hatte Grant Lewis sie davon überzeugt, dass die Verbindung zwischen Sophie und Arkim Al-Sahid einen Freifahrtschein für eine gesicherte Zukunft bedeutete.

Sylvie riss sich zusammen. Über Liebe wollte sie nicht streiten. Vielleicht gab es sie tatsächlich nicht.

„Sophie ist nicht die Richtige für dich – und du bist garantiert nicht der Richtige für meine Schwester.“

Einen Augenblick lang betrachtete Arkim sie nachdenklich. „Sie ist sogar genau die Richtige für mich. Sophie ist jung, schön und intelligent. Gebildet.“ Wieder betrachtete er Sylvie von oben bis unten. „Und vor allem eine echte Dame.“

Das saß.

Abwehrend hob Sylvie eine Hand. „Bitte hör auf, mich zu bleidigen. Ich weiß auch so, wo ich auf deiner Tugendskala rangiere. Und mir ist klar, dass du mit gewissen Branchen auf Kriegsfuß stehst. Mich hast du wegen dem verurteilt, was ich beruflich mache.“

„Und was machst du?“, fragte er spöttisch.

Sylvie ballte die Hände zu Fäusten. „Das schien dich neulich nicht zu stören.“

Komisch, aber Arkim lief rot an … als hätte sie ihn geohrfeigt.

„Es wird sich nicht wiederholen.“

Sein verächtlicher Ton traf sie. Doch seltsamerweise schien er nicht nur sie, sondern auch sich selbst zu meinen … als hätte sie alte Wunden aufgerissen. Sylvie dachte an den Gesichtsausdruck ihres Vaters – wie er sie angesehen hatte, nachdem ihre Mutter gestorben war …

Sollte sie es dem Mann heimzahlen? Mal sehen, wann er die Beherrschung verlor. Aufreizend ging Sylvie um den Sessel herum, beugte sich über Arkim Al-Sahid und glitt zu ihm auf den Schoß.

Er atmete tief durch, in seinen Augen blitzte es auf, dann packte er ihre Arme. „Was, zum Teufel, soll das?“

Sylvie bebte am ganzen Körper, der Adrenalinschub machte sie kühn. „Ich möchte dir beweisen, dass du ein Heuchler bist, Arkim Al-Sahid.“

Mit diesen Worten schmiegte sie sich an ihn und küsste ihn leidenschaftlich.

Dann konnte sie nichts mehr denken, spürte nur, dass er sich anspannte … und nicht verhindern konnte, dass sich der harte Beweis seiner Erregung gegen ihren flachen Bauch presste. Bewies das nicht genug? Triumphierend dachte Sylvie an den Abend im Garten, als er sie verächtlich von sich gestoßen hatte. Vergaß, was sie mit ihrem Überfall beabsichtigt hatte. Verlangend rieb sie sich an ihm, drängte ihm entgegen. Nach einigen Herzschlägen gab er ihre Arme frei, begann, sie zu streicheln, und bewegte die Lippen auf ihren, erst langsam – dann brach der Sturm los.

Die Welt um Sylvie versank, als der Kuss heißer wurde. Nun war es Arkim, der sie so fest an sich zog, dass sie seinen Herzschlag spürte.

Doch unvermittelt geschah etwas mit ihm. Er hielt inne und löste sich von ihr.

Sylvie war atemlos, als er sie von sich schob. Hilflos stolperte sie zurück und landete im Sessel hinter sich.

Er lächelte abschätzig. „Du willst mich am Abend meiner Verlobung mit deiner Schwester verführen – aber ich spiele nicht mit. Schreckst du eigentlich vor gar nichts zurück?“

Sylvie wurde eiskalt. Unter seinem eisigen Blick erlosch ihre Leidenschaft, sie fühlte sich wie benommen. Was war nur in sie gefahren, ihn so zu küssen? Was hatte sie ihm beweisen wollen? Wieso brachte dieser Mann sie dazu, sich so aufzuführen?

Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „So war es nicht. Ich würde nie etwas tun, das Sophie wehtun könnte.“

Er brummelte etwas Verächtliches, als es an der Tür klopfte und jemand den Raum betrat.

„Entschuldigen Sie die Störung, Mr. Al-Sahid, aber alles ist für die Bekanntgabe der Verlobung vorbereitet.“

Erleichtert wurde Sylvie bewusst, dass der Störenfried an der Tür sie in ihrem Sessel nicht sehen konnte.

Arkim nickte nur kurz. „Ich komme gleich.“ Als die Tür wieder geschlossen wurde, warf er ihr einen anklagenden Blick zu. „Es wäre das Beste für alle Beteiligten, wenn du jetzt gehen würdest – findest du nicht auch?“

2. KAPITEL

Gegenwart – der Tag nach der geplatzten Hochzeit …

Grimmig blickte Arkim Al-Sahid aus dem Fenster seines eleganten Bürokomplexes auf die Skyline von London. Die letzte Woche war ein einziger Albtraum gewesen. Er konnte immer noch keinen klaren Gedanken fassen. In den sechs Monaten war ihm Sylvie Devereux nur zwei Mal – nein, drei Mal, ihr unvergesslicher Auftritt in der Kirche mitgerechnet – über den Weg gelaufen, und jedes Mal hatte er die Kontrolle verloren.

Jetzt büßte er dafür. Mehr als er für möglich gehalten hätte.

Seitdem tobte er vor Wut – es war wie ein Buschbrand, der nicht zu löschen war. Er musste ausbaden, dass sie ein verwöhntes Geschöpf der High Society war, das Zurückweisung nicht ertrug und seine Hochzeit mit ihrer Schwester aus purer Eifersucht torpediert hatte.

Warum schlug ihm dennoch das Gewissen? Weil er ihren offen zur Schau gestellten Reizen erlegen war. Vom ersten Moment an hatte er dagegen angekämpft – als sie ihm in der Empfangshalle ihres Vaters so herausfordernd gegenübergestanden hatte.

Selbst jetzt noch sah Arkim vor sich, wie sie ihn angesehen – und genau gewusst hatte, wie unerhört verführerisch sie auf ihn, den eisernen Scheich, wirken musste. Als müsste sie nur die Wimpern spielen lassen, um ihn schwach zu machen! Teufel noch mal, ein Blick in ihre unergründlichen Augen – eins grün, das andere blau – und er war glatt auf ihre Nummer hereingefallen!

Die kleine Unregelmäßigkeit in ihrem wunderschönen Gesicht machte sie noch geheimnisvoller … mit ihren hohen Wangenknochen, der geraden Nase und dem sinnlichen Mund, der einen Mann zur Sünde verleiten konnte.

Unter ihrem wissenden Sirenenblick war ihm heiß geworden, was bewies, dass er sich manchmal doch nicht unter Kontrolle hatte.

Arkim presste die Lippen zusammen und blickte aus dem Fenster, um die Erinnerungen zu verdrängen.

Die Folgen seiner Schwäche lagen ihm wie Blei im Magen. Die Hochzeit mit Sophie Lewis war geplatzt. Und damit wohl auch seine beträchtlichen Investitionen in Grant Lewis’ breit gefächerten Konzern. Den Deal zu verlieren, würde zwar keine große Delle in seinem Finanzimperium hinterlassen, aber der Imageschaden war erheblich.

Somit musste er sich wieder einmal beweisen. Die ganze Woche über hatte sein Team besorgte Kunden zu beruhigen versucht, die Zweifel äußerten, sein bisher solider Firmenwert könne so unstet geworden sein wie sein Privatleben. Im Moment befanden seine Aktien und Wertpapiere sich in freiem Fall.

Die Sensationspresse hatte die Story hechelnd aufgeschnappt und die Beteiligten hämisch charakterisiert: den ewig leidenden Vater, die Skandaltochter, die sich aus Eifersucht rächte, die süße, unschuldige Braut – das Opfer – und die vor nichts zurückschreckende, ehrgeizig auf gesellschaftlichen Status versessene Mutter.

Und dann war da Arkim, der Sohn eines der reichsten Männer der Welt, aus den anrüchigen Kreisen der internationalen Pornoindustrie.

Saul Marks, sein Vater, führte ein ausschweifendes Leben in Los Angeles, und Arkim hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er siebzehn gewesen war. Damals hatte er sich geschworen, den Familiennamen seiner Mutter anzunehmen, um nicht länger mit den unseriösen Machenschaften seines Vaters in Verbindung gebracht zu werden.

Arkims Mutter Zara stammte aus einem vermögenden Clan des arabischen Staates Al-Omar und hatte an einer amerikanischen Universität studiert, wo Saul Marks sie kennengelernt und verführt hatte. Naiv und unschuldig, wie sie war, hatte der gut aussehende charismatische Amerikaner bereits eine neue Freundin, als sie merkte, dass sie schwanger war. Zwar hatte er ihr Unterhalt bezahlen, doch mit ihr oder dem Kind nichts zu tun haben wollen – bis sie bei der Geburt starb. Als ihre Familie in Al-Omar kein Interesse an ihrem Kind zeigte, hatte Saul Marks sich gezwungen gesehen, seinen kleinen Sohn zu sich zu nehmen.

So hatte Arkims Leben aus einer endlosen Folge englischer Internate und unpersönlicher Nannys bestanden. In den Ferien war er immer wieder bei seinem Vater und seiner schwindelerregenden Schar von Betthäschen aus der Pornobranche gelandet. Eine von ihnen hatte später ein gefährliches Interesse an ihm, Arkim, bekundet und ihm eine Lektion erteilt, die er nie vergessen würde.

Als die Society-Hochzeit des Jahrzehnts sich vor einer Woche zum Skandal ausgeweitet hatte, waren seine Bemühungen, sich von der Pornowelt seines Vaters abzugrenzen, in Schutt und Asche zerfallen.

Und alles wegen der rothaarigen Hexe!

Die es mit Zaubertricks geschafft hatte, ihm unter die Haut zu gehen. Von Anfang an. Es machte ihn jetzt noch wütend, dass er sie an dem Abend im Arbeitszimmer nur ungern hatte ziehen lassen. Er war so unglaublich hart gewesen. Züchtig wie ein Schulmädchen hatte sie ausgesehen – unnahbar, das Haar zum Knoten gewunden, das Gesicht unnatürlich bleich …

Er hatte sich erst wieder in den Griff bekommen, als sie ihn auf eine Weise geküsst hatte, die er nicht für möglich gehalten hätte … so unschuldig, irgendwie unerfahren. Aber natürlich war die zarte, unschuldige Art nur Schau gewesen, weil sie die Hochzeit mit ihrer kleinen Schwester um jeden Preis verhindern wollte.

Um sich über die beschämenden Peinlichkeiten hinwegzutrösten, hatte Arkim sich genüsslich ausgemalt, wie er sich an Sylvie Devereux rächen würde. Was er vorhatte, würde ihn von jedem Gedanken an sie endgültig kurieren.

Monatelang war sie ihm nicht aus dem Kopf gegangen, hatte ihn zu wildesten erotischen Fantasien getrieben, ihm schlaflose Nächte bereitet. Selbst während er mit ihrer süßen Schwester verlobt gewesen war.

Im Übrigen hatte Sylvie nicht nur mit ihm ein böses Spiel getrieben, sondern auch mit der unschuldigen Sophie, die untröstlich war und hoffentlich bereit, ihm eine zweite Chance zu geben.

Was Sylvie Devereux öffentlich in der Kirche verkündet hatte, würde er nie vergessen: „Der Mann hat mit mir geschlafen.“ Und warum machte ihn das so unsäglich wütend? Weil sie gar nicht mit ihm geschlafen hatte! Was sie behauptet hatte, war eine glatte Lüge! Mit der sie sicher sein konnte, irreparablen Schaden anzurichten!

Na gut! Wenn sie so versessen darauf war, mit ihm zu schlafen – das konnte sie haben! Bis zum Überdruss! Bis er ihrer leid war und sie in die Flitterwelt zurückschickte, wohin sie gehörte.

Doch seine Rache würde sich fern der klatschlüsternen Öffentlichkeit und der Sensationspresse abspielen. Und er selbst würde daraus mit blütenreiner Weste hervorgehen!

Gebannt blickte Sylvie aus dem Fenster der Privatmaschine auf die schier endlose Wüste unter sich. Wie in einem futuristischen Film zeichnete sich in der Ferne ein hitzeflimmerndes Wolkenkratzermeer aus Stahl und Glas ab.

Die Wüste von Al-Omar mit der Hauptstadt B’harani.

Das Juwel des Mittleren Ostens, wie viele es nannten.

Der fortschrittliche Staat wurde von einem modern denkenden, dynamischen Herrscherpaar regiert. Im Flugmagazin hatte Sylvie einen Artikel über die Familie gelesen: Auf dem Titelfoto prangte Sultan Sadiq mit seiner Frau Samia und ihren beiden süßen Kindern.

Königin Samia war jünger als Sylvie, eine strahlende Schönheit – und auf dem Foto sah ihr Ehemann sie an, als gäbe es für ihn keine andere Frau.

So hatte auch ihr Vater ihre Mutter einst angesehen …

Sylvie lächelte ironisch. Inzwischen gab Sultan Sadiq sich als Mann mit weißer Weste, doch sie erinnerte sich gut, dass er früher Stammkunde der berüchtigten L’Amour-Revue gewesen war und sich durch die Betten der Topstars der Truppe geschlafen hatte.

Bei ihr hatte er nicht landen können. Sobald sie nach ihrem Auftritt hinter der Bühne ankam, zog sie sich um, band sich das Haar zurück und huschte unbemerkt an ihren glamouröseren Kolleginnen vorbei. Was ihr bei den anderen Mädchen, aber auch den schwulen Jungs, endlose Spöttereien eingetragen hatte. „Schwester Sylvie“ war ihr Spitzname, weil sie lieber nach Hause fuhr und es sich mit einem Buch gemütlich machte, statt sich mit der reichen Kundschaft, die diskrete Affären schätzte, auf Partys zu tummeln.

Doch selbst ihre Freundinnen, die für Sylvie zur Ersatzfamilie geworden waren, wussten nichts von ihrem Doppelleben jenseits der Bühne.

„Miss Devereux? Wir landen gleich.“

Sylvie wandte sich der attraktiven Flugbegleiterin mit den dunklen Augen und dem glänzenden schwarzen Haar zu und erwiderte ihr Lächeln. Unwillkürlich musste sie an den Mann denken, der sie vor fast zwei Wochen buchstäblich überrumpelt hatte, nachdem sie ihn in der Öffentlichkeit bloßgestellt hatte.

Wie er sie angesehen hatte – drohend, unversöhnlich, fast satanisch war er in der Kirche auf sie zugekommen. Ihre Stiefmutter war jedoch schneller gewesen und hatte sie geohrfeigt, sodass ihre Lippe geplatzt war. Selbst jetzt noch schmerzte die Stelle, wenn Sylvie sie mit der Zunge berührte.

Unwillkürlich hatte sie das Gesicht ihrer Schwester vor sich – blass und tränenüberströmt, die Augen aufgerissen. Schockiert. Erleichtert. Sophies Erleichterung war den peinlichen Auftritt wert. Sie war ihr keine Sekunde böse gewesen. Ihre kleine Schwester war nicht die Richtige für Arkim Al-Sahid.

Dennoch hatte Sylvie ihren Triumph nicht wirklich auskosten können. Sie wusste selbst nicht genau, wieso es ihr so wichtig gewesen war, die Hochzeit zu verhindern.

Arkim war der einzige Mann, der die Mauer durchbrochen hatte, hinter der sie sich verschanzt hatte. Ihm hatte sie sich geöffnet wie noch keinem Mann – bei ihrem Beruf ein Witz! –, doch er hatte sie von sich gestoßen, als wäre sie seiner nicht wert. Danach hatte er sich für ihre schöne blonde Schwester entschieden, die auch von ihrem Vater bedingungslos geliebt wurde. Weil sie ihn im Gegensatz zu ihr, Sylvie, nicht an seine vergötterte erste Frau erinnerte …

Sylvie gurtete sich an und verdrängte die schmerzlichen Erinnerungen. Es war besser, nur noch nach vorn zu blicken.

Aber was lag vor ihr?

Gemeinsam mit den anderen Mädchen der Revue sollte sie auf der Geburtstagsparty eines bedeutenden Scheichs eine Privatvorstellung geben. Und da die anderen schon vorausgeflogen waren, folgte sie der Truppe allein in einem Privatjet.

Solche Engagements waren nicht ungewöhnlich. Ihre Revue gastierte auf der ganzen Welt, einen Sommer lang sogar in Las Vegas.

Jetzt erwarteten die anderen Mädchen sie, um ihre Show zu präsentieren.

Und ehe sie sich versah, flog sie wieder nach Hause.

Sie waren außerhalb der Stadtgrenzen gelandet, fiel Sylvie auf. Endlose Sandlandschaft umgab sie, so weit das Auge reichte. Aber auch der Flughafen wirkte so gar nicht wie ein hektischer Verkehrsknotenpunkt. Er bestand nur aus wenigen Gebäuden, und die Landebahn lief einsam in die karge Landschaft hinaus, stellte Sylvie befremdet fest.

Sobald der kleine Jet zum Stehen gekommen war, wurde sie zur Kabinentür geleitet. Heiße Wüstenluft schlug ihr unbarmherzig entgegen, sodass sie kaum atmen konnte. In Sekundenschnelle brach ihr der Schweiß aus.

Dennoch war Sylvie gespannt, was sie unter dem endlos blauen Himmel der Wüste erwartete.

Noch nie hatte sie eine so fremde Landschaft erlebt, doch nach den traumatischen letzten Wochen wirkte der Anblick beruhigend auf sie.

„Miss … Ihr Wagen steht bereit.“

Sylvie blickte aufs Rollfeld, wo der Fahrer einer schnittigen schwarzen Limousine ihr die Tür aufhielt. Er trug Turban und ein landestypisches langes Gewand, und sie kam sich in westlichen Jeans, T-Shirt und den flachen Sandaletten fehl am Platz vor.

Jemand verstaute ihr Gepäck im Kofferraum, und sie lächelte dankbar, als der Fahrer ihr mit einer Verbeugung bedeutete einzusteigen.

Und das tat Sylvie – mehr als erleichtert. Sie konnte es kaum erwarten, schnell in kühle klimatisierte Räume zu gelangen.

Sobald die Wagentür geschlossen war, geschah alles gleichzeitig: Die Tür verriegelte sich, der Fahrer glitt auf den Vordersitz und eine Trennwand glitt herunter.

Entsetzt stellte Sylvie fest, dass sie auf dem Rücksitz nicht allein war.

„Ich hoffe, du hattest einen angenehmen Flug?“

Die dunkle Stimme war unverkennbar. Sylvie fuhr herum – nicht nur, weil die Limousine sich in Bewegung setzte.

In der anderen Ecke der Rückbank saß Arkim Al-Sahid. Sylvie wurde heiß und kalt. Sie konnte kaum atmen … brachte kein Wort hervor.

Wieder trug er einen eleganten Anzug, als befänden sie sich in Paris oder London, auf dem Weg zu einem zivilisierten Ort – statt mitten in der unerträglich heißen Wüste.

Buchstäblich im Nichts.

Triumphierend sah Arkim Al-Sahid sie an.

Dachtest du wirklich, er würde dir deine Racheaktion durchgehen lassen? meldete sich eine innere Stimme. Hatte sie tatsächlich erwartet, ungestraft davonzukommen?

Wortlos nahm Arkim ihr die Sonnenbrille ab und steckte sie ein. Verwirrt blinzelte Sylvie – dann hatte sie ihn scharf vor sich: das dunkle zurückgekämmte Haar, die wachsamen Augen, seine markanten Wangenknochen, die scharfe Adlernase …

Und diesen Mund, der sie schwach gemacht hatte – den sie selbst jetzt noch auf ihrem spüren konnte – hart und fordernd.

Doch jetzt lächelte Arkim höhnisch. Rachsüchtig.

Als sie stumm blieb, fragte er spöttisch: „Was ist los, Sylvie? Ich wäre wirklich enttäuscht, wenn du in den nächsten beiden Wochen unfähig wärst, deine Zunge zu gebrauchen.“

Arkims Herz schlug schneller, als er Sylvie in Jeans und T-Shirt die Gangway herunterkommen sah – selbst in dem Aufzug wirkte sie unerhört weiblich.

Ihr glänzendes rotes Haar schimmerte im Schein der Abendsonne, die über dem Arabischen Golf unterging. Und die großen Rehaugen – eins blau, das andere grün – machten sie noch rätselhafter, geheimnisvoller.

Obwohl sie ihm böse mitgespielt hatte, begehrte er sie immer noch.

Endlich hatte Sylvie sich wieder gefangen. „Wo sind die anderen Mädchen?“

Arkim verdrängte die Gewissensbisse und blickte auf die Uhr. „Vermutlich tanzen sie gerade vor den Geburtstagsgästen eines Kabinettsmitglieds von Scheich Abdel Al-Hani ab. Morgen fliegen sie mit der ersten Maschine zurück.“

Sylvie wurde blass. Doch dann schien sie sich wieder zu fangen. „Wieso bin ich nicht dabei? Was, zum Teufel, geht hier vor, Arkim?“

Wohlig lehnte er sich zurück. Jetzt hatte er Sylvie da, wo er sie haben wollte. „Ob du es glaubst oder nicht, ich bin auch ein Scheich. Der Sultan selbst hat mir den Titel verliehen … ein alter Schulfreund. Aber bleiben wir beim Thema. Hier geht es um Buße. Deine kleine Szene in der Kirche bleibt nicht ohne Folgen. Damit kommst du nicht davon.“

Er bemerkte, dass ihre Hand bebte, doch Mitleid durfte er sich nicht leisten. Die Hexe verdiente alles, nur kein Mitgefühl.

„Und? Hast du mich entführt?“

Genüsslich zupfte Arkim sich ein imaginäres Staubkorn vom Jackett und sah sie an. „Nennen wir es – Urlaub. Du bist freiwillig hergekommen und kannst jederzeit wieder gehen. Nur wird das nicht ganz leicht sein, weil es hier weder Verkehrsmittel noch Handyreichweiten gibt. Du müsstest also warten, bis auch ich von hier fort will. In zwei Wochen.“

Kämpferisch ballte Sylvie die Hände im Schoß. „Wenn es sein muss, durchquere ich die Wüste zu Fuß.“

Arkim lächelte nachsichtig. „Versuchen kannst du es ja … aber das stehst du keine vierundzwanzig Stunden durch. Für einen Ortsunkundigen bedeutet so etwas den sicheren Tod. Jemand wie du würde in der Hitze umkommen.“

Jetzt nur nicht einschüchtern lassen oder Angst zeigen! versuchte Sylvie sich zu ermutigen. „Und mein Job? Man erwartet mich zurück. Der Auftrag galt schließlich nur für einen Abendauftritt.“

Arkims Miene blieb ungerührt. Am liebsten hätte Sylvie ihn geohrfeigt, um ihn zu einer Reaktion zu zwingen.

„Um deinen Job musst du dir keine Sorgen machen. Ich habe deinen Chef großzügig für den Arbeitsausfall entschädigt. So großzügig, dass er die seit Jahren überfälligen Renovierungsarbeiten endlich in Auftrag geben kann. Dank meiner großherzigen Spende wird das Theater während der Umbauten für einen Monat geschlossen.“

Nun überfiel Sylvie echte Panik. Es war bekannt, dass Pierre seit Jahren renovieren wollte, die Banken seit Monaten um Darlehen anflehte. Und jetzt, kurz bevor die Touristensaison startete, war dafür der ideale Zeitpunkt.

„Pierre würde keins seiner Mädchen … allein losschicken“, brachte Sylvie stockend hervor. „Er geht auf die Barrikaden, wenn ich nicht zurückkomme, egal, was du ihm geboten hast!“

Arkim lächelte nur kalt. „Pierre ist auch nicht besser als der Rest der Welt. Große Geldsummen hypnotisieren ihn. Er glaubt, du würdest hier als Tanzlehrerin für eine Scheichtochter und ihre Freundinnen gebraucht, die westlich tanzen lernen möchten. Der gute Pierre braucht nicht zu wissen, dass du stattdessen bei mir bist.“

Kühn verschränkte Sylvie die Arme vor der Brust. „Das überrascht mich!“, bemerkte sie spöttisch. „Ich dachte, deine Moralvorstellungen ließen nicht zu, mir noch mal zu nahe zu kommen – schon gar nicht privat.“

Nun lächelte Arkim nicht mehr. „Wenn ich etwas haben will, lasse ich mich auch mal auf einen kleinen Moralabstrich ein – und ich will dich.“

Die offene Kampfansage verschlug Sylvie einen Moment den Atem. „Ich hätte mir denken können, dass du skrupellos bist. Du hast mich buchstäblich gekauft – wie ein Callgirl.“

„Ach komm … wir wissen beide, dass das der Wahrheit ziemlich nahe kommt“, antwortete der Scheich süffisant.

Auf einmal konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie stürzte sich auf Arkim, um ihn zu ohrfeigen, doch er packte ihre Handgelenke und hielt sie fest, sodass sie gegen ihn fiel.

Selbst jetzt, in ihrer Panik und Empörung, wirkte die Berührung auf sie wie ein Stromstoß.

„Lass mich los!“

Doch Arkim hielt sie erbarmungslos fest, und ihr wurde bewusst, dass er wirklich wütend war. Zu allem fähig. Sylvie bekam es mit der Angst zu tun.

„Ich denke nicht daran, meine Liebe. Wir müssen noch etwas zu Ende bringen. Vorher wirst du diesen Ort nicht verlassen.“

Schlagartig wurde Sylvie an die Szene im Garten ihres Vaters erinnert, als Arkim sie an sich gepresst und später schonungslos von sich gestoßen hatte.

„Wie soll ich das verstehen?“, fragte sie argwöhnisch.

Zum ersten Mal veränderte sich sein Gesichtsausdruck, er sah sie auf eine Weise an, die ihre Knie weich werden ließ.

„Dass ich mit dir schlafen werde – immer wieder –, bis ich genug von dir habe.“ Verbittert gestand er ihr: „Du hast es geschafft, Sylvie. Es hat mich erwischt.“

Endlich konnte sie sich aus seinen Armen befreien und rückte möglichst weit von ihm ab. „Ich will nichts mit dir zu tun haben“, zischte sie bebend. „Sobald der Wagen hält, steige ich aus – und du wirst mich nicht daran hindern.“

Arkim reagierte belustigt. „Wann immer wir aneinandergeraten sind, hast du mir bewiesen, wie sehr du mich begehrst. Sinnlos, es abzustreiten. An unserem Zielort gibt es keine Verkehrsmittel. Du würdest eine Woche brauchen, um dich nach B’harani oder sonst wohin durchzuschlagen.“

Entrüstet verschränkte Sylvie die Arme vor der Brust. „Das ist doch lächerlich!“ Unfasslich, mit diesem Mann zwei Wochen an einem einsamen Wüstenort allein zu sein! „Du kannst mich zu nichts zwingen, das ich nicht will.“

Arkim sah sie seltsam an, und ihr schoss das Blut in die Wangen. „Ich werde es gar nicht nötig haben, Gewalt anzuwenden, Sylvie.“

Unwillkürlich dachte sie an die erniedrigende Szene im Arbeitszimmer ihres Vaters.

„Das beweist, wie wenig dir wirklich an meiner Schwester liegt. Indem du mir wehtust, tust du ihr weh.“

Ausgerechnet Sophie brachte sie nun ins Spiel! „Ich soll deiner Schwester wehgetan haben? Du warst es doch, die sie öffentlich gedemütigt hat.“

In der Ferne entdeckte Sylvie etwas und wurde abgelenkt.

Arkim folgte ihrem Blick. „Wir sind da.“

Auf einem kleinen Flugplatz stand ein schnittiger schwarzer Hubschrauber. Fast hysterisch dachte Sylvie an den Selbstverteidigungskurs, den sie nach einem vereitelten Überfall belegt hatte. Man dürfe sich von einem Angreifer auf keinen Fall an einen anderen Ort locken lassen, hatte der Kursleiter ihnen gepredigt, sonst würden die Überlebenschancen sich dramatisch verschlechtern.

Das klang einleuchtend. Der Trainer hatte ihnen von Leuten berichtet, die sich einschüchtern ließen, statt schnurstracks zu flüchten.

Na gut, Arkim würde wohl nicht direkt tätlich werden, aber wenn sie in den Hubschrauber stieg, sanken ihre Fluchtmöglichkeiten auf null, das war Sylvie klar.

Der Wagen hielt, und Arkim sah sie an. „Aussteigen.“

Entschlossen schüttelte Sylvie den Kopf. „Ich bleibe im Wagen und will zum Landeplatz zurück – oder nach B’harani. Die Stadt soll recht interessant sein, ich möchte sie besichtigen.“

Hoffentlich klang nicht durch, wie verzweifelt sie war.

Nun wandte Arkim sich ihr voll zu. „Der Fahrer des Wagens spricht nur eine Sprache – und zwar meine. Er hört auf mich, Sylvie. Sonst niemanden.“

Sein unerbittlicher Gesichtsausdruck sagte ihr, dass er nicht mit sich reden ließ. Diese Runde würde sie offenbar nicht gewinnen …

„Wohin willst du mich bringen?“, erkundigte Sylvie sich vorsichtig.

„Zu meiner Festung an der Arabischen Küste … hundertfünfzig Kilometer nördlich der Grenze zu Burquat und neunhundert Kilometer westlich von Merkazad.“

Dass sie nun immerhin ungefähr wusste, wo das Haus lag, beruhigte Sylvie ein wenig. Von den Orten hatte sie gehört, aber natürlich war sie noch nie dort gewesen.

Ihr fiel etwas ein. „Du hast Pierre das Geld doch sicher unter der Bedingung gezahlt, dass ich mit diesem Tanzunterricht einverstanden bin?“

Arkim nickte. „Eine normales geschäftliches Abkommen.“

Am liebsten hätte Sylvie ihm gesagt, wohin er sich das geschäftliche Abkommen stecken könne, doch sie beherrschte sich. Offenbar blieb ihr nichts anderes übrig, als fürs Erste klein beizugeben.

„Wenn wir erst mal an diesem … Ort sind, wirst du mich zu nichts zwingen, das ich nicht will?“

Arkim wirkte zufrieden. „Nein, Sylvie. Ich zwinge dich zu gar nichts.“

Seine selbstgefällige Art raubte ihr den letzten Nerv, doch sie strahlte ihn sonnig an. „Na ja, in letzter Zeit habe ich so viel gearbeitet, dass ich mich über einen kostenlosen Luxusurlaub freuen sollte. Weniger erfreulich finde ich, ihn mit dir zu verbringen, aber wir finden sicher eine Möglichkeit, einander aus dem Weg zu gehen.“

Arkim lächelte nur sinnlich. „Warten wir es ab.“

Sylvie war noch nie in einem Hubschrauber geflogen. Fasziniert hatte sie verfolgt, wie schnell die Wüstenlandschaft tief unter ihnen lag und sich wie ein endloses Sandmeer bis zum Horizont erstreckte. Auf was für ein Abenteuer hatte sie sich hier eingelassen?

Nachdem ihr Magen sich endlich zu beruhigen begann, kündigte Arkim ihr über Kopfhörer an: „Da unten links liegt meine Festung, Sylvie.“

Als sie in die Richtung blickte, verschlug es ihr buchstäblich den Atem. Festung? Was da unten lag, wirkte eher wie ein ockerfarbener arabischer Palast mit Befestigungsmauern und Flachdächern. Innerhalb der Einfriedung breiteten sich üppig blühende Gartenanlagen aus, und in der Ferne glitzerte das Arabische Meer. Das Ganze wirkte auf Sylvie wie eine Märchenoase aus Tausendundeiner Nacht.

Vor dem Abflug hatte sie erstaunt festgestellt, dass Arkim den Hubschrauber als Copilot flog. Beim Angurten hatte er mit seinen Blicken entschieden zu lange auf ihren Brüsten unter dem dünnen T-Shirt verharrt.

Unvermittelt hielt der Hubschrauber steil auf einen flachen Bereich vor den Mauern der Festung zu, die aus der Nähe noch größer und eindrucksvoller wirkte.

Männer mit Turbanen hielten ihre langen Gewänder fest, weil der Hubschrauber unbarmherzig Sand und Luft aufwirbelte. Sylvie atmete auf, als die Maschine sanft aufsetzte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie verkrampft sie die ganze Zeit über gewesen war.

Endlich standen die Rotorblätter still, und alle schwiegen ehrfürchtig, bis Arkim ausstieg. Nun kamen die Männer näher. Interessiert verfolgte Sylvie, wie herzlich er die Leute auf Arabisch begrüßte – und entspannt lächelte.

Er lächelte tatsächlich! Zum ersten Mal! Aber natürlich hatten ihre bisherigen Begegnungen ihm zum Lächeln keinen Anlass gegeben …

„Aussteigen, Sylvie!“, rief Arkim ihr zu. „Tut mir leid, aber der Hubschrauber fliegt ohne dich zurück.“

Aufgebracht versuchte sie, den Sicherheitsgurt zu öffnen und schob seine Hand weg, als er ihr dabei helfen wollte. Nachdem sie sich endlich befreit hatte, reckte sie sich erleichtert, wobei Arkim nicht entging, wie ihr T-Shirt sich über den Brüsten spannte.

Dann stand sie leicht wankend auf dem unebenen Wüstenboden.

Weiß gewandete Bedienstete beeilten sich, das Gepäck auf ein kleines Gefährt zu verladen, während Arkim Sylvie zu einem flotten kleinen Golfbuggy führte und ihr bedeutete einzusteigen.

Zögernd tat sie es. Jetzt saß sie hier tatsächlich fest – als seine Gefangene!

Er glitt neben sie auf den Fahrersitz und lenkte das leichte Gefährt zu den offenen Eingangstoren der Festung. Sie fuhren in einen luftigen parkähnlichen Hof mit einem Springbrunnen in der Mitte, der angenehm kühlende Sprühnebel zu Sylvie herüberschickte.

Als der Buggy hielt, wollte Arkim ihr beim Aussteigen behilflich sein, doch Sylvie ignorierte seine Hand und rührte sich nicht von der Stelle. Notgedrungen musste sie ihn dann doch ansehen. Er machte eine einladende Handbewegung und lächelte spöttisch.

„Willkommen in meinem Haus, Sylvie“, erklärte er ihr übertrieben liebenswürdig. „Ich hoffe, der Aufenthalt hier wird dich … läutern.“

3. KAPITEL

Rastlos wanderte Sylvie durch die Räume, die Arkim ihr zugewiesen hatte.

Läutern … Was bildete sich dieser arrogante bevormundende Kerl nur ein?

Es klopfte an der Tür. Auf alles gefasst, blieb sie stehen und ballte die Hände zu Fäusten. Im Moment war sie einfach nicht in der Lage, mit Arkim die Klingen zu kreuzen.

Argwöhnisch ging sie öffnen … und sah sich zwei zierlichen jungen Frauen mit Sylvies Rollkoffern gegenüber: Im ersten befanden sich ihre nun wohl überflüssigen Kostüme, im zweiten ihre persönlichen Dinge.

Sie rang sich ein Lächeln ab und trat zurück, um die in weiße Tuniken gekleideten Mädchen einzulassen. Sie trugen weiße Kopftücher, doch ihre Gesichter waren unverschleiert. Beide wirkten frisch und kühl, während Sylvie nach dem aufreibenden Tag erschöpft und verschwitzt war.

Die Frauen machten Anstalten zu gehen, doch dann blieb die eine stehen und stellte sich scheu vor: „Ich bin Halima. Falls Sie etwas brauchen, nehmen Sie einfach den Telefonhörer auf, dann komme ich.“ Ehrerbietig senkte sie den Kopf und eilte davon.

Verwundert blieb Sylvie zurück. Sie hatte eine eigene Dienerin?

Ehe Arkim gegangen war, hatte er ihr geraten, sich auszuruhen, sie erhielte Bescheid, wenn das Abendessen serviert würde.

Inzwischen hatte sich der Himmel blutrot gefärbt, und die Sonne ging unter. Erst jetzt wurde Sylvie bewusst, wie luxuriös sie hier wohnte.

Allein im achteckigen Empfangsbereich hätte ihr kleines Pariser Apartment dreimal Platz gehabt. In der Mitte befand sich ein gefliestes Becken, in dem sich Zierfische tummelten.

Von der Empfangshalle gingen acht Türen ab: zwei Gästezimmer, ein Essbereich und ein Salon mit modernstem Ton- und Mediacenter, über das zahllose Kanäle verfügbar waren.

Überall war die Einrichtung dezent, eher zurückhaltend gestaltet, die Steinwände pur belassen. Moderne Kunstwerke, eine erlesene Auswahl an Antiquitäten und kostbare Perserteppiche milderten die Strenge des alten Baus und ließen die Räume einladend wirken. Alle Fenster gingen direkt ins Freie, und trotz der unerträglichen Hitze, die draußen herrschte, durchzogen angenehm kühle Lüfte die offenen, von Blütenduft erfüllten Räume.

Sogar einen Fitnessbereich mit Thermalsuite, Dampfbad, Sauna und Wellnesscenter gab es hier. Und eine in dunklen Rot- und Cremetönen gehaltene Schlafzimmersuite. Überall sorgten Deckenventilatoren für gut verteilte, kühle Luft.

Für sinnlich hatte Sylvie sich nicht gehalten, doch seit der Ankunft in diesem Land hatten ihre Sinne sich erstaunlich geschärft.

Das Hauptschlafzimmer beherrschte ein großes, mit Decken und Kissen überhäuftes Himmelbett, dessen kostbare Goldvorhänge von zart bedruckten Goldschleifen gerafft wurden. Ein ganzes Fußballteam könnte in dem Bett Platz finden, nicht nur eine Person – oder zwei –, meldete sich eine innere Stimme, die Sylvie lieber ignorierte.

Eins stand für sie fest: Arkim Al-Sahid würde darin nicht mit ihr schlafen. Dennoch hatte das Bett eine hypnotisierende Wirkung auf sie, erotische Bilder drängten sich ihr auf …

Jahrelang hatte Sylvie miterlebt, dass ihre Freundinnen sich in flüchtige sexuelle Abenteuer stürzten, und manchmal hatte sie die Mädchen sogar um ihre lockere Einstellung beneidet. Natürlich hatte auch sie sich verabredet … doch die Männer hatten etwas in ihr gesehen, das sie nicht war. Und wenn sie intim werden wollten, hatte sie abgeschaltet, sie an die wahre Sylvie nicht herangelassen.

Sie wollte mehr als schnellen, seelenlosen Sex, wünschte sich Liebe und tiefe Zuneigung, wie sie es bei ihren Eltern erlebt hatte – ehe ihre Mutter auf tragische Weise gestorben war. Daran hatte sie stets geglaubt.

Am meisten störte Sylvie, dass Arkim Al-Sahid diese Einstellung zu erschüttern drohte. Wenn er sie ansah, geschah etwas mit ihr, gegen das sie machtlos war.

Sylvie verdrängte die beunruhigenden Gedanken und trat durch die Verandatüren des Hauptschlafzimmers ins Freie hinaus. Sofort hüllte trockene Hitze sie ein und löste ihre Anspannung etwas.

Sogar eine eigene Terrasse mit beleuchtetem Swimmingpool stand ihr zur Verfügung, dessen türkisfarbene Fliesen einladend schimmerten. Terrassensessel mit Seidenkissen waren um flache Tische gruppiert, und überall gab es Wandlaternen, die nachts unter dem klaren Sternenhimmel ein romantisches Licht verströmen mussten.

Sylvie atmete tief durch. Jetzt war nicht die Zeit, um sich zu Tagträumen hinreißen zu lassen. Sie trat näher an die äußere Terrassenmauer mit den arabischen Schriftzeichen, hinter der sich bis zum Horizont ein Meer von Sand erstreckte. Am strahlend blauen Himmel kreiste träge ein Raubvogel.

Wieder wurde Sylvie bewusst, dass sie hier festsaß. Aber war es nicht auch ganz gut, dass sie auf diese Weise endlich einmal zu sich zu kam?

Ein Geräusch ließ sie herumfahren, und ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Doch es war nur Halima, die sich lächelnd verneigte.

„Scheich Al-Sahid würde sich freuen, wenn Sie in einer Stunde mit ihm zu Abend essen könnten. So bleibt Ihnen genug Zeit, um sich frisch zu machen.“

Dass Arkim einfach über sie verfügte, passte Sylvie nicht. „Ach ja?“ Sie dachte kurz nach. „Warten Sie einen Moment – ich möchte, dass Sie ihm etwas überbringen.“

Im Nu kehrte sie zurück und reichte dem Mädchen eine gefaltete Mitteilung. „Bitte geben Sie dem Scheich das von mir.“

Halima huschte davon, und Sylvie schloss die Tür. Auf einmal fühlte sie sich müde, ihr Kampfgeist war verpufft. Lustlos machte sie sich daran, die wichtigsten Sachen aus ihrem Koffer zu nehmen. Höchstens eine Nacht würde sie hier bleiben. Irgendwie musste sie Arkim überzeugen, sie gehen zu lassen.

Resigniert stellte sie fest, dass ihr Handy tatsächlich nicht funktionierte – genau wie er vorausgesagt hatte. Sie legte es weg, zog sich aus und schlüpfte in einen seidenen Morgenmantel. An der Tür zum Bad blieb sie stehen, ihr stockte der Atem. Becken und Wanne schienen direkt aus dem Felsen gehauen zu sein, die goldenen Armaturen bildeten einen überraschenden Kontrast zur gewollten Kargheit des Raumes, ohne protzig zu wirken.

Die Badewanne war fast so groß wie ein kleiner Pool. Während Sylvie das Wasser einlaufen ließ und Duftöle aus einem Einbauschränkchen hinzugab, hüllten belebende exotische Dämpfe sie ein.

Überwältigt von all dem Luxus streifte sie den Morgenmantel ab und ließ sich in die Wanne gleiten. Es dauerte nicht lange, und sie legte entspannt den Kopf zurück und versuchte, alle Gedanken an Arkim Al-Sahid von sich zu schieben. Warum die Situation nicht positiv sehen? Hier, in der unerbittlichen Wüste, fern der Zivilisation, machte sie Urlaub bei jemandem, der sich an ihr rächen wollte. Warum sollte sie das Ganze nicht einfach als interessante Herausforderung betrachten?

Die Dämmerung brach herein, und Arkim blickte nachdenklich auf die geheimnisvoll überschattete Wüstenlandschaft hinaus. Dieses Zuhause hatte er der Familie seiner Mutter abgerungen, die kein Interesse an ihm hatte, wie er vor Jahren schmerzlich erfahren musste. Aber das sollte ihn nicht mehr kümmern. Diese Leute hatten ihn abgewiesen, er wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben … nicht einmal, wenn sie auf Knien gekrochen kamen.

Anfangs war er hierhergekommen, um sich dem Einfluss seines Vaters zu entziehen. Nie hätte er erwartet, dass dieses Land ihn so tief berühren, eine fast magische Anziehungskraft auf ihn ausüben und innerlich freier machen könnte. Wenn er hier war, geschah etwas Urtümliches, fast Körperliches mit ihm.

Von seiner ersten Million hatte er diese Festung erworben, später Immobilien in Paris, London und New York. Nach und nach hatte er all seine Träume verwirklicht. Nur die letzte Hürde hatte er noch nicht geschafft – gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung zu genießen, die allen beweisen würden, dass er nicht der Sohn seines Vaters, sondern ein völlig anderer war.

Unwillkürlich sah er Sophie Lewis vor sich, und ihm schlug das Gewissen. Er hatte kaum noch an sie gedacht. Ihre Beziehung war rein platonisch gewesen. Das würde ihm genügen, hatte er sich eingeredet. Ihr Vater hatte ihm diese Ehe vorgeschlagen, und allmählich hatte er Geschmack daran gefunden.

Verglichen mit ihrer rebellischen rothaarigen Schwester war Sophie erstaunlich sanft und unschuldig. Bei ihr waren die Hormone nie mit ihm durchgegangen. Er hatte sie umworben, sie zum Essen, ins Theater ausgeführt, und jedes Mal eine weitere Narbe seiner verwundeten Seele gesalbt. Mit ihr als Ehefrau hätte er alles erreichen können, was er sich gewünscht hatte – das genaue Gegenteil zum Leben bei seinem Vater. Hatte er geglaubt.

Ein ehrbarer, allseits geachteter Vater hatte er sein wollen, der seinen Sohn mit seiner schönen Ehefrau von der Schule abholte. Vorbildeltern. Ohne Skandale. Ohne uneheliche Kinder. Ohne Geliebte, schmutzige Gerüchte und Heimlichkeiten. Seine Kinder würden keine Hänseleien und Faustkämpfte erdulden müssen.

Doch die Götter hatten seine ehrgeizigen Pläne ausgelacht, ihm bewiesen, dass er ein Narr war zu glauben, die Flecken seines Vaters aus seinem Leben tilgen zu können.

Arkim blickte auf das zerknüllte Papier in seiner Hand und glättete es, um es nochmals zu lesen.

Danke für die nette Essenseinladung, aber ich muss ablehnen. Für heute Abend habe ich etwas anderes vor.

Sylvie Devereux.

Arkim kämpfte seine Gereiztheit – und das Verlangen – nieder, das ihn am Vormittag übermannt hatte. Am liebsten wäre er auf der Stelle zu Sylvie gestürmt, um sie sich vorzunehmen.

Klar, dass sie aufsässig reagiert hatte, weil er sie überrumpelt und einfach entführt hatte. Jetzt wollte sie es ihm heimzahlen. Arkim lächelte siegessicher. Na gut. Sollte sie ihr Spielchen haben, solange sie mit ihm im Bett landete – und um Gnade flehte.

Als Sylvie erwachte, war es früher Morgen. Sie fühlte sich wie neu geboren, als hätte sie nicht zehn Stunden, sondern eine ganze Woche geschlafen. Ihr war auch gleich bewusst, wo sie sich befand.

Sie trug immer noch den seidenen Morgenmantel und setzte sich auf, blickte sich argwöhnisch um, als könnte Arkim in einer Ecke lauern. Wie mochte er reagiert haben, als sie nicht zum Abendessen erschienen war?

Schließlich stand sie auf und öffnete die Terrassentüren, um die frische Morgenluft hereinzulassen. Sobald die Sonne aufging, würde die Hitze schnell wieder unerträglich werden. Gelöst schlenderte sie zur Einfriedungsmauer und atmete tief durch. Vollkommens Schweigen umgab sie. So viel Stille hatte sie noch nie erlebt. Alles um sie her war ruhig … fast zu ruhig.