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Wenn das Natürlichste auf der Welt einfach nicht klappen will - die eigene Fortpflanzung - kann das die Betroffenen an den Rand der Verzweiflung treiben. Gut gemeinte Ratschläge wie "entspann dich einfach", "fahr doch mal in den Urlaub, dann klappt's schon mit dem Baby" usw. sind wenig hilfreich und steigern die Verzweiflung. Die Mutigen wagen dann den Weg in eine Kinderwunschklinik, um dort zu erfahren, dass nur etwa 20 Prozent der Paare nach mehreren Behandlungszyklen mit einem Baby nach Hause gehen. Jedes siebte Paar in Deutschland bleibt kinderlos. Der Wunsch nach einem eigenen Kind ist meist so stark und bestimmend, dass bei ungewollter Kinderlosigkeit jegliche Lebensfreude in den Hintergrund tritt. Dieses Buch beschreibt einen langen und beschwerlichen Weg des Kinderwunsches mit Höhen und Tiefen. Es will Betroffene und ihre Angehörigen und Freunde für die Gefühle sensibilisieren, die ein solcher Weg auslösen kann, und es will Mut machen für diesen Weg, der sicher kein leichter ist, aber zumindest das Potential hat, am Ende den sehnlichen Wunsch nach einem eigenen Kind zu erfüllen.
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Für meinen kleinen Hendrik Leander, der tiefe Spuren in unseren Herzen hinterlassen hat und für all meine anderen Sternenkinder. Für alle Sternenkinder und ihre Eltern und Geschwister sowie ihre Angehörigen und Freunde. Und für meine Kinder, die ich fest an meiner Hand halten darf.
Und wenn du dich getröstet hast, wirst du froh sein, mich gekannt zu haben.
(Antoine de Saint- Exupèry)
Vorwort
Zweites Vorwort: Gedanken meiner Schwester
1. Kapitel: Der Weg bis zur ersten Schwangerschaft
2. Kapitel: Meine erste Kinderwunschbehandlung
3. Kapitel: Die Schwangerschaft mit Hendrik Leander
4. Kapitel: Hendrik Leander
5. Kapitel: die Zweite Kinderwunschbehandlung
6. Kapitel: Meine Folgeschwangerschaft
Nachwort
Nachwort 2
Danksagung
Vor einiger Zeit war ich mit meinen Kindern, einer lieben Freundin und deren Kindern im Zoo. Wir liefen fröhlich lachend durch die winterlichen Außengehege und plötzlich erinnerten wir uns. An die Zeit vor ein paar Jahren, als wir einen Winterspaziergang an einem Leipziger See machten und uns gegenseitig davon zu überzeugen versuchten, dass ein Leben auch ohne Kinder durchaus Sinn machen kann - wir müssen uns nur andere Ziele suchen und setzen.
Es hat damals unendlich viel Kraft gekostet, jedem einzelnen Tag etwas Positives abzugewinnen und nicht im kläglichen Strudel des unerfüllten Kinderwunsches unterzugehen. Der sehnliche Wunsch nach einem eigenen Kind lässt sich nicht so leicht verdrängen oder gar vergessen. Er ist immer und zu jeder Zeit präsent. Mal mehr, mal weniger schmerzhaft.
Der Weg zu meinen beiden lebenden Kindern war nicht leicht. Aber er hat sich mehr als gelohnt. Allein der Moment, als mein Sohn geboren wurde, als er lautstark seinen Unmut über die Unterbrechung seines wohligen Wiegens im Mutterleib kundtat, als er über das grüne Operationstuch gehoben wurde, damit ich ihn sehen konnte, ließ alle Mühen, alles Leid (fast) vergessen. Einige Jahre später wurde unsere Familie durch unsere Tochter vervollständigt.
Als ich vor diesem überaus glücklichen Ausgang meines Kinderwunschweges ganz am Anfang stand und ahnte, wie lang und steinig er sein würde, fühlte ich mich das eine oder andere Mal recht mutlos, manchmal regelrecht verzweifelt.
Nach einer „konventionellen“ Schwangerschaft im Jahr 2009 und einer Fehlgeburt in der elften Schwangerschaftswoche begaben wir uns in die Hände der Reproduktionsmedizin.
Die erste Behandlung, in unserem Fall eine ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion), folgte im Frühjahr 2010. Daraus entstand mein Erstgeborener, Hendrik Leander, der im Sommer 2010 im fünften Schwangerschaftsmonat still geboren wurde. Er wird für immer unser kleiner Schutzengel bleiben.
Die zweite künstliche Befruchtung schenkte mir meines Sohn. Er kam fast auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Bruder zur Welt. Mit Hilfe einer dritten ICSI entstand meine Tochter. Mein Nesthäkchen entstand ganz spontan auf natürlichem Wege.
Die Zeit nach Hendriks Tod war ein einziges schwarzes, tiefes, hoffnungsloses Loch. Dass ich mich daraus wieder würde befreien können, erschien mir zum damaligen Zeitpunkt sehr unrealistisch. Angetrieben hat mich einzig der Gedanke, dass mein Kinderwunschweg noch nicht zu Ende ist, dass dies einfach nicht das Ende sein kann und dass es noch ein kleines aber helles Licht am Ende des Tunnels geben muss, eine klitzekleine Hoffnung auf einen guten Ausgang und auf ein eigenes lebendes Kind. Diese Hoffnung war mein Strohhalm. Alles andere interessierte mich nach dem Verlust meines Kindes nicht mehr. Weder die Malediven, noch ein Kinobesuch, auch nicht ein schöner Blumenstrauß. Nichts konnte mich erfreuen oder mein wirkliches Interesse wecken. Diese Leere und dieser Zustand des Schmerzes und der Trauer waren grauenvoll und es hat mich viel Kraft gekostet, da herauszukommen.
Mir wurde schmerzlich bewusst, dass die Zeit nicht alle Wunden heilen kann. Manche Wunden bleiben. Und der Mensch mit dieser Wunde mag äußerlich derselbe sein, aber innerlich hat er sich völlig verändert.
Vieles, was mir früher wichtig erschien, ist mir seit dem Verlust meines Kindes gleichgültig geworden. Ich verschwende viel weniger Zeit mit Dingen und Menschen, die mir nicht wichtig sind. Ich versuche, mein Leben bewusst zu nutzen - jeden Tag, jede Sekunde.
Dieses Buch ist meinem Sternenkind Hendrik Leander gewidmet, der immer tief in meinem Herzen sein wird, und meinen Kindern, die ich ganz fest an der Hand und im Arm halte.
Mo cuishle stammt aus dem Gälischen. Es bedeutet „mein Herz, mein Blut“. Meine Kinder sind mo cuishle. Ihre Mutter zu sein, übertrifft alle meine Hoffnungen und Erwartungen. Alles, was ich mir für meine Söhne und meine Tochter wünsche, ist, dass sie ein zufriedenes und glückliches Leben führen. Den Grundstein dafür versuche ich zu legen, indem ich ihnen vor allem vermittle, dass sie sich immer und zu jeder Zeit auf mich verlassen können, dass sie genau richtig sind, so wie sie sind, und dass sie um ihrer selbst willen geliebt werden.
Auf meinem Kinderwunschweg sind mir immer wieder Menschen begegnet, die im richtigen Moment die richtigen Worte gefunden haben. Ihnen gilt mein tief empfundener Dank.
Ich wünsche mir, dass meine Kinderwunschgeschichte vor allem Hoffnung sät. Denn Hoffnung und Sehnsucht sind es, die uns antreiben und nach Wegen zu unserem persönlichen Glück suchen lassen.
Es ist Anfang August 2013. Meine große Schwester schreibt diese sehr persönliche, sehr emotionale Lektüre über einen sehr bedeutsamen und schwierigen Ausschnitt ihres Lebens und hat mich gebeten, meine Erinnerungen niederzuschreiben. Danke für diese Möglichkeit!
Im Moment sind heiße Tage, genauso heiß wie damals, als ich mich aufmachte nach Leipzig, um meiner Schwester in den wohl schwersten Momenten ihres Lebens die Hand zu halten. Ich hatte Angst davor.
Katrin ist ein starker Mensch. Sie steckt bewundernswert viel weg und man bekommt von ihrem Leid nur etwas mit, wenn es quasi nicht mehr auszuhalten ist oder man ganz, ganz genau zuhört und hinschaut. S14ie ist zu bescheiden, wenn es darum geht, Hilfe anzunehmen.
Schon lange wünschte sie sich ein Baby, es gelang nicht. Dann wurde sie unerwartet schwanger - ich sah es an ihrer prallen Ausstattung unterhalb des Dekolletees - noch bevor sie davon wusste. Ich hatte mich so für sie gefreut. Dann die Fehlgeburt, der lange Weg zur erneuten Schwangerschaft. Auf wundersame Weise gelang es. Ich war mir wirklich sicher, dass diesmal alles gut gehen würde. Das Schicksal konnte nicht zweimal so grausam sein.
Dann kam der Anruf. Ihre Stimme war hart: „Das Baby ist tot.“ Ich habe es nicht geglaubt. Ich begriff weder, dass das wahr ist, noch, was das nun alles bedeutete. Schon gar nicht war mir klar, was es für meine Schwester bedeutete. Ich erfuhr dann, dass man auch ein im Bauch verstorbenes Baby „still gebären“ muss. Welch eine Grausamkeit.
Unsere Mama ist sofort zu ihr gefahren. Wir planten, dass ich sie ablösen würde, am Abend.
Ich stieg also bei Sonnenschein in mein Auto und fuhr zur Uniklinik. Es kam mir unwirklich vor. Bei dem Wetter fährt man in den Urlaub oder geht baden, aber Katrin lag in der Klinik. Sie sollte ihr Baby auf die Welt bringen. Tot.
Wie würde es meiner Schwester gehen? Ich war sehr unsicher. Wie verhalte ich mich richtig? Kann ich ihr angemessen zur Seite stehen? Hoffentlich mach ich das gut. Wie läuft so etwas ab? Ich war sehr nervös. Etwas zittrig in den Beinen und fest entschlossen, meine Gefühle im Griff zu behalten und stark zu sein für dieses Häufchen Elend, was mich da gleich erwarten würde.
Ich öffnete die Zimmertür, ein Zweibettzimmer. Meine Schwester lag gleich im ersten Bett. Ein blasses, tieftrauriges Gesicht schaute mich an. Eine kalte schweißige Hand streckte sich mir entgegen. Ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht auch in Tränen auszubrechen und dieses schwache Ohnmachtsgefühl, dass da in mir lauerte, zu ignorieren. Sie weinte und schien so unendlich froh, dass ich da war.
Es wurde Abend. Mit im Zimmer war diese schwer kranke Frau, die unaufhörlich ihrem Redebedarf nachging und vor mir quälte sich mein Schwesterchen mit Wehen. Sie ging auf alle Viere und hatte fürchterliche Schmerzen. Sie war schweißgebadet und fror fürchterlich. Die Schwestern waren schwerfällig in der Patientenbetreuung. Ich musste mehrfach um medikamentöse Unterstützung und eine andere Bettdecke bitten. Der Schriftkram schien wichtiger.
Und all das im Beisein einer wildfremden Zimmergenossin. Ich saß daneben und wollte, dass diese Frau aufhörte zu reden und traute mich nicht, ihr das zu sagen. Warum? Weil ich auf ihr Einverständnis angewiesen war, im Zimmer bleiben zu dürfen. Und was macht meine Große? In all ihrem Schmerz, psychisch wie auch körperlich, bat sie die Dame ganz höflich darum, ihr etwas Ruhe zu gönnen. Unglaublich. Das wäre doch mein Job gewesen. Ich hatte keine Schmerzen. Ich ärgere mich noch heute über diese unterlassene Hilfeleistung meinerseits.
Die Stunden gingen dahin. Qualvolle Stunden. Dann ging es in den Kreißsaal. Ich durfte mit. Wir wurden von einer sehr freundlichen Hebammenschülerin in einen Raum mit einem Gebärstuhl und einer Liege gebracht. Katrin war sehr erschöpft. Sie wurde noch einmal untersucht. Die Hebamme meinte, es würde nicht mehr lange dauern. Meine Große versuchte zwischen den Wehen ein wenig zu schlafen. Ich killerte (unser innerfamiliärer Ausdruck für ganz zartes Streicheln mit den Fingerspitzen) ihr die Hand. So, wie wir es schon als Kinder taten. Die Hebamme wies mich darauf hin, dass es langsamer vielleicht einen beruhigenderen Effekt hätte. Da zeigte sich meine Nervosität. Dies und kalte Lappen für die Stirn war alles, was ich „tun“ konnte.
Ich saß an Katrins Kopf, als sie plötzlich aus ihrem Dämmerzustand hochschreckte und sagte: „Jetzt ist er da.“ Der kleine Hendrik Leander wurde 3.33 Uhr wirklich sehr still geboren. Katrin lag auf dem Bauch. Auch sie war etwas ungläubig, dass es jetzt so plötzlich geschehen sein sollte. Sie fasste ganz vorsichtig nach unten und bestätigte ihre Vermutung. Sie schien ganz ruhig in diesem Moment. Aber nicht im Sinne von entspannt. Sondern so eine Stille, die unheimlich ist. Es war wirklich vorbei.
Die Hebamme kam herein. Sie nahm für uns unsichtbar das kleine Menschenbündel mit. Meine Schwester musste nun die Entscheidung treffen, ob sie sich das Baby ansehen wollte oder nicht. Die Hebamme brachte den kleinen Hendrik in ein Tuch gehüllt herein und legte es ihr in die Hände. Sie saß da im Schneidersitz. Ihr totes Baby in den Händen. Sie wirkte so zerbrechlich und stark zugleich auf mich. Ich war in den Minuten zuvor sehr unsicher, was ich tun sollte. Wollte ich das Baby auch sehen? Dann könnte ich nah bei ihr stehen und mit ihr den Moment teilen. Oder lieber doch nicht.
Aber in diesem Moment, als sie da saß und das weiße Tuch in den Händen hielt, war es das einzig Richtige ganz nah bei ihr zu stehen. Ihre zittrigen, weißen Hände hielten vorsichtig dieses Stoffbündel. Dann zog die eine ganz behutsam eine Seite des bedeckenden Stoffes zur Seite und dann die andere Seite. Da lag dieses leblose Minikörperchen vor ihr im Schoß und sie war so hin und weg von dem Anblick des kleinen Jungen. Alles war dran. Köpfchen mit Näschen und Mündchen, Augen und Fingerchen und Füßchen. Auch, dass es ein Junge war, ließ sich erahnen. Mutterglück und größte Trauer lagen so nah beieinander. Sie sprach mit ihrem kleinen Baby. Sie sagte ihm, dass er wunderschön ist, dass sie ihn unglaublich gerne kennengelernt hätte und sie weinte.
Sie war traurig, dass sie kein Foto von ihm hat. Die Hebammen entschieden, statt des Babys, eine Blume zu fotografieren. Und ich glaube, die Erinnerung aus ihren liebenden Mutteraugen ist viel wertvoller als jedes Foto.
Ich habe keine Erinnerung an die folgenden Stunden. Erst wieder morgens um 7Uhr. Ich sitze neben ihrem Bett, zurück auf Station. Ich bin hundemüde und versuche meinen Schwager zu erreichen, damit er seiner Frau zur Seite steht. Ich schilderte ihm knapp das Geschehene und bat ihn, mich abzulösen, da ich wirklich erschöpft und müde war. Er hatte einen wichtigen Termin. Ich bat also Mama nochmal zu kommen. Ich wusste nur, dass ich Katrin nicht allein lassen konnte. Ich blieb noch zwei Stunden neben ihr sitzen. Sie schlief immer mal kurz, meine Anwesenheit gab ihr scheinbar Sicherheit.
Die Krankenschwestern waren ein Skandal. Ein erschreckend kalter, arroganter Umgang. Auf eine höfliche Frage nach dem Frühstück erhielten wir nichts als schnippische, inhaltslose Antworten.
Ich konnte dann nach Hause fahren, in meinen Alltag mit ein paar traurigen Bildern im Kopf und der Sorge, wie es meine Große wohl verkraften würde, zurückkehren. Meine Schwester konnte dies nicht. Sie hatte ein Kind verloren. Das ist das wohl Schlimmste, was einem Menschen widerfahren kann. Was mir in seiner ganzen Tragweite nicht klar war. Auch ich lebte in dem Irrglauben, dass man das schon nach ein paar Monaten verkraftet, dass es nicht so schlimm ist, wie wenn man ein Kind kennengelernt hat. Aber besonders deshalb bin ich dankbar, dass sie die Kraft und den Mut hatte, dieses Buch zu schreiben. Ich verstehe nun etwas besser.
Ich wollte zu gerne, dass sie es schnell verkraftet. Wer spürt gern, dass ein geliebter Mensch leidet? Und ihre „Geht schon“- Fassade hat es mir leicht gemacht, in diesem Irrglauben zu verweilen. Auch tendierte ich zu Ärger, wenn ich merkte, dass sie dem Leben nichts an Schönheit und Freude abgewinnen konnte. Unter dem Ärger jedoch steckte Angst. Angst, sie würde den Lebensmut nicht wiederfinden und ich könnte sie verlieren. Verzeih mir!
Wie leicht ist es, von außen zu sagen: Sieh doch das Positive an deinem Leben! Es gibt so viele schöne Dinge! Und das stimmt auch, die gibt es. Aber wie soll jemand, der sein Kind und Lebenssinn gerade verloren hat, denn plötzlich „juchu“ schreien, nur weil die Möwe am Ostseestrand gerade schön aussieht?
Steffi
Mein Kinderwunsch bestand schon seit vielen Jahren. Eigentlich wollte ich schon immer eigene Kinder haben, zumindest seit ich volljährig bin. Am liebsten hätte ich gleich nach dem Abitur mit der Familienplanung begonnen.
Schönes Wort übrigens - Familien“planung“.
Damals dachte ich tatsächlich noch, Kinderkriegen sei planbar. Ich ging davon aus, dass ich irgendwann die Pille absetze und schwupps, bin ich schwanger. Herrlich, diese grenzenlose Naivität...
Aus Vernunftgründen habe ich meinen Kinderwunsch zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Zunächst galt es, Studium und Referendariat mit den entsprechenden Examina erfolgreich abzuschließen und anschließend eine adäquate und möglichst unbefristete Anstellung zu finden.
Über all diesen Plänen gingen einige Jahre ins Land, bis endlich mit Ende zwanzig ein halbwegs passender Zeitpunkt gefunden war. Nun begannen unsere Versuche, Nachwuchs zu zeugen.
Ohne Erfolg.
Ich hatte eine Ahnung, dass etwas nicht stimmen könnte und suchte den Gynäkologen meines Vertrauens auf, der mir wider Erwarten keine wirklich hilfreiche Auskunft geben konnte. Er riet mir, die Sache locker anzugehen, möglichst wenig über den Kinderwunsch nachzudenken, in den Urlaub zu fahren und gab mir weitere Tipps, die mir ebenso wenig hilfreich erschienen.
So wirklich befriedigte mich dies nicht. Ich wollte wissen, ob unsere Bemühungen, uns zu reproduzieren, ein reiner Akt des Vergnügens bleiben (welches einem angesichts diverser Temperaturmessungen, Eisprungterminsbestimmungen etc. schnell zur Last werden kann) oder irgendwann Früchte tragen würden.
Ich wollte endlich ein Kind. Jetzt. Sofort. Nicht erst nach langen „lockeren“ Monaten oder gar Jahren. Geduld findet sich nicht in der Aufzählung meiner Stärken.
Daher war für mich der direkte Weg in ein Kinderwunschzentrum folgerichtig.
Mein Mann wurde mit einer Mischung aus einer geballten Ladung Überredungskunst und Gejammer zum Termin genötigt.
Schließlich saß ich irgendwann zur Auswertung der Bluttests sowie des Spermiogramms vor einer der Ärztinnen des Kinderwunschzentrums.
Ich war unglaublich aufgeregt.
Die Ärztin teilte mir mit, dass bei mir alles das, was anhand der Blutwerte auswertbar ist, in Ordnung sei. Jedoch sei das Spermiogramm meines Mannes grenzwertig. Eine spontane Schwangerschaft sei damit zwar nicht gänzlich auszuschließen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir unter diesen Voraussetzungen kinderlos bleiben würden, sei jedoch hoch.
Ich war schockiert.
Zwar hatte ich geahnt, dass es ein Problem mit der Fruchtbarkeit geben könnte, dabei war ich jedoch von einer in meiner Sphäre liegenden Ursache ausgegangen...
So fand das Jahr 2007 einen absolut nicht schönen Ausklang. Ich war verzweifelt. Mein Mann zweifelte auch – nach seiner Auffassung müssen sich diejenigen, die seine Spermaprobe ausgewertet haben, grundlegend irren. Er sei zeugungsfähig. Schluss. Aus. Ende.
Es vergingen Tage, Wochen, Monate, und mein Mann wollte nicht über das Thema sprechen. Ich denke, für ihn war diese Diagnose ein echter Schock.
Zwischenzeitlich hatten wir in der Uniklinik ein weiteres Spermiogramm erstellen lassen. Mit ähnlichem Ergebnis.
Eine reproduktionsmedizinische Maßnahme kam für meinen Mann zu diesem Zeitpunkt nicht in Frage. Er vertrat die Auffassung, wenn es nicht sein soll, dass wir eigene Kinder haben, dann soll es nicht sein und es hat schon irgendwie seinen Grund.
Dieser Auffassung war ich, bevor uns das Leben auf die Wege der Reproduktionsmedizin führen sollte, im Übrigen auch. Ich höre mich noch sagen, dass ich nicht verstehen kann, wie man dem Schicksal derart „ins Handwerk pfuschen“ kann. Schließlich müsse es ja einen höheren Sinn haben, wenn zwei Menschen auf normalem Wege keine Kinder bekommen können. Ich war in diesem Punkt voreingenommen und – bis mich dieses Schicksal selbst traf – auch einigermaßen überheblich in meinen Schlussfolgerungen.
Während in der Folgezeit gefühlt alle Welt schwanger wurde und das erste oder bereits das zweite Kind bekam, litt ich. Mal lauter, mal leiser.
Zwar versuchte ich, mich mit meinen Bekannten und Freundinnen zu freuen - sehr oft und mit zunehmender Tendenz gelang mir das jedoch nicht. Jede Schwangerschaftsnachricht versetzte mir mittlerweile einen kleinen bis mittelgroßen Stich ins Herz. Ansammlungen von Menschen mit Kindern mied ich. Diese große Trauer begann, mein Leben immer mehr und mehr einzuschränken.
Meine regelrechte Verzweiflung und Panik gründete sich vor allem darin, dass mir das Problem unlösbar schien. Eine natürliche Zeugung wäre wie ein Sechser im Lotto. Und wie wahrscheinlich so etwas ist, war mir durchaus klar. Eine Kinderwunschbehandlung wollte mein Mann nicht. Wie also sollte mein Wunsch Wirklichkeit werden?
Eine Zeit lang versuchte ich, mich mit den Vorzügen eines kinderlosen Lebens auseinanderzusetzen und anzufreunden. Ich las entsprechende Bücher und durchforstete Internetseiten mit Erfahrungsberichten zum Thema ungewollte Kinderlosigkeit.
Ich erinnere mich an einen Ostseeurlaub im Februar 2009 mit meiner Mama und mit meiner Schwester in Warnemünde. Wir hatten eigentlich eine wunderbare Zeit zusammen. Das winterliche Warnemünde zeigte sich von seiner besten Seite, es war Winterschlussverkauf und wir trugen unsere Beute tütenweise in unsere schöne Ferienwohnung. Mit meinem geliebten Hund, einem Rhodesian Ridgeback, waren die Strandspaziergänge eigentlich eine riesige Freude. Urlaub mit Mama und Schwester ist sowieso ein Genuss.
Nur eine hat die Stimmung verdorben: ich.
Mit meinen traurigen Gedanken an ein mir bevorstehendes, mir geradezu aufgezwungenes, Leben ohne Kinder. Mit in diesen Urlaub war ein Ratgeberbuch zur Bewältigung des unerfüllten Kinderwunsches gefahren. Derlei Lektüre kann ich wärmstens empfehlen, wenn man sich und seinen Mitreisenden den Urlaub nachhaltig und gründlich verderben möchte. Noch heute wundere ich mich darüber, dass meine Mama und meine Schwester regelmäßig weiterhin mit mir in den Urlaub gefahren sind. Es wurde ja in der Folgezeit nicht wirklich besser mit mir. Eine liebende Familie geht eben wirklich über alles.
Es gelang mir trotz aller Bemühungen nicht, mir ein kinderloses Leben schmackhaft zu machen oder mich zumindest soweit selbst zu beeinflussen, dass ich damit hätte leben können.
Und dann ereilte uns tatsächlich der Glückstreffer. Am 13.06.2009 machte ich einen meiner regelmäßigen Schwangerschaftstests. Und diesmal war er tatsächlich positiv. Eine Welle des Glücks durchströmte mich. Jetzt wird alles gut, dachte ich. Was für ein Wunder...