Gesundheit ist auch Gefühlssache - Albrecht Hempel - E-Book + Hörbuch

Gesundheit ist auch Gefühlssache E-Book und Hörbuch

Albrecht Hempel

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Beschreibung

Wie beeinflussen Wut, Empörung, Verachtung, aber auch Hoffnung, Zuversicht und Liebe unsere Gesundheit? Dieser spannenden Frage ist der Dresdner Kardiologe Prof. Albrecht Hempel nachgegangen. Gefühle haben in der klassischen Schulmedizin keinen guten Ruf: Wir sollten uns doch lieber an Messwerte und präzise naturwissenschaftlich verifizierbare Erkenntnisse halten. Prof. Hempel ist in seinem Praxisalltag zu völlig anderen Ergebnissen gekommen. Aus seiner Sicht wird die Bedeutung der Gefühle dafür, ob wir gesund oder krank sind, viel zu sehr unterschätzt. Er erläutert, was Gefühle sind, warum und wie sie entstehen und wann wir auf sie hören sollten. Unsere Gefühle funktionieren nach bestimmten Prinzipien und sind daher steuerbar. Deshalb – und das ist die gute Nachricht – können wir selbst viel dafür tun, um aus einer passiven »Opferrolle« in ein kraftvolles, gesundes und glückliches Leben hineinzuwachsen. Schwierige Gefühle wie Angst, Trauer oder Wut sollten wir dabei nicht verdrängen, sondern lernen, sie zu verstehen und ins Positive zu wandeln. Prof. Hempel zeigt: Wer seine Gefühle richtig »erzieht«, kann sie als Schlüssel zur Selbstheilung nutzen.

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Seitenzahl: 252

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Zeit:6 Std. 19 min

Sprecher:Thomas Krause

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Inhalt

Hört auf die Gefühle!

Krankheit hat viele Ursachen

Die Suche nach der fehlenden Verbindung

Deine Gefühle, meine Gefühle – wie wir sie wahrnehmen und bewerten

Wie sich Gefühle äußern und was sie uns sagen wollen

Gefühle können ansteckend sein

Unser sechster Sinn

Gefühle sind nicht irgendwo im Kopf, sie haben ihren Platz in unserem Körper

Glück trifft den vorbereiteten Geist

Fünf plus eins – von welchen Gefühlen reden wir hier überhaupt?

Neue Wege der Heilung

Grundgefühl 1: Wut und Lebenskraft – zwei Seiten der gleichen Medaille

Grundgefühl 2: Trauer und Mitgefühl – eins geht nicht ohne das andere

Grundgefühl 3: Glück – das unendliche Gefühl

Grundgefühl 4: Eifersucht und Interesse – Gefühl mit zwei Körperorten

Grundgefühl 5: Liebe – zu sich selbst, zu anderen und zu Höherem

Plus eins: Angst – unser Beschützer rund um die Uhr

Es gibt keine schlechten Gefühle

Warum wir aufhören sollten, von positiven und negativen Gefühlen zu sprechen

Was Gefühle greifbar macht

Die Botschaft der Gefühle

Warum es starke und schwache Gefühle gibt und warum uns auch ein angenehmes Gefühl manchmal überfordert

Warum manches Gefühl erst in der Wiederholung schwierig wird

Gefühle sind kein Zufall

Wie Gedankenkonstrukte der schwierigen Gefühle uns zu beherrschen drohen

Wie wir lernen können, anders mit unseren Gefühlen umzugehen

Der Umgang mit unseren Gefühlen verändert unser Leben

Wie wir unseren Alltag retten, indem wir Gefühle als wertvollen Schatz ansehen, den wir schonen

Warum wir uns Gefühlen nicht entziehen dürfen

Wie aus »falschem Umgang« mit Gefühlen Krankheiten entstehen

Wir können unsere Gefühle heilen – und was das »Innere Team« damit zu tun hat

Gefühle wirken nach innen und nach außen

Was ich als Herzmediziner aus der Arbeit mit Gefühlen lerne

Der Bauch ist das eigentliche Gehirn

Wenn Nervenzellen als Gefühlsrezeptoren dienen

Den Gefühlen auf der Spur

Im Dialog mit unseren Gefühlen

Gefühle zu wandeln ist auch eine Sache der Übung

Wagen Sie den ersten Schritt

Gefühle sind unser Leben

Die Macht der Wiederholung

Gefühle wandeln – ein Praxisleitfaden

Trauen wir uns, das neue Gefühlswissen anzuwenden – ein Schlusswort

Es gibt immer eine Alternative

Hilfe zur Selbsthilfe

Stellen Sie sich Ihren Gefühlen – leben Sie!

Gefühlstagebuch

Danksagung

Weshalb Gefühle immer auch Botschaften sind

Wieso wir unseren Gefühlen einen höheren Stellenwert einräumen sollten

Warum derjenige, der lernt, auf seine Gefühle zu hören, ein besseres Leben führen wird

Hört auf die Gefühle!

Wenn wir uns umblicken, haben wir gerade in diesem Tagen nicht unbedingt das Gefühl, als stünde alles zum Besten. Von den großen übergeordneten politischen Entwicklungen einmal abgesehen, scheint auch die persönliche Situation vieler Menschen krisenbehaftet zu sein. Wo man hinschaut: Probleme. Die Hälfte aller Ehen scheitert, emotionale Schwierigkeiten unter Jugendlichen nehmen immer weiter zu, der Rauschmittelgebrauch steigt genauso wie andere Süchte – bis hin zur Arbeitssucht. Seelische Erkrankungen, so hat es den Anschein, werden zu Volkskrankheiten, was neben den persönlichen Auswirkungen auf jeden Einzelnen auch bedenkliche volkswirtschaftliche Folgen hat. Immer mehr Menschen brauchen und suchen Hilfe. Warum aber ist das so? Können wir uns »schöne Gefühle« nicht mehr leisten? Und wenn das stimmt: Lohnt es sich dann nicht, in Überlegungen Kraft und Zeit zu investieren, wie dieser Zustand sich ändern lässt? Wären wir nicht viel zufriedener und gesünder, wenn wir unser Gefühlsleben in den Griff bekämen?

Krankheit hat viele Ursachen

Zwei kurze Beispiele aus meiner Tätigkeit als Kardiologe sollen verdeutlichen, wie ich mit der Zeit immer stärker merkte, dass der Schlüssel zu Krankheit und Heilung – und zwar bei Weitem nicht nur zur seelischen Heilung –, in der genauen Kenntnis unserer Gefühle steckt. Die erste Schlüsselszene ereignete sich im Jahr 2000. Ich arbeitete in einem Herzzentrum und im Grunde war der 39-Jährige, mit dem ich dort zu tun hatte, ein Routinefall – auch wenn 39 eigentlich kein Alter war, in dem man normalerweise mit einem Herzinfarkt rechnet. Dieser Mann jedoch war rechtzeitig in die Klinik gekommen, sein Infarkt lag erst etwa zwei Stunden zurück, sodass wir handeln konnten.

Innerhalb von nur 90 Minuten gelang es unserem Team, ein fast völlig verschlossenes Blutgefäß mit einem Katheter, einer so- genannten Ballondilatation und dem Einbau eines Stents stabil wieder zu eröffnen. Zum Glück war es noch zu keiner dauerhaften Schädigung des Herzgewebes gekommen. Fast alles funktionierte wieder wie zuvor. Für mich als Mediziner war damals das erwünschte therapeutische Ergebnis erreicht. Aber sollte es damit wirklich schon getan sein?

Vier Tage später begegnete ich dem Mann im Park der Klinik, in seiner Hand: eine Zigarette. Wenige Tage, nachdem er dem Tod ins Auge geblickt hatte, frönte er den alten Gewohnheiten und fand sichtlich nichts Besonderes dabei. Offenbar war das Rauchen für ihn ebenso selbstverständlich wie in der Zeit vor dem Infarkt.

Ich war mehr als irritiert, denn hier passten die Dinge nicht zusammen. Ganz offensichtlich reichte es dem Patienten, dass wir an seinem Körper eine »Reparatur« vorgenommen hatten und zunächst einmal alles wieder so funktionierte wie vor dem Herzinfarkt. Ich jedoch spürte, dass mich dieser Vorgang in meinem ärztlichen Selbstverständnis zutiefst berührte. War ich nur der Meister in einer Reparaturwerkstatt? Genügte es, Funktions- fähigkeit wiederherzustellen und dann den Blick am Tellerrand abzuwenden? Oder lohnte es sich doch, weiter über diesen hi-nauszublicken, als das bisher der Fall gewesen war? Mehr noch: Musste ich nicht sogar darüber hinausblicken, um meinem medizinischen Anspruch auf Heilung wirklich gerecht zu werden?

Ich fühlte mein ärztliches Selbstverständnis grundsätzlich in Frage gestellt. Offenbar war es weder mir noch dem Patienten gelungen, die Weichen auf eine wirkliche Heilung zu stellen. Diese ist nämlich etwas ganz anderes, als rein symptomorientierte Reparaturarbeiten. Ich rief mir andere Beispiele aus der Vergangenheit in Erinnerung und stellte fest, dass dieser Fall gar nicht einmal so selten vorkam. Patienten wurden als gesund entlassen, weil der körperliche Schaden behoben worden war. In ihrem Gefühl für sich selbst jedoch hatte sich offenbar nichts geändert, sodass die nächste gesundheitliche »Panne« und der entsprechende neuerliche Besuch in der Reparaturwerkstatt vorprogrammiert schienen.

Der scheinbar simple Fall war für mich wie ein Startschuss. Ich weiß nicht, warum es ausgerechnet dieser eine Patient war, der ein solch einprägendes Erlebnis hervorrief, aber er geht mir bis heute nicht aus dem Kopf. Offenbar war mein Geist in diesem Moment bereit, eine neue Bewusstseinsstufe zu erklimmen. Dafür bin ich dem rauchenden Infarktpatienten im Nachhinein fast ein wenig dankbar.

Gefühle sind ein Korrektursystem des Körpers

Wie wir von Psychotherapeuten wissen, ruft ein Herzinfarkt, bei dem ja unser zentrales Organ oder auch nur ein Teil davon abstirbt, bei dem Betroffenen ein Gefühl der Angst vor der totalen Vernichtung hervor, eine regelrechte Todesangst. Immerhin stirbt auch heute noch jeder zweite, wenn der Infarkt nicht möglichst schnell in einer Klinik behandelt wird. Alles, was jemand in solchen Stunden angesichts des möglichen Todes fühlt, müsste ihn doch dazu bewegen, sein Leben grundlegend zu verändern. So jedenfalls dachte ich damals. Doch bei diesem Mann schien dieser »Mechanismus« ganz offensichtlich nicht zu funktionieren. Hatte er den Zusammenhang zwischen seiner Katastrophe und seiner bisherigen Art zu leben gar nicht gefühlt oder zumindest nicht hinreichend stark, nicht klar genug? War es für ihn vielleicht nur eine leichte Ahnung gewesen, auf die man nicht unbedingt etwas geben musste? Und wenn das zutraf, trug dann nur er allein Verantwortung für diese Wahrnehmungsschwäche? Oder waren wir Mediziner mit in der Verantwortung? Gab es da Lücken, die auch ich bislang noch nicht gesehen hatte?

Seit diesem Schlüsselerlebnis beobachtete ich meine Patienten noch genauer und machte eine Feststellung, die meine Art, über Krankheit und Heilung nachzudenken, nachhaltig verändern sollte: Viele Patienten waren krank geworden, weil sie nicht auf ihre Gefühle gehört hatten. Müsste also nicht der entscheidende Ansatz sein, Gefühle stärker ins Leben einzugliedern, um sie als eine Art Frühwarn- und Korrektursystem des Körpers zu nutzen?

Nur kurze Zeit später begegnete mir ein Patient, der mir deutlich machte, dass es so einfach dann doch nicht war. Wir hatten die bedrohlich verstopften Herzkranzgefäße des 62-Jährigen bereits zum zweiten Mal an zwei verschiedenen Stellen mit einem Stent wieder »gängig« gemacht. Da ich, nicht zuletzt durch das Erlebnis mit besagtem rauchenden Infarktpatienten, noch neugieriger auf die Lebensumstände meiner Patienten geworden war als zuvor, interessierte ich mich auch in diesem Fall sehr dafür, was diese ernste Erkrankung beeinflusst haben könnte.

Wie erstaunt war ich, als ich zunächst feststellen musste, dass der Patient offenbar ein extrem gutes und ausgeglichenes Leben führte. Raucher war er nie gewesen, Hektik schien für ihn ein Fremdwort zu sein. Nie hatte er zu viel oder gar zu fett gegessen, und auf Wander- und Spazierwegen fand man ihn deutlich häufiger als vor dem Fernseher. Man sollte meinen, dass es ihm zumeist leicht ums Herz und dieses damit wenigen schlimmen Belastungen ausgesetzt war.

Dennoch plagte ihn diese Enge in der Brust (Angina pectoris), und ich stellte mir die Frage, wie das zusammenpasste. Bei einem ausführlichen Gespräch erfuhr ich dann, dass es in seiner familiären Umgebung immer wieder zu schwierigen Situationen gekommen war. Er erzählte intensiv von verschiedenen Krankheiten bei Angehörigen, von Jobverlusten, Scheidungen, auch von einem Autounfall war die Rede, darüber hinaus noch so manch andere Laune des Zufalls. Entscheidend schien dabei die Rolle zu sein, die er übernahm: Er war immer der Helfer, musste vermitteln, überreden und überzeugen, Auswege suchen, Zeit, oft auch Geld und nicht zuletzt Trost spenden.

Was ich in diesem Gespräch sehr deutlich spürte: Das Unglück der anderen war immer häufiger auch zu seinem persönlichen Unglück, fremdes Pech zu eigenem Pech geworden. Diesen Mann schien gerade seine Fähigkeit, Gefühle zuzulassen, in die Katastrophe geführt zu haben: Er hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes immer alles zu Herzen genommen. Viel zu sehr, wie ihm Freunde schon oft gesagt hatten, und wie wir Ärzte nun an seinen Herzkranzgefäßen sahen. Das gute und für unser soziales Zusammenleben unverzichtbare Gefühl des Mitfühlens hatte hier das erträgliche Maß überschritten und diesen Mann selbst krank werden lassen. Mitleid war zu herzergreifendem Mitleiden geworden.

Die Suche nach der fehlenden Verbindung

Was ich gerade geschildert habe, sind nur zwei Beispiele aus meiner Tätigkeit als Kardiologe, die mich nie wieder losließen. Je länger ich nachdachte, desto mehr ähnliche Episoden fielen mir ein, und irgendwann fand ich dieses offensichtliche Missverhältnis zwischen innerem Erleben und äußerem Handeln so auffällig, dass ich mich gezielt auf die Suche nach Hintergründen und Lösungsansätzen machte.

Wonach ich suchte, war gewissermaßen der »Missing Link«, das Wissen darüber, welche Funktion und welche Folgen Emotionen wie zum Beispiel Wut, Empörung, Verachtung, aber auch Hoffnung, Zuversicht, Freude und natürlich Liebe für die Frage nach Krankheit und Gesundheit haben. Können sie uns wirklich krank machen? Und wenn ja, müssten sie dann im umgekehrten Fall nicht auch die Heilung unterstützen können?

Gefühle, so lernte ich mit der Zeit immer besser, sind nicht das Ungefähre, das nicht richtig Fassbare, mit dem sich aus Sicht eines »richtigen« Arztes besser die Psychologen befassen sollten und die in unserer auf Verstand ausgerichteten Gesellschaft häufig keinen guten Ruf haben – weil man sich nicht auf sie verlassen kann, weil sie zu wenig konkret sind, weil jeder einfach anders fühlt. Unsere Gefühle, davon bin ich mittlerweile überzeugt und davon handelt auch dieses Buch, sind vielmehr die wichtigste Verbindung zwischen Verstand und Körper.

Wieso aber konnte dann der Verstand weder den Infarktpatienten davon abhalten, sich weiterhin Zigaretten anzustecken, noch dafür sorgen, dass der ausgesprochen gesund lebende Familienvater tatsächlich auch körperlich gesund blieb? In beiden Fällen hätte man in einem wissenschaftlichen Versuchsaufbau andere Ergebnisse erwarten müssen. Für mich kristallisierte sich in beiden Fällen immer deutlicher heraus, dass die nicht stimmigen Gefühle die gesuchte Verbindung waren. Sie erklärten letztendlich, warum die Patienten trotz medizinischen Erfolgs keine echte Gesundheit erlangen konnten.

Eine weitere wichtige Erkenntnis liefern diese beiden Beispiele gleich mit: Es spielt überhaupt keine Rolle, ob wir uns über ein negatives Gefühl wie die Todesangst unterhalten, die den Raucher nicht vom Rauchen abhält, oder über ein positives Gefühl wie das Mitempfinden des anderen Patienten, das die Angina pectoris trotzdem nicht verhinderte. Letzteres ist für uns allerdings sehr viel schwerer zu akzeptieren, da es uns vor die Frage stellt, ob auch Mitgefühl Grenzen haben sollte und vielleicht manchmal einfach Feierabend und Urlaub braucht.

Von guten und schlechten Gefühlen

Die größte Schwierigkeit, wenn wir über Gefühle sprechen, besteht darin, dass wir alle genau zu wissen glauben, worüber wir reden. Doch wenn wir einmal genauer in uns hineinhorchen, merken wir schnell, wie oft wir Probleme haben, unsere eigenen Gefühle (und erst recht die der anderen) richtig zu deuten und entsprechende Handlungen aus ihnen abzuleiten. Wir halten uns zwar alle für Fachleute, wissen aber in den meisten Fällen nicht, warum genau wir unter einer unangenehmen Situation leiden. Das liegt daran, dass wir nie konkret über Gefühle sprechen, sondern immer nur sehr allgemein. Ein schöner Tag verschafft uns gute Gefühle. Das spüren wir, doch wir wissen auch nicht, was das genau für gute Gefühle sind. Es reicht uns, wenn wir eine angenehme Leichtigkeit verspüren, keinen akuten Druck und keinen Anflug schlechter Laune. Auf der anderen Seite kennen wir alle den Zustand, in dem sich genau diese schlechte Laune, dieses beginnende Unwohlsein in unser Leben schleicht und wir manchmal nicht mal genau sagen können, was der Grund für dieses Gefühl sein könnte.

»Wir müssen aufhören, gute Gefühle zu suchen und schwierige zu meiden – beide sind wichtig.«

Gute Gefühle suchen wir, denn sie sind gleichbedeutend mit Genuss und Entspannung. Gute Gefühle, das sind Sex, gutes Essen, ein Sieg unserer Lieblingsmannschaft, ein Lob vom Vorgesetzten ... Von ihnen können wir eigentlich nicht genug bekommen. Schlechte Gefühle hingegen versuchen wir zu vermeiden oder zu übergehen, weil sie uns runterziehen, so wie die dauernde Kritik des Partners oder des Chefs, die Ohnmacht gegenüber Belastungen oder das schlechte Gewissen, jemandem Unrecht getan zu haben. Damit wollen wir möglichst nichts zu tun haben. Wenn wir verstehen wollen, was unsere Gefühle uns zu sagen haben, sollten wir uns jedoch von der Einteilung in gute und schlechte Gefühle verabschieden. Nur dann nämlich können wir verstehen, was unsere Gefühle uns zu sagen haben. Die Vorstellung »schlechter« Gefühle führt dazu, dass wir uns nicht mit ihnen beschäftigen mögen und in Verdrängungsprozesse geraten. Die »guten« Gefühle hingegen nehmen wir ohne großes Nachdenken hin, denn das Angenehme stört ja nicht.

Ich habe doch gar keine andere Wahl oder: Warum wir aus der Opferrolle herauskommen sollten

Wenn wir darüber genauer nachdenken, verstehen wir sehr schnell, warum es ein Vorteil ist, über Gefühle Bescheid zu wissen. Gefühle zu verstehen, bedeutet nichts weniger, als ihnen nicht mehr schutzlos ausgeliefert zu sein. Wenn ich mich beispielsweise angegriffen fühle, kann ich mit einem tieferen Verständnis der Gefühle viel besser verstehen, was gerade in mir und mit mir passiert, sodass der Angriff von außen plötzlich viel weniger negative Auswirkungen auf meinen Alltag hat.

Wer seine Gefühle nicht kennt, läuft ständig Gefahr, Opfer zu sein. Er ist offen für Beeinflussungen seiner Gefühle durch andere Menschen. Opfer zu sein ist jedoch etwas, das wir unbedingt vermeiden sollten, denn es behindert uns. Wer sich als Opfer fühlt, versucht nicht mehr, etwas zu verändern. Er wird im schlimmsten Fall dauerhaft depressiv oder anderweitig krank.

Wenn wir uns unserer Gefühle bewusst geworden sind, erlangen wir dagegen Wahlfreiheit. Wer Wahlfreiheit hat, braucht kein Opfer mehr zu sein, denn es gibt immer eine Möglichkeit, die Opferrolle zu vermeiden. Welche Befreiung ist es, wenn jemand, der sein Leben lang geklagt hat, das Leben meine es nicht gut mit ihm, plötzlich erkennt, dass er immer eine Wahl hat. Niemand sagt, dass es leicht ist, diese Wahl zu treffen. Oft ist das unglaublich schwer, weshalb wir ja auch so häufig das Gefühl haben, gar keine Wahl zu haben. Und doch führt kein Weg daran vorbei, die Wahlfreiheit als eine der grundlegenden Freiheiten unseres Daseins überhaupt zu erkennen. Denn wenn wir wählen können, bedeutet das, dass das Leben verschiedene Möglichkeiten für uns bereithält und wir bestimmte Sachverhalte aus einem anderen Blickwinkel betrachten können.

»Wir haben immer eine Wahl und sind damit kein Opfer.«

Es ist ein Anliegen dieses Buches, Ihnen Ihre Gefühle so nahe wie möglich zu bringen. Sie werden erkennen, dass Gefühle nach bestimmten Prinzipien funktionieren und daher verstehbar sind. Damit können Sie selbst sehr viel tun, um aus einer passiven Opferrolle heraus in ein kraftvolles, gesundes und vor allem freudvolles Leben hineinzuwachsen. Diesen Umschwung zu schaffen, ist auch das eigentliche Anliegen unserer schwierigen Gefühle und der Grund dafür, warum wir sie nicht übergehen und verdrängen sollten.

Wir leben doch nicht, um uns unglücklich zu machen

Dieses Buch bietet auch Problemlösungen. Mit der Frage: Wie komme ich wieder in die Kraft, mein Leben glücklich und sinnvoll zu gestalten, wenn sich doch alles schlecht anfühlt? Um diesen Schritt zu schaffen, müssen wir uns jedoch über unsere Gefühle im Klaren sein und müssen anerkennen, dass uns die Wiederholung von Gefühlen, die als »schlecht« empfunden werden, regelrecht krank macht. Diese Erkenntnis ist nicht ganz einfach zu erlangen, weil sie in der Schulmedizin in der Regel keine Rolle spielt und viel zu wenig in Behandlungskonzepte einbezogen wird. Die moderne Schulmedizin ist überwiegend technikgläubig und organorientiert. Das Aufkommen und die stetige Verbesserung bildgebender Verfahren in der modernen Diagnostik hat den Glauben entstehen lassen, Krankheit und Gesundheit einfach auf einem Bildschirm erkennen zu können. Dabei macht gerade das, was wir nicht sehen können, den Unterschied.

Es muss in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden, worum sich der Arzt zu kümmern hat. Ist er Mechaniker, der ausbessert, repariert und den Motor, also den Körper für eine bestimmte Zeitspanne wieder zum Laufen bringt, wenn er begonnen hat, zu stottern? Oder sollte er nicht eigentlich ein Philantrop sein, also ein Menschenfreund, der sich intensiv nicht nur dafür interessiert, woran seine Patienten leiden, sondern vor allem auch warum? Wenn die Medizin das besser verstünde, wäre es auch für Patienten leichter zu akzeptieren, ihren Gefühlen einen höheren Stellenwert einzuräumen. Entscheidend nämlich ist, dass wir verstehen, dass Lebenssinn sich nicht ausschließlich über den Verstand erschließen lässt.

Mir persönlich wurde die Bedeutung der Gefühle für unser Leben, für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit immer klarer, je länger ich intensiv über Fälle wie die beiden eingangs geschilderten nachdachte und mich mit der Tatsache auseinandersetzte, dass von unseren Gefühlen offenbar eine gewaltige Kraft ausgeht. Diese Kraft kann uns in zweierlei Richtung treiben: einerseits zu Sinnerfüllung und Glück, andererseits auch auf die schiefe Ebene von Krankheiten, bis hin zur totalen persönlichen Katastrophe. Welchen der beiden Wege wir letztlich einschlagen, hängt weitgehend davon ab, ob und inwieweit wir es lernen, Herr über unsere Gefühle zu werden. Erst wenn wir ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern uns ihrer bewusst geworden sind, erst wenn wir sie formen, korrigieren, sie also in gewisser Weise »erziehen« und damit auch stärken können, führen uns unsere Gefühle zu einem erfüllten und glücklichen Leben.

»Wenn wir lernen, unsere Gefühle zu verstehen, führen sie uns zu einem glücklichen Leben.«

Um mehr darüber sagen zu können, musste ich herausfinden, was Gefühle sind, woran wir sie erkennen, warum und wie sie entstehen, wann und in welchem Maße wir auf sie hören können und dürfen und wie wir sie im guten Sinne beeinflussen können. Grundlegend für diese Fähigkeit ist die Erkenntnis, dass wir es immer mit den gleichen sechs Grundgefühlen zu tun haben. Genauer gesagt: mit fünf plus einem Grundgefühl, denn eines von ihnen spielt eine so eigene Rolle, dass es eine gesonderte Betrachtung verdient. Die ersten fünf Grundgefühle sind: Trauer, Liebe, Glück, Wut und Eifersucht. Das sechste ist die Angst. Biologisch haben diese sechs Gefühle den Sinn, Leben zu entfalten – niemals es zu be- oder verhindern. Wenn wir also nicht als Zombies durchs Leben gehen wollen, sind unsere Gefühle unsere einzige Chance. Anders gesagt: Die Gesetzmäßigkeiten hinter diesen Gefühlen zu verstehen, führt zu Lebensweisheit – und kann nicht zuletzt helfen, Krankheiten zu vermeiden.

Dieses Buch ist ein Angebot zum Nachdenken. Sich auf geistige Pfade zu begeben, die Sie vermutlich nicht jeden Tag betreten, die aber meiner Überzeugung nach Ihr Leben verändern können. Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute!

Weshalb wir statt von »positiven« und »negativen« Gefühlen lieber von angenehmen und schwierigen Gefühlen sprechen

ieso wir schwierige Gefühle nicht vermeiden sollen, sondern sogar brauchen

Wie uns schwierige Gefühle sagen: So, wie es ist, sollte es nicht bleiben, wir müssen etwas ändern

Deine Gefühle, meine Gefühle – wie wir sie wahrnehmen und bewerten

Alle unsere Gefühle, ganz gleich, ob wir sie nun mögen oder nicht,übermitteln uns immer eine bestimmte Botschaft. Ein Gefühl sagt uns, dass das, was wir gerade erleben – also eine Situation, eine Begebenheit, eine Begegnung –, für uns entweder in Ordnung ist oder eben nicht. Wir sprechen dann meist davon, dass wir positive oder negative Gefühle haben. Oder auch gute beziehungsweise schlechte Gefühle.

Diese Wortwahl vermittelt den Eindruck, dass die jeweils letzteren zu vermeiden sind. Denn wer will sich schon schlecht oder negativ fühlen. Ich werde darauf später noch näher eingehen. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle schon einmal darauf hinweisen, dass es sinnvoll ist, allzu stark wertende Begriffe hinsichtlich unserer Gefühlswelt zu vermeiden, weil sie einfach nicht zielführend sind (Sie werden im Laufe des Buches noch erfahren, wie wichtig es ist, beide Seiten der Gefühlsmedaille zuzulassen und ihre Funktion zu verstehen). Ich spreche deswegen viel lieber von angenehmen und unangenehmen oder auch schwierigen Gefühlen. Letztere sind deshalb wichtig, weil sie richtungsweisende Gefühle sind – Gefühle, die uns, wenn wir sie nicht verdrängen, aufzeigen, dass etwas falsch läuft und wir über eine Richtungsänderung in unserem Leben nachdenken sollten. Die Wertung »negativ« oder »schlecht« trägt in meinen Augen zu stark dazu bei, diese Gefühle zu übergehen und die beschriebene Funktion außen vor zu lassen. Und genau das kann fatale Folgen haben.

Wie sich Gefühle äußern und was sie uns sagen wollen

Angenehme Gefühle sind gute Botschaften. Weil sie uns gefallen, stören sie uns nicht. Im Gegenteil, sie sagen uns: Wie es ist, ist es in Ordnung. Du bist in Ordnung, die Menschen in deiner Umgebung sind es ebenfalls, genauso wie deine derzeitigen Lebensumstände, deine Arbeit und alles andere. Wir müssen in diesem Moment keine Kraft aufwenden, um die Dinge zu ändern. Wir können uns frei entfalten und unsere Fähigkeiten ausbauen, können eigene Erfahrungen sammeln und dürfen dabei sogar Fehler machen und aus ihnen lernen – ohne Druck. Auf dieser emotionalen Basis können wir gleichsam ein Gespür dafür entwickeln, ob die Angebote anderer Menschen wirklich uneigennützig sind und uns guttun. Wir lernen wahrzunehmen, wie sich ein gesunder Lebensfluss und innere Harmonie anfühlen.

Widrige Lebensumstände hingegen erkennen wir daran, dass sie unangenehme Gefühle in uns auslösen. Ein Tag, an dem wir nur »schwierige« Gefühle haben, erscheint uns im Nachhinein als sinnlos, als verlorener Tag. Die Arbeit geht uns in solchen Stunden viel schwerer von der Hand. Wir empfinden keine Freude mehr an ihr und letztlich schaffen wir auch wenig – manchmal sogar, so scheint es uns dann jedenfalls, gar nichts.

Welche konkreten Ursachen dafür verantwortlich sind, wissen wir oft nicht. Mitunter fällt es uns sogar schwer, überhaupt einen Grund dafür dingfest zu machen, warum wir uns gerade so mies fühlen. Vielleicht waren wir unausgeschlafen und noch erschöpft vom Vortag? Irgendwie glauben wir dann zu »wissen«, dass die anstehenden Aufgaben zu groß für uns sind und uns deshalb überfordern werden. Möglicherweise aber ist auch unser Umfeld, sind die aktuellen Bedingungen dafür gerade alles andere als günstig. Oder es mangelt »nur« an der nötigen Unterstützung. Wir spüren das, und es macht uns mehr als nur »unlustig«.

Diese Ungenauigkeit zeigt: Wir verstehen ein unangenehmes Gefühl nicht sofort. Es dauert eine gewisse Zeit, bis seine Botschaft zu uns durchdringt. Deshalb ist dieses Gefühl »gezwungen«, immer wieder aufs Neue aufzutauchen, jedes Mal länger zu bleiben und mit wachsendem Nachdruck dafür zu sorgen, dass wir uns irgendwann so unbehaglich fühlen, dass wir »endlich« reagieren. Manche Menschen spüren diese unwillkommene Handlungsaufforderung zuerst im Magen, vielleicht als ein Brennen oder als allgemeinen Druck, andere spüren eine mehr oder weniger stark schmerzende Beklemmung in der Herzgegend –mitunter als plötzliches Stechen oder ungewohnt stark spürbares Klopfen. Auch wenn wir ihre Botschaft nicht gleich erkennen, sagen uns schwierige Gefühle damit: So, wie es ist, sollte es nicht bleiben. Etwas muss anders werden.

»Schwierige Gefühle verschwinden nicht einfach, sondern bleiben, damit wir sie verstehen.«

Die Botschaft, die ein unangenehmes Gefühl an uns richtet, bleibt zunächst einmal in uns verschlossen, auch wenn wir sie vor unseren Mitmenschen meist nur schlecht verbergen können. Doch es geht allein um uns, wir sollen verstehen: Zuallererst bist du die- oder derjenige, die/der etwas ändern muss, und vielleicht musst du dich sogar selbst ändern.

Nicht selten bringt uns das in eine Art Zwickmühle: Wir wissen, dass wir unbedingt etwas unternehmen müssen, um die schwierigen Gefühle loszuwerden. Doch gleichzeitig sind es eben genau diese Gefühle, die uns die Energie rauben, die wir für ein entschiedenes Handeln so dringend brauchen. Das Ergebnis ist häufig eine Patt-Situation: Beide Beweggründe ziehen in unterschiedliche Richtungen, während wir mittendrin genau dort verharren, wo wir schon die ganze Zeit stehen.

Wenn solch eine Pattsituation längere Zeit anhält, laufen wir Gefahr, dass alles noch schlimmer wird. Letztendlich können wir an dieser misslichen Lage sogar richtig krank werden – seelisch, aber auch körperlich.

Diese unerfreuliche Tatsache könnte uns verständlicherweise dazu verleiten, anzunehmen, unangenehme Gefühle seien »von sich aus« schlecht und schädlich. Das Gegenteil aber ist der Fall: Sie sind immer nützlich. Mehr noch: Sie sind tatsächlich unersetzlich! Und je unangenehmer sie für uns sind, desto eher sind wir bereit zu reagieren. Genau darin liegt ihre »Absicht«, ihre Funktion im biologischen Sinne. Es ist an uns, diese Aufgabe und die Botschaft zu verstehen und – möglichst ohne Verzug – auf sie zu hören. Wir dürfen uns nur nicht darüber erschrecken und davon entmutigen lassen, dass schwierige Gefühle immer einen eigenen Kampf führen und versuchen, den Sachverhalt, der sie ausgelöst hat, festzuhalten, anstatt ihn gehen zu lassen.

Gefühle können ansteckend sein

Angenehme oder unangenehme Gefühle entstehen aber nicht nur in uns selbst als Reaktion auf äußere Umstände. Manchmal erreichen sie uns gewissermaßen schon »fertig« von außen und schieben schwere dunkle Wolken vor unseren gerade heiteren blauen Himmel und färben ihn grau.

Die schlechte Stimmung kommt in diesem Fall von anderen Personen und kann uns sogar dann »befallen«, wenn wir noch kein einziges Wort mit den anderen gesprochen haben. Oft kennen wir noch nicht einmal die Ursache, die jenes unerfreuliche Gefühl in diesen Menschen entstehen ließ. Und trotzdem haben wir auf scheinbar unerklärliche Weise von einer Sekunde auf die andere mehr oder minder intensiv daran teil.

Sie kennen das vielleicht: Sie hatten einen guten Tag, die Arbeit ist erledigt, nichts Wichtiges ist liegen geblieben, und Sie überlegen, wie Sie den Tag noch schön ausklingen lassen können. Da geht die Tür auf und Ihre Partnerin oder Ihr Partner kommt herein. Sofort spüren Sie sie: diese unangenehme Schwingung, die Ihnen spontan Ihre gute Laune nimmt und alle Pläne für den Abend mit einem Schlag zunichte macht. Die/der andere braucht Ihnen gar nicht erst zu erzählen, welchen Stress sie/er im Büro hatte oder welcher Autofahrer sie/ihn auf der Heimfahrt verärgert hat: Sie spüren diese Geschehnisse, als seien sie Ihnen selbst passiert, und sind schlagartig genauso schlecht gelaunt wie Ihr Gegenüber.

»Manchmal erreichen uns die schwierigen Gefühle schon fertig von außen.«