Gesellschaftskritik in Stichworten - Kindersexualität Pädophilie Erziehungsfragen Politik Ökologie Wirtschaft... - Kachada Sipokoo - E-Book

Gesellschaftskritik in Stichworten - Kindersexualität Pädophilie Erziehungsfragen Politik Ökologie Wirtschaft... E-Book

Kachada Sipokoo

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Beschreibung

Vom historischen und anthropologischen Aspekt her wohl das umfassendste und kenntnisreichste Werk zur Kindersexualität und Pädophilie, das in der Literatur zu finden ist. Zu den darüber hinaus behandelten Themen nicht weniger lesenswert. Und endlich ein gesellschaftskritisches, praktisches Buch, das nicht nur kritisiert, sondern dazu auch noch mit einer Reihe von leicht in die Realität umsetzbaren Alternativvorschlägen aufwartet. Schon alleine aus ökologischen Gründen von fundamentaler Wichtigkeit.

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Seitenzahl: 1365

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Gesellschaftskritik in Stichworten

Gesellschaftskritik in Stichworten

Kindersexualität

Pädophilie

Erziehungsfragen

Politik

Ökologie

Wirtschaft

Kachada Sipokoo

3. Auflage 2022

Impressum

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Kachada Sipokoo

Umschlaggestaltung: Kachada Sipokoo

3. Neuauflage

ISBN Print: 9789403677897

ISBN PDF: 9783947548026

ISBN EPUB: 9783947548033

Im Selbstverlag: Kachada Sipokoo c/o Block Services, Stuttgarter Str. 106, 70736 Fellbach bei Stuttgart

Vertrieb: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Coverabbildung: Karl Wilhelm Diefenbach, Schattenbild (farblich bearbeitet)

Cover Rückseite: Zitat entnommen aus Lewis Carroll’s Briefen an kleine Mädchen. Übersetzt aus dem Buch: The Life and Letters of Lewis Carroll by Stuart Dodgson Collingwood, London 1899 (1898), S. 413 (Brief an Edith Rix)

Der Autor ist für Reaktionen, Hinweise oder Meinungen jeglicher Art sehr dankbar. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an: [email protected]

Unterstützung und Spenden: siehe »Zu guter Letzt«

Das Werk einschließlich all seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Genehmigung des Autors unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Den kritisch denkenden und fühlenden Menschen von heute,

in Gedanken an die bereits Geborenen

wie auch die noch Ungeborenen,

die irgendwann nach uns den Planeten Erde bewohnen wollen.

Inhalt

Prolog oder: Das Apollinische und Dionysische

Einleitung oder: Schritte in ein unbekanntes Terrain

Kindersexualität

Unterdrückung der Sexualität von Kindern und Erwachsenen

Unterdrückung der Sexualität und die Folgen

Pädophilie

Länderliste

Promiliste

Frauen und Pädophilie

Christentum und Pädophilie

Ökologie und Pädophilie

Homosexualität und Pädophilie

Staat und Pädophilie

Streitfrage Pädophilie und Sexualstrafrecht: Wie lösen wir den Konflikt?

Pädophilie – Pro und Contra

FAQ Pädophilie

Brief an die Opfer und „Opfer“

Brief an die Eltern

Brief an die Frauen

Brief an die pädophilen Menschen

Brief an gesellschaftskritische Menschen

Stichworte zur Erziehung:

Daumenlutschen oder Schnuller?

Familie

Kinderbetreuung

Kinderhelme

Kindersitze

Stillen und Hautkontakt

Trotzphase

Übergewicht und Magersucht

Windeln und...

Wohnen

Fazit

Kinderrat

Stichworte allgemein:

AIDS

Was droht uns? Ein Blick in die Zukunft oder: Was in den Köpfen so mancher Machthabender vor sich geht…

Generationenübergreifende Beziehungen

Renten

Medien

Wirtschaft

Nachwort

Anmerkungen

Buchempfehlungen

Persönlichkeiten, die sich nach vorliegender Quellenlage irgendwann einmal eher verständnisvoll zur Pädophilie oder zur Missbrauchsthematik geäußert oder sich so bemerkenswert für pädophile oder zu Unrecht verdächtigte Menschen eingesetzt haben, dass es in den Medien Erwähnung fand.

Anmerkungen zum Text

Promiliste Anhang

Zu guter Letzt

Prolog oder: Das Apollinische und Dionysische

Apollo gilt in der griechischen Mythologie als Gott des Lichts und der musischen Künste, Dionysos als Gott der Fruchtbarkeit und des Weines, aber auch als Gott der Ekstase. Apollinisch steht für harmonisch, maßvoll, ausgeglichen, dionysisch für rauschhaft, ausgelassen, ungezügelt. Das Apollinische ist das Geistige, das Dionysische das Triebhafte. Diese gegensätzlichen Strebungen haben schon das Leben der alten Griechen aufs Tiefste geprägt. Und wenn wir Nietzsche Glauben schenken wollen, gehört dieses sich entgegengesetzte Paar auch heute untrennbar zu unserem Leben dazu, wenn wir wirklich Mensch sein wollen. Man mag vom Triebhaften halten was man will, aber es ist ein Bestandteil unseres Lebens. Und ohne das jeweils andere sind wir Nichts1. Dieses Begriffspaar und Nietzsches Hochpreisung alles Sinnlichen tauchen sehr oft in seinen Werken auf.2

Wie interpretieren andere Fachleute Nietzsches Thesen? Für Nietzsche war das Leben der entscheidende Begriff, um den sich alles drehte. Demzufolge war für ihn alles wertvoll und erstrebenswert, was eine Förderung und Weiterentwicklung des Lebens bewirkt. Dagegen verurteilte er alles, was das Leben hemmt und missachtet. Was er an der herrschenden Moral kritisierte, das war die allenthalben übliche Unterwerfung unter die Zwänge von Sitten und Gebräuchen, die dazu führte, dass die Individualität der Menschen dabei völlig außer Acht gelassen wurde.3 In Marcuses Handwörterbuch der Sexualwissenschaft heißt es:

Menschen zu erziehen, die zur Selbstbehauptung und Selbstentfaltung fähig sind, darin sieht er die Hauptaufgabe und darin erblickt er das Heil der Zukunft. Die Einwirkung Nietzsches dauert bis in die Gegenwart fort, nur ist die immer betonte Diesseitigkeit seiner Lehre mehr und mehr einer mystisch-kosmischen Einstellung gewichen, für die er selbst allerdings den Weg gewiesen hatte, indem er den Dionysoskultus der Religion des Kreuzes gegenüberstellte. Die Loslösung der Ethik von der herrschenden Moral, die Nietzsche energisch verficht, hat zur Folge gehabt, daß die Rufe nach einer „neuen Ethik“ meist an seinen Namen anknüpfen. Eine Berechtigung hierzu ist nur insofern vorhanden, als wirklich die Reifung und Vollendung der Persönlichkeit erstrebt wird, nicht aber, wenn das Sich-Ausleben des Individuums als das Ziel erscheint.4

Genau darum geht es, natürlich kann nicht das instinkthafte Ausleben triebhafter Begierden das Ziel sein, wo wäre da das Apollinische? Aber wäre eine solche neue Ethik nicht genau das, was wir heute brauchen? Iwan Bloch schreibt über Nietzsche:

Es ist jene „dionysische Verzückung mit ihrer Verwischung der gewöhnlichen Schranken und Grenzen des Daseins“, von der Nietzsche als unentbehrlicher Grundlage aller Kunst und Kultur spricht, die in dem freien Sexualleben und in der Prostitution als seinem letzten Reste zutage tritt, als „Ausgeburt einer auf das Ursprüngliche und Natürliche gerichteten Sehnsucht“, als „Ausdruck seiner höchsten und stärksten Regungen“, als „Sinnbild der geschlechtlichen Allgewalt der Natur“, die der Grieche in der Figur des Satyrs personifizierte.

Es ist aber unverkennbar, daß schon in der griechischen Mythologie jener Gegensatz zwischen rein und unrein, Lebensfülle und Lebensvergeistigung ausgeprägt wird, der dann in der Philosophie zur scharfen Ausbildung eines Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist führt. Sehr lehrreich ist hierfür die Konzeption einer himmlischen und irdischen Liebesgöttin, der Aphrodite Urania und Pandemos (…). Nach Sokrates soll die Liebe zum Körper von der gemeinen, die Liebe zur Seele und zur Tugend von der himmlischen Aphrodite stammen. In gewissem Sinne kann man auch in dem Lichtgott Apollo und dem Naturgott Dionysos den gleichen Gegensatz erkennen, die reine Anschauung auf der einen, den Lebensrausch auf der anderen Seite, das „Apollinische“ und „Dionysische“ nach Nietzsche.

So ist z. B. Plato der erste Vertreter der später von Nietzsche und nach ihm in extremer Weise von Freud ausgebildeten Lehre von der „Sublimierung“ (nach einem wohl zuerst von Nietzsche gebrauchten Ausdrucke) sexueller Vorgänge in geistige Phänomene. Denn nach ihm hängt alles wirkliche Schaffen mit der Sinnlichkeit zusammen, für das geschlechtliche und geistige Hervorbringen gilt die gleiche Definition „Zeugung im Schönen“. Beide wurzeln in derselben geheimnisvollen Tiefe des menschlichen Organismus. Die rein physische Äußerung des Geschlechtstriebes aber gilt schon Plato als minderwertig gegenüber jener geistigen.5

Ernest Borneman bezieht sich nicht ausdrücklich auf Nietzsche, scheint jedoch von ihm beeinflusst zu sein. Und er beweist, dass all dies selbstverständlich auch im Leben von Kindern seine Gültigkeit hat. Das Betrachten der Sinnlichkeit und der Moral als miteinander unvereinbare Gegensätze hält Ernest Borneman für eines der tragischen Irrtümer des 19. Jh. Ebenso wie die scheinbare Gegensätzlichkeit zwischen Denken und Fühlen, als auch zwischen Verstand und Sinnlichkeit. Dass sich ganz im Gegensatz dazu die Moral auf der Sinnlichkeit aufbaut und dass alle geistigen Fähigkeiten sublimierte sinnliche Fähigkeiten sind, betrachtet er als erwiesen. Folglich schließt er daraus, dass man einem Kind den natürlichen Zugang zur Moral verbaut und ihm Hindernisse zur Entfaltung seiner geistigen Fähigkeiten in den Weg stellt, wenn man ihm die Sinnlichkeit raubt, kurz: es also logischerweise negative Folgen hat, wenn man das Kind in seinem Triebleben mit Verboten konfrontiert.6

Und das folgende Zitat zeigt, dass auch vielen anderen Kulturen in der Menschheitsgeschichte dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Einheit von Geist und Triebleben wichtig war. Erich Fromm erwähnt hier zwar nicht ausdrücklich die Triebe des Menschen, doch auch er spricht sich für die innere Harmonie des Menschen aus:

Es gibt nur einen Weg zur Einheit, der gelingen kann, ohne den Menschen zu verkrüppeln. Dieser Versuch wurde im ersten Jahrtausend vor Christus in allen hochentwickelten Gesellschaften unternommen – in China, in Indien, in Ägypten, Palästina und Griechenland. Die großen Religionen, die dem Boden dieser Kulturen entsprungen sind, lehrten, daß der Mensch die Einheit nicht durch das tragische Bemühen erringen kann, seine innere Zerspaltenheit durch Ausschaltung der Vernunft aufzuheben, sondern allein dadurch, daß er seine Vernunft und seine Liebe voll entwickelt. So groß die Unterschiede zwischen Taoismus, Buddhismus, dem prophetischen Judaismus und dem Christentum der Evangelien sein mögen, haben diese Religionen doch das eine Ziel gemeinsam: zum Erlebnis des Einsseins zu gelangen, und zwar nicht durch Regression zur tierischen Existenz, sondern dadurch, daß man ganz Mensch wird – eins in sich selbst, eins mit dem Mitmenschen, eins mit der Natur.7

In all diesen Zitaten erkennen wir die Anerkennung der beiden gegensätzlichen Prinzipien und wie wichtig die Vereinigung dieser beiden Kräfte ist.

Diesem Spiel der Gegensätze, wie es im Apollinischen und Dionysischen zu Tage tritt, durchaus Vergleichbares haben wir Friedrich Schiller zu verdanken. Bei ihm ist es der Formtrieb, der Stofftrieb und der Spieltrieb. Der Formtrieb steht für alles Gestaltende, Geistige, für die Persönlichkeit des Menschen, der Stofftrieb für alles Triebhafte, Instinkthafte, Gefühlsmäßige. Und zwischen Formtrieb und Stofftrieb der Spieltrieb, der zwischen den beiden herumwerkelt und eine Ausgewogenheit herstellt. Und vielleicht spielt gerade dieser Spieltrieb die wichtigste Rolle bei den Dreien, da er für eine Harmonie im Menschlichen sorgt und dadurch das wahre Gute im Menschen hervorbringt, indem Psyche und Geist veredelt werden.

Was meinen Fachleute zu Schillers Theorie? Stefan Neuhaus interpretiert Schillers Spiel-Theorie so: Nach ihm ist der Stofftrieb das, was für Freud die Triebstruktur des Menschen ist, die Befriedigung triebhaften Verlangens, ohne sich über irgendwelche Folgen daraus Gedanken machen zu müssen. Der Formtrieb umfasst ihm zufolge alles Geistige, den Verstand, das Bedürfnis nach Beständigkeit, oder nach Schiller „Unendlichkeit“. Dem Formtrieb ist danach also alles Gefühlsmäßige und Triebhafte fremd. Als Folge daraus ergibt sich: »Für Schiller und für viele nach ihm ist die einzig erstrebenswerte Lösung eine Synthese. Der Mensch soll streben, Emotionen und Ratio, Bedürfnisse und Vernunft in Übereinstimmung zu bringen.«, schreibt er.8

Auch Herbert Marcuse geht auf Schillers Theorien ein, und was für Neuhaus die Synthese ist, ist für Marcuse die Versöhnung der beiden Triebe. Er erwähnt aber den »Stofftrieb« kein einziges Mal, sondern umschreibt ihn mit dem »sinnlichen Trieb«. Was nun diesen Zwiespalt zwischen dem »sinnlichen Trieb« (Stofftrieb) und dem Formtrieb angeht, meint er, muss dieser Konflikt gelöst werden, wenn sich die Menschen wirklich frei entfalten können sollen. Da die Triebe die größte Macht über den Menschen haben, ihn wie nichts anderes in seinem tiefen Inneren berühren, muss die Versöhnung zwischen »sinnlichem Trieb« und Formtrieb das Werk eines dritten Impulses sein. Diese dritte, den sinnlichen Trieb und den Formtrieb in Einklang bringende Kraft war für Schiller der Spieltrieb, »dessen Gegenstand die Schönheit, dessen Endziel die Freiheit ist.« Nach Marcuse handelt es sich hier sogar um ein politisches Problem, nämlich die Menschen von ihnen aufgebürdeten unmenschlichen Lebensumständen zu befreien. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Mensch den Weg des Ästhetischen wählen, war Schiller überzeugt. »Zu Schönheitsgefühlen den Weg sich bahne«, da eben die Schönheit auch zur Freiheit führt. Dies ist die Aufgabe des Spieltriebs. Es ist dann das Spiel des Lebens selbst, jenseits von Trieben und äußerem Zwang, ein Dasein ohne Furcht und Angst, ein Dasein in Freiheit.9

Dieser hier mit meinen Worten wiedergegebene Text von Marcuse ist deshalb so aufschlussreich, da man schon hier die politische Dimension erkennt, die bei Schiller die entscheidende Rolle spielt, und die eben auch das zuvor genannte Apollinische und Dionysische in sich birgt, und wie es sich wohl auswirkt, wenn man das Triebhafte im Menschen unterdrückt und damit das natürliche Spiel des Lebens zerstört. Richard Elsner zitiert im Folgenden zunächst aus einem Brief von Schiller an Körner:

»[…] Wir wollen nun einmal nirgends Zwang sehen, auch nicht, wenn die Vernunft selbst ihn ausübt; auch die Freiheit der Natur wollen wir respektiert wissen, weil wir jedes Wesen in der ästhetischen Beurteilung als einen Selbstzweck betrachten, und es uns, denen Freiheit das höchste ist, ekelt (empört), daß etwas dem andern aufgeopfert werden und zum Mittel dienen soll. Daher kann eine moralische Handlung niemals schön sein, wenn wir der Operation zusehen, wodurch sie der Sinnlichkeit abgeängstigt wird. Unsere sinnliche Natur muß also im Moralischen frei erscheinen, obgleich sie es nicht wirklich ist, und es muß das Ansehen haben, als wenn die Natur bloß den Auftrag unserer Triebe vollführte, indem sie sich, den Trieben gerade entgegen, unter die Herrschaft des reinen Willens beugt.«10

Elsner folgert daraus zu Recht, dass die durch die Vernunft nicht wieder ausgewogene Sinnlichkeit natürlich zur Anarchie führen würde. D. h. die wirkliche Freiheit müsste also irgendwo zwischen Zwang und Anarchie liegen, und das Gefühlsleben und die Vernunft müssen sich gegenseitig respektieren. Sittlich hochstehende Menschen sollten also dazu in der Lage sein, ihre Pflichten aus einem inneren Antriebe heraus zu erfüllen. Den Zwang zur Pflicht, Befehlen gehorchen zu müssen o. ä., das brauchen nur Knechte, so gibt er in etwa Schillers Denken wieder. Wörtlich schreibt er:

Schönheit ist also nichts anderes als Freiheit in der Erscheinung sowohl nach der sinnlichen als nach der sittlichen Seite hin. „Jegliche Gestalt des Schönen strahlt uns das Herrlichste der menschlichen Persönlichkeit, Selbstbestimmung, zurück.“ Diese Selbstbestimmung, gegründet auf Erkenntnis (Wahrheit) und Freiheit, schafft den freien Menschen, der dann den Staat echter menschlicher Kultur zu bilden berufen ist.11

Nach seinen Worten gibt es keinen zweiten Dichter, dessen Werke so von der Sehnsucht nach Freiheit durchdrungen sind, wie jene von Friedrich Schiller12. Das Streben nach Freiheit ist also der zentrale Gedanke, der sich in den Zeilen Friedrich Schillers äußert. Und mag es nicht so sein, dass folglich nur auf diese Weise ein wirklich menschenfreundliches Gesellschaftssystem geschaffen werden kann?

Nach Hermann Glaser ist für Schiller der Mensch durch zwei Triebe geprägt, den Stofftrieb und den Formtrieb. Der erstere umschreibt alles „Stoffliche“, alles Körperliche, alles Natürliche. Der letztere alles Geistige. Der eine ist der Sinnlichkeit und physischen Notwendigkeiten unterworfen, der andere, sein Geist, sein Verstand, sein Denken ist frei und kann sich frei entfalten. Diese beiden Triebe stehen in Spannung zueinander. Der Dritte im Bunde ist der Spieltrieb, der zwischen den beiden Erstgenannten vermitteln soll. Er schütze also alles Körperliche, Sinnliche gegen den Eingriff des Geistes, auch gegen dessen Freiheitsstreben. Und er schütze umgekehrt alles Geistige vor den Übergriffen des „Stofflichen“, also auch vor den körperlichen Begierden. Durch sein Vermitteln und Ausgleichen zwischen diesen beiden ursprünglich völlig entgegengesetzten Kräften stellt der Spieltrieb eine innere Ausgewogenheit, Einheit, Harmonie im Menschen her. »Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«, lautet ein oft zitierter Satz von Schiller. Es wird folglich kein Trieb mehr unterdrückt und gleichzeitig ebenso wenig das Geistesleben an seiner freien Entfaltung gehindert. Ganz im Gegenteil, beide Kräfte arbeiten sich dann gegenseitig zu, stärken sich gegenseitig und werden somit auch zum Garant eines wirklich freien, harmonischen menschlichen Zusammenlebens und auch einer eben solchen hochentwickelten Kultur. Denn die kulturschöpferische Macht des Eros wird nun sublimiert, auf eine freiwillige Art und Weise. Die sexuellen Begierden werden nun nicht mehr abgelenkt oder gar unterdrückt, sondern sie durchbrechen ihre Schranken, sie transzendieren. Im Zusammenwirken mit dem Geist streben sie nach noch höheren körperlich-geistigen Befriedigungen, nach noch höheren körperlich-geistigen Zielen.13

Auch aus Glasers Zeilen ersehen wir, was für eine bedeutende Rolle diese Thesen Schillers in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und für eine hochentwickelte Gesellschaft wie der unseren spielen:

Der Spieltrieb ist der Sublimierung überlegen. Die Sublimierung als eine Möglichkeit der Bewältigung von Triebdynamik bleibt weitgehend eine rhetorische Forderung, die mit einer triebfeindlichen Ideologie (nicht zuletzt kirchlicher Provenienz) nur scheinbar, ansonsten, im ideellen Sinne, nur selten erfüllt wird. Die Wirklichkeit, vor allem, wenn wir sie als die quantitativ dominierende Durchschnittlichkeit begreifen, gelangt kaum auf die Höhe wahrer, spannungsfreier Sublimierung. Sublimierungsanstrengungen sind meist mißglückte Versuche – wobei das nicht erreichte Ziel zur Ursache von Frustration, Enttäuschung, Angst und auch Aggressivität wird. Da die Sublimierung wegen ihrer quantitativen Unwirksamkeit mehr Utopie denn Realität und somit ohne größere sozialpsychologische Bedeutung ist, käme es in einer demokratischen und industrialisierten Gesellschaft darauf an, eine brauchbare, d. h. gängigere, d. h. leichter erreichbare Form der Triebharmonisierung zu finden – eben jene »Mitte«, die Schiller mit »Spieltrieb« bezeichnet, im Alltag zu verwirklichen.14

Die negativen Folgen der bei uns noch heute üblichen zwanghaften „Sublimierungsversuche“ werden bei dem Thema »Unterdrückung der Sexualität und die Folgen« noch genauer zu untersuchen sein. Unter der Überschrift: »Von der Möglichkeit nicht-repressiver Politik« heißt es, und man tut wohl gut daran, sich dabei zu vergegenwärtigen, welch besondere Bedeutung Gott Eros im griechischen Altertum hatte (hätten es die alten Griechen ohne diese Sinnenfreude auch zu einer derart hochentwickelten Gesellschaft gebracht?):

»Eros in der Politik« bedeutet – wir folgen den Gedankengängen Herbert Marcuses, die zugleich unsere Ausführungen zu Begriff und Wirklichkeit libidinöser Moral zusammenfassen können – den Versuch, eine Kultur- und Gesellschaftsstruktur zu schaffen, die ohne Unterdrückung und Verdrängung und gleichzeitig ohne triebbedingte Anarchie zu existieren in der Lage ist. Triebe und Vernunft, Triebfreiheit und Ordnung, verbinden sich im Zustand einer neuen Harmonie. Die Vernunft ist nicht mehr oppressiv, sondern der Sinnlichkeit geöffnet, sinnliche Vernunft. Die Triebe integrieren und akzeptieren geistige Steuerung, sie erwachen aus dem Dunkel zum Licht der Gestaltung.15

Soviel lässt sich wohl feststellen: Wahrscheinlich wäre unsere Welt heute höher entwickelt, friedlicher und bei weitem weniger ökologisch geschädigt, wenn wir uns Schillers Weisheiten zu Herzen genommen hätten. Hermann Glaser schreibt meines Erachtens den besten Text über Schillers Philosophie, leider kann hier nur ein kleiner Auszug von ihm zitiert werden. Und obwohl er sein Buch 1975 geschrieben hat, ist es heute wohl so aktuell wie nie zuvor und absolut empfehlenswert. Und letztendlich trifft Glaser den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt, dass »diese Idee Schillers wohl eine der fortschrittlichsten Denkpositionen unserer Zeit darstellt.«16 Ein Name, der hier nicht unerwähnt bleiben sollte, da er durchaus vergleichbare Ideen entwickelt hat, ist der Philosoph Charles Fourier.17 Auch Weishaupts Illuminatenorden scheint in seiner Grundidee in diese Richtung zu gehen; Schiller lehnte jedoch ab, diesem beizutreten. Ferner erwähnenswert ist das Seele/Verstand-Modell von Ekkehard von Braunmühl, da es ebenfalls weitgehend mit den soeben genannten Philosophien harmoniert.

Folgen wir diesen Thesen, akzeptieren wir, dass sowohl das Apollinische als auch das Dionysische zu unserem Leben dazugehört, oder in den Begriffen Schillers der Formtrieb, Stofftrieb, Spieltrieb, so gibt es dann aber auch nicht den geringsten Zweifel daran, dass dieses Spiel der Gegensätze auch im Leben unserer Kinder eine Rolle spielt und für ein gesundes, harmonisches Aufwachsen wichtig ist. Diese beiden Gegenspieler Apollo und Dionysos haben auf unser aller Leben auf meist unerkannte Weise einen so enormen Einfluss, sie sind in Gesellschaft und Politik, ja sogar für die Zukunft unseres Planeten Erde von einer so entscheidenden Bedeutung, wie wir im Weiteren noch feststellen werden, dass diese Gedanken auch alles in der folgenden Arbeit Angeführte insgeheim durchfließen werden und deshalb hier nun anstatt eines Vorwortes gleich als erste genannt sein sollen.

Einleitung oder: Schritte in ein unbekanntes Terrain

Um gleich auf den Punkt zu kommen: Ganz im Gegensatz zu dem, was Antimissbrauchsaktivisten im Allgemeinen behaupten, belegen historische und anthropologische Erkenntnisse, dass gerade in kinderfreundlichen Völkern die Pädophilie (jenseits von Missbrauch, versteht sich) weit verbreitet und toleriert, dagegen in allen kinderfeindlichen und auf Unterdrückung und Ausbeutung beruhenden Gesellschaftssystemen verboten war (ist). Oder aber, in kinderfeindlichen und autoritären Völkern auch sehr beliebt, regelrechter sexueller Missbrauch als eine weitere Spielart zur Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen (vor allem von Frauen) durchaus in Kauf genommen wurde (wird). Aber dieses Tolerieren oder gar Gutheißen der Pädophilie gerade in kinderfreundlichen Völkern tritt nach allen hier angestellten Recherchen so offenkundig zu Tage, dass man zu Recht behaupten kann, dass Kinderfreundlichkeit und Pädophilie von Natur aus nahezu untrennbar miteinander verwoben sind. Und noch aus einem anderen Grunde stimmt die Antimissbrauchspropaganda hinten und vorne nicht, denn es gibt nicht die bösen Pädophilen, sondern in Wirklichkeit gibt es wohl kaum einen Erwachsenen, der nicht in der einen oder anderen Form zumindest gelegentlich in seinem Leben auch pädophil wäre; wie es sich ebenfalls noch in den weiteren Ausführungen deutlich herausstellen wird. Und damit lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass so gut wie jeder Bürger – als Erwachsener und als Kind (denn dasselbe gilt ja auch umgekehrt; erotisch/sexuelle Sehnsüchte hat man nicht erst mit 16 Jahren) – und völlig gleichgültig, welcher gesellschaftlichen Schicht sich derjenige zugehörig fühlt (der Chef eines Automobilkonzerns also nicht weniger als ein Lagerarbeiter), Opfer des Sexualstrafrechts ist.

Ziel dieser Arbeit ist deshalb in erster Linie, durch ein Sammelsurium von bisher kaum in der Öffentlichkeit bekannten Informationen und Zitaten aus einer Unmenge von Quellen als Beleg für die hier genannten Thesen den Lesern ein neues Meinungsbild zum Thema Pädophilie zu vermitteln und durch einige konkrete und leicht in die Realität umsetzbare Alternativvorschläge dazu beizutragen, das Problem Pädophilie endlich so zu lösen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen hiervon einen Nutzen haben werden. Einen goldenen Mittelweg aufzuzeigen, der aus vielen unserer Hassgefühle, Ängste den Garaus macht und wieder Frieden und Harmonie in unsere Gesellschaft einkehren lässt, dies soll dieses Buch bewirken. Vor allem den Kindern damit in einer unsicheren Welt ein glücklicheres Leben zu ermöglichen und ihnen bessere Zukunftsperspektiven zu eröffnen, liegt mir dabei am Herzen.

Das Problem ist nun allerdings folgendes. Es sind ja schon so viele ausgezeichnete Bücher und Texte zu dem Themenkreis Kindersexualität und Pädophilie geschrieben worden. Es haben sich schon so viele bekannte Fachleute damit beschäftigt und versucht, den Menschen das Thema verständlich zu machen und einen für alle Beteiligten akzeptablen dritten Weg aufzuzeigen. Denken wir z. B. an Gisela Bleibtreu-Ehrenberg, Ernest Borneman, Helmut Kentler, Rüdiger Lautmann, Reinhart Lempp, Katharina Rutschky, Hubertus von Schoenebeck, Rudi Wormser, um nur ein paar Namen zu nennen, die sehr vernünftig darüber geschrieben haben.18 Man könnte da wirklich eine ellenlange Liste erstellen von vorbildlichen Fachleuten im In- und Ausland, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit bestem Wissen und Gewissen versucht haben, sich in dieser Frage gesellschaftsverändernd einzusetzen und für die Kinder und die pädophilen Menschen (die ja nichts für ihre Neigungen können, wie wir später noch feststellen werden) einen besseren und zukunftsweisenden Weg zu finden. Die erkannt haben, dass uns allen dieses Feindbild Pädophilie eher schadet als nützt. Und dass es so nicht weitergehen kann, weil vor allem die Kinder unter dieser Situation leiden.19 Und die Frage, die sich jetzt stellt, ist: Warum sind all diese Fachleute, die wirklich guten Willens waren und nur das Beste für die Kinder und die Gesellschaft wollten, ausnahmslos so kläglich gescheitert? Was haben sie falsch gemacht? Oder woher kommt dieser unbändige Hass gegen die Pädophilen bzw. diese nicht mehr in den Griff zu bekommende Exorzismusideologie der Antimissbrauchsaktivisten?

Das hat natürlich viele Gründe. Generell kann man sagen, sie haben u. a. deshalb versagt, weil sie simple Gesetzmäßigkeiten der (Massen-)Psychologie außer Acht gelassen haben. Dazu gleich mehr. Aber auch die Medien und die Politik spielen da natürlich eine Rolle, die uns die Pädophilie fast schon gebetsmühlenartig neben Mord so ziemlich als das abscheulichste Verbrechen präsentieren, das man überhaupt begehen kann. Da wird selbst in scheinbar seriösen Zeitungen von Kriminalfällen berichtet, bei denen Männer kleine Mädchen vergewaltigen, und das wird dann den Lesern gegenüber als Pädophilie verkauft. So wie da Feindbilder regelrecht gezüchtet werden, wäre es ein Wunder, wenn es in der Bevölkerung bezüglich Pädophilie etwas anderes als Hassgefühle geben würde. Also wenn ich mir das so vorstelle, ein ausgewachsenes männliches Ungeheuer von 90 Kilo und 1,80 Meter groß, das sich an einem zarten kleinen wehrlosen schreienden Mädchen von acht Jahren austobt, dann käme mir instinktiv auch nur noch der Gedanke an Folter und Todesstrafe, wenn sich nicht mein Verstand dagegen sperren würde. Literarisch ausgedrückt sprach Vladimir Nabokov mal von einem brutalen Vierziger, »vom Geistlichen gesegnet und vom Alkohol aufgerieben, [der] seinen schweißgetränkten Staat abwirft und sich bis ans Heft in seine jugendliche Braut stößt.«20 Aber wie man es auch immer ausdrückt, natürlich hat all das nichts mit Pädophilie zu tun. Dies ist ein schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, und natürlich muss so etwas mit aller Härte bestraft werden. Aber bei vielen Menschen heute ist halt nun eben gerade dieses Bild von Pädophilie hängengeblieben – also in der Vorstellung eines erwachsenen Mannes, der sich rücksichtslos, erbarmungslos, grausam an einem kleinen Kind vergeht.

Und die Fachleute, die sich damals für einen humaneren Umgang mit der Pädophilie eingesetzt haben, hätten dies wissen und berücksichtigen müssen. Sie haben es also meist auch an Empathie fehlen lassen, d. h., sie hätten z. B. erahnen können (müssen!), wie das bei dem Beschützerinstinkt von Eltern ankommt, wenn sie da nun Straffreiheit oder auch nur strafrechtliche Erleichterungen für Pädophile fordern. Das musste so sicher schiefgehen, wie drei mal drei neun ist. Aber wie gesagt, ein weiterer wichtiger Grund für die ablehnende, ja hasserfüllte Haltung so vieler Erwachsener – die von vornherein jede sachliche Diskussion enorm erschwert oder gar unmöglich macht – besteht darin, dass jeder Mensch, ganz gleich wo er lebt, von klein auf gewissen psychologischen Manipulationen und Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist. Man sagt auch Konditionierung dazu. Wie Davies offenlegt, weiß man aufgrund von Studien über China, Altgriechenland, Indien, Peru und andere europäische Völker, dass der Mensch systematisch so konditioniert/manipuliert werden kann, dass er schließlich fast alles nur Erdenkliche als normal oder anormal, moralisch oder unmoralisch ansieht, ganz wie es den jeweils Machthabenden gerade in den Kram passt21. Erich Fromm zufolge ist jeder Gesellschaft von größter Wichtigkeit, Bürger mittels entsprechender Erziehungsmethoden, pädagogischen Einrichtungen, religiösem Glauben, Staatsführung etc. so heranzuziehen (oder eben zu konditionieren), dass sie nicht nur genau das zu tun wünschen, was sie tun sollen, sondern auch noch mit Eifer und innerer Überzeugung wie ein Zahnrädchen im Getriebe exakt die Rolle einnehmen, die die Gesellschaft von ihnen fordert, damit sie reibungslos funktioniert22.

Gehirnwäsche ist in unserem Falle aber vielleicht die treffendere Bezeichnung. Das heißt, auch unsere Ängste und Hassgefühle gegen Pädophilie sind ganz sicher nicht von Natur aus in uns drin, sondern (durch Erziehung, Politiker, Medienpropaganda, Antimissbrauchsaktivisten) uns in der Regel schon als Kind beigebracht oder gar systematisch eingetrichtert worden. Wie wäre es sonst zu erklären, dass Pädophilie in fast allen anderen Kulturen auf der Welt über Jahrtausende hinweg als völlig normal betrachtet oder sogar hoch geachtet worden ist? Auch die folgenden Zitate sind hilfreich, den Hass gegen die Pädophilen zu verstehen (hier nur eine kleine Auswahl von zahllosen Fachleuten, die diesen Sachverhalt bestätigen). Gisela Bleibtreu-Ehrenberg sieht da eine Kollektivneurose am Werk, die unsere Gesellschaft befallen hat und die sich in dem Hass gegen pädophile Menschen bemerkbar macht, und erklärt dies so:

Im Gegensatz zu den Menschenaffen […] sind wir Menschen „Wanderer zwischen zwei Welten“: Die eine Seite unseres Wesens ist fest in dem genetischen Erbe verankert, das wir mindestens mit den Menschenaffen, vielleicht sogar mit noch viel weiter unten in der Evolutionsskala stehenden Tieren gemeinsam haben. Dies Erbe können wir nicht ablegen, denn es ist in unserem Stamm- und Mittelhirn unabänderlich verankert. Der andere Teil unseres Wesens wird durch Lernen und die Freiheit von der Knechtschaft der „frühen“ Hirnteile bestimmt, d. h. vom Groß- und insbesondere vom Stirnhirn. Wo die Impulse der älteren und jüngeren Hirnteile sich als unvereinbar erweisen, treten Konflikte auf, die sich in Aggressionen, undurchschaubaren Ängsten und in Zeiten eklatenten [sic!] Kulturwandels auch in Kollektivneurosen manifestieren. Im Abendland sind Pädophile zu Opfern einer derartigen Kollektivneurose geworden, deren kulturell bedingte Ursache in unserer traditionellen, aus mannigfachen Quellen gespeisten Leib- und damit Sexualfeindlichkeit liegt.23

Sehr viele Autoren sehen einen psychologischen Mechanismus am Werk, den man mit »Projektion« umschreiben kann. Projektion besagt das unbewusste Übertragen eigener Gefühle, Wünsche, Begierden auf Andere, bei denen wir dann diese Triebe umso hasserfüllter verfolgen. So hieß es einst im Spiegel:

Der Anspruch auf ungestrafte Sexualität mit Kindern rührt an ein Tabu, das der Kulturphilosoph Theodor W. Adorno „eines der mächtigsten“ nannte. Mächtig sind die Ängste, mit denen es besetzt ist, und die Aggressionen, die es auslöst. Dabei werden die Pädophilen auch zu Sündenböcken für die Schuldgefühle und eigenen Wunschvorstellungen ihrer Verächter, die selbst vor dem Ruf nach der Todesstrafe nicht zurückschrecken. Und die Gesellschaft sieht ein Idol bedroht: das Kind als personifizierte Unschuld. Das freilich ist ein Mythos der Neuzeit.24

Bei dem zitierten Adorno heißt es wie folgt:

Das stärkste Tabu von allen jedoch ist im Augenblick jenes, dessen Stichwort »minderjährig« lautet und das schon sich austobte, als Freud die infantile Sexualität entdeckte. Das universale und begründete Schuldgefühl der Erwachsenenwelt kann, als Gegenbild und Refugium, dessen nicht entraten, was sie die Unschuld der Kinder nennen, und diese zu verteidigen, ist ihnen jedes Mittel recht. Bekannt, daß Tabus um so stärker werden, je mehr der ihnen Hörige unbewußt selber begehrt, worauf die Strafe gesetzt ist. Der Grund für den Minderjährigenkomplex dürfte in ungemein mächtigen Triebregungen liegen, die er abwehrt.25

Dieser bei uns weitverbreitete Mechanismus, eigene Triebbedürfnisse, Begierden instinktiv auf von uns zu Feindbildern abgestempelte Menschen zu übertragen und dann in diesen zu bekämpfen, ist dem bei uns üblichen Sozialcharakter der Menschen zu verdanken. Nach Karl-Heinz Kerscher ist das der Sozialcharakter der autoritären Persönlichkeit, der sich auszeichnet durch ein übermächtiges Bedürfnis, sich mit machtvollen Persönlichkeiten zu identifizieren, aber eben auch durch die Projektion eigener verdrängter sexueller Begierden auf verhasste Minderheiten und Sündenböcke.26 Das heißt also mit anderen Worten, wir alle neigen dazu, unsere eigenen verdeckten Sexualwünsche, die wir nicht zulassen können und mit aller uns zur Verfügung stehenden Kraft ins Unterbewusstsein verdrängen müssen, auf ungeliebte Minderheiten zu projizieren und sie bei diesen Sündenböcken dann (statt in uns selbst) um so heftiger und wütender zu bekämpfen. Von Heinar Kipphardt stammen folgende Zeilen:

Die Gesellschaft will den Sexualverbrecher eingesperrt, tot oder kastriert, jedenfalls sicherungsverwahrt. Möglicherweise soll die Strafe den gequälten Bürger vor sich selber schützen, denn jeder Bürger ist, an seinen eigenen Normen gemessen, ein potentieller Sexualverbrecher.27

So wie er bestätigt auch Rüdiger Lautmann diese These.28 Folgt man Arno Gruen, so findet man eine weitere Ursache in einer Kultur, die das Gefühlsleben der Menschen von klein auf missachtet. Diese Menschen brauchen dann zwangsläufig ein Feindbild, um ihr Selbstbild zu erhalten und einen Sinn in ihrem Leben sehen zu können.29 Es ist die typische innere Leere, mit der sich sehr viele Menschen heute herumplagen, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen, und diese Gefühle dann unbewusst z. B. über ein maßloses und sich ständig steigerndes Konsumieren von Waren und alle nur möglichen Freizeitbeschäftigungen, aber eben auch über Feindbilder zu betäuben versuchen. Eine innere Leere, die Kindern in der Regel schon in frühen Jahren in einer Atmosphäre von Gefühlskälte übermittelt wird (Stichwort Kinderseelenmord). Es heißt sogar, dass die Gesellschaft Sündenböcke braucht, an denen sie ihre angestauten Aggressionen, Frustrationen auch nicht-sexueller Art abreagieren kann. Hermann Glaser nennt es auch »Brandmarkung«30 und Alexander Mitscherlich schreibt:

Die Individuen müssen in sich selber Abwehrvorgänge gegen diese Triebhaftigkeit erfinden und Unterdrückungsmanöver durchführen. Sie leben also unter einem hohen Binnendruck. Dann ist es ein höchst effektiver Einfall, wenn eine Manipulation gelingt, durch die der hohe Binnendruck nach außen abgelenkt wird – das heißt, wenn die Gesellschaft sich Haßobjekte erfindet, denen gegenüber man asoziale – oder vielleicht genauer präsoziale – Triebverhaltensformen, also schieren Egoismus aggressiver, sexueller oder sonstiger Art, ausleben darf, ohne mit den Gewissensinstanzen in Konflikt zu kommen!31

Die Pädophilen also als eine Art Blitzableiter für Aggressionen, die sich ansonsten vielleicht gegen die Machthabenden richten würden. Es gab Zeiten, in denen einmal den Juden diese Blitzableiter-Funktion zugeschoben wurde...

Warum selbst Fachleuten so viel Hass entgegenschlägt, die sich für die pädophilen Menschen einsetzen, dafür findet sich eine Erklärung bei Erich Fromm. Unter der Überschrift: »Aggression und Widerstand« umschreibt er es als »defensive Aggression«. Diese defensive Aggression ist ihm zufolge u. a. die aggressive Reaktion auf jeden Versuch, verdrängte Gefühle, Triebe, Phantasien usw. bewusst zu machen. Fromm berichtet, dass Freud diesen Prozess als »Widerstand« bezeichnet hat. Er entdeckte, dass die Patienten ihrem Therapeuten Widerstand entgegensetzten, sobald dieser an solche Verdrängungen stieß. Aber nicht nur Patienten zeigen diesen Widerstand:

Wer die Wahrheit über ein bestimmtes Regime sagte, ist von den Machthabern, deren Zorn er erregte, von jeher verbannt, ins Gefängnis geworfen oder umgebracht worden. Natürlich lautet die einleuchtende Erklärung dafür, daß solche Menschen dem jeweiligen System gefährlich waren und daß man den Status quo am besten schützen konnte, wenn man sie beseitigte. Dies ist nur allzu wahr, doch erklärt es nicht die Tatsache, daß diejenigen, welche die Wahrheit sagen, auch dann so verhaßt sind, wenn sie keine reale Bedrohung der etablierten Ordnung darstellen. Ich glaube, der Grund ist darin zu suchen, daß der, der die Wahrheit sagt, den Widerstand derer mobilisiert, die die Wahrheit verdrängen. Für sie ist die Wahrheit nicht nur deshalb gefährlich, weil sie ihre Macht bedroht, sondern weil sie ihr gesamtes bewußtes Orientierungssystem erschüttert, weil sie sie ihrer Rationalisierungen beraubt und sie sogar zwingen könnte, anders zu handeln. Nur wer diesen Prozeß der Bewußtwerdung wichtiger verdrängter Impulse selbst miterlebt hat, kennt das Gefühl der Bestürzung und Verwirrung, das dieses Erlebnis hervorruft. Nicht jeder ist bereit, dieses Abenteuer zu wagen und am allerwenigsten die, welche wenigstens für den Augenblick von ihrer Blindheit profitieren.32

Wir sehen, da sind gewaltige Verdrängungsvorgänge am Werk, die uns zumindest auf einem Auge, wenn nicht auf beiden Augen sozusagen farbenblind machen. Wir sind nicht mehr in der Lage, die Realität zu sehen, sondern laufen quasi mit Scheuklappen durchs ganze Leben, weil die Wahrheit, so glauben wir, unsere Lebensgrundlagen bedrohen würde, was wir nun mit allen nur erdenklichen Mitteln abwehren müssen. Unter Erwähnung von Arthur Janov wird in dieser Einleitung gleich nochmal von diesem Zitat Erich Fromms zu reden sein. In einem alten Gesundheits-Brockhaus findet man noch eine brauchbare Erklärung unter dem Stichwort »Massenwahn«, und wie wir spätestens unter dem Stichwort »AIDS« erkennen werden, ist sie aufgrund der bestehenden Ängste, Bedrohungen, Feindbilder so aktuell wie eh und je:

Massenwahn: kritiklose, affektiv übersteigerte Überzeugungen und Verhaltensbereitschaften einer Masse von Menschen. Die Entstehung eines M. ist zu erklären nach den psychologischen Einsichten in die Veränderungen, die das Individuum in der Massensituation erleidet: unter der Wirkung eines heftige Gefühle auslösenden Erlebens (Begeisterung, Angst, Haß) wird die eigene Stellungnahme zugunsten eines primitiven gemeinsamen Reagierens aufgegeben. Die Ohnmacht des kritischen Bewußtseins zeigt sich in einer gesteigerten Suggestibilität und Anfälligkeit für das ‚Miterregtwerdenʹ, die psychische Infektion. Ein kennzeichnendes Merkmal der Verhaltensweise der von einem M. ergriffenen Menschen ist die Ausschaltung der persönlichen Verantwortung. Die Verantwortung geht auf die Masse über; dadurch, daß viele etwas tun, ist es sanktioniert, moralische Hemmungen werden unwirksam.33

Soll heißen, wenn auch alle anderen die ungeliebten gesellschaftlichen Minderheiten in Gefängnissen und Psychiatrien und Konzentrationslager etc. weggesperrt sehen wollen, dann können wir das auch. Und ohne uns dafür auch nur ein bisschen schämen zu müssen… Adolf Hitler schrieb mal, was die Masse wünscht, ist der Sieg des Stärkeren und die Vernichtung des Schwachen oder seine bedingungslose Unterwerfung34. Es mag dem einen oder anderen Leser nicht korrekt erscheinen, zum heute verbreiteten Feindbilddenken, wenn nicht gar Massenwahn gegen pädophile Menschen nun auch noch Hitler anzuführen. Aber warum eigentlich? Wir wissen, dass alles, was uns als Kind widerfährt, prägenden Einfluss auf unser Gefühlsleben im späteren Leben hat; also Aggressivität, Hass, Gewalt und eben auch Feindbilddenken wie vieles andere auch in der Regel und in hohem Maße auf negative Ereignisse in unserer Kindheit zurückzuführen ist. Die Erziehungsmethoden vor allem kleinerer Kinder haben sich vom emotionalen Standpunkt aus seither jedoch nicht unbedingt fundamental zum Positiven hin verändert (siehe die verkürzten Stillzeiten, den Mangel an Zärtlichkeiten und körperlicher Nähe bei den Kindern von heute, die Unterbringung der Kinder in Krippe, Kita, Hort, die zunehmenden Zwänge, denen Kinder heute unterworfen sind etc.; Stichwort Kinderseelenmord, wir werden später noch darauf zurückkommen). Auch die Sexualunterdrückung bei Kindern hat sich durch AIDS und zunehmende Tabuisierung der Kindersexualität mitunter beträchtlich verschärft, während damals der Einfluss Freuds (trotz Bücherverbrennung und anderer ideologischer Säuberungsaktionen) noch viel deutlicher zu spüren und z. B. auch die Doppelmoral bezüglich allem Sexuellen noch viel verbreiteter war.35 Schon alleine von den Lebensverhältnissen her war es damals gar nicht möglich, Kinder so hundertprozentig zu beaufsichtigen und zu kontrollieren, wie es unter Eltern und Erziehern heute üblich ist. D. h., alles, was Feindbilddenken, Projizierung eigener Triebwünsche auf Sündenböcke, Hass, Aggressivität, Gewalt bewirkt, wie die Missachtung der seelischen und sexuellen Bedürfnisse von Kindern, hat sich seit damals nicht wirklich merklich und deutlich zum Positiven hin verändert. Warum sollen die Menschen von ihrem Seelenleben her also seither „anders“ oder „besser“ geworden sein?

Auch die Wahrnehmungspsychologie spielt hier eine Rolle. Nach deren Grundsätzen sind Menschen mit Charisma (junge oder attraktive Frauen, Kinder, Prominente etc.) oft im Vorteil und werden häufig bevorzugt. Man ist instinktiv eher dazu bereit, ihnen Glauben zu schenken anstatt anderen Menschen, die von der Natur nicht so gesegnet worden sind. Dies gilt bestimmt nicht weniger bei den Beschäftigten der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte, was z. B. auch den Umstand erklärt, dass es gegen scheinbare „Pädophile“, „Sittenstrolche“, „Vergewaltiger“ etc. so oft zu Fehlurteilen kommt, was sich dann, wenn überhaupt, oft erst nach vielen Jahren herausstellt. Oder auch gar nicht. Aber selbst in der Gesetzgebung wirkt sich die Wahrnehmungspsychologie aus. Die Öffentlichkeit nimmt die Pädophilen heute nur als abscheulich, widerwärtig, bedrohlich, als „Schreckgespenst“ wahr, vor denen sie sich beschützt sehen wollen. Das erhält und steigert den stetigen Druck der Öffentlichkeit auf die Regierenden, das Strafrecht immer weiter zu verschärfen. Politiker und Parteien, die solche Forderungen erheben, ernten damit fast ausnahmslos einen positiven Zuspruch aus der Bevölkerung.

Man mag es glauben oder nicht, aber was dabei auch immer noch bei einer beträchtlichen Anzahl von Menschen eine Rolle spielt, ist der Glaube an die Asexualität, an die Unschuld des Kindes, die der Pädophile nun durch ein „Erwecken der Sexualität des Kindes“ zerstört. Eigentlich müssten diesem Glauben ja logischerweise unsere eigenen Kindheitserfahrungen entgegenstehen, da wir ja alle mal als Kind sexuelle Bedürfnisse und Wünsche hatten. Warum dies nicht so ist, liegt an der puberalen Amnesie. Nach Borneman besteht die psychische Funktion der Pubertät in der Verdrängung von vorpubertären sexuellen Kindheitserinnerungen36. Malinowski sieht die Ursache dieser Amnesie dagegen in der Latenzperiode und erwähnt in Bezug auf diese These Sigmund Freud, der diese Zusammenhänge vor ihm entdeckte:

Einen ebenso bedeutsamen Unterschied finden wir bei der nächsten Periode der Sexualität. In Europa tritt hier eine mehr oder minder ausgesprochene Latenzperiode ein, die einen Bruch in der Kontinuität der sexuellen Entwicklung mit sich bringt und nach Freud dazu dient, viele unserer Verdrängungen sowie die allgemeine Amnesie zu verstärken, und die manche Gefahren in der sexuellen Entwicklung schafft.37

Wahrscheinlich ist diese Amnesie sowohl auf die Latenzphase, als auch auf die Pubertät zurückzuführen. Wir vergessen und verdrängen einfach, dass wir auch mal als Kind sexuelle Bedürfnisse und Erlebnisse gehabt haben. Tipp: diese puberale Amnesie lässt sich aber vielleicht bei dem einen oder anderen von uns austricksen, wenn wir nicht versuchen, uns an unsere eigenen, sondern an die Sexualwünsche und Sexualerlebnisse anderer Kinder in unserer Kindheit zu erinnern.

Die entscheidendste Ursache für den Hass gegen Pädophile ist aber das, was wir als »moderne Hexenverfolgung« bezeichnen müssen. Das heißt, der Massenwahn der Hexenverfolgungen, der vor über 500 Jahren durch die Syphilis ausgelöst oder zumindest extrem verstärkt wurde, führt nun durch AIDS zu dem globalen „Verfolgungswahn“ gegen pädophile Menschen (aber auch gegen völlig unschuldige Menschen, die als solche in Verdacht geraten sind).38 Was sich im Mittelalter in der Hexenverfolgung austobte, tritt auf beeindruckende Weise im folgenden Zitat von Arno Plack zu Tage:

Der Haß auf den Trieb, den strenge Moral zu unterdrücken gebietet, wurde so in geistlichem Eifer an den Frauen abreagiert: ein für ideengeschichtliche Betrachtung höchst unbehagliches Motiv, das die Historiker eben darum niemals nachvollzogen haben. Ein tiefergehendes Verständnis für den Zusammenhang von sexueller Not und Gehirnsinnlichkeit, die wahnartig aufblüht, hätte auf die unangenehme Einsicht hinausführen müssen, daß die Hexenverfolgung früherer Jahrhunderte nur eine der möglichen Formen ist, in denen der sexuell frustrierte Mensch unserer Kultur sich bis auf den heutigen Tag an Sündenböcken aggressiv abreagiert.39

Das bedeutet, zwar gab es die Verfolgung von pädophilen Menschen in weitaus schwächeren Formen schon vor dem Auftreten des AIDS-Virus, aber zur Massenerscheinung, ja man kann wohl schon sagen zum „Massenwahn“ wurde sie erst nach AIDS. Genauso lief es mit der Syphilis: die Hexenverfolgungen gab es natürlich schon davor, aber zum Massenwahn wurden sie erst mit der Verbreitung der Syphilis, mit der gesteigerten Angst vor oder mit dem gesteigerten Hass auf den Trieb. Hierzu mehr unter dem Stichwort »AIDS«. Auch Tamara Duve sprach mal von einer Hexenjagd gegen pädophile Menschen, in ihrem Falle in Bezug auf den Fall »Montessori«, der 1994 viel Aufsehen erregte40. Und ebenfalls Heinrich Kupffer, der die Auffassung vertritt, dass sich der Vorwurf, jemand habe ein Kind sexuell missbraucht, vortrefflich für die öffentliche Hexenjagd eignet41.

Was für menschliche Abgründe sich da oft auftun, bemerken wir z. B., wenn wir mal beobachten, mit was für einem unbeschreiblichen Hass, vor allem aber auch mit was für einer regelrechten inneren Befriedigung, ja sogar Schadenfreude diese Gesellschaft keineswegs selten über solche Menschen herfällt, die man wegen irgend eines solchen Deliktes geschnappt hat (ironischerweise trifft das aber auch nicht selten völlig Unschuldige). Da toben sich jedes Mal nahezu regelmäßig derart niedrige Instinkte und Beweggründe aus, dass man manchmal meinen könnte, wir wären in unserer zivilisatorischen Entwicklung soeben irgendwo auf der Ebene zwischen Affenpopulation und Steinzeitmenschen angelangt. Um das festzustellen, brauchen wir uns auch gar nicht erst die Mühe machen, in den Kommentaren von erbosten Lesern herumzustöbern. Ein Blick in die Medien genügt vollauf, auch wenn man sich dort heute im Allgemeinen alle erdenkliche Mühe gibt, damit den Lesern, Zuhörern, Zuschauern ja nichts Verräterisches über das wahre Instinktleben der Verantwortlichen in Staat und Medien rüberkommt.

Das sind die Gründe, warum den Lesern empfohlen wird, ihr Gefühlsleben (soweit sie es eben können) während des Lesens bewusst „abzustellen“ und dieses Buch „nur mit ihrem Verstand“ zu lesen. Denn unser Gefühlsleben ist gegenüber Pädophilie so negativ, so ablehnend geprägt, dass ihnen dieses Buch dann kaum etwas bringen wird, da ihr Gefühlsleben es instinktiv auf jeden Fall ablehnen wird. Anders verhält es sich mit unserem Verstand. Der ist weniger vorgeschädigt vom Unterbewusstsein, von negativen Beeinflussungen aller Art, und damit eher in der Lage, nüchtern und objektiv an das Thema heranzugehen. Lesen Sie dieses Buch also auf diese Weise, also rein nur mit Ihrem Verstand, werden Sie nach dem Lesen eher zu der Schlussfolgerung kommen, dass Ihnen dieses Buch etwas gebracht hat, Sie mit dieser Lektüre für Ihr Leben „etwas gewonnen“ haben.

Noch „ein Wörtchen“ als „Bedienungsanleitung“ für dieses Buch: Natürlich brauchen Sie nicht alles zu lesen und auch nicht von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen. Das wäre ja langweilig. Sondern schlagen Sie einfach da auf, wo Sie ein Stichwort gerade am meisten interessiert. Damit es auch für weniger gebildete Menschen lesbar ist, tauchen die meisten Gedanken und Argumente (und sogar einige Zitate) mehrmals im Buch auf, also geht Ihnen in der Regel nicht viel verloren, wenn Sie das eine oder andere nicht gelesen haben. Dem Schwerpunktthema Kindersexualität und Pädophilie ist der erste Teil des Buches gewidmet. Über andere Themen rund ums Kind und andere gesellschaftlich und politisch brennende Probleme hierzulande wie anderswo auf der Welt dann der zweite Teil. Wie zum Beispiel zur wohl absolut gleichrangigen Problematik des uns alle beherrschenden Kapitalismus von heute, der schon vor Jahrzehnten die ganze Welt erobert hat und seither munter und weitgehend unbemerkt ein Land gegen das andere ausspielt. Was vor allem in weniger wirtschaftlich starken Völkern katastrophale Folgen hat (Verlust ihrer Eigenständigkeit, ihrer Kultur, ihres friedlichen, freien, menschlicheren Zusammenlebens, Arbeitslosigkeit, soziale Not, soziale Ungerechtigkeit, Flüchtlingsströme, Bürgerkriege, Terrorismus…), von den ökologischen Schäden noch ganz zu schweigen. Aber es wird sich im weiteren Verlauf zeigen, dass sich die Probleme mit dem Kapitalismus vielleicht ganz von selbst und eher beiläufig und harmonisch werden lösen lassen, wenn wir alle gemeinsam erst mal das Problem der Pädophilie gelöst haben. Denn dieser Schritt wird auf unsere ganze Gesellschaft eine so heilsame, versöhnende, durch und durch positive Wirkung haben, dass wir dann auch gemeinsam die Kraft haben werden, endlich auch das Problem des Kapitalismus zu jedermanns Zufriedenheit so zu lösen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen hiervon einen Nutzen haben werden. Vielleicht rückt dann unser aller Ziel in greifbare Nähe, endlich einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz zu schaffen.

Was mich zum Schreiben treibt, sind Sorgen, die sicher viele andere Menschen mit mir teilen. Es sind die Befürchtungen, die mich bedrängen, wenn ich an die Kinder denke, und was für eine Zukunft sie wohl in fünfzig oder hundert Jahren erwartet. Oder überhaupt alle nachfolgenden Generationen, die einmal auf diesem Planeten Erde werden leben wollen/müssen. Und eine entscheidende Frage für mich wie wohl auch für viele andere Menschen ist halt, ob wir wirklich unserer Verantwortung gerecht werden, die wir für die nachfolgenden Generationen tragen. Und ich glaube, wir tun es nicht. Aber nicht, weil wir es nicht wollen, sondern weil wir es nicht können. Weil uns die derzeitigen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Veränderung im Sinne von mehr Verantwortungsgeist für die Zukunft kaum möglich machen. Wir sind ja alle sehr materiell erzogen worden, für jeden von uns spielen Ersatzbefriedigungen welcher Art auch immer im Leben eine wichtige Rolle. Also ich kenne keinen einzigen Menschen, dem nicht das Konsumieren, dem nicht irgend etwas Materielles an einer der obersten Stellen in der Prioritätenliste seines Lebens stehen würde. »Ich will mehr aus meinem Leben machen«, »ich will in meinem Leben noch vieles sehen und erleben«, »ich will in größerem Wohlstand leben«, »ich will meinen Lebensstandard verbessern«, »ich will mal reich werden«, »ich will viel reisen«, hören wir nicht auffallend oft Sätze wie diese und ist nicht immer etwas Materielles, Käufliches oder mit geldlichen Mitteln Erreichbares damit gemeint? Man kann dieses materielle Denken der Menschen nun gut finden oder auch nicht, es bringt nichts, das zu kritisieren, ganz einfach deshalb nicht, weil wir alle von klein auf, schon von unseren ersten Lebenstagen an so erzogen worden sind.

Auch von der Politik, von der Wirtschaft, von den »Eliten« oder von welchen gesellschaftlichen Institutionen auch immer ist kaum anzunehmen, dass sich von deren Seite aus etwas in diesem Sinne verändern wird; wir sind alle miteinander gefangen in einem ausgeprägten Materialismus. Wir alle sind auf »mehr Geld«, »mehr Macht«, »mehr Wachstum«, »mehr Expansion«, »mehr Umsatz«, »mehr Gewinn« gedrillt; wie soll da ein verantwortliches Handeln für die Zukunft entstehen? Und wer nun auf kirchliche Institutionen verweist, irrt genauso. Zwar sind von prominenten Kirchenvertretern immer mal wieder warnende Stimmen zu hören, die zu mehr Bescheidenheit, zu ökologischem Denken, zu mehr Verantwortung für die Zukunft aufrufen, aber in Wirklichkeit sind das doppelzüngige Worte. Denn eben durch die konfrontative Unterdrückung der Gefühle und Triebe der Menschen (vor allem der Kinder) bewirken sie materialistische Denk- und Lebensformen. Das heißt, gerade das, was jetzt vonnöten wäre, wie ein Sich-Wieder-Besinnen auf gefühlsmäßige, innere und geistige Werte, wie auch Einfühlungsvermögen mit den Bedürfnissen und Nöten nachfolgender Generationen wird von ihnen systematisch unterdrückt. Vor Jahrhunderten, als das menschliche Leben in unserem Kulturkreis noch von Anarchie und Chaos geprägt war, war dieses Engagement der Kirchen noch eher akzeptabel (aber selbst darüber könnte man streiten, wenn man all das grenzenlose Leid, die humanen Katastrophen, die ökologischen Zerstörungen betrachtet, die es zur Folge hatte), aber die großen Weltkirchen erweisen sich heute als zu schwergängig, eingefahren, konservativ, unfähig, um angesichts ökologischer und humaner Fehlentwicklungen heute dringendst notwendige Kurskorrekturen vorzunehmen. Oder es hindert sie ihr blanker Stolz oder Bedenken, an Macht einzubüßen. Oder noch schlimmer: die Kirchen sind vielleicht so eng verwoben mit Staat und Wirtschaft, sie stehen vielleicht so sehr auf trautem Fuß mit diesen, es wird vielleicht so emsig füreinander Partei ergriffen und nicht weniger emsig an gemeinsamen Geschäften verdient, dass es kein Entkommen mehr daraus gibt.

Sich mit diesen ökologischen und humanen Fehlentwicklungen auseinanderzusetzen und Wege vorzuschlagen, wie wir diese Probleme lösen und trotzdem glücklich (und wahrscheinlich glücklicher als heute) leben könnten, dafür ist dieses Buch da. Vor allem aber, um aufzuzeigen, warum die allseits verhasste Pädophilie in einer veredelten Form als institutionalisierte Pädophilie hierbei eine zentrale Rolle spielen und für jedes Gesellschaftsmitglied von Nutzen sein könnte.

Sind wir eigentlich ein kinderfreundliches Land? Also wer sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in etwas exotischeren Ländern aufgehalten und sich ein wenig abseits der üblichen touristischen Trampelpfade bewegt hat, wird mit mir der Ansicht sein, dass wir (vom emotionalen Standpunkt aus oder vom Blickwinkel des Kindes aus) wohl eher ein kinderfeindliches Land sind, um es noch gelinde auszudrücken. Auch wer Bücher wie die von Jean Liedloff, Ashley Montagu, Margaret Mead (um nur ein paar Beispiele zu nennen) gelesen hat, wird wohl kaum zu einem anderen Schluss kommen. Nur materiell geht es unseren Kindern relativ gut, sie bekommen genug zu essen, haben genug Spielzeug (oder sogar mehr als genug...) und die Gesundheitsversorgung stimmt auch (wenn wir von den wenig kinderfreundlichen Lebensumständen bei uns heute absehen, die die Kinder seelisch und körperlich nicht gesund, sondern krank machen). Aber die bei uns stattfindende alltägliche Missachtung der emotionalen Grundbedürfnisse der Kinder wiegt schwer und hat gesellschaftlich, politisch, ökologisch, wie wir später feststellen werden, gravierende Folgen.

Daran anschließend stellt sich dann die Frage, wie glaubwürdig ist eigentlich ein nach oben genannten Kriterien mehr oder weniger kinderfeindlicher Staat, der sich nun ausgerechnet und das mitunter fast schon wie fanatisch gegen Pädophilie engagiert? Wären wir ein durch und durch freier demokratischer Rechtsstaat, mit freien ausgewogenen Medien, die z. B. von den Regierenden servierte Thesen stets kritisch analysieren und hinterfragen und in denen auch Gesellschaftskritiker und Minderheiten zu Wort kommen, ein menschenfreundliches Land, gerecht, sozial, mit keinem hohen Reich-Arm-Gefälle, mit starken und tendenziell sich stärkenden Bürgerrechten, mit einer Wirtschaft, die sich auf dem Weltmarkt fair verhält und auch keine (krankhaften?) Expansionsgelüste an den Tag legt, sich gut an die Bedürfnisse der Menschen angepasst hat, anstatt dem Leben der Kinder und Erwachsenen ihren Stempel aufzudrücken (wüster ausgedrückt: ihnen symbolisch gesehen schon im frühen Kindesalter ihr kommerzielles Brandmal aufzudrücken), wären wir ein Land mit körperlich und seelisch gesunden, kontaktfreudigen Menschen und einer genauso gesunden Umwelt, wohl kaum jemand würde sich daran stören, dass dieser Staat gegen pädophile Menschen vorgeht und ihnen das Leben zur Hölle macht. Aber unter den gegebenen Umständen wirkt dieses Engagement fast schon grotesk.

Warum hat der Staat so ein enormes Interesse an der Unterdrückung und Verfolgung der Pädophilen? Behauptet wird ja, dem Staat gehe es hierbei nur um den Schutz des Kindes vor sexuellem Missbrauch. Aber wenn es so wäre, gäbe es ja keinen Grund, die Sexualität von Kindern zu unterdrücken. Da aber genau das geschieht und zwar ganz massiv, stürzt damit auch das ganze Lügengebäude, das sich um die Mär vom sexuellen Missbrauch rangt, zusammen.42 Damit ist aber nun nicht gemeint, dass es keinen sexuellen Missbrauch von Kindern geben würde. Den gibt es sehr wohl. Aber so zu tun, als wäre jede sexuelle Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen ein sexueller Missbrauch, so manch kritische Zeitgenossen würden dies als einen Volksbetrug erster Ordnung bezeichnen. Denn darunter fallen ja dann auch von Kindern gewünschte, sich positiv auf die Kinder auswirkende Beziehungen. Dass das nicht mehr differenziert betrachtet wird, ist das eigentliche Problem. Das ist, wie wenn man Motoröl und Speiseöl in den Salat kippt, und uns dann weiszumachen versucht, Salat wäre gesundheitsschädlich.

Angesichts der nach wie vor bestehenden Sexualunterdrückung bei Kindern lautet die zentrale Frage also nun ganz anders, und zwar: warum hat der Staat so ein enormes Interesse an der Unterdrückung der Sexualität von Kindern? Hierzu gibt es eine Flut von Erklärungen zahlreicher Autoren, eine kleine Auswahl davon hier (bei den Ausführungen unter »Unterdrückung der Sexualität und die Folgen« dann noch einiges mehr). Wie sich zeigt, spielen hierbei vor allem politische und wirtschaftliche Machtinteressen die entscheidende Rolle, wie z. B. Ignatz Kerscher ausführt, der die Möglichkeiten einer emanzipatorischen Sexualerziehung aufgrund politischer und wirtschaftlicher Hintergründe als eindeutig begrenzt ansieht. Und er verweist hierbei auf Wilhelm Reich, als dessen großer Verdienst er sieht, immer wieder auf diese Hintergründe einer sexualfeindlichen Zwangsmoral hingewiesen zu haben.43

Auch Arno Plack weist nach, dass mit der Sexualunterdrückung ein sexualfeindliches Denken und Fühlen erreicht werden soll. Er sieht in der Unterdrückung der frühkindlichen Sexualität ein Mittel, mit dem sich die jeweils herrschenden Mächte den Menschen von klein auf gefügig machen. Die hier zu Tage tretende Hemmung des kindlichen Reifungsprozesses folgt demnach dem Bestreben, das Kind »auf einer Stufe seiner Entwicklung zu halten, die charakterisiert ist durch seine totale Abhängigkeit von uns selber.«44 Und noch viel wichtiger: wir erfahren bei dieser Gelegenheit auch gleich, wie unsere Gesellschaft systematisch Pädophile und Sexualverbrecher „produziert“; so ganz nebenbei wird da also auch gleich noch das heißbegehrte Feindbild geschaffen:

Die Unterdrückung der kindlichen Sexualität erreicht, wenn sie wenig erreicht, nur die Prägung eines sexual- und lustfeindlichen Gewissens. Sie erreicht, wenn sie viel erreicht, darüber hinaus auch noch dies, daß sie den so »moralisch« Geprägten auf einer frühen Stufe der Libidoentwicklung festklemmt, oder sie erreicht seine Kriminalisierung.45

Im Kern geht es also um die (politische und wirtschaftliche) Macht über Menschen. Warum dies sogar unser ganz alltägliches Konsumverhalten beeinflusst (Stichwort Konsumwut oder Konsumwahn), liegt daran, da sich unterdrückte Sehnsüchte und Triebe in ihrer Not materielle Ersatzbefriedigungen suchen. Hierzu Angelo Leopardi:

In einer Gesellschaft, in der dem Warenkonsum ein Fetischcharakter, ein Charakter der sexuellen Ersatzhandlung zukommt, wird die generelle Option auf eine psychosexuelle Gesundung verwehrt:

«Die Stigmatisierung alltäglicher Handlungsabläufe produziert beim Kind Minderwertigkeitsgefühle und Isolationseffekte. Sobald das Kind größer geworden ist, überträgt es diese Handlungsinhalte von sich selbst auf andere Menschen seiner Umgebung. Es zeigt sich, daß viele Menschen das einmal gezwungenermaßen Gelernte im Laufe ihrer Sozialisation niemals hinterfragen können» (These 6).46

Aufgrund unserer diesbezüglichen Kindheitserfahrungen merken wir also auch als Erwachsene gar nicht mehr, was da mit uns geschieht. Die Triebunterdrückung steht im Dienst der Herrschaftssicherung, sie prägt unsere Persönlichkeit, führt zu einem geschwächten Ich und einem bedrohenden Über-Ich, so dass sich der Erwachsene dann wie selbstverständlich politischen und wirtschaftlichen Hierarchien unterwirft47. Dietrich Haensch meint:

Die Sexualunterdrückung führt dazu, daß die inneren Widerstände gegen die ökonomische Ausbeutung gebrochen werden. Auf dem Wege über die Verdrängung der sexuellen Bedürfnisse wird die menschliche Psychostruktur so verändert, daß sie zur Verinnerlichung von Ideologien disponiert wird, die im Gegensatz zur objektiven Interessen- und Bedürfnislage der Menschen stehen. Diese Ideologiebildung beginnt bereits beim Kind, ein Verfahren, dessen Anwendung in allen autoritären Gesellschaften beobachtet werden kann.48

Wir sehen also, wir berühren da ein Thema von höchster politischer Brisanz; etwas, was sich politisch, wirtschaftlich, ökologisch bis heute verheerend auswirkt. Und sich auch noch viel verheerender auswirken wird, es sei denn, wir machen jetzt den ganz großen Zapfenstreich. Was so traurig ist, das ist, dass gerade auch viele ansonsten durchaus kinderliebe Menschen, die Kindern viel Verständnis und Liebe entgegenbringen und sich vorbildlich für Kinder engagieren, dann aber oft schier ausrasten, wenn von Kindersexualität oder Pädophilie die Rede ist. Ein bezeichnendes und prominentes, wenn auch nicht mehr ganz aktuelles Beispiel hierzu ist Arthur Janov, dessen Bücher in den 1970er bis 1990er Jahren weltweit auf großes Interesse stießen. Ein über alle Zweifel erhabener Kinderfreund, dessen Verständnis und Einfühlungsvermögen für Kinder wohl jedermann noch heute bewundern lässt. Und dann lesen wir bei ihm folgendes:

Sigmund Freud glaubte, Kinder hätten ein aktives Sexualleben, und war der Ansicht, der Grund dafür, warum das nicht vor ihm entdeckt worden sei, hänge mit der Sexualunterdrückung der Gesellschaft zusammen. Doch ungeachtet der Freudschen Ansichten ist es unmöglich, daß Kinder ein Sexualleben haben, solange ihre Sexualität nicht entfaltet ist, das heißt, ehe sie nicht die Pubertät erreicht haben, ehe die Geschlechtsdrüsen nicht aktiviert worden sind. Bis dahin erforschen Kinder Lustzonen, die nach Meinung von Erwachsenen »sexuell« sind.49

Wie kommt das? Warum plötzlich in Bezug auf Kindersexualität so ein völliges Unverständnis, dass allen wissenschaftlichen, historischen, anthropologischen Erkenntnissen so total widerspricht? Des Rätsels Lösung: weil wir es hier mit Verdrängungen zu tun haben. Alles, was mit Kindersexualität und mit seinen eigenen sexuellen Bedürfnissen als Kind zu tun hat, hat er mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft in sein Unterbewusstsein verdrängt. Da sind enorme Abwehrmechanismen am Werk. Sein ganzes Leben gründete sich auf Triebabwehr und Triebverzicht. Von klein auf hat er gegen seine Triebe ankämpfen und unendliche Qualen durchmachen müssen. Er wäre dann als Erwachsener wie in ein Loch ohne Boden gefallen, das ganze Gerüst seines Lebens wäre zusammengebrochen, wenn er sich nun hätte weismachen lassen, dass dieser Kampf völlig überflüssig war. Um eben dieses unter allen Umständen zu verhindern, waren enorme Abwehrkräfte nötig. D. h., da konnte er sich nun noch so viel Mühe geben, sich noch so sehr für Kinder engagieren, aus diesen starren Abwehrmechanismen, die sich tief in seinem Unterbewusstsein eingebrannt haben, gab es kein Entkommen mehr, er konnte die Kindersexualität gar nicht mehr als eine Realität anerkennen. Und so wie ihm geht es heute vielen Menschen, denen es einfach oft unglaublich schwerfällt, die Kindersexualität als eine Realität anzuerkennen. In dieser Einleitung wurde bereits Erich Fromm zitiert, der der Auffassung war, dass derjenige, der die Wahrheit sagt, den Widerstand derer mobilisiert, die die Wahrheit verdrängen, weil diese Wahrheit das ganze Orientierungssystem der die Wahrheit-Verdrängenden erschüttern würde, sie in Verwirrung und Bestürzung geraten würden50. Nicht nur bei Arthur Janov, sondern bei den meisten von uns sind da kolossale Abwehrkräfte am Werk, wenn es darum geht, Verdrängtes ja nicht bewusst werden zu lassen. Aber ich glaube an die Macht des Guten, die Macht des Wissens, die Macht der Liebe und an den gesunden Menschenverstand. Und deshalb bin ich fest davon überzeugt, hätte Arthur Janov damals dieses Wissen gehabt, das nun hier mit diesem Buch an die Leser weitergereicht wird, z. B. über die seit Menschengedenken bestehende und die Menschheit prägende Kindersexualität, dann hätte er die oben zitierten Sätze nicht geschrieben.

Aber ob das auch bei den Antimissbrauchsaktivisten von heute wirkt, ist doch sehr zu bezweifeln. Weil deren ganzer Glaube, deren Gefühle, deren Denken nicht selten in reinen Fanatismus, wenn nicht sogar in Besessenheit ausgeartet ist, ist da wahrscheinlich Hopfen und Malz verloren. Dem ist dann rational nicht mehr beizukommen, da wird die ganze Macht des Guten, die Macht des Wissens, die Macht der Liebe, der gesunde Menschenverstand wirkungslos. Man muss folglich wohl eher sagen, das Problem sind vielleicht gar nicht die Pädophilen, sondern die Antimissbrauchsaktivisten. Schon alleine die Bezeichnung „Antimissbrauchsaktivisten“ ist eine völlig inakzeptable Verharmlosung deren nicht selten zwielichtigen Tuns. Das klingt in etwa so, als ob die „lieben“, „guten“ „Antimissbrauchsaktivisten“ ja nur die armen kleinen Kinder beschützen wollen, dass sie nicht „missbraucht“ werden und deshalb die „bösen“ „Kindesmissbraucher“ aus dem Verkehr ziehen wollen. In Wirklichkeit bewirken sie – viele von ihnen unbewusst, weil sie es halt nicht besser wissen, das mag schon sein – das genaue Gegenteil: sie schädigen mit ihrem Tun Kinder und verursachen durch Ausgrenzung und Kriminalisierung ursprünglich harmonisch in die Gesellschaft integrierter Menschen einen regelrechten und mitunter grausamsten sexuellen Missbrauch von Kindern und Schlimmeres.

Warum ich den professionellen Antimissbrauchsaktivisten so spinnefeind bin? Also da muss ich gleich mal berichtigen: ich bin nicht allen professionellen Antimissbrauchsaktivisten gegenüber so ablehnend eingestellt. Da gab es in der Vergangenheit viele wunderbare Menschen, die sich gegen den sexuellen Missbrauch engagiert haben, sich aber trotz allem um ein ausgewogenes Meinungsbild zur Pädophilie bemüht und dazu geraten haben, im Gegensatz zu echtem, die Bedürfnisse der Kinder missachtendem sexuellen Missbrauch, nicht auch einvernehmliche, von Kindern gewünschte, Kinder beglückende und ihre Entwicklung fördernde pädophile Beziehungen zu zerstören. Auch in vielen Institutionen (z. B. bei Pro Familia, ja sogar beim Deutschen Kinderschutzbund) wie auch in der Politik gab es eine große Anzahl weiser und hochachtenswerter Menschen, die diese Ansicht teilten. Aber warum ich für die meisten Antimissbrauchsaktivisten von heute nicht viel mehr als Unverständnis (wenn nicht Verachtung…) übrig habe, hat in erster Linie vier Gründe:

Erstens: dieses offenbar völlig abhanden gekommene Differenzieren-können zwischen von Kindern gewollten, wenn nicht gar herbeigesehnten Beziehungen und regelrechtem sexuellem Missbrauch von Kindern.

Zweitens: dass sie anscheinend fast ausnahmslos Geschichts- und Anthropologiebanausen sind, sonst hätten sie gemerkt, dass eine einvernehmliche Pädophilie wie eingangs erwähnt gerade in kinderfreundlichen Völkern weit verbreitet war. Ja man sogar schon sagen kann, dass Pädophilie (jenseits von Missbrauch) ein besonderes Zeichen für Kinderfreundlichkeit ist, da es zeigt, dass die Kinder dort sogar auch in ihren sexuellen Bedürfnissen anerkannt und respektiert worden sind.

Drittens: sie sich nur allzu häufig als Kinderschützer aufspielen, während sie sich in Wirklichkeit meines Erachtens nach eher als verdeckte Kinderquäler und/oder verdeckte Kapitalismusschützer und -förderer erweisen, sich aber alle nur erdenkliche Mühe geben, um sich das bloß nicht anmerken zu lassen.