Generationendialog in Organisationen - Simone Emanuel - E-Book

Generationendialog in Organisationen E-Book

Simone Emanuel

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Beschreibung

Was tun, wenn langjährige Führungskräfte und Gründer:innen sich in den Ruhestand verabschieden? Wie können mehr oder weniger plötzliche Brüche in Organisationen vermieden werden? Und wie kommen verschiedene Generationen mit unterschiedlich sozialisierten Mitarbeitenden überhaupt miteinander klar? Simone Emanuel stellt Lösungsansätze für Übergangsstrategien vor, damit Nachwuchs rechtzeitig aufgebaut wird und die Würdigung von scheidenden Führungskräften gelingt. Anhand von Praxisbeispielen aus Nonprofit-Organisationen gibt sie Empfehlungen für einen systemischen Generationendialog, um erfolgreich zwischen Generationen zu vermitteln.

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Leben.Lieben.Arbeiten

Herausgegeben von

Jochen Schweitzer und

Arist von Schlippe

Simone Emanuel

Generationendialog in Organisationen

Nachwuchsübergänge systemisch gestalten

Mit 5 Abbildungen und 2 Tabellen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,

Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Rony Zmiri/stock.adobe.com

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datametics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2625-6088

ISBN 978-3-647-99492-5

Inhalt

Zu dieser Buchreihe

Vorwort von Jochen Schweitzer

I Der Kontext

1Anlass zum Generationendialog

1.1Nachwuchs- und Wissensbedarf in (gemeinnützigen) Organisationen

1.2Gemeinsam Generationenperspektive entwickeln

1.3Generationale Konfliktdynamik frühzeitig einschätzen

•1.4 Praxisbeispiel 1: Brückenbildungsprojekt zur Verknüpfung von Jugend- und Erwachsenenverband

•1.5 Praxisbeispiel 2: Generationendialog und Mentoring im Regionalverband

II Die systemische Beratung

2Übergangsstrategie entwickeln: Nachwuchs in die Organisation einbinden

2.1Generationendialog führen: systemische Fragen nutzen

2.2Organisationsattraktivität herstellen

2.3Öffnung des Systems: Beschluss fassen zur Nachwuchseinbindung

2.4Mentoring authentisch umsetzen und Wissen planvoll übergeben

2.5Ausblick

III Am Ende

3Literatur

4Weiterführende Links

5Die Autorin

Zu dieser Buchreihe

Die Reihe »Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten« befasst sich mit Herausforderungen menschlicher Existenz und deren Bewältigung. In ihr geht es um Themen, an denen Menschen wachsen oder zerbrechen, zueinanderfinden oder sich entzweien und bei denen Menschen sich gegenseitig unterstützen oder einander das Leben schwer machen können. Manche dieser Herausforderungen (Leben.) haben mit unserer biologischen Existenz, unserem gelebten Leben zu tun, mit Geburt und Tod, Krankheit und Gesundheit, Schicksal und Lebensführung. Andere (Lieben.) haben mit unseren intimen Beziehungen zu tun, mit deren Anfang und deren Ende, mit Liebe und Hass, mit Fürsorge und Vernachlässigung, mit Bindung und Freiheit. Wiederum andere Herausforderungen (Arbeiten.) behandeln planvolle Tätigkeiten, zumeist in Organisationen, wo es um Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit geht, um Struktur und Chaos, um Aufstieg und Abstieg, um Freud und Leid menschlicher Zusammenarbeit in ihren vielen Facetten.

Die Bände dieser Reihe beleuchten anschaulich und kompakt derartige ausgewählte Kontexte, in denen systemische Praxis hilfreich ist. Sie richten sich an Personen, die in ihrer Beratungstätigkeit mit jeweils spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind, können aber auch für Betroffene hilfreich sein. Sie bieten Mittel zum Verständnis von Kontexten und geben Werkzeuge zu deren Bearbeitung an die Hand. Sie sind knapp, klar und gut verständlich geschrieben, allgemeine Überlegungen werden mit konkreten Fallbeispielen veranschaulicht und mögliche Wege »vom Problem zu Lösungswegen« werden skizziert. Auf unter 100 Buchseiten, mit etwas Glück an einem langen Abend oder einem kurzen Wochenende zu lesen, bieten sie zu dem jeweiligen lebensweltlichen Thema einen schnellen Überblick.

Die Buchreihe schließt an unsere Lehrbücher der systemischen Therapie und Beratung an. Unsere Bücher zum systemischen »Grundlagenwissen« (1996/2012) und zum »störungsspezifischen Wissen« (2006) fanden und finden weiterhin einen großen Leserkreis. Die aktuelle Reihe erkundet nun das »kontextspezifische Wissen« der systemischen Beratung. Es passt zu der unendlichen Vielfalt möglicher Kontexte, in denen sich »Leben. Lieben.Arbeiten« vollzieht, dass hier praxisbezogene kritische Analysen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ebenso willkommen sind wie Anregungen für individuelle und für kollektive Lösungswege. Um klinisch relevante Störungen, um systemische Theoriekonzepte und um spezifische beraterische Techniken geht es in diesen Bänden (nur) insoweit, als sie zum Verständnis und zur Bearbeitung der jeweiligen Herausforderungen bedeutsam sind.

Wir laden Sie als Leserin und Leser ein, uns bei diesen Exkursionen zu begleiten.

Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe

Vorwort

Wann sind Sie geboren, liebe Leserin und lieber Leser dieses Buches, und wie sicher oder unsicher, bescheiden oder wohlhabend waren jene Jahre? In welche Zeitperiode fielen später die Jahre, in denen Sie Ihre eigenen Weltanschauungen und Gestaltungswünsche entwickelt haben? Wenn Sie heute zu den Jüngeren gehören: Worin sehen Sie derzeit Ihre »Mission«? Wie bewerten Sie die »Erbschaften«, die die Älteren Ihnen und Ihrer Generation hinterlassen? Wo fühlen Sie sich von den Älteren gebremst und behindert, wo gefördert und unterstützt? Welche Bühnen sollten die Älteren räumen, wo sind sie noch nützlich und geschätzt? Wenn Sie heute zu den Älteren gehören: Was wollten Sie damals »ganz anders« machen als »die Alten«? Und was ist daraus geworden? Was denken Sie heute über die, die Ihnen mit fünfzehn oder dreißig Jahren Altersabstand folgen? Falls Sie diesen Jüngeren etwas »abzugeben« haben (ein Geschäft, ein Vermögen, ein Amt, eine Leitungsrolle): mit welcher inneren Haltung, wie klar oder uneindeutig, wie flott oder zögerlich tun Sie das?

Wenn das Ihre Fragen sind, dann ist dies Ihr Buch. Jener Zeitpunkt in der Geschichte, zu dem wir durch den Zufall unserer Geburt in diese Welt kommen, prägt uns als Mitglied einer bestimmten Generation. Unsere Generationszugehörigkeit ist einer von zahlreichen Faktoren, die unsere Identität, unsere Weltanschauungen, unsere Vorlieben und Abneigungen, unsere Verhaltensgewohnheiten prägen. Andere, gleich oder noch bedeutsamere, sind unsere Zugehörigkeit zu einer Familie, einem Geschlecht, einer sozialen Klasse, einer ethnischen oder religiösen Gemeinschaft.

Wenn Generationen in einer Familie oder einer Organisation aufeinander folgen, wechseln sich Phasen von Loyalität und braver Nachfolge ab mit Phasen von Abgrenzung und Protest. Beides ist erforderlich, damit Familien oder Organisationen Bewährtes fortführen und Veraltetes über Bord werfen können. In Organisationen werden Generationsfragen dann besonders virulent, wenn eine ältere Generation sich einer Übergabe der Leitung an eine jüngere annähert. Die ältere Generation kann diesen Zeitpunkt beschleunigen oder hinauszögern, die jüngere kann abwarten oder drängen. Wähnt die ältere Generation sich »forever young« und ist sie mitgliederstark, wird sie über lange Zeiträume »miteinander alt werden« und eines Tages überrascht feststellen, dass sie eine rechtzeitige Regelung ihrer Nachfolge verpasst hat und sich mit ihr ihre ganze Organisation zur Ruhe setzt.

Dieses Buch handelt von der Gestaltung von Generationendialogen und Generationenübergängen in einem besonderen Typus von Organisationen: von gemeinnützigen, weltanschaulich geprägten, aus sozialen und ökologischen Bewegungen der 1970er bis 1990er Jahre in (West-)Deutschland hervorgegangenen Vereinen, Verbänden und Firmen. Hier ist offensichtlich die Gründergeneration der »Pioniere« großenteils noch immer »an Bord« und mit dem nun unabweislichen und dringlichen Generationenübergang konfrontiert.

Simone Emanuel ist 1976 geboren. Sie hat selbst viele Jahre in solchen Organisationen gearbeitet. Heute berät sie unter anderem diese als systemische Organisationsberaterin in Prozessen des Generationenübergangs. In unserer Zusammenarbeit zwischen Autorin und Herausgeber spiegelte sich wiederholt das Thema des Buches auf interessante Weise. Ich bin 1954 geboren und gehöre der gleichen Generation an wie die Gründer dieser Organisationen. Ich fand »meine Generation« in ihren Beschreibungen anfangs oft missverstanden: als einflussreiche Strippenzieher, fest im Sattel sitzend, an Traditionen beharrend, die Jungen ausbremsend. Aber waren nicht »wir« als Jugendliche (um 1970) eher Teil von Protestbewegungen gewesen, als ins Berufsleben Eintretende (um 1980) von hoher Arbeitslosigkeit bedroht, als junge Erwachsene (1980 bis 1990) politisch und gesellschaftlich wenig wirkmächtig? In unseren Gesprächen wurde mir allmählich klar: »Wir damals« und »Wir heute« – das sind die gleichen Leute, aber in einer gänzlich anderen Konstellation. Heute sind wir (oft) die, als die diese junge Autorin uns charakterisiert. Und zu denen Bob Dylan in meinen jungen Jahren sang (und ich habe laut und mit Überzeugung mitgesungen):

Your sons and your daughtersAre beyond your commandYour old road is rapidly agin‘Please get out of the new one if you can´t lend your handFor the times they are a-changin‘1

»Lend a hand« und »get out of the new [road]« – beides sind wichtige Teile eines gelingenden Generationendialogs. Und dieses Buch bietet viele Anregungen, wie Organisationen (nicht nur gemeinnützige) diesen Dialog gut gestalten können.

Jochen Schweitzer

1https://www.bobdylan.com/songs/times-they-are-changin/.

Der Kontext

1 Anlass zum Generationendialog

Unterschiedliche Generationen haben eine unterschiedliche Sozialisation erfahren, daher sind ihre Motive und Erwartungen ebenso unterschiedlich. Es gibt Ausprägungen, die typisch für die jeweiligen Generationen sind und daher die Kommunikation miteinander beeinflussen. In diesem Buch stelle ich Möglichkeiten vor, wie man Generationen miteinander ins Gespräch und in eine altersgemischte Zusammenarbeit bringen kann. Ziel ist es, das Potenzial zu schöpfen, das in der Diversität der verschiedenen Altersgruppen liegt. Durch das Finden eines gemeinsamen Dialogs sowie darüber hinaus das gezielte Entwickeln generationenübergreifender Projekte zur Brückenbildung kann die dauerhafte Kooperation zwischen unterschiedlichen Generationen gelingen.

Die Praxisbeispiele und Lösungsansätze sind dabei insbesondere für den Typus der Nonprofit-Organisationen (NPO) geeignet, die durch einen ideellen beziehungsweise gemeinnützigen Zweck geprägt sind, in denen es Mitglieder sowie ehrenamtliche Gremien gibt und die mindestens einen Jugend- und Erwachsenenverband haben und damit eine »Verbandsfamilie« bilden. Da auch Nonprofit-Organisationen sehr heterogen in ihrem Aufbau sind, muss für den Einzelfall geschaut werden, ob und wie die einzelnen Ansätze übertragbar auf die jeweilige Organisationsstruktur sind. Beispielsweise umfasst der Nonprofit-Bereich alle möglichen Arten von gemeinnützigen Vereinen, GmbHs und Stiftungen. Der Typus der Non-Governmental-Organizations (NGO) fällt ebenfalls unter die Nonprofit-Organisationen. Große Vereine sind häufig bundesweit als Verband zusammengeschlossen und haben entsprechend mehrere Verbandsebenen. Die Struktur ist jedoch von Verein zu Verein individuell aufgebaut.

Geprägt sind Nonprofit-Organisationen insbesondere im Sozial- und Umweltbereich dadurch, dass eine Vielzahl davon zwischen den Jahren 1970 und 1990 gegründet wurde und diese Gründer*innen-Generation eine starke gemeinsame Sinnstiftung erlebt hat. Diese NPOs haben in den letzten Jahrzehnten eine starke Professionalisierung erfahren, und in vielen dieser Organisationen wird die Gründer*innen-Generation beziehungsweise die prägende Ebene der Führungskräfte zwischen den Jahren 2020 und 2030 in den Ruhestand wechseln. Insofern ist eine Übergangsstrategie nötig, um den Nachwuchs rechtzeitig in die bestehenden Strukturen einzubinden. Dieser Wechsel wird das Haupt- und das Ehrenamt gleichermaßen betreffen. Auch in Wirtschaftsunternehmen müssen Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Altersgruppen in erfolgreiche Arbeitsprozesse miteinander finden. Die aufgezeigten Lösungsvorschläge und der systemische Generationendialog sind für alle Organisationstypen anwendbar, wenn sie entsprechend der individuellen Organisationsstruktur transferiert werden.

Nachwuchsübergänge sind aus meiner Sicht systemisch zu gestalten, da sie höchst organisationsindividuell sind und sich nie auf nur eine Position, ein Gremium oder eine Ebene beziehen. Die Organisation benötigt eine umfassende Grundhaltung, um im ganzen Organisationssystem eine Bereitschaft zur Offenheit für den Nachwuchs zu zeigen. In Anlehnung an Jochen Schweitzer und Ulrike Bossmann, die das systemische Demografiemanagement als »Palette der betrieblichen Probleme und der Lösungsversuche als Teil eines komplexen Zusammenhanggefüges« verstehen (Schweitzer u. Bossmann, 2013, S. 10), müssen Lösungsideen die jeweilige Organisationsstruktur und den jeweiligen Kontext, in dem die Organisation agiert, umfassend berücksichtigen.

Ich werde in diesem Buch nicht auf alle Einzelheiten an generationalen Unterschieden eingehen. Mein Blick ist darauf gerichtet, wesentliche Merkmale hervorzuheben, die ich in meiner Praxis erleben und wahrnehmen konnte, und diese anhand von zwei anonymisierten Praxisbeispielen darzustellen. Anschließend leite ich daraus ab, welche Lösungsmöglichkeiten aus meiner Erfahrung heraus funktional erscheinen.

1.1 Nachwuchs- und Wissensbedarf in (gemeinnützigen) Organisationen

Historisch entwickelt haben sich Nonprofit-Organisationen und Non-Governmental-Organizations gleichermaßen mit einer ideellen, gemeinnützigen Zielsetzung, die das Engagement aller Beteiligten miteinander verbindet. Sie erfahren hierdurch eine hohe gemeinsame Sinnstiftung. Dies betrifft insbesondere auch die Generation der Organisationsgründer*innen in den Jahren 1970 bis 1990, die sich damals für die Lösung gesellschaftlicher Anliegen einsetzten und diese Zielsetzungen oft bis heute noch (an der Organisationsspitze) verfolgen.