Gestern war noch alles gut - Patricia Vandenberg - E-Book

Gestern war noch alles gut E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine Sonderausgabe – Dr. Norden Gold Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Dr. Oliver Birkhoff ging ungeduldig vor der Universität hin und her. Die­ Zeit schien überhaupt nicht zu vergehen, und langsam machte er sich auch Sorgen, daß nicht alles so gelaufen wäre, wie Andrea es sich erhoffte. Aber da kam sie schon, schlank, anmutig und ungewohnt elegant gekleidet. Dessen ungeachtet kam sie jetzt im Laufschritt auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Flämmchen. Er brauchte eigentlich nicht mehr zu fragen, aber er tat es dennoch. »Bestanden?« »Summa cum laude«, lachte sie, »und was meinst du, was meine Leute sagen werden, wenn ich mich als Dr. Andrea Jennings präsentiere! Du mußt sie genau beobachten, Olli, was sie für Gesichter machen.« »Sie haben wirklich keine Ahnung?« fragte er. »Nicht die leiseste, und außerdem trauen Sie es mir doch gar nicht zu, daß ich heimlich, still und leise meinen Doktor mache. Für sie bin ich doch immer das Nesthockerle gewesen. Es war ja schon ein Schock für sie alle, als ich dich zu Papas sechzigstem Geburtstag mitbrachte«, fügte sie kichernd hinzu. Wenn man sie so sah, traute man es ihr wirklich nicht zu, daß sie nun eine Doktorin der Chemie war. Und wenn Oliver Birkhoff an jenen Tag dachte, an dem Andrea ihn mit sanfter Gewalt in ihr Elternhaus dirigiert hatte, fühlte er immer noch ein leichtes Unbehagen.

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Dr. Norden Gold – 39 –

Gestern war noch alles gut

Patricia Vandenberg

Dr. Oliver Birkhoff ging ungeduldig vor der Universität hin und her. Die­ Zeit schien überhaupt nicht zu vergehen, und langsam machte er sich auch Sorgen, daß nicht alles so gelaufen wäre, wie Andrea es sich erhoffte.

Aber da kam sie schon, schlank, anmutig und ungewohnt elegant gekleidet. Dessen ungeachtet kam sie jetzt im Laufschritt auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Ihr Gesicht drückte strahlende Freude aus, und in ihren wunderschönen samtbraunen Augen tanzten goldene

Flämmchen.

Er brauchte eigentlich nicht mehr zu fragen, aber er tat es dennoch. »Bestanden?«

»Summa cum laude«, lachte sie, »und was meinst du, was meine Leute sagen werden, wenn ich mich als Dr. Andrea Jennings präsentiere! Du mußt sie genau beobachten, Olli, was sie für Gesichter machen.«

»Sie haben wirklich keine Ahnung?« fragte er.

»Nicht die leiseste, und außerdem trauen Sie es mir doch gar nicht zu, daß ich heimlich, still und leise meinen Doktor mache. Für sie bin ich doch immer das Nesthockerle gewesen. Es war ja schon ein Schock für sie alle, als ich dich zu Papas sechzigstem Geburtstag mitbrachte«, fügte sie kichernd hinzu.

Wenn man sie so sah, traute man es ihr wirklich nicht zu, daß sie nun eine Doktorin der Chemie war. Und wenn Oliver Birkhoff an jenen Tag dachte, an dem Andrea ihn mit sanfter Gewalt in ihr Elternhaus dirigiert hatte, fühlte er immer noch ein leichtes Unbehagen.

Drei Jahre war es her, und sie erinnerten sich beide an jenen Tag, als sie nun in ihrem Stammlokal zur Feier des Tages etwas ganz Besonderes bestellten. Eine Wildplatte für zwei Personen, denn Wild aßen sie beide für ihr Leben gern, und ab und zu hatten sie sich aus festlichen Anlässen dieses wahrhaft köstliche Mahl gegönnt.

Und immer dachten sie dabei an jenen Tag, als es zwischen ihnen gefunkt hatte. Dieser lag auf den Tag genau drei Jahre zurück, und deshalb hatte Andrea auch gemeint, daß er ihr keinesfalls eine Enttäuschung bringen könnte.

An diesem Tag vor drei Jahren hatte Oliver auch vor der Uni auf sie gewartet, ohne daß sie es jedoch wußte. Er hatte schon öfter gehofft, sie einmal allein zu treffen, aber immer war sie mit Kommilitonen zusammen gewesen, die ihm ein fröhliches »Hallo, Doktor!« zuriefen. Er war ein junger Dozent und sehr beliebt bei den Studenten, und auch manche Studentin hätte gern mit ihm geflirtet, aber er hatte nur Augen für eine einzige, für Andrea Jennings.

Da kam sie nun endlich einmal allein, aber sie bemerkte ihn erst gar nicht. Erst als er sagte: »Hallo, Andrea.«

Sie wollten alle mit dem Vornamen angeredet werden, das hatten sie vereinbart. Jetzt, als sie ihn allein traf, errötete sie.

»Weißt du noch, wie verlegen ich war, Olli? Plötzlich war alles ganz anders, da genügte ein Blick, und dabei sahen wir uns doch vorher auch schon oft.«

Und dabei war sie es gewohnt gewesen, umworben zu werden, was sie allerdings mehr dem bekannten Namen Jennings und dem Reichtum ihrer Familie zuschrieb, als ihrer persönlichen Ausstrahlung. Und vor dieser Familie sollte Oliver Birkhoff regelrecht Angst bekommen. Aber vielleicht war es die Angst, daß man versuchen würde, diese Freundschaft mit Andrea gleich zu unterbinden.

Dabei brauchte er sich wahrhaftig nicht zu verstecken. Er kam aus einer guten Familie, war vielseitig gebildet, schon mit achtundzwanzig Jahren Privatdozent, und man sagte ihm eine große Karriere als Biochemiker voraus, weil er auf seinem Gebiet schon viel geleistet hatte.

Wahrscheinlich hätte man ihm auch große Chancen im Chemiewerk Jennings eingeräumt, wenn er das gewollt hätte, aber er wollte es nicht.

Er hatte gespürt, daß man ihn als einen Mitgiftjäger betrachtete, als Andrea ihn so unbefangen vorstellte, und der Einzige, der ihm freundlich entgegenkam, war Henrik Jennings, Andrea ältester Bruder.

Es gab auch noch einen Christian und eine Marisa Jennings, und dann natürlich die Eltern, Jonas und Christine. Oliver war sich vorgekommen wie in einem Film, in dem man Darsteller zusammengesucht hatte, die einen Familienclan darstellen sollten, so verschieden waren sie allesamt.

Aber etwas Gutes war für ihn damals doch herausgekommen. Er hatte Dr. Norden und seine Frau Fee kennengelernt, und später, bei einer Vortragsreise durch die Schweiz, lernte er auch das Ehepaar Delorme kennen, da er zu einem Konzert von David Delorme eingeladen wurde.

Während der drei Jahre, die er nun schon fest verbandelt war mit Andrea, hatte er die Familie Jennings nur wenige Male zusammen gesehen.

An diesem Tag wurde nun wieder einmal der Geburtstag des Chefs gefeiert, und dazu war Oliver ganz offiziell eingeladen worden.

»Es wird sicher Papas schönstes Geschenk sein, wenn ich mich als Doktorin vorstelle«, sagte Andrea sinnend. Und dann fügte sie mit einem schelmischen Lachen hinzu, daß sie beide ja gut gegessen hätten und zuschauen könnten, wie sich die anderen Gäste auf das Büfett stürzen würden.

»Dir würde da der Appetit sowieso wieder vergehen, Olli«, meinte sie. »Aber heute hast du hier auch ziemlich wenig gegessen.«

Sie hatte es bemerkt, und das behagte ihm nicht. Er hatte schon einige Zeit Magenbeschwerden, denen aber keine Beachtung geschenkt. Er aß unregelmäßig und manchmal auch zu hastig, wenn er im Zeitdruck war. Manchmal wurde es ihm sogar schwindlig, und dann war es ihm wieder, als würden tausend Nadelstiche den ganzen Körper überfallen.

Er hatte schon in seinen medizinischen Büchern nachgelesen, was das wohl sein könnte, und er merkte gar nicht, wie sehr er sich kopfscheu machte, anstatt zum Arzt zu gehen.

Aber da war die Scheu vorhanden, wie bei vielen anderen Menschen auch, daß sie fürchteten, es könnte eine schleichende, gar tödliche Krankheit dahinterstecken.

Andrea wollte er das nicht sagen, gerade heute nicht. Sie war so glücklich, so bezaubernd lieb, daß seine düsteren Gedanken schnell vertrieben wurden.

Aber er wollte doch nicht gleich mitfahren zu ihrer Familie, die den Geburtstag des Familienoberhauptes in der wunderschönen Villa am Tegernsee feierte, diesmal nicht in der Stadt und anscheinend schon im engeren Familienkreise.

»Aber ich sage es erst, wenn du dabei bist, Olli«, versicherte ihm Andrea, »und der Clou wäre es, wenn wir ihnen auch gleich unseren Hochzeitstermin verkünden würden.«

»Das wollen wir mal lieber aufschieben, damit es nicht einen Eklat gibt, Andrea«, sagte er. »Du kennst ja meine Einstellung.«

»Und du kennst meine, Brummel«, lächelte sie. »Sie haben sich doch schon daran gewöhnt, daß du deinen eigenen Kopf hast, und einen, der vor ihnen zu Kreuze kriecht, hätte ich nicht gewollt.«

Das aber sollte nicht bedeuten, daß Andrea ihre Familie nicht auch liebte, aber sie waren eben grundverschieden, und jeder ging seine eigenen Wege, wenn auch nicht gar so beständig wie Andrea.

Sie drückte ihm einen zärtlichen Kuß auf die Wange. »Komm nicht zu spät, Olli«, sagte sie bittend, »ich fühle mich ohne dich auch nicht wohl.«

Er blickte ihr nach, wie sie davonfuhr. Sein Herz schlug dumpf. Er liebte sie über alle Maßen, und der Gedanke, daß sie sich trennen müßten, verursachte ihm quälende Schmerzen. Er wünschte nichts sehnlicher, als nun bald zu heiraten, aber insgeheim fürchtete er schon wieder die Einmischung der Familie, die immer das letzte Wort haben wollte.

Er konnte sich nicht an ihren Lebensstil gewöhnen, an diese Überheblichkeit, weit über anderen zu stehen. Andrea war nicht so, aber sie war auch eine Jennings, und nun würde ihr Vater bestimmt erwarten, daß sie auch im Familienunternehmen ihren Platz einnehmen würde, wie Henrik und Christian. Marisa, die drei Jahre älter war als Andrea, war bereits verheiratet, mit einem Grafen Teysen. Alter Adel und nichts dahinter, hatte Andrea dazu bemerkt. Aber er verlieh dem Namen Jennings zusätzlichen Glanz. Er repräsentierte die Firma im Ausland recht erfolgreich an der Seite seiner kapriziösen Frau.

Sie lebten derzeit in England, befanden sich aber zu diesem Zeitpunkt auf dem Flug nach München, denn den Geburtstag von Jonas Jennings durfte kein Familienmitglied vergessen.

An diesem Tag war Andrea die erste, die die Villa betrat, und sie staunte über die Stille, die hier herrschte. »Hallo, niemand da?« rief sie, und da kam Lisa, das Hausmädchen mit hochrotem Kopf angelaufen.

»Entschuldigen Sie vielmals, gnädiges Fräulein, aber nichts will heute klappen, alles steht kopf.«

»Sie sollen mich nicht gnädiges Fräulein nennen, Lisa«, sagte Andrea betont, »ich kann sehr ungnädig werden. Wo ist die Familie?«

»Die gnädige Frau ruht, sie hat Migräne, der Herr Generaldirektor ist noch bei einer sehr wichtigen Konferenz, und die jungen Herren sind noch mal kurz weggefahren, weil das Büfett noch nicht geliefert ist.«

»Du liebe Güte«, stöhnte Andrea, »das ist wirklich ein bißchen viel auf einmal.« Verständlich, daß die liebe Mama da durchdreht, dachte sie für sich.

Auf Zehenspitzen ging sie zum Zimmer ihrer Mutter. Ganz leise öffnete sie die Tür und wollte sie wieder schließen, weil das Zimmer verdunkelt war, aber da sagte Christine Jennings: »Komm nur herein, ich habe dein ›Hallo‹ gehört.«

»Tut mir leid, Mama, aber ich konnte nicht ahnen, was hier los ist.«

»Was eben nicht los ist«, klagte Christine. »Ich war gleich dagegen, die Party hier zu veranstalten, aber Jonas wollte es ja so, und nun klappt überhaupt nichts. So was ist mir noch nie passiert.«

»Bleibt immer noch der Ausweg, beim Poldi zu feiern, wäre doch auch mal lustig, so ganz rustikal«, meinte Andrea aufmunternd.

»Bitte, höre damit auf, was sollen denn die Gäste denken? Aber vielleicht hat Jonas auch vergessen, die Einladungen rechtzeitig zu verschicken.«

»Frau Bauer ist die Gewissenhaftigkeit in Person, Mama. Sie hat es bestimmt nicht vergessen. Und nun mach dir nicht noch zusätzliche Kopfschmerzen, es geht schon alles in Ordnung.« Sie hob lauschend den Kopf. »Ich höre was, anscheinend kommen die Buben.«

Die Buben, das waren Henrik, dreiunddreißig Jahre, und Christian, einunddreißig.

»Bleib du liegen, Mama, ich kümmere mich um alles«, sagte Andrea.

»Hast du deinen Oliver denn wieder mitgebracht?« fragte Christine.

»Mitgebracht nicht, aber er kommt. Er ist ja offiziell eingeladen. Wenigstens hat er die Einladung noch rechtzeitig bekommen.«

»Davon wußte ich nichts. Anscheinend akzeptiert ihn Jonas nun doch.«

»Ich sehe auch keinen Grund, warum er das nicht sollte. Er könnte von Glück sagen, einen solchen Biochemiker in der Fabrik zu haben.«

»Und warum bewirbt sich Dr. Birkhoff nicht?«

»Weil er es nicht nötig hat. Ihm stehen andere Türen offen, wo ihm nicht das Gefühl gegeben wird, ständig seine Dankbarkeit zeigen zu müssen.«

»Sei doch nicht gleich wieder so aggressiv«, sagte Christine gereizt.

»Ich bin drei Jahre mit Oliver eng befreundet, und ich habe noch nicht ein einziges Mal erlebt, daß ihr, du wie auch Papa, wie Christian und Marisa, ihm einmal freundlich entgegengekommen seid. Einzig Henrik ist nett zu ihm. Aber ich werde ihn heiraten, Mama.«

»Du bist ungerecht, Andrea. Begreifst du denn nicht, daß Eltern, die ihr Kind lieben, sicher gehen wollen, daß es auch wirklich der Richtige ist.«

»Einen Garantieschein bekommt man bestimmt nicht mitgeliefert. Du hast es doch bei deiner Schwester Ulrike gesehen, wie sie ausgeschmiert worden ist.«

Daran wollte sich Christine Jennings nun gar nicht gern erinnern lassen, und schnell lenkte sie ab.

»Schau nur nach, wer gekommen ist«, drängte sie.

Es war Henrik, und er schien sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Er begrüßte Andrea herzlich.

»Du bist allein gekommen?« fragte er.

»Oliver kommt nach.«

»Er würde sich wohl lieber auch drücken?«

Ihre Augenbrauen hoben sich leicht. »Auch? Du scheinst nicht begeistert zu sein.«

»Ich mag nicht, daß sich hier solcher Trubel abspielt. Wir hätten die Party im Hotel steigen lassen können und hätten keine Scherereien gehabt. Aber vielleicht hat Papa tatsächlich gedacht, daß dann viele nicht kommen würden wegen der Anfahrt.«

Andrea warf ihm einen schrägen Blick zu. »Du meinst, er ist des Feierns müde?«

»Ich meine, daß er überhaupt einen müden Eindruck macht.«

»Aber dreiundsechzig Jahre sind kein Alter, Rick.«

»Es machen sich vielleicht doch Abnutzungserscheinungen bemerkbar.«

»Warum muß denn auch immer so groß gefeiert werden?«

»Weil es Tradition ist.«

*

Dr. Norden wurde auch an den Geburtstag von Jonas Jennings erinnert. Sie hatten auch eine Einladung bekommen, aber es stand für sie von vornherein fest, daß sie mit Bedauern absagen würden, denn ihnen war es zu umständlich, an den Tegernsee zu fahren. Sie hatten fünf Kinder, die froh waren, wenn sie ihren Papi mal zu Hause haben konnten, und außerdem hielten die Nordens nichts von solchen Parties, auf denen nur von Geld, Kleidern und gesellschaftlichen Ereignissen geredet wurde.

Aber Fee hatte dennoch darüber gesprochen, ob wohl Oliver Birkhoff nun doch schon zur Familie gehören würde.

»Wir werden es erfahren«, hatte er gemeint.

Und nun staunte er, als Jonas Jennings bei ihm in der Praxis erschien. Er hatte nicht angerufen. Er hatte selbstverständlich vorausgesetzt, daß er sofort vorgelassen würde, und das geschah auch, weil er den Eindruck machte, als ginge es ihm wahrlich nicht gut.

Dorthe konnte sich über ihn eigentlich nicht beklagen. Er kam nur ganz selten mal in die Praxis, und nur, um sich ein Rezept gegen immer wieder auftretende Magenschmerzen zu holen.

Er war zu Dorthe sehr höflich, und sie mochte ihn eigentlich recht gern, weil er noch ein Kavalier der alten Schule war. Sie stufte ihn nicht als arrogant ein, nur als eine sehr starke Persönlichkeit, doch an diesem Tag machte er sogar einen etwas hilflosen Eindruck.

Dr. Norden fragte nicht lange, fühlte den Puls und kontrollierte den Blutdruck.

»Aufregungen gehabt?« fragte er.

»So kann man es nennen. Erst bereitet mir die Firma Ärger, und nun ist da auch noch eine Privatangelegenheit, die mir sehr zu schaffen macht. Ich brauche ein Medikament, damit ich diesen Tag überstehe. Wenn Sie doch kommen würden, Dr. Norden.«

»Vorab möchte ich Ihnen alles Gute wünschen für das neue Lebensjahr, Herr Jennings. Die Aufregungen werden sich wieder legen, und wie ich Sie kenne, werden Sie bald wieder obenauf sein. Aber verraten Sie mir doch, was los war.«

»Zwei Männer haben Opium geschmuggelt, das gibt Ärger. Sie sind bei mir als Kraftfahrer beschäftigt, und ich hatte bisher nichts an ihnen auszusetzen. Sie haben das Zeug in einem Firmenwagen geschmuggelt. Aber damit will ich Sie nicht aufhalten. Den Rest hat es mir heute gegeben, als Henrik mit einem fremden Mädchen daherkam, und sie mir als Jacqueline Bertrand vorstellte. Sie ist nämlich die Tochter von Martin Bertrand, meinem größten Feind.«

»Aber, aber, wir befinden uns doch nicht in einem Krieg, Herr Jennings.«

»Er benimmt sich aber so. Er ist ein Konkurrent. Er ist Franzose. Er schießt mit schweren Geschützen auf mich wegen meiner Düngemittel. Und mein Sohn Henrik wagt es, mir Bertrands Tochter vorzustellen, als wäre sie seine Herzallerliebste.«