Gesprächsführung in Kita und Kindergarten - Monika Bröder - E-Book

Gesprächsführung in Kita und Kindergarten E-Book

Monika Bröder

4,9

Beschreibung

Erzieherinnen sind täglich im Gespräch. Doch was tun, wenn es mit der Kommunikation nicht richtig klappt? Die überarbeitete und ergänzte Neuausgabe des Standardwerks von Monika Bröder bietet das Handwerkszeug, um hilfreiche und weiterführende Gespräche zu führen und Konflikte konstruktiv zu bewältigen. Anhand zahlreicher Übungen und Beispiele können Erzieherinnen neue Formen der Gesprächsführung erproben und auf die eigene Arbeit übertragen.

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Monika Bröder

Gesprächsführung in Kita und Kindergarten

partnerschaftlich – empathisch – professionell

Impressum

Mehr Informationen zur Autorin und ihrem Fortbildungsangebot finden Sie unter: www.monika-broeder.de

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlagkonzeption und -gestaltung:

SchwarzwaldMädel, Simonswald

Umschlagfoto und alle Abbildungen im Innenteil: Harald Neumann, Freiburg

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book) 978-3-451-80121-1

ISBN (Buch) 978-3-451-32688-2

Inhalt

Vorwort

1Auch der Körper spricht – Nichtsprachliche Möglichkeiten der Verständigung

1.1Bedeutsamkeit nichtsprachlicher Kommunikationsmittel

1.2Beispiele für nichtsprachliche Kommunikation aus dem Kindergartenalltag

1.3Missverständnisse umgehen

2Es steckt viel drin – Die vier Seiten einer Nachricht

2.1Eine Nachricht senden

2.2Beispiele aus dem Kindergartenalltag

2.3Das Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun

3Zuhören lernen – Eine Nachricht empfangen

3.1Einfach zuhören

3.2Die vier Seiten einer Nachricht hören

4Das Richtige verstehen – Nachrichten entschlüsseln

4.1Verstehen im Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun

4.2Hilfen zur Entschlüsselung von Nachrichten

4.3Gespräche mit Eltern in Kita und Kindergarten

5Sich auf das Gegenüber einlassen – Das aktive Zuhören

5.1Beratungsgespräche beginnen

5.2Auswirkungen auf den Gesprächsverlauf

5.3Erfahrungen mit dem aktiven Zuhören

5.4Beispiele für aktives Zuhören in Kita und Kindergarten

5.5Verschiedene Übungen zum aktiven Zuhören

5.6Grenzen des aktiven Zuhörens

6Auf Nachrichten reagieren – Anderen Menschen Feedback geben

6.1Anerkennendes und kritisches Feedback

6.2Die dreigeteilte Ich-Botschaft

6.3Übungen zur Umformulierung von Du- in Ich-Botschaften

6.4Situationsbeispiele für Feedback in Kita und Kindergarten

6.5Schwierigkeiten im Anwenden von Ich-Botschaften

7Sich mit anderen auseinandersetzen – Mit Konflikten professionell umgehen

7.1Konflikte in Kita und Kindergarten

7.2Konfliktgespräch im Team

7.3Konfliktgespräch zwischen Team und Eltern

8Das Gespräch mit Eltern suchen – Einen Gesprächstermin wahrnehmen

8.1Hilfen zur Vorbereitung auf ein Gespräch

8.2Typische Schwierigkeiten im Gespräch mit Eltern

8.3Auffälligkeiten des Kindes als Gesprächsanlass

8.4Mit Eltern auf Augenhöhe reden

9Einfühlsam reagieren – Mit den Jüngsten und deren Eltern in der Kita kommunizieren

9.1Kommunikation mit den Jüngsten

9.2Die besondere Situation der Eltern

Nachwort

Anhang

Lösungsvorschläge

Literatur und Quellen

Vorwort

Erzieherinnen und Erzieher stehen täglich im Kontakt und im Gespräch mit Kindern, Eltern, Kolleginnen und Kollegen. Tür- und Angelgespräche mit Erziehungsberechtigten, Entwicklungs-, Beratungs- und Konfliktgespräche, die Gestaltung von Elternabenden gehören ebenso dazu wie eine alters- und entwicklungsentsprechende Kommunikation mit den Kindern im täglichen Miteinander.

Kindertagesstätten und Kindergärten haben in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung bekommen, weil sich viele Kinder täglich länger als früher in den Einrichtungen aufhalten, zugleich werden immer jüngere Kinder in den Kitas und Krippen aufgenommen. Vor diesem Hintergrund gewinnt eine professionelle Kommunikation, die die Bedürfnisse von Kindern, Eltern und Team berücksichtigt sowie gleichzeitig die Möglichkeiten und Grenzen der Erzieherinnen und Erzieher zum Ausdruck bringt, eine immer größere Bedeutung.

Die überarbeitete Auflage dieses Buches versucht, den veränderten Bedingungen und Anforderungen Rechnung zu tragen. Es will das notwendige Handwerkszeug vermitteln, um hilfreiche und weiterführende Gespräche zu führen sowie Konflikte konstruktiv zu bewältigen. Die einzelnen Kapitel sind durch Gesprächsbeispiele im Kontakt mit Kindern erweitert und ein Kapitel zur Kommunikation mit den Jüngsten ist neu hinzugefügt worden. Ihre Bedürfnisse verlangen sehr viel innere Ruhe, Sensibilität und Achtsamkeit vonseiten des Teams, die sich besonders auch in der Sprache ohne Worte ausdrücken.

Das Thema Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bildet einen weiteren neuen Schwerpunkt. Es wird gezeigt, wie professionelles Kommunikationsverhalten dazu beitragen kann, dass das Kita-Team und Eltern zum Wohl der Kinder konstruktiv auf Augenhöhe zusammenwirken können. Dabei geht es aber nicht nur um ein Anwenden verschiedener Gesprächstechniken, sondern es soll auch eine grundlegend wertschätzende Haltung gegenüber Kindern, Eltern, Kollegen und Kolleginnen zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig gehört dazu die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren, sich zu hinterfragen, sich abzugrenzen und sich in der Interaktion mit anderen weiterzuentwickeln.

Hilfreiche und konstruktive Gespräche mit Kindern, Eltern, Kolleginnen und Kollegen führen zu können, sind keine Selbstverständlichkeit, sondern setzen Fähigkeiten voraus, deren Vermittlung in den Ausbildungsstätten auch heute noch sehr oft zu kurz kommt. Schwerpunktmäßig wird dabei folgenden Fragen nachgegangen:

▶Wie kann ich einfühlsam und wertschätzend auf Kinder eingehen? Was ist besonders in der Kommunikation mit den Jüngsten wichtig?

▶Wie kann ich ein hilfreiches Gespräch mit Eltern führen, wenn diese mit mir über ihr Kind reden wollen? Wie kann ich ein Gespräch mit den Eltern führen, wenn das Kind auffällig im Kindergarten wird und Unterstützung braucht? Wie kann ich Elternabende durch mein eigenes Kommunikationsverhalten konstruktiv gestalten?

▶Wie kann ich durch mein eigenes Kommunikationsverhalten dazu beitragen, das Bildungs- und Erziehungspartnerschaft in Kita und Kindergarten gelingt?

▶Welche Möglichkeiten gibt es, Konfliktgespräche konstruktiv zu führen? Wie kann ich Eltern, Kolleginnen und Kollegen Rückmeldung geben, wenn mich etwas stört oder ich unzufrieden bin, ohne sie zu kränken und zu verletzen?

▶Wo liegen die Grenzen der Gesprächsführung im Kindergarten?

Die theoretischen Grundlagen für das vorliegende Buch bestehen in einer Verknüpfung des Werkes »Miteinander reden« von Friedemann Schulz von Thun, Band 1, und den Werken »Familienkonferenz« und »Familienkonferenz in der Praxis« von Thomas Gordon. Die Form der Gesprächsführung, die Gordon in seinen Werken beschreibt, wird hier auf die Gesprächsführung im Kindergarten übertragen und anhand vieler Übungen und Gesprächsbeispiele erklärt und ausgeführt.

Die dargestellten Beispiele und Gesprächssituationen entstammen der Praxis und sind im Laufe der Jahre immer wieder ergänzt und erweitert worden. Es wird intensiv auf die Erfahrungen der Erzieherinnen und Erzieher eingegangen, die mit großer Wahrscheinlichkeit mit den Fragen der Leserschaft übereinstimmen. So soll versucht werden, soweit wie möglich in einen lebendigen Dialog einzutreten.

Die dargestellten Gespräche sind Beispiele, die so in den Seminaren geübt wurden. Die Teilnehmenden haben konkrete Situationen aus der eigenen Praxis besprochen und im Rollenspiel versucht, neue Formen der Gesprächsführung zu erproben und einzuüben. Die Erfahrungen aus den Rollenspielen sind auf die konkrete Arbeit im Kindergarten übertragbar. Die Leserschaft dieses Buches hat die Möglichkeit, sich selbst aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, indem sie die vorgegebenen Übungen und Gespräche allein oder zusammen mit anderen bearbeitet. Die Lösungen zu den Übungen und Gespräche finden sich im Auswertungsteil am Ende.

Alle Kapitel bauen aufeinander auf und stellen einen Gesamtzusammenhang her. Die einzelnen Übungen können später nochmals durchgearbeitet und damit vertieft werden.

In diesem Buch wird der Einfachheit halber immer von Erzieherinnen gesprochen, weil der Beruf hauptsächlich von Frauen ausgeübt wird. Entsprechend wird auch für die Leseransprache die weibliche Form gewählt, selbstverständlich sind damit auch die männlichen Erzieher gemeint.

Allen Erzieherinnen und Eltern möchte ich danken, die an der Überarbeitung dieses Buches mitgearbeitet haben. Die Beiträge der Erzieherinnen und die Mitwirkung von Eltern, deren Kinder die Kita besuchen, waren eine große Bereicherung. Nicht zuletzt danke ich meinem Mann für seine Hilfe bei der Textverarbeitung.

Das überarbeitete Buch widme ich Annemarie Hauch, deren Gedanken und Vorstellungen auch nach ihrem Tod meine Fortbildungsarbeit maßgeblich beeinflussen.

Monika Bröder

In diesem Kapitel erfahren Sie

wie sehr der tägliche Umgang miteinander von nichtsprachlichen Äußerungen geprägt istwelchen Einfluss nichtsprachliche Kommunikation auf Kolleginnen, Eltern und Kinder hatwie Missverständnisse aus nichtsprachlicher Kommunikation entstehen können

1.1 Bedeutsamkeit nichtsprachlicher Kommunikationsmittel

Als Erzieherinnen stehen Sie den ganzen Tag über in ständigem Kontakt mit anderen Menschen. Da sind auf der einen Seite die Kinder, die mit Ihnen reden wollen und Ihre Zuwendung und Aufmerksamkeit suchen; da sind die Kolleginnen, mit denen Absprachen getroffen werden müssen und die sich Hilfe und Unterstützung bei der täglichen Arbeit erhoffen; da sind die Eltern, die Ihnen ihr Kind anvertrauen und in Ihnen eine Ansprechpartnerin für ihre Anliegen und Wünsche sehen. Mit all diesen Menschen setzen Sie sich ständig auseinander. Sie reagieren auf die anderen Menschen und die anderen Menschen reagieren auf Sie. Dabei läuft die gegenseitige Verständigung keineswegs nur über die Sprache. Ebenso bedeutsam wie die Sprache sind die nichtsprachlichen Verständigungsmittel wie Mimik, Gestik, Tonfall, der Ausdruck der Augen und die ganze Haltung des Körpers. Mithilfe der nichtsprachlichen Kommunikationsmittel können wir Gefühle und Stimmungen ausdrücken und deutlich machen, wie wir das meinen, was wir sagen.

Sprachliche und nichtsprachliche Kommunikationsmittel können verglichen werden mit Noten und dem Klang der Musik. »Der Ton macht die Musik«, nicht die Noten machen die Musik. Ein freundlicher, ermutigender Blick kann zum Beispiel den gesprochenen Worten eine ganz andere Bedeutung geben als ein grimmiger oder kritischer Blick. Der Tonfall kann ebenfalls liebevoll und ermunternd sein, somit aufbauend wirken, während ein scharfer Tonfall eine entmutigende oder lähmende Wirkung haben kann.

Die große Bedeutung nichtsprachlicher Kommunikation wird besonders deutlich im Umgang mit sehr jungen Kindern, die gesprochene Worte noch nicht verstehen, sowie im Umgang mit Eltern und Kindern mit Migrationshintergrund, die Deutsch als Zweitsprache in der Kita lernen. Menschen, die keine Verständigungsmöglichkeit über die gesprochene Sprache haben, entwickeln ein sehr sensibles Gespür für die Kommunikation ohne Sprache. Sie entnehmen dem Tonfall ihrer Bezugspersonen, ihrem Gesichtsausdruck und der Art, wie sie berührt werden, wie diese zu ihnen stehen und spüren auf diese Weise, ob sie akzeptiert und geliebt oder missachtet und abgelehnt werden. Sie selbst bedienen sich der nichtsprachlichen Kommunikationsmittel, um sich verständlich zu machen und auf diese Art ihre Bedürfnisse zu artikulieren.

Während uns die Bedeutung der nichtsprachlichen Kommunikation im Umgang mit Menschen, die sich sprachlich noch nicht äußern können, deutlich bewusst ist, wird sie im Allgemeinen weniger beachtet, wenn die Sprache als Kommunikationsmittel dazu kommt. Trotzdem sind die nichtsprachlichen Kommunikationsmittel auch dann von größter Bedeutung. Gerade dieser Bereich ist sehr störanfällig und es kann hier zu großen Missverständnissen kommen, weil das, was wir mit unserer Körpersprache ausdrücken, nicht immer auch von anderen Personen richtig verstanden wird. Oftmals wissen wir dann überhaupt nicht so genau, was eigentlich die Ursache für die Störung ist und weshalb die Missverständnisse entstanden sind. In den folgenden Ausführungen soll verdeutlicht werden, wie bedeutsam und wichtig die nichtsprachlichen Kommunikationsmittel für die gegenseitige Verständigung sind.

Um sich der Bedeutung nichtsprachlicher Kommunikation bewusst zu werden, bieten wir in unseren Kursen zwei Übungen an. Sie geben die Möglichkeit, spielerisch zu diesem Thema wichtige Erfahrungen zu sammeln, die genauso auch auf die Realität übertragbar sind. Beide Übungen machen den Teilnehmerinnen großen Spaß und bieten einen idealen Einstieg in den Bereich der nichtsprachlichen Kommunikation. Sie eignen sich gut für Fortbildungs- und Ausbildungsgruppen, können aber auch im Team durchgeführt werden.

Übungen zur nichtsprachlichen Kommunikation

Jeweils vier Personen malen zusammen ein Bild zu einem vorgegebenen Thema, zum Beispiel »Ein Tag im Kindergarten«. Die Aufgabe für die Gruppe besteht darin, ein gemeinsames Bild zu malen, ohne dass dabei gesprochen wird.Mehrere Personen bauen aus Materialien wie Kartons, Papier, Schachteln usw. eine Skulptur. Hier wird kein Thema vorgegeben. Die Aufgabe besteht darin, eine gemeinsame Skulptur zu erstellen, ohne dass dabei gesprochen werden darf.

In großen Gruppen ist es auch möglich, beide Übungen alternativ anzubieten und den Teilnehmerinnen die Wahl zu lassen.

Erfahrungen der Erzieherinnen mit diesen Übungen

Die Erzieherinnen können bei diesen Übungen vielfältige Erfahrungen sammeln. Die Form der Zusammenarbeit ist in den einzelnen Gruppen immer unterschiedlich, aber einig sind sich alle: »Kommunikation ist auch ohne Worte möglich.« Es wird bei diesen Übungen deutlich, dass Worte nicht notwendig sind, da unsere nichtsprachlichen Kommunikationsmittel durchaus zur Verständigung ausreichen. Die Kommunikation wird gestaltet durch Mimik, Gestik und Zeichensprache. Die Teilnehmerinnen teilen sich gegenseitig durch Stirnrunzeln, Nicken, Kopfschütteln und Lachen mit, ob sie mit den Ideen der anderen einverstanden sind oder nicht. Auch der Blickkontakt ist für die gegenseitige Verständigung von großer Bedeutung. Aufmunternde Blicke, mit denen die Teilnehmerinnen sich gegenseitig ihre Zustimmung signalisieren, wirken motivierend, die eigenen Ideen noch stärker einzubringen. Kritische Blicke dagegen bewirken eher, dass die anderen sich deutlich zurückhaltender zeigen und weniger Initiative entwickeln.

Bei vielen Gruppen ist die wichtigste Frage: »Wer fängt an?« Manche Gruppen zögern sehr lange und warten ab, bis eine Teilnehmerin die Initiative ergreift. In manchen Gruppen fangen die Teilnehmerinnen für sich alleine an und fügen das Bild oder die Skulptur später zu einem Ganzen zusammen. Manchmal ergreift auch eine Erzieherin schnell die Initiative und fängt an, zu malen oder zu bauen, und die anderen ergänzen die so entstandenen Vorgaben durch eigene Ideen.

Den Erzieherinnen, die an dieser Übung teilnehmen, werden oft Verhaltensweisen bewusst, die sie auch in ihrem beruflichen Alltag von sich kennen. So sagte zum Beispiel eine von den sehr aktiven Teilnehmerinnen: »Dieses Verhalten ist, glaube ich, typisch für mich. Und da wundere ich mich, dass die anderen sich immer auf mich verlassen.« Eine Erzieherin, die eher abwartet und dazu neigt, den anderen den Vortritt zu lassen, stellte fest: »Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich durch dieses Verhalten oft nicht zum Zug komme.« Eine andere Erzieherin äußerte sich so: »Eigentlich fühle ich mich ganz wohl dabei, wenn andere das ›Zugpferd‹ sind. Mir ist das recht.«

Manche Erzieherinnen machen bei den Übungen auch die Erfahrung, dass sie durch ihren Beitrag versuchen, verschiedene Ideen miteinander zu verbinden, damit am Ende auch wirklich eine gemeinsame Arbeit entsteht, wobei sie aber auch eigene Beiträge einbringen, wenn es die Aktivität der anderen erlaubt. Diese Erzieherinnen wirken sehr ausgleichend und verbindend in der Gruppe, nehmen sich aber oftmals zu wenig Raum für die Verwirklichung ihrer eigenen Ideen.

Manchmal kann es auch zu Missverständnissen kommen, wenn eine Teilnehmerin ein Verhalten, eine Geste oder die Mimik einer anderen Teilnehmerin falsch versteht. Wenn sich zum Beispiel eine Teilnehmerin abwartend verhält und sich überlegt, was sie vielleicht an der gemeinsamen Arbeit noch ergänzen könnte, kann dies von den anderen entweder als produktive Pause richtig verstanden oder aber als Passivität missverstanden werden.

Wir sehen daran, dass wir uns gegenseitig immer etwas mitteilen, auch wenn wir nichts sagen oder tun. Die Kommunikationsforscher Watzlawick, Beavin und Jackson beschreiben dieses Phänomen, indem sie sagen: »Man kann nicht nicht kommunizieren.« (Watzlawick/Beavin/Jackson: Menschliche Kommunikation, S.53). Sie führen in diesem Zusammenhang das Beispiel eines Mannes an, der im überfüllten Wartesaal auf den Boden starrt oder mit geschlossenen Augen dasitzt. Er teilt damit den anderen mit, dass er weder sprechen noch angesprochen werden will, und gewöhnlich reagieren seine Nachbarn richtig darauf, indem sie ihn in Ruhe lassen (vgl. ebenda S.51).

1.2 Beispiele für nichtsprachliche Kommunikation aus dem Kindergartenalltag

Die Bedeutung nichtsprachlicher Kommunikation wird nun an einigen Beispielen aus dem Kindergartenalltag näher erläutert. Allen vier Beispielen ist gemeinsam, dass kein Wort gesprochen wird, aber trotzdem sehr viel Kommunikation zwischen den Beteiligten stattfindet.

Stellen Sie sich bitte einmal folgende Situationen vor:

1. Beispiel: Sie kommen am Morgen in den Kindergarten. Die Leiterin sitzt bei offener Tür im Büro. Sie schaut nur kurz auf, erwidert Ihren Gruß aber nicht.

Obwohl die Leiterin kein Wort gesagt hat, hat sie mit ihrer Mimik und Gestik deutliche Signale ausgesendet. Auch die Erzieherin hat kein Wort gesagt, aber mit Sicherheit hat das Verhalten der Leiterin auf sie eingewirkt. Sie wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit überlegen, weshalb die Leiterin sich so verhält, und unter Umständen zu verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten kommen. Sie könnte zum Beispiel annehmen, dass die Leiterin nur deshalb nicht grüßt, weil sie aufgrund ihrer Arbeit zu beschäftigt dazu ist. Sie könnte auch meinen, dass die Leiterin schlechte Laune hat. Vielleicht denkt sie, die Leiterin hätte plötzlich etwas gegen sie, und überlegt, was wohl zu der plötzlichen Antipathie geführt haben könnte.

2. Beispiel: Ein Kind aus Ihrer Gruppe wird in den Kindergarten gebracht. Das Kind weint, bleibt in der Tür stehen und will nicht in den Gruppenraum kommen.

Das Kind sendet durch sein Weinen und Stehenbleiben ein Signal an die Erzieherin aus. Die Erzieherin, die das Kind so dastehen sieht, könnte sich spontan – ohne dass ein Wort gesprochen wird – Gedanken über die Gründe des Weinens machen. Weint das Kind, weil es sich nicht von der Mutter trennen konnte? Ist es vielleicht nur übermüdet, weil es am Abend zuvor lange aufgeblieben ist? Hat es vielleicht Schwierigkeiten mit den anderen Kindern der Gruppe oder mit ihr als Erzieherin und will deshalb nicht im Kindergarten bleiben?

3. Beispiel: Sie sind im Gruppenraum. Eine Mutter kommt herein und runzelt dabei die Stirn.

Hier wird deutlich, dass auch sie, ohne ein Wort zu sagen, der Erzieherin eine Nachricht übermittelt. Die Erzieherin kann diese Nachricht nun wieder sehr unterschiedlich interpretieren. Vielleicht befürchtet sie, dass die Mutter etwas zu beanstanden hat und deshalb die Stirn runzelt. Oder sie deutet das Stirnrunzeln als Ausdruck von Ärger über ihr Kind. Es gibt, genau wie in den vorangegangenen Beispielen, viele Erklärungsmöglichkeiten.

4. Beispiel: Die neue Berufspraktikantin stellt sich bei Ihnen im Kindergarten vor. Sie ist sehr modisch gekleidet und trägt eine auffallende Brille.

Im vierten Fallbeispiel vermittelt die Berufspraktikantin ihren künftigen Kolleginnen einen Eindruck von ihrer Person durch die Art ihrer Kleidung und die ausgefallene Brille. Kleidung und Brille der Praktikantin wirken – ebenso wie in den vorangegangenen Beispielen die Mimik und die Gestik – auf die Kolleginnen ein. Vielleicht wird die Praktikantin jetzt als sehr modebewusst angesehen. Einige können vermuten, dass es ihr hauptsächlich auf Äußerlichkeiten ankommt, andere würdigen ihr Aussehen möglicherweise als Ausdruck einer eigenständigen Persönlichkeit.

1.3 Missverständnisse umgehen

Anhand der beschriebenen Beispiele wird deutlich, dass nichtsprachliche Kommunikation deshalb außerordentlich störanfällig ist, weil sie sehr viel Raum für die verschiedensten Interpretationen und Vermutungen zulässt. Diese Art der Kommunikation läuft sehr schnell ab und im Allgemeinen bleibt keine Zeit, lange darüber nachzudenken. Es kann daher schnell zu Vermutungen und Interpretationen kommen, ohne dass diese in Wirklichkeit auch zutreffen müssen. So wird möglicherweise der Grundstein für Missverständnisse und Störungen in der Kommunikation gelegt, ohne dass den Beteiligten bewusst wird, welche Ursachen diese Störungen haben. Je nachdem, wie wir die nichtsprachlichen Signale interpretieren, reagieren wir auch darauf.

Führen Sie sich in diesem Zusammenhang bitte noch einmal die Situation mit der Mutter vor Augen, die stirnrunzelnd in den Gruppenraum kommt. Nehmen wir einmal an, dass die Erzieherin das Stirnrunzeln als Ausdruck von Kritik an ihrer Arbeit oder ihrer Person bewertet. Sie reagiert vielleicht, indem sie sich ärgert und sich einer Beschäftigung zuwendet, ohne die Mutter weiter zu beachten. Die Mutter nimmt wahr, dass die Erzieherin sich abwendet, und vermutet vielleicht, dass sie nicht mehr mit ihr reden will. Sie reagiert, indem sie sich ebenfalls umdreht und weggeht.

Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es von größter Bedeutung, dass wir im Umgang mit anderen Menschen lernen, unsere Wahrnehmungen als Wahrnehmungen und unsere Vermutungen als Vermutungen zu erkennen und beides auseinanderzuhalten und zu unterscheiden.

Unter Wahrnehmung versteht man nur das, was man wirklich gesehen und gehört hat. Unter Vermutung versteht man alles, was man in das Wahrgenommene interpretiert hat.

In unserem Beispiel hat die Erzieherin lediglich das Stirnrunzeln der Mutter wahrgenommen, d. h. tatsächlich gesehen. Die Deutung des Stirnrunzelns als Ausdruck von Kritik ist nur eine Vermutung oder Interpretation, die überhaupt nicht zutreffen muss. Vielleicht hat die Mutter in diesem Moment nur an etwas Unerfreuliches gedacht, das mit dem Kindergarten nichts zu tun hat.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass wir im Allgemeinen nicht nur aufgrund unserer Wahrnehmungen reagieren, sondern auch aufgrund unserer Vermutungen und Empfindungen, und dass umgekehrt auch unsere Sozialpartner auf uns nicht nur aufgrund ihrer Wahrnehmungen reagieren, sondern ebenfalls auch aufgrund ihrer Vermutungen und Empfindungen.

Die Trennung von Wahrnehmung, Vermutung und Empfindung kann davor schützen, sich vorschnell ein möglicherweise unzutreffendes Bild von einem anderen Menschen zu machen und ihm eine bestimmte Haltung zuzuordnen und diese festzulegen. Man sollte sich bewusst machen, dass die Einschätzung einer anderen Person immer auch etwas mit den eigenen Vermutungen und Gefühlen zu tun hat. Menschen, die den Zusammenhang zwischen Wahrnehmung, Vermutung und Empfindung einmal für sich erkannt haben, ist die Chance gegeben, die eigenen Vermutungen zu überprüfen. In diesem Zusammenhang kann es hilfreich sein, über andere Möglichkeiten der Deutung nachzudenken oder auch nachzufragen, ob man den anderen richtig verstanden hat (vgl. auch Bröder: Sprachförderung, S.37).

Die folgende Übung ist hilfreich, um sich die Unterschiede zwischen den drei Aspekten Wahrnehmung, Vermutung/Interpretation und Empfindung zu verdeutlichen. Man wird sich bewusst, wie schwer es ist, Wahrnehmungen und Interpretationen voneinander zu trennen. Die Erfahrungen, die die Teilnehmerinnen bei der Übung machen können, werden im Anschluss dargestellt, weil sie auch für die Leserin aufschlussreich sind (vgl. Schulz von Thun: Miteinander reden, S.80).

Übung zur Wahrnehmung, Interpretation und Empfindung

A und B sitzen einander gegenüber. In der ersten Runde äußert A eine Minute lang nur Wahrnehmungen von B (zum Beispiel: »Ich sehe, dass deine Augen nach unten gerichtet sind.« – Nicht aber: »Ich sehe, dass du traurig guckst.«). Danach kommt B an die Reihe, ebenfalls eine Minute.

In der dritten Runde folgt der Dreischritt: Wahrnehmung – Vermutung/­Interpretation – eigene Reaktion darauf (zum Beispiel: »Ich sehe deinen akkuraten Scheitel – ich vermute, du legst Wert auf äußere Korrektheit – und ich merke, dass mich das etwas provoziert.«). Wieder sprechen jeweils A und B ein bis zwei Minuten.

Anschließend: Erfahrungsaustausch.

Auswertung der Übung

Bei dieser Übung wird vielen Teilnehmerinnen bewusst, wie schwer es ihnen fällt, besonders Wahrnehmung und Interpretation voneinander zu trennen. In der ersten Runde, in der nur Wahrnehmungen geäußert werden sollen, teilen sich die Teilnehmerinnen oft schon Interpretationen und Vermutungen mit. So kann ein gemütliches Zurücklehnen als Langeweile interpretiert, ein Wegschauen als Ausdruck von Unbehagen gewertet oder das Aufstützen des Kopfes als Müdigkeit gedeutet werden.

Den Teilnehmerinnen wird weiterhin deutlich, dass die Vermutungen keineswegs immer zutreffen und sich die Gesprächspartner sehr missverstanden fühlen, wenn unzutreffende Vermutungen über sie geäußert werden. Im anschließenden Erfahrungsaustausch kann sich nämlich zeigen, dass ein gemütliches Zurücklehnen in diesem Fall kein Ausdruck von Langeweile, sondern von Entspannung ist, dass das Wegschauen keineswegs Desinteresse bedeuten muss, sondern eine Reaktion auf eine Ablenkung von außen sein kann oder dass das Aufstützen des Kopfes in Wirklichkeit nicht Müdigkeit bedeutet, sondern für den Gesprächspartner eine Haltung ist, bei der er sich besonders gut konzentrieren kann.

Bei der Äußerung von Empfindungen aufgrund der Wahrnehmungen und Interpretationen sind die Teilnehmerinnen eher zurückhaltend, um die anderen nicht zu verletzen oder ihnen zu nahe zu treten. Dies entspricht dem Verhalten in der Realität, macht aber nochmals bewusst, wie wichtig es ist, unsere Wahrnehmungen und unsere Interpretationen voneinander zu trennen. Viele negative Bewertungen in Bezug auf andere Menschen können sich auflösen oder zumindest infrage gestellt werden, wenn wir uns darüber klar werden, dass unsere Vermutungen überhaupt nicht zuzutreffen brauchen und es noch viele andere Möglichkeiten der Deutung gibt.

Zusammenfassung

In diesem Kapitel und in den Übungen wird deutlich, wie sehr wir einander durch die nichtsprachlichen Verständigungsmittel beeinflussen. Aufmunternde Blicke motivieren, kritische Blicke können Rückzug bewirken, schnelles Ergreifen der Initiative kann zu Passivität oder Zurückhaltung bei den anderen führen, und umgekehrt kann zu große Passivität bei den anderen große Aktivität zur Folge haben.

Ebenso wird deutlich, dass keineswegs alle nichtsprachlichen Signale von den anderen auch in der richtigen Bedeutung aufgenommen und verstanden werden, und dass es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren.

Mimik, Gestik, Körperhaltung und Verhalten spielen in jeder Sekunde des Zusammenseins eine Rolle. Sie beeinflussen ständig – oft auch unbewusst – unsere Kommunikation miteinander, ohne dass ein Wort gefallen ist. Für den professionellen Umgang in der Kita mit Eltern und Kolleginnen hilft das Wissen darüber, den alltäglichen Umgang achtsam und aufmerksam zu erleben.

In diesem Kapitel erfahren Sie

wie eine Äußerung – eine Nachricht, die wir senden – aufgebaut istwelche vier Botschaften eine Äußerung enthalten kannwie das Wissen um Kommunikationsabläufe im Alltag helfen kann

2.1 Eine Nachricht senden

Die Sprache ist das wichtigste Verständigungsmittel für uns. Sie hilft uns einerseits, unsere Gedanken und Gefühle mitzuteilen, uns mit anderen auseinanderzusetzen, Gemeinsamkeiten zu finden, aber auch Konflikte zu meistern. Andererseits können wir durch unsere Sprache Missverständnisse hervorrufen, andere verletzen und kränken sowie Konflikte unter Umständen noch verschärfen. Sprache wirkt also aufbauend, klärend, hilfreich und ermutigend auf uns selbst und andere oder aber auch destruktiv – je nachdem, wie wir etwas sagen oder uns etwas gesagt wird.

Das persische Märchen veranschaulicht, welche Rolle die Sprache im Miteinander spielen kann.

Ein persisches Märchen: Der Traum und sein Sinn

Ein orientalischer König hatte einen beängstigenden Traum. Er träumte, dass ihm alle Zähne, einer nach dem anderen, ausfielen. Beunruhigt rief er seinen Traumdeuter herbei. Dieser hörte sich den Traum sorgenvoll an und eröffnete dem König: »Ich muss dir eine traurige Mitteilung machen. Du wirst genau wie die Zähne alle Angehörigen, einen nach dem anderen, verlieren.« Die Deutung erregte den Zorn des Königs. Er ließ den Traumdeuter in den Kerker werfen.

Dann ließ er einen anderen Traumdeuter kommen. Der hörte sich den Traum an und sagte: »Ich bin glücklich, dir eine freudige Mitteilung machen zu können. Du wirst älter werden als alle deine Angehörigen, du wirst sie alle überleben.« Der König war erfreut und belohnte ihn reich. Die Höflinge wunderten sich sehr darüber. »Du hast doch eigentlich nichts anderes gesagt als dein armer Vorgänger. Aber wieso traf ihn die Strafe, während du belohnt wurdest?« fragten sie. Der Traumdeuter antwortete: »Wir haben beide den Traum gleich gedeutet. Aber es kommt nicht nur darauf an, was man sagt, sondern auch, wie man es sagt.«

Im Folgenden soll es darum gehen, wie unsere gegenseitige Verständigung abläuft, wenn zu der nichtsprachlichen Äußerung die Sprache als Kommunikationsmittel dazu kommt. Mit dem Schaubild kann vereinfacht dargestellt werden, was geschieht, wenn zwei Menschen miteinander kommunizieren.

Nun ist es aber keineswegs so, dass mit einer Nachricht auch eindeutig und klar nur eine Information übermittelt wird. Wie komplex eine Nachricht ist und wie viele Botschaften der Sender dem Empfänger in einer Nachricht übermittelt, soll zunächst wieder an den folgenden Beispielen aus dem Kindergartenalltag verdeutlicht werden.

2.2 Beispiele aus dem Kindergartenalltag

Betrachten wir die verschiedenen Beispiele der Reihe nach und überlegen einmal, was in den einzelnen Äußerungen möglicherweise zum Ausdruck gebracht wird, indem wir uns in den Sender hineinversetzen.

1. Beispiel: Die Erzieherin kommt in den Aufenthaltsraum und sagt zu einer Kollegin: »Schon wieder liegen Ihre Sachen überall herum!«

Im Beispiel vermittelt die Erzieherin ihrer Kollegin die sachliche Botschaft: »Ihre Sachen liegen überall im Raum herum.« Aber wir merken, dass in dieser Aussage noch viel mehr als eine sachliche Information mitschwingt.