Gemeinsam Gott begegnen - Rüdiger Maschwitz - E-Book

Gemeinsam Gott begegnen E-Book

Rüdiger Maschwitz

0,0
12,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kinder wollen glauben – nicht nur über Gott reden. Doch wer kann sie kompetent begleiten, ist überzeugendes Vorbild, hat Antworten auf ihre Fragen? Allen, die Kindern einen freien christlichen Glauben ermöglichen wollen, ist dieses Praxisbuch verlässliche Hilfe. Zahlreiche Methoden zeigen Wege in die Stille, zu Natur- und Gottesbegegnung, zu Erfahrungen von Liebe, Vertrauen und Eigenverantwortung.

  • Mit Kindern auf dem Weg zu Gott
  • Für alle, die Kinder begleiten
  • Damit Religion der Seele guttut

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 332

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

WidmungVORWORTI - SICH AUF DEN WEG MACHEN
EINFÜHRUNG: VON DER SEHNSUCHT, GOTT ZU BEGEGNENWAS BEDEUTET »KINDER GEISTLICH BEGLEITEN«?
VON DER GEISTLICHEN BEGLEITUNG ERWACHSENER ZUM GEISTLICHEN BEGLEITEN DER KINDERDIE GEGENWART GOTTES IM ALLTAG ERSPÜREN – SEELSORGE UND GEISTLICHE BEGLEITUNG
Was ist geistliche Begleitung?Wo und wie geschieht nun geistliche Begleitung konkret?
Copyright

Gewidmetunserer Familieund aus naheliegendem Grund:Lasse Johannes, geboren am 05. Mai 2011

VORWORT

Alles muss klein beginnen,Lass etwas Zeit verrinnen.Es muss nur Kraft gewinnenund endlich ist es groß.Gerhard SchöneRef. 9

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Interessierte an diesem Projekt!

Viele Jahrzehnte lang begegne ich und arbeitete ich schwerpunktmäßig mit Menschen, die mit Kindern zusammen sind, sei es in Familien, in Gottesdiensten, in Kindergärten, Schulen und anderen Orten.

Seit Jahren habe ich den Eindruck, dass für eine intensive, berührende, lustvolle und kreative geistliche Arbeit mit Kindern (fast) alles zur Verfügung steht. Es gibt gute gottesdienstliche und religionspädagogische Konzepte, methodische Vielfalt, inhaltliche Tiefe, altersgerechte und selbst bestimmbare Arbeitsformen und erfahrungsorientierte Lernmöglichkeiten. Es kann mit Kindern gefeiert werden und Wissen für eine eigene verantwortliche Spiritualität erschlossen werden. Es ist möglich mit Kindern erfüllt und intensiv spirituelle Erfahrungen im christlichen Glauben zu machen und solche zu fördern.

Dies liest sich gut, aber ich bin nicht zufrieden. Es beschäftigen mich einige Fragen:

◗ Warum nehmen nicht mehr Menschen diese Möglichkeiten auf, zum Beispiel in Familie, Gottesdiensten mit Kindern, Kinderbibeltagen, Kindergarten (dieses Wort steht für alle institutionalisierten Angebote mit Kindern) und Grundschule?◗ Wieso wird in der Kirche oft mehr Zeit in die Struktur, die Finanzen und in Gremienarbeit investiert als in geistliches Leben, Inhalte und Menschen?◗ Was fehlt den erwähnten Angeboten, damit sie bei Kindern einen entwicklungsfähigen, freien und förderlichen christlichen Glauben unterstützen?◗ Wie kann also eine Begegnung mit Gott im christlichen Glauben stattfinden, die nachhaltig wirkt und der Personwerdung eines Menschenkindes guttut?

Den beiden ersten Fragen wird dieses Buch nur insoweit nachgehen, als dass es jeden Einzelnen zu neuen Prioritäten anregen möchte. Auf die beiden letzteren Fragen möchte ich mit diesem Buch versuchen, eine Antwort zu geben: Es ist nötig, eine Haltung und einen Weg zu finden, Kinder auf ihrem Lebensweg geistlich, also spirituell zu begleiten.

Dies darf keine Indoktrination sein und werden, sondern es bedarf einer Einladung zu einem mündigen Glauben. Dabei bedeutet Glauben für mich nie, etwas für richtig oder für wahr zu halten, sondern es ist eine Einladung, dem Urgrund allen Lebens zu vertrauen und ein Leben aus und mit diesem Urgrund zu wagen. Dies ist mehr, als religiöse Erziehung zu geben vermag.

Letztlich können nur Gott vertrauende Menschen dieses anderen Menschen vermitteln. Diese Erkenntnis und Erfahrung habe ich schon lange in der geistlichen Begleitung erwachsener Menschen gemacht. Es bedurfte aber einer Zeit der Überlegung, der Reflexion und vieler Gespräche, dies auf Kinder zu übertragen und zu verändern.

Das erste Ergebnis dieser Überlegungen liegt nun vor Ihnen. Es ist ein offenes Buch mit vielen gedruckten Seiten und vielen Leerseiten, die noch geschrieben werden können und geschrieben werden sollten: von den Menschen, die Kinder geistlich begleiten, die Anfragen an und Anregungen für diesen Prozess haben. Das Buch ist gedruckt, aber auf keinen Fall fertig.

Dieses Projekt liegt mir einerseits ganz persönlich am Herzen, weil viele Dinge, die mich in den letzten Jahrzehnten begleiteten, nun zusammenfinden. Von den Stilleübungen mit Kindern über die Arbeit mit Aktiver Imagination und Fantasiereisen, mit der Beschreibung der existenziellen Methoden, der Einbeziehung des Körpers durch Körperarbeit und Körpergebete, dem Erzählen mit allen Sinnen und mit entsprechenden Vertiefungsformen und bis hin zum Kursbuch Beten und dem Meditationsweg des Herzensgebetes finden alle meine Veröffentlichungen und alle bisherige Arbeit in einem Kristallisationspunkt zusammen.

Das Projekt »Kinder geistlich begleiten« ist das Gefäß, in dem sich all diese Möglichkeiten, Ideen und Konzepte gegenseitig durchdringen und zusammenfinden. Dabei ergänzen sich Vertrautes und Neues.

Anderseits geht es nicht um meine persönliche Sicht der Dinge, sondern um ein Zusammenwirken mit den Erfahrungen und dem Wissen anderer Menschen, ihrer Ideen und Konzepte. Ob es sich nun um »Godly Play«, die Religionspädagogische Praxis (nach F. Kett und Sr. E. Kaufmann) oder die Perlen des Glaubens handelt, sie haben die religionspädagogische Arbeit und das geistliche Zusammenleben mit Kindern gefördert und wirken in meine Arbeit hinein.

Ich bin sowohl Sammler und Jäger als auch gerne Züchter und Gartenbesteller. Dies heißt ganz praktisch, dass meine eigenen Ideen und Impulse durch alles, was mir begegnet und mich anspricht, beeinflusst sind. Dabei ist es mir wichtig, dass ich erst einmal die Grundkonzepte anderer verstehe, würdige und anwenden lerne. Erst danach gehe ich damit frei um und integriere sie in meine Arbeit.

Deshalb werden in diesem Buch die jeweiligen Konzepte und Themen von ihren Fachvertretern selbst vorgestellt und reflektiert. Es ist mir ein Herzensanliegen, dass die verschiedenen Konzepte authentisch verdeutlicht und dahingehend befragt werden, ob und inwieweit sie Kinder wirklich geistlich begleiten oder ob sie dabei stehen bleiben, einfach eine gute Methode der Vermittlung geistlicher Inhalte zu sein.

Es wäre schön, wenn nun ein Prozess in Gang kommt, dass Mitarbeitende, Eltern, Paten und Großeltern bewusst Kindern von Ihrem Glauben erzählen, sich den Fragen und Antworten der Kinder stellen und dass ein erfahrungsorientierter Weg der Glaubensvermittlung einsetzt, der die Mitte des Menschseins erreicht und vertieft. Ich hoffe, dieses Buch gibt Ihnen dazu nicht nur Anregungen, sondern ermuntert sie selbst zu Erfahrungen mit Gott, die sie dann – behutsam, liebevoll und reflektiert – in die Begegnung mit Kindern einbringen können.

Der Weg ist angedacht, die erste Wegstrecke erahnbar – diesen Weg zu gehen und auszubauen liegt nun an Ihnen. Es wäre schön, wenn sich aus diesem Buch heraus Vernetzungen, Austausch, Fortbildungen und regelmäßige Kontakte, ja auch Foren ergäben.

Ich danke ganz vielen Menschen für Ihre Mitarbeit an diesem Buch, besonders denjenigen, mit denen ich frühzeitig über dieses Projekt reden konnte. Ohne ihre Ermutigung und ihr Zuhören hätte ich bestimmt nicht weitergemacht und weitergedacht.

Überaus dankbar bin ich den Autorinnen und Autoren für Ihre Beiträge und dass sie sich auf meinen Wunsch nach Knappheit eingelassen haben. Ich habe diese von mir geschätzten Fachleute auf Ihre Kompetenz angesprochen und bin erfreut, dass ihre Kompetenzen nun dieses Buch bereichern und erweitern.

Ganz herzlich danke ich der Lektorin Silke Foos, sie hat mich intensiv begleitet, gut befragt, herausgefordert und gleichzeitig sehr unterstützt. Dies war viel mehr, als ich erwartet habe.

Hetzenholz, im Herbst, Winter und Schnee, in Frühling und Sonne, 2010 und 2011

Rüdiger Maschwitz

I

SICH AUF DEN WEG MACHEN

Voraussetzungen, Ziele und Chancen des geistlichen Begleitens von Kindern

EINFÜHRUNG: VON DER SEHNSUCHT, GOTT ZU BEGEGNEN

Kinder beschäftigen die großen Fragen des Lebens. Sie fragen: Warum stirbt die Nachbarin? Warum wird Mama krank? Wann scheint wieder die Sonne? Wo ist sie nachts? Warum regnet es? Warum führen Menschen Kriege? Warum ist Willi behindert? Wie schnell kann der Rollstuhl von dem Mann fahren? Welches Auto ist das Beste?

Gut in Erinnerung ist mir ein Gespräch im Kindergarten mit einem sechsjährigen Mädchen, ich nenne es hier M. Es fragte:

M:»Wo ist Gott nachts?«RM:»Meinst du, dass Gott nachts woanders ist als tagsüber?«M:»Tags kann Gott ja alles sehen, aber wie kann er uns nachts sehen?«RM:»Weil Gott in deinem Herzen wohnt, ist Gott auch nachts da.«M:»Gott ist also immer bei mir?!«RM:»Ja.«M:»Ich trage also Gott mit mir rum! Stimmt. Manchmal habe ich das gemerkt.«RM:»Woran?«M:»Da wurde es mir richtig warm ums Herz. Das kann nur Gott gewesen sein.«

Kinder kommen mit den Grundfragen des Lebens nicht nur in Berührung, sondern diese Grundfragen beschäftigen sie wesentlich intensiver, als Erwachsene glauben. Dabei tauchen Fragen zu Gott ganz selbstverständlich auf.

Es gibt nun die Möglichkeit, diese Fragen mit Kindern zu erörtern und zu entwickeln, wie es in unserem Gespräch oben erfolgt ist. Dies geschieht in der Kindertheologie, was aber eher ein unglücklicher Begriff ist. Er klingt ein wenig, als ginge es um eine Vorstufe von Theologie, eben um die Gedanken von Kindern und diese seien zwar interessant, aber doch noch nicht ganz richtig. Genauso möchte ich nicht mit Kindern arbeiten. Es lohnt sich auf jeden Fall, mit Kindern theologischen Grundfragen nachzugehen und ihre Antworten sind oft viel tiefer, als Erwachsene ahnen.Ref. 5

Diese Art mit Kindern Grundfragen zu erörtern, ist hilfreich. Es ist so, als ob Kinder beim Kochen auf die Zutaten zurückgreifen dürfen, die ihnen vertraut sind. Dabei können Kinder sich beim Kochen gegenseitig bereichern und anregen und manchmal entstehen wie in dem obigen Beispiel auch eigene intuitive weiterführende Antworten. Aber es gibt noch ein Mehr an Möglichkeiten. Dazu zählen auch religionspädagogische Impulse, die die Kinder neue Antworten und Fragen finden lassen.

Neulich hatte ich eine Gruppe von Kindern und ihre Eltern zu Gast. Ich schickte die Kinder und Erwachsenen in getrennte Räume und gab ihnen fast dieselbe Aufgabe. Jeder bekam drei verschiedenfarbige Fäden, diese symbolisierten Gott, Jesus Christus und den heiligen Geist. (Lieber Rainer Oberthür, danke für diese Grundidee!) Alle sollten nun die Fäden miteinander ins Spiel bringen und daraus eine Einheit entwickeln, die Erwachsenen sollten dieses Ergebnis dann auf einen großen Karton legen und dazu fünf wichtige Stationen ihrer spirituellen Biografie aufschreiben.

Ein Mädchen flocht einen Zopf aus den drei Fäden und sagte: So sind sie ein Ganzes.

Ein Junge wickelte die drei Fäden wild durcheinander auf einen Holzstab und meinte: So ist das mit Gott, man sieht nie alles. Es geht durcheinander und ich weiß nicht, wo Gott, Jesus oder der Geist ist. Sie sind da, aber ich kann sie nicht immer sehen.

Ein drittes Kind klebte sehr sorgfältig die drei Fäden als Kreis auf und legte die Fäden mal unter- mal übereinander: Gott umgibt alles und man weiß nicht, welcher »Gott« gerade oben sichtbar ist.

Diese drei Beispiele sind wunderbar und ein wenig können wir uns zufrieden zurücklehnen. Kehre ich zum Gleichnis vom Kochen zurück, haben die Kinder aus den vorgegebenen Zutaten Hervorragendes angerichtet. Wenn ich mit Kindern Glauben leben will, bedarf es aber mehr als die guten und wertvollen (!) religionspädagogischen Anregungen.

Bleiben wir beim Beispiel des Kochens. Gute Religionspädagogik hat manches mit einem guten Kochkurs gemeinsam. Das Kochen wird gelernt und Grundlagen des Kochens sollten vermittelt worden sein. Noch einmal, damit es keine Missverständnisse gibt: Dies ist notwendig, hilfreich und wertvoll. Hier werden sicher manche innerliche und inhaltliche Depots, die sich langfristig auswirken, angelegt.

Aber es ist noch mehr möglich und nötig, um für das Leben Glauben zu verankern. Ich greife wiederum auf das Bild des Kochens zurück. Ein Kind lernt – nachhaltig – kochen, wenn drei Dinge gewährleistet sind:

◗ es hat einen regelmäßigen und guten Lehrmeister, der Impulse gibt,◗ es hat die Gelegenheit zur kontinuierlichen Übung,◗ es darf eigene Erfahrungen mit einem gewissen Risiko machen, das heißt es gibt auch Enttäuschung und Erfolg, Verbrennungen und Freudenschreie, Geniales und Misslungenes.

Dieses Beispiel erläutert, worum es in geistlicher Begleitung mit Kindern geht. Das Kind wird zu Erfahrungen mit Gott eingeladen, nicht nur einmal, sondern kontinuierlich, zum Beispiel in Kindergarten, Schule, Gottesdienst, zu Hause, in der Schöpfung und damit in der Natur.

Der Begleiter beziehungsweise die Begleiterin ist dabei der Koch, der Impulse setzt, Neues ins Spiel bringt, den Horizont erweitert und manchmal selbst aktiv wird. Aber das Wesentliche ist, dass das Kind eigene Erfahrungen im Glauben machen und dass über diese Erfahrungen geredet werden kann.

So kann das Kind seiner Sehnsucht nach Gott Raum geben. In Kindern ist diese Sehnsucht verankert, ohne dass Erwachsene dies indoktrinieren oder manipulieren müssen oder gar sollten.

Kinder leben nahe am Urgrund und im Urvertrauen des Lebens, Erwachsene sind sich dagegen den Abgründen des Lebens bewusster. Haben sie aber nicht eine ähnliche Sehnsucht nach Gott, nach dem Getragensein?

Kehren wir zum gemeinsamen Seminar der Kinder mit den Eltern zurück. Die Mutter des Mädchens, das die drei Schnüre verflochten hatte, sah das Werk ihrer Tochter und dies brachte einiges in ihr in Bewegung. Sie hatte sich schwer getan, ihre Schnüre zu verbinden, aber sie hatte fünf wichtige spirituelle Lebenserfahrungen wiederentdeckt. Sie nahm die Idee ihrer Tochter auf und flocht nun auch ihre Schnüre bis zu einem Drittel der Länge zusammen. Dies war ihr erster Lebensabschnitt mit Gott, in diesem Zeitraum lagen zwei spirituelle Grunderfahrungen. Vom 15. bis zum 25. Lebensjahr lagen die Fäden lose nebeneinander. Die Geburt ihrer Tochter markierte einen neuen (spirituellen) Abschnitt, sie flocht wieder die Fäden bis zu ihrem heutigen Lebensalter, danach waren die Fäden noch offen und unverbunden.

Sie schrieb dazu: Ich nehme die verlorenen Fäden meiner Gottesbeziehung und meiner Hingabe wieder auf und bewundere meine Tochter, die so eine tolle Idee hatte, die mir weiterhalf.

Einem Vater erging es mit seinem Sohn im weitesten Sinne ähnlich. Sein Sohn hatte, wie oben beschrieben, die drei Fäden um ein Holz gewickelt. Der Vater war von dieser Aktion tief angerührt und sagte: Eigentlich hätte ich dies genauso machen müssen, aber ich hätte dann noch einen vierten Faden für mich gebraucht. Dann hätte ich alle vier Fäden so durcheinander aufrollen müssen, für mich ist Gott mit mir ganz schön verwurschtelt. Ich bin mir gar nicht klar, wo Gott agiert und ist und wo ich es bin. Der Sohn hörte zu und erklärte dem Vater: Ich bin bei meiner Rolle der Holzstab, Gott ist um mich herum.

Die Erfahrungen der Eltern und Kinder bei diesem Seminar waren etwas Besonderes, sie bewegen sich zwischen Gotteserkenntnis und Gottesbegegnung, bei den Erwachsenen kam Selbsterkenntnis und Selbstbegegnung hinzu. Beide Aspekte gehören in der christlichen Tradition zusammen, eines gibt es nicht ohne das andere.

Geschieht hier schon geistliche Begleitung? Sicherlich werden die Kinder und Erwachsenen durch die Leitung des Seminars bei ihren Erfahrungen begleitet. Aber es ist keine Begleitung über einen längeren Zeitraum. So bleiben diese Erfahrungen (noch) Einzelerfahrungen.

Eine andere Begebenheit zeigt den Unterschied und die Chance längerfristiger geistlicher Begleitung: Ein Junge spielt in der Freispielphase einer Gruppenstunde (nach Montessori) fast ein Jahr lang die Geschichte vom guten Hirten nach. Die Begleiterin lässt ihn gewähren und irgendwann erzählt der Junge: Ich möchte auch einen Menschen haben, der sich so um mich kümmert, wie der Hirte sich um das eine Schaf sorgt. Es ist gut, wenn Gott so ist wie der Hirte, dann ist Gott für mich da.

Der Junge holt sich das, was er zum Leben braucht und die Begleiterin ermöglicht es. Sie übernimmt – indirekt – die Rolle des guten Hirten, sie kümmert sich um dieses Kind. Der Junge bekommt dreifach, was er sucht: indem er sich selbst die Geschichte erspielt und einverleibt, indem er Erfahrungen mit Gott macht und indem ein Mensch ihn dabei über ein Jahr begleitet. Pädagogisch ist dieses Gewährenlassen des Kindes nicht üblich, seelsorgerlich betrachtet ist es einfach nur heilsam.

Diese mehrfachen Begegnungsebenen kennzeichnen geistliche Begleitung, wie wir darstellen werden.

WAS BEDEUTET »KINDER GEISTLICH BEGLEITEN«?

Geistliches Begleiten, so habe ich es beschrieben, lässt sich gut mit dem Prozess des Kochenlernens vergleichen. Geistliches Begleiten ist wie mit einem erfahrenen Koch zusammen einkaufen, kochen und essen. Dieser Koch kann Vater, Mutter, Pate, Lehrerin, Erzieher, Pfarrerin oder ehrenamtlicher Mitarbeiter sein. Wichtig ist nur, um im Beispiel zu bleiben, dass er beziehungsweise sie vom Kochen viel versteht. So wird dieser Mensch mit seiner Kompetenz und Erfahrung zu einem Wegbegleiter beim Kochen und wird das Kind prägen. Dieser Koch wird sich genauso freuen, wenn das Kind auf seine Anregungen zurückgreift, als auch dann, wenn das Kind neue, eigene und weiterführende Erfahrungen macht. Ein verantwortungsvoller Koch regt das Kind an, Zusammenhänge zu begreifen, Grundregeln des Kochens zu verstehen, Eigenes zu wagen und eigenverantwortlich zu werden. Der Koch übernimmt manches; aber ausprobieren, schmecken, riechen, schlucken und verdauen tut das Kind beim Kochen, wie im Erwerb religiöser Erfahrungen mit einem begleitenden Menschen, alleine.Ref. 1

Nun hat aber auch der Koch das Kochen gelernt, das heißt der oder die geistliche Begleiter/in braucht Kenntnisse, bedarf reflektierter Erfahrung und eigener geistlicher Praxis.

VON DER GEISTLICHEN BEGLEITUNG ERWACHSENER ZUM GEISTLICHEN BEGLEITEN DER KINDER

Diese notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen sind ein Grund dafür, dass dieses Buch von der geistlichen Begleitung der Erwachsenen ausgeht. Auch wenn dieser Wunsch nicht ganz realistisch ist: Es wäre schön, wenn die Menschen, die Kinder geistlich begleiten, eine Fortbildung zur geistlichen Begleitung als Grundlage hätten.

Sie wären dann vergleichbar mit einem guten Fußballtrainer, der einerseits Fachkenntnis erworben hat und andererseits eine Persönlichkeit ist, die Freude und Spaß am Fußball hat und mit ihrer Begeisterung die Kinder anspricht. Es gibt noch eine wichtige Parallele des Fußballtrainers zum geistlichen Begleiter, zur Begleiterin. Der Trainer kann den Kindern viel vermitteln, aber auf dem Platz spielen die Kinder selbst. Sie entscheiden selbst, was sie mit den Anregungen des Trainers machen, sie machen ihr Spiel. Die Kinder erleben an der eigenen Person Erfolge und Niederlagen, machen Fehler und sind genial, brauchen Trost und geteilten Jubel, Lob und Kritik. Dies ist in der geistlichen Begleitung durchaus ähnlich, die Kinder spielen ihr »Spiel des Lebens« und entscheiden, welche Impulse und Anregungen aufgenommen werden. Wichtig aber ist, dass die Kinder authentische und intensive geistliche Anregungen durch eine Persönlichkeit bekommen, die einerseits begeistern kann und die sich andererseits selbst wahrnimmt und reflektiert.

In der geistlichen Begleitung begegnen sich also zwei Subjekte, die gleichermaßen wichtig sind: das Kind ist ein Subjekt (und kein Objekt) in der geistlichen Begleitung und es trifft auf das Subjekt des Begleitenden.

Zum anderen will ich deshalb mit der Darstellung der geistlichen Begleitung der Erwachsenen anfangen, weil diese vorher da war und ich von dieser her die geistliche Begleitung der Kinder entwickelt habe. Ohne die geistliche Begleitung der Erwachsenen gäbe es diesen Ansatz nicht und ohne diese wäre er auch nicht zu verstehen. Deshalb gehe ich von den Erwachsenen aus und frage mich erst am Ende des ersten Abschnittes, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen und den Kindern vorliegen.

Geistliche Begleitung hatte ihren Ausgangspunkt in der Begleitung von Menschen, die einen Meditationsweg oder einen anderen geistlichen Übungsweg gingen. So war es, als ich in der Mitte der 1970er-Jahre mit meiner Meditationspraxis begann. (Vorher gab es vor allem in den protestantischen Kirchen so gut wie gar keine geistliche Begleitung.) Es wurden Einzelgespräche bei den Kursen angeboten und je nach geistlichem Übungsweg waren sie auch verpflichtend. Da ich in dieser Zeit die Zen-Praxis kennenlernte, wurde ich mit konsequenter geistlicher Begleitung vertraut. Jeden Tag fand ein Gespräch mit dem Kursleitenden statt. Es ging einerseits um Fragen der Übungspraxis, wie zum Beispiel: Wie kommen meine Gedanken zur Ruhe?, und um Themen meiner Lebensgeschichte, etwa: Warum beschäftigt mich dieses Vergangene immer noch so stark, wie kann ich es – mehr – freigeben?

Damals wurde einfach nur von Begleitung gesprochen. Als ich nach vielen Jahren selbst anfing Menschen zu begleiten, waren es nur solche, die meinen eigenen geistlichen Weg übten. Bei mir war und ist es die Begleitung auf dem Weg des Herzensgebetes.

Typisch für alle Übungswege ist, dass sie nicht nur eine kurze Zeit oder ein Seminar lang praktiziert werden, sondern dass sie kontinuierlich (zum Beispiel täglich) fortgesetzt werden, oft ein Leben lang.

Aus diesem Begleiten von Menschen hat sich der Fachausdruck »geistliche Begleitung« – wahrscheinlich zuerst in der protestantischen Tradition – entwickelt. Mittlerweile scheint es so, dass der Ausdruck »geistliche Begleitung« für zwei unterschiedliche Schwerpunkte gebraucht wird. Einerseits beschreibt es – wie oben – Begleitung auf einem Übungsweg, andererseits gibt es auch geistliche Begleitung auf dem Lebensweg, bei dem die Übungspraxis eines geistlichen Weges nicht so sehr im Vordergrund steht, aber auch dazu gehören sollte.

Angelika Vogel beschreibt ihr Verständnis von geistlicher Begleitung im folgenden Artikel. Mit Angelika Vogel verbindet mich eine gemeinsame Wegstrecke nicht nur bei den Fortbildungen zur geistlichen Begleitung. Sie verbindet Seelsorge und geistliche Begleitung zu einem Ganzen. Bei einem der Konzeptionstreffen zu dieser Fortbildung bekam ich den ersten Impuls für das Konzept »Kinder geistlich begleiten«. Ich fragte mich, warum wir erst bei den Erwachsenen mit dieser Arbeit anfangen. Dies war und ist zwar gut, aber eigentlich bedarf es dieser Kompetenz und Fortbildungsarbeit bei den Menschen, die mit Kindern geistlich arbeiten.

DIE GEGENWART GOTTES IM ALLTAG ERSPÜREN – SEELSORGE UND GEISTLICHE BEGLEITUNG

Angelika Vogel

Was ist geistliche Begleitung?

Geistliche Begleitung ist eine besondere Form der Seelsorge. Nach den theologischen Auseinandersetzungen um das Wesen der Seelsorge zeichnet sich in den 1990er-Jahren ein gewisser Konsens in der Seelsorgelehre ab. Alle gängigen Entwürfe gehen davon aus, dass Seelsorge in einem freien, partnerschaftlichen Gespräch geschieht. Die Haltung des Seelsorgers/der Seelsorgerin soll sich dabei orientieren an den sogenannten »Grundvariablen«, die Carl Rogers (der »Vater« der Gesprächspsychotherapie) entwickelt hat: Akzeptanz, Empathie und Echtheit.

Inhaltlich können wir Seelsorge beschreiben als »Sorge um die Seele«, als Sorge um den Menschen in Beziehung. Dabei geht es, wenn wir die biblischen Texte betrachten, um vier Dimensionen von Beziehung: die Beziehung zu Gott, zu sich selbst, zu anderen Menschen, zur Mitwelt. In jedem Seelsorgegespräch sind im Bewusstsein des Seelsorgers/der Seelsorgerin alle vier Dimensionen vorhanden, aber sie müssen nicht in jedem Gespräch alle thematisiert werden. Es kann mal um Beziehungskrisen, mal um die Wahrnehmung der Verantwortung im gesellschaftlichen Kontext, mal um die Auseinandersetzung mit sich selbst, mal um Glaubensfragen gehen. Ob und wie dabei biblische Texte zur Sprache kommen, wie die Beziehung zu Gott oder zu Jesus thematisiert wird, das hängt von dem/der Ratsuchenden und vom Seelsorger oder der Seelsorgerin ab.

In den letzten fünf bis zehn Jahren hat sich die Kirche wieder stärker auf die geistliche Dimension der Seelsorge besonnen. Sie antwortet damit auf die Erfahrung, dass viele Menschen auf der Suche sind nach Sinn, nach Halt, nach Hoffnung, nach Gott. Viele sind nicht mehr selbstverständlich verwurzelt in biblischer und kirchlicher Tradition und suchen Sprache und Formen für ihre Fragen und Erfahrungen.

In der geistlichen Begleitung als einer besonderen Form der Seelsorge geht es darum, die Alltagserfahrungen zur Sprache zu bringen und den Alltag gleichsam zu »durchschauen« auf die Gegenwart Gottes hin. »Durchschauen« meint, dass die Worte und nonverbalen Äußerungen des Gesprächspartners /der Gesprächspartnerin verschiedene Bedeutungsebenen haben: Da ist die Ebene der Sachverhalte. Darunter liegt die Ebene der Gefühle. Darunter die Ebene der Überzeugungen und der Lebenshaltung. Darunter schließlich treffen wir auf die Ebene der Existenz, auf die religiöse Ebene. Hier ist der Mensch als Gegenüber Gottes, als Geschöpf, als Kind Gottes gemeint. Den Alltag »durchschauen« meint also: nachspüren, nachsinnen, was die konkrete Alltagserfahrung mit den verschiedenen Ebenen und vor allem mit der existenziellen Ebene zu tun hat.

Es geht in der geistlichen Begleitung nicht nur um Übungen der Frömmigkeit oder um Glaubensfragen im engeren Sinne. Vielmehr geht geistliche Begleitung davon aus, dass Gott jeden Menschen ins Leben und beim Namen gerufen hat, dass Gott mit jedem Menschen einen eigenen Weg gehen will, dass die Sehnsucht des Menschen eine Antwort auf die Sehnsucht Gottes nach dem Menschen ist, dass Gott sich in unserem Leben bemerkbar macht, dass er gesucht werden will und sich finden lässt. Die geistliche Begleitung will also dazu verhelfen, in »eine hörende Grundhaltung« zu kommen: aufmerksam zu werden, wie sich Gott in den Alltagserfahrungen bemerkbar macht.

In anderen Formen von Seelsorge mag es mehr darum gehen, Probleme zu lösen oder Ziele zu erreichen. Die geistliche Begleitung ist ein meditatives Geschehen: Der begleitende Mensch und der/die Begleitete betrachten miteinander das Stück Lebensgeschichte, das jetzt erzählt wird, sie suchen und hören miteinander, welche Botschaft da drin steckt und wo Gott mit dem/ der Suchenden hin will. – Wir können auch sagen, in der geistlichen Begleitung geht es nicht um ein Zwiegespräch, sondern es handelt sich um eine Dreiecksgeschichte: Zum einen hat der Begleiter/die Begleiterin eine Beziehung zu Gott, lebt diese aufmerksam und bewusst und kann sich mit der eigenen Erfahrung zur Verfügung stellen.

Zum anderen hat der/die Begleitende eine Beziehung zu dem Begleitung suchenden Menschen. Um diese Beziehung wahrnehmen und gestalten zu können, sind beim Begleiter/der Begleiterin bestimmte Voraussetzungen und Kompetenzen nötig: Akzeptanz, Empathie und Echtheit. Der/die Begleitende muss auch in der Lage sein, Phänomene von Übertragung und Gegenübertragung wahrzunehmen und damit umzugehen. Er/sie muss mit Widerständen umgehen können, muss geistliche Krisen von psychischen Erkrankungen unterscheiden können. Dazu ist es sinnvoll und nötig, dass der/die Begleitende eine seelsorgliche Ausbildung hat.

Und zum Dritten ist da schließlich die Beziehung des Begleitung suchenden Menschen zu Gott. Auf diese Beziehung »zielt« die geistliche Begleitung. Es geht darum, dass der/die Begleitung Suchende immer mehr in diese Beziehung hineinwächst, sich selbst in diese Beziehung einbringt, das eigene Leben Gott im Gebet hinhält, aufmerksam wird für die Impulse Gottes im eigenen Leben, ein Gespür dafür bekommt, wie Gott ihn/sie durch alle Erfahrungen in immer größere Freiheit und Lebendigkeit, in intensivere Beziehung führen will, dass in ihm/ihr die Bereitschaft wächst, Gott mit dem eigenen Leben zu antworten.

Die Aufgabe des geistlichen Begleiters/der geistlichen Begleiterin ist also in erster Linie, mit dem suchenden Menschen dessen Leben zu betrachten, auf »Spurensuche« zu gehen und Sprache zu finden für diese Erfahrungen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, Hilfestellungen für das geistliche Leben anzubieten, zum Beispiel Übungen zur Wahrnehmung, Formen von Gebet und Meditation, Betrachten biblischer Texte.

Wo und wie geschieht nun geistliche Begleitung konkret?

In der Regel vollzieht sich geistliche Begleitung in Einzelgesprächen: Ich kann mir einen geistlichen Begleiter/eine Begleiterin suchen und mit ihm/ ihr eine Verabredung für eine Gesprächsreihe treffen. Als sinnvoll hat sich erwiesen, sich dazu über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr monatlich für etwa eine Stunde zu treffen.

Möglich ist aber auch, dass ich an »Exerzitien im Alltag« teilnehme, die inzwischen in vielen Gemeinden (oft ökumenisch) in der Fasten- oder Adventszeit angeboten werden. Im Rahmen dieser Exerzitien im Alltag werden in der Regel für die Dauer des Kurses auch Einzelgespräche angeboten.

Vielleicht nehme ich aber auch an »Stillen Tagen« oder »Einkehrtagen« in einem Haus der Stille oder einem Kloster teil und habe in diesem Rahmen Einzelgespräche.

Geistliche Begleitung kann aber durchaus auch in Gruppen geschehen,

Copyright © 2011 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlag: fuchs_design, München Umschlagmotiv: Sporrer/Rupp © getty images

eISBN 978-3-641-08091-4

Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem gesamten lieferbaren Programm finden Sie unter

www.koesel.de

www.randomhouse.de

Leseprobe