Gespenster-Krimi 7 - Logan Dee - E-Book

Gespenster-Krimi 7 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Manchmal ist die Liebe stärker als der Tod. Aber was ist, wenn das Böse stärker ist als beides zusammen?
Der Arzt Jean-Claude praktiziert noch nicht sehr lange in dem kleinen Bergdorf, als seine Frau Magdalena stirbt. Doch auch nach dem Tod hört er noch ihre Stimme, wenn er sie auf dem Friedhof besucht. In dem Dorf existiert ein Kult, in dem die Jünger den dreiköpfigen Dämon Baphomet anbeten. In Jean-Claude erwacht ein verzweifelter Gedanke: Mit Baphomets Hilfe hofft er, seine geliebte Magdalena von den Toten zu erwecken. Doch als Magdalena an seine Tür klopft, erkennt auch er die schreckliche Wahrheit: Manchmal wäre es besser, wenn Wünsche unerfüllt blieben ...

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Seitenzahl: 128

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Inhalt

Cover

Impressum

Totentanz

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7637-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Totentanz

von Logan Dee

Manchmal ist die Liebe stärker als der Tod. Aber was ist, wenn das Böse stärker ist als beides zusammen?

Der Arzt Jean-Claude praktiziert noch nicht sehr lange in dem kleinen Bergdorf, als seine Frau Magdalena stirbt. Auch nach dem Tod hört er noch ihre Stimme, wenn er sie auf dem Friedhof besucht, und in Jean-Claude erwacht ein verzweifelter Wunsch.

Doch manchmal wäre es besser, wenn Wünsche unerfüllt blieben …

… es pfeift der Wind zum Festball der Gebeine!

Der schwarze Galgen heult wie einer Orgel Stahl!

Die Wölfe nahn zur Antwort aus dem Blau der Haine.

Am Horizont der Himmel ist rotes Höllenmal.

(Arthur Rimbaud: Ball der Gehängten)

Ungeduldig sah ich auf die Uhr. Es war schon fast zu spät, um noch zum Friedhof zu fahren.

»Ich fühle mich so matt, Herr Doktor. Außerdem habe ich in den letzten Wochen wieder ein Kilo abgenommen.«

»Es ist alles bestens mit Ihnen«, versicherte ich. »Ihre Schilddrüse funktioniert perfekt.«

»Und was ist mit dem kalten Knoten, von dem Sie gesprochen haben?«

»Ist im Moment harmlos«, beruhigte ich die alte Frau Wessring. Behalten Sie die Sache im Auge. Und nehmen Sie die Jod-Tabletten regelmäßig, die ich Ihnen bereits beim letzten Mal verschrieben habe.«

»Da wäre noch etwas, Herr Doktor …«

»Entschuldigen Sie, Frau Wessring, aber ich habe nun wirklich keine Zeit mehr. Außerdem sind Sie kerngesund. Falls Ihnen noch etwas Wichtiges auf dem Herzen liegt, kommen Sie bitte morgen wieder in meine Sprechstunde.«

Der Knoten, den ich bei ihr entdeckt hatte, würde erst in fünf Jahren so groß angewachsen sein, dass sie damit Probleme bekommen würde. Bis dahin war sie wahrscheinlich schon unter der Erde. Sie war einundachtzig.

»Also gut, wenn Sie meinen, Herr Doktor«, sagte sie wehleidig und zog sich ihre Bluse wieder an.

Es war bereits halb sechs, und ich spürte, wie ich immer unruhiger wurde. Dein Ruf wurde immer lauter. Ich durfte dich nicht länger warten lassen.

Ich verabschiedete meine Patientin ziemlich rasch. Sie warf mir einen beleidigten Blick hinterher, aber das war mir egal. Rasch entledigte ich mich meines weißen Kittels, schnappte mir den Autoschlüssel und lief über den Hof zur Garage.

Schon den ganzen Tag hatte ich Magdalenas Stimme gehört. Ich besuchte ihr Grab nicht jeden Tag, aber anscheinend hatte sie heute Sehnsucht nach mir.

So wie ich nach ihr.

Gleich bin ich bei dir, rief ich Magdalena in Gedanken zu. Die alte Wessring hat mich aufgehalten. Die Lebenden halten sich und ihre Krankheiten für wer weiß wie wichtig. Dabei ahnen sie nicht, was ihr, die ihr nicht mehr unter den Lebenden weilt, auszuhalten habt.

Obwohl ich sie natürlich nicht sah, stellte ich mir vor, wie sie lächelte. Dann sagte sie: Du übertreibst, Jean-Claude. Es geht mir verhältnismäßig gut. Das weißt du doch. Das Schlimmste ist die Kälte, aber auch die wird bald vorüber sein.

Ich nickte. Wir hatten oft darüber gesprochen.

Bald würde sie nicht mehr frieren. Ich hoffte für Magdalena, dass ihr Martyrium damit beendet sein würde. Doch ich wusste von ihr, dass die meisten anderen Toten auf der Hohen Drei zu leiden hatten.

Zu leiden unter der Qual des Fegefeuers.

Manchmal, wenn ich Magdalena auf dem Friedhof besuchte, konnte ich ihre Schreie hören.

Ich startete den Wagen und fuhr die steilen Serpentinen hoch, die zur Hohen Drei führten.

Hohe Drei, so nannten die Bewohner hier ihren Friedhof. Ich habe den Ursprung des Namens nie ergründen können. Vielleicht hing er damit zusammen, dass es weiter unten am Berg zwei weitere Friedhöfe gab.

Ich parkte auf dem Vorplatz. Wie üblich stand um diese Zeit kein anderer Wagen hier. Die Bewohner der umliegenden Dörfer mieden ihre Toten. Sie bestatteten sie, um sie unter die Erde zu bringen. Es war für sie ein Akt der Notwendigkeit, nicht der Tradition.

Dementsprechend vernachlässigt wirkten die meisten Gräber. Dennoch haftete der Hohen Drei gerade deswegen etwas Verwunschenes an.

Auch gab es keine Grabkreuze. Dies hatte mich am Anfang etwas erstaunt, aber man hatte es mir so erklärt, dass es mit der fehlenden Religiosität zu tun hatte.

Fast alle Bewohner stammten von Bergbauern ab, und sie alle waren ihrem heidnischen Glauben verwurzelt. Auf manchen der Grabsteine waren magische Runen eingemeißelt, von denen ich nicht wusste, was sie bedeuteten. Auf anderen waren merkwürdige Wesen abgebildet, die der Naturmystik zuzuschreiben waren. Es gab steinerne Friese mit entsetzlichen Totentänzen. In der Bretagne hatte ich ähnliche Friedhöfe gesehen. Verwunschene Pfarrhöfe mit Beinhäusern, seltsamen Triumphbögen und schauerlich verzierten Kalvarienbergen.

Nein, die Hohe Drei war beileibe kein christlicher Hort ewigen Friedens.

Einen Pfarrer hatte ich hier nie erblickt.

Magdalenas Stimme in meinem Kopf wurde drängender, so als hätte sie mir heute etwas ganz Besonderes mitzuteilen.

Ich bin gleich bei dir, beruhigte ich sie. Ich muss nur noch durch das schmiedeeiserne Tor, dann den langen kiesbedeckten Hauptweg unter den Platanen entlang, bis ich dein Grab bereits sehe.

Ein feiner Nieselregen umhüllte die Szenerie wie ein feiner Schleier. Es war kühl hier oben. Ich war viel zu leicht angezogen, aber in der Eile hatte ich darauf nicht geachtet.

Dann hatte ich Magdalenas letzte Ruhestätte erreicht. Das Familiengrab der Geisers war schlicht, aber eindrucksvoll. Es passte zu dem rauen Bergbauern. Ein riesiger, kaum bearbeiteter Fels bildete den Mittelpunkt des Grabes. Darauf waren all die Namen derer eingemeißelt, die hier seit Generationen verscharrt worden waren.

Der letzte Name war noch ganz frisch.

Magdalena a Campo.

Es war ein schöner, klingender Name. Sie hatte meinen Nachnamen gerne angenommen. Und dennoch wirkte er auf dieser Grabstätte unter all den Geisers und Hinterhubers wie ein Fremdkörper.

Um den Stein herum war grauer Granit gestreut. Einige Ziersträucher, die dem Klima in dieser Höhe trotzen, waren darauf platziert.

Die einzigen Blumen, die in ihrer bronzenen Vase noch immer wie frisch gepflückt aussahen, stammten von mir. Ich hatte sie ein paar Tage zuvor mitgebracht.

Verzeih, dass ich heute keine Blumen dabeihabe, sagte ich, aber du hast es ja mitgekriegt, wie mich die alte Wessring aufgehalten hat.

Du warst ganz schön grob zu ihr, tadelte mich Magdalena.

Ich hatte das Gefühl, dass es dir heute wichtig ist, mich zu sehen. Ich habe den ganzen Tag über deine Stimme gehört.

Wie so oft war auch heute niemand außer mir auf der Hohen Drei zu sehen. Wenn doch, so hätte er nichts anderes erblickt als einen Trauernden, der in stummer Zwiesprache vor dem Grab seiner erst vor kurzem verstorbenen Frau stand.

Magdalena und ich unterhielten uns nur in unseren Gedanken.

Und doch waren diese so real, als würde sie noch unter den Lebenden weilen.

Ich habe Angst, Jean-Claude, hörte ich nun ihre Stimme. Ich fürchte, der Zeitpunkt ist gekommen …

Nein, schrie ich. Hast du nicht gesagt, bei den anderen hätte es viel länger gedauert?

Vielleicht ist es ja auch ein gutes Zeichen, beruhigte sie mich. Vielleicht bin ich ja schon auserwählt. Diese Kälte könnte nicht schlimmer sein. Jetzt, wo ich die beginnende Hitze spüre, ist es angenehm. Aber ich weiß, dass sie rasch zunehmen wird.

Die Hitze, von der sie sprach, mussten alle Toten erleiden. Manchmal war es schon nach Tagen oder Wochen vorbei, und sie waren erlöst. Auf der Hohen Drei gab es Tote, die sich seit Jahren und Jahrzehnten ihren Schmerz, den sie in dem Fegefeuer erlitten, hinausschrien.

Kaum jemand hörte ihre Schreie.

Nur Verfluchte wie ich.

Ich wollte, ich könnte bei dir sein, sagte ich. Oder lieber noch: mit dir tauschen!

Rede nicht so einen Unsinn! Du gehörst zu den Lebenden, und so soll es auch lange bleiben. Selbst wenn du einer von uns wärst, du könntest mir nicht helfen.

Ich nickte stumm, während ich spürte, wie mir Tränen über die Wangen liefen. Im Tod war es nicht anders als im Leben: Es gab Dinge, die konnte einem niemand abnehmen. Der Schmerz gehörte dazu.

Es tut mir bereits gut, deine Nähe zu spüren, sagte Magdalena. Ihr Lebenden müsst zu uns Toten kommen – wir können es nicht.

Ich blieb am Grab stehen, bis die Dunkelheit über den Friedhof gezogen war und der Nieselregen mich völlig durchnässt hatte. Irgendwann stapfte ich in tiefer Trauer zurück zum Wagen.

Hatte das Leben so überhaupt noch einen Sinn?

Einen Monat war sie jetzt tot.

Während ich die Serpentinen hinunter fuhr, kam mir die Beerdigung wieder in den Sinn. Noch nicht einmal diese war so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Langsam senkte sich der Sarg in die ausgehobene Grube. Es war kalt hier oben. Beim Ausatmen entstanden kleine Wölkchen, die rasch zerstoben.

Ich trat an das offene Grab, ergriff die kleine Schaufel und warf etwas Erde hinab. Mit einem hohlen Laut klatschte sie auf das Holz des Sargs.

Mein Kopf war leer. Ich agierte wie ein Roboter. Nur nicht denken. Nur nicht daran denken, dass Magdalena jetzt dort drinnen lag. Reglos auf weißen Linnen, umhüllt von einem Sarg, der noch immer nach dem frischen Holz der Eiche roch, aus dem er erst vor Tagen gezimmert worden war.

Ich trat zurück und überließ die Schaufel dem Nächsten. Es war Magdalenas Vater, Kurt Geiser, der einige Nachbardörfer entfernt einen Bauernhof besaß. Bei ihm hatte ich immer den Eindruck, dass er noch gar nicht in der Gegenwart angekommen war. Er trug das graue Haar schulterlang oder – wie an diesem Tag – zu einem Zopf geflochten. Er wirkte wie ein grimmiger Bote aus der Vergangenheit, der Wind und Wetter und dieser kargen Gegend getrotzt hatte, um für sich und seine Familie ein Stück Land zu bewirtschaften, das sie alle am Leben hielt.

Er entriss mir die Schaufel fast und bedachte mich mit einem zornigen Blick. Wahrscheinlich hatte er mir noch immer nicht verziehen, dass seine einzige Tochter einen Fremden geheiratet hatte.

Der Fremde war ich. Wahrscheinlich würde ich es hier oben immer bleiben – ob ich nun vier Monate, zehn Jahre oder mein ganzes Leben hierblieb.

Selbst im Tode verzieh er nicht.

Das ganze Dorf hatte sich hier oben versammelt, um Magdalena die letzte Ehre zu erweisen. Keinem von ihnen konnte ich einen Vorwurf machen. Jeder von ihnen hatte bis zuletzt um das Leben meiner Frau gekämpft.

Ein kalter Wind kam auf. Ich schaute nach oben und gewahrte die schwarzen Wolken. Erste Regentropfen klatschten auf die Erde herab und zerplatzten auf dem harten, lehmigen Boden.

Selbst der Wettergott meinte es nicht gut mit Magdalena.

Sie hatte sich für ihre Beerdigung Sonne gewünscht. Oder wenigstens einen blauen, freundlichen Himmel.

Es sah weiß Gott nicht danach aus.

»Mein herzliches Beileid, Herr Doktor«, hörte ich eine Stimme sagen. Ich drehte mich um. Es war Frau Olavide, die Frau des Bürgermeisters.

Wir hatten ihr viel zu verdanken. In den letzten Wochen hatte sie sich geradezu aufopferungsvoll um Magdalena gekümmert.

»Wenn Sie möchten, regle ich für Sie die weiteren Angelegenheiten.«

»Danke, es geht schon«, sagte ich. »Irgendwann wird auch dieser Tag vorüber sein.«

Sie drückte aufmunternd meinen Arm und begab sich zum Grab. Sie war eine schöne Frau. Ihre in Schwarz gekleidete Silhouette hob sich schlank und kurvenreich vor dem Hintergrund des Himmels ab.

Merkwürdig, dass es mir gerade in dieser Situation auffiel, wie gut sie aussah. Ich fühlte mich ertappt wie bei einem schmutzigen Gedanken.

Kaum hast du Magdalena verscharrt, schaust du dich schon gierig nach einer Neuen um!, flüsterte mir mein schlechte Gewissen zu.

Aber so war es nicht. Ganz und gar nicht.

Der Regen wurde heftiger, sodass die Leute sich beeilten. Die meisten hielten sich nur wenige Sekunden vor der offenen Grube auf und gingen wortlos weiter.

Ich kannte sie alle: den Bürgermeister, den Wirt, die Lehrerin. Und auch Tobias, den Skilehrer.

Es hieß, er und Magdalena wären als Jugendliche einige Monate lang ein Paar gewesen. Natürlich hatte die Gerüchteküche gebrodelt, als Magdalena und ich eines Tages hier wieder aufgetaucht waren.

Tobias sollte nicht abgeneigt gewesen sein, die alte Beziehung wieder aufzufrischen. Er war frisch geschieden, und so viele junge Frauen gab es hier oben außerhalb der Ski-Saison nicht.

Ich hatte nie etwas auf das Gerede gegeben. Ich hatte Magdalena immer vertraut.

Wie sie mir.

Tobias würdigte mich keines Blickes, als er an mir vorüberging. Er spuckte einfach auf den Boden.

Die Spucke streifte meinen Schuh und hinterließ einen schleimigen Fleck.

Ich tat, als hätte ich es nicht bemerkt.

Reiß dich zusammen, dachte ich und ballte die Hände zu Fäusten. Keinen Eklat. Nicht heute. Heute geht es einzig und allein um Magdalena.

Tobias ging wortlos weiter und gesellte sich zu einer Trauergruppe, zu der auch Magdalenas Vater gehörte.

Ich sah, wie er dem Skilehrer bestätigend auf die Schulter klopfte.

Natürlich hatten alle gesehen, dass Tobias mich bespuckt hatte. Doch alle taten, als ginge es sie nichts an.

Ich hatte das Gefühl, mit Magdalenas Tod noch mehr als zuvor zum Außenseiter gestempelt worden zu sein.

Dennoch, ich musste es durchstehen. Für Magdalena.

Kurt Geiser und ich führten die Prozession an, die den Berg hinunter ins Wirtshaus führte.

Der Steigererwirt kredenzte Gulasch und schäumendes Bockbier.

Die Stimmung war dennoch bedrückend. Ich kam mir vor wie auf meiner eigenen Beerdigung, nahm teilnahmslos die Beileidsbekundungen und Briefe entgegen und wünschte mir paradoxerweise, Magdalena würde an meiner Seite stehen.

Irgendwann war auch das vorbei. Nachdem sich der letzte Gast verabschiedet hatte, zahlte ich beim Steigererwirt den Leichenschmaus und begab mich nach draußen.

Vom Parkplatz aus hatte man einen herrlichen Blick über die Berge. Ich hatte wenig Sinn für die Naturschönheiten um mich herum. Fast schon apathisch setzte ich mich in meinen Wagen, betätigte automatisch die Zündung und fuhr los.

Ich passierte die Kirche, das Rathaus und die winzige Schule. Nach einer Minute hatte ich den Ort bereits verlassen. Die Straße führte in steilen Serpentinen den Berg hinab.

Die Bilder der vergangenen Stunden spulten vor meinen Augen ab wie ein schlecht belichteter Stummfilm. Dazwischen – wie in Zeitlupenaufnahmen voller Schönheit und Anmut – Magdalenas lächelndes Gesicht, wie ich es immer in Erinnerung behalten würde.

Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, das Gaspedal durchzudrücken und in der Kurve einfach geradeaus zu fahren.

Gegen den aufragenden Felsen.

Den Schmerz einfach auszuradieren. Für immer und ewig.

Der Gedanke wurde derart übermächtig, dass ich nicht anders konnte.

Die Felswand raste auf mich zu.

Da sah ich vor mir eine Gestalt auftauchen. Ein rotes Kleid. Ein vor Angst verzerrtes Gesicht.

In letzter Sekunde trat ich auf die Bremse. Schlingernd kam der Wagen zum Stehen.

Verwirrt fuhr ich mir mit der Hand über die Augen. Hatte ich wirklich versucht, mich umzubringen? Die Wand aus Granit ragte nur zwei Meter von mir entfernt in die Höhe.

Als ich die Hand von den Augen nahm, starrte ich in ein wütendes Gesicht, das direkt an der Seitenscheibe aufgetaucht war.

Es gehörte zu der Frau in dem roten Kleid. Ich kannte sie. Zumindest ihren Vornamen: Sabina. Im Ort galt sie als Hexe.

»Wollten Sie mich umbringen?«, schrie sie zornentbrannt. Ihre grünen Augen funkelten mich wütend an. In dieser Erregung konnte ich sie mir als Hexe gut vorstellen.

Ich stieß die Tür auf und antwortete: »Ich wollte mich umbringen. Zum Glück tauchten Sie gerade rechtzeitig auf. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«

Sie sah mich forschend an: »Sind Sie nicht der Doktor?«