Gesundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf - Uta Klusmann - E-Book

Gesundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf E-Book

Uta Klusmann

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Beschreibung

Nicht nur Lehrerinnen und Lehrer selbst haben ein Interesse daran, mit Gesundheit, Wohlbefinden und Arbeitszufriedenheit durch das Berufsleben zu gehen. Auch für politische Entscheidungsträger, Verbände und Schulleitungen ist das Thema von hoher Relevanz, da die Bedeutung von Lehrkräften für die Qualität von Unterricht, Schule und dem Bildungssystem immer deutlicher wird. In der Forschung wird der Lehrerberuf – die belastenden, aber auch die gesundheitsförderlichen Faktoren – verstärkt in den Fokus genommen. So sind zahlreiche empirische Befunde zur Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern veröffentlicht worden. Aber auch in der Praxis wird die Berufsgruppe der Lehrerinnen und Lehrer als Zielgruppe erkannt, und es werden zunehmend speziell auf den beruflichen Kontext Schule ausgerichtete Angebote entwickelt. Dieses Buch hat den Anspruch, nicht nur die neusten Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zum Thema Gesundheit im Lehrerberuf darzustellen, sondern auch der Vielschichtigkeit des Themenfelds gerecht zu werden. Das Buch bietet an der Schnittstelle zwischen pädagogisch-psychologischer Forschung und schulpsychologischer Beratungspraxis einen umfassenden Überblick über aktuelle theoretische Ansätze und empirische Befunde sowie ganz konkrete Handlungsmöglichkeiten für die Schulpraxis, u.a. zur Reflexion der beruflichen Rolle, erhöhter Achtsamkeit und Selbstfürsorge im Schulalltag, mehr Professionalität in schwierigen Arbeitssituationen, Möglichkeiten einer ausgewogeneren Work-Life-Balance sowie Anregungen für eine gesunde Schule.

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Uta Klusmann

Natalie Waschke

Gesundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf

Psychologie im Schulalltag

Band 1

Gesundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf

Prof. Dr. Uta Klusmann, Natalie Waschke

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Caterina Gawrilow, Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, Prof. Dr. Ulrich Trautwein, Prof. Dr. Christina Schwenck, Stefan Drewes

Prof. Dr. Uta Klusmann, geb. 1976. 1999 bis 2004 Studium der Psychologie an der FU Berlin; 2008 Promotion, 2005 bis 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am MPI für Bildungsforschung. 2010 bis 2013 Juniorprofessorin für Lehr-Lern-Forschung an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Seit 2013 Professorin für Empirischen Bildungsforschung am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel. Arbeitsschwerpunkte: Wohlbefinden und professionelle Kompetenz von Lehrkräften.

Dipl.-Psych. Natalie Waschke, geb. 1986. 2005 bis 2011 Studium der Psychologie in Köln; anschließend dort Dozentin für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie. Seit 2012 Schulpsychologin im Zentrum für Schulpsychologie in Düsseldorf. Arbeitsschwerpunkte: Beratung von Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern; Lehrergesundheit und Prüfungsangst.

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Umschlagabbildung: © DGLimages – iStock.com by Getty Images

Satz: Matthias Lenke, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2018

© 2018 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2863-5; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2863-6)

ISBN 978-3-8017-2863-2

http://doi.org/10.1026/02863-000

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Anmerkung:

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Gesundheit im Lehrerberuf: Eine Einführung in ein individuell, schulisch und bildungspolitisch relevantes Thema

2 Grundlegende Konzepte und theoretische Ansätze

2.1 Einführung zentraler Konstrukte zum Thema Gesundheit

2.1.1 Beeinträchtigung von Gesundheit: Stress, Beanspruchung und Burnout im Beruf

2.1.2 Die positive Seite von Gesundheit: Arbeitszufriedenheit, Engagement und Freude an der Arbeit

2.2 Zentrale Theorien zur Erklärung (beruflicher) Gesundheit

2.2.1 Das Transaktionale Stressmodell

2.2.2 Stress als Resultat fehlender Ressourcen

2.2.3 Berufliche Anforderungen und Ressourcen

3 Aktuelle Forschungsbefunde zur Gesundheit im Lehrerberuf

3.1 Gesundheitsstand der Berufsgruppe

3.2 Berufliches Wohlbefinden und Unterrichtsverhalten

3.3 Ursachen von Wohlbefinden und Gesundheit

3.3.1 Berufswahl und potenzielle Selektionseffekte

3.3.2 Individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten

3.3.3 Schulischer Kontext und berufliche Anforderungen

3.4 Interventions- und Trainingsstudien

3.4.1 Förderung individueller Ressourcen und Bewältigungskompetenzen

3.4.2 Förderung berufsspezifischen Wissens und Könnens

4 Konkrete Handlungsoptionen

4.1 Der Blick auf sich selbst

4.1.1 Das berufliche Selbstverständnis

4.1.2 Energiespender und -fresser

4.1.3 Stressbeschleunigende Gedanken

4.1.4 Achtsamkeit

4.1.5 Selbstwertschätzung

4.2 Kompetenzen und Professionalisierung

4.2.1 Klassenführung

4.2.2 Schwierige Gespräche führen

4.2.3 Umgang mit negativen Emotionen

4.2.4 Unterstützung nutzen

4.2.5 Zeitmanagement

4.3 Work-Life-Balance

4.3.1 Von der Arbeit in die Erholung

4.3.2 Erholung

4.3.3 Entspannungstechniken

4.4 Gesundheit im Schulsystem

4.4.1 Gesundheitsförderliches Schulleitungshandeln

4.4.2 Entlastungsideen für Schulen

4.4.3 Gesundheit als Schulentwicklungsthema

5 Ausblick

6 Weiterführende Literatur

Literatur

|7|Vorwort

Lehrerinnen und Lehrer sind Schlüsselfiguren im schulischen Alltag. Sie gestalten den Unterricht, machen außerunterrichtliche Angebote und begleiten Schülerinnen und Schüler und ihre Familie teilweise über einen langen Zeitraum. Die Anforderungen und Erwartungen an Lehrkräfte sind hoch, von Seiten der Gesellschaft, der Politik, der Eltern und Schülerinnen und Schüler. Eine zentrale Voraussetzung, den Erwartungen und Anforderungen gerecht zu werden, sind gesunde und engagierte Lehrkräfte.

Die Basis des aktuellen Buches bildet unsere langjährige Arbeit zum Thema Gesundheit im Lehrerberuf. Dabei war es uns ein wichtiges Anliegen, dass sich Forschung und Praxis in diesem Buch begegnen. So haben wir versucht unsere Erfahrungen in der Forschung und der schulpsychologischen Arbeit mit belasteten Lehrkräften oder Kollegien zu integrieren.

Wir möchten all denjenigen Lehrkräften, Schulpsychologen und Schulpsychologinnen, Studierenden und Wissenschaftler bzw. Wissenschaftlerinnen, die sich wissenschaftlich und/oder in der Praxis mit dem Thema Gesundheit in der Schule beschäftigen, sowohl aktuelle Forschungsbefunde als auch praktische Handlungsempfehlungen vermitteln.

Wir möchten uns bei allen bedanken, die uns während der Anfertigung dieses Buches unterstützt haben und auch bei den vielen Lehrkräften, die an unseren Studien und Gesundheitstagen teilgenommen haben.

Besonderer Dank gilt unseren Ansprechpersonen im Verlag, Dr. Michael Vogtmeier, Kathrin Rothauge und Franziska Stolz, sowie den Herausgebern der Reihe „Psychologie im Schulalltag“, Stefan Drewes, Prof. Dr. Caterina Gawrilow, Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, Prof. Dr. Ulrich Trautwein und Prof. Dr. Christina Schwenck für die Möglichkeit, dieses Buch zu verwirklichen.

Viele Personen haben dieses Buch im Lauf der Entstehung gelesen, Ideen beigesteuert und uns Rückmeldung gegeben. Unser Dank geht hierbei besonders an Karen Aldrup, Juliane Schmidt und Katharina Zimmermann sowie Annika Winter, Vanessa Rieks, Sandra Schneider und Stefanie Hölsken.

|8|1 Gesundheit im Lehrerberuf: Eine Einführung in ein individuell, schulisch und bildungspolitisch relevantes Thema

Gesundheit im Lehrerberuf – das ist weder ein Zustand, den man hat oder nicht hat, noch ein Zustand, den man erreicht und ab einem gewissen Alter wieder verliert. Gesundheit ist ein komplexes Phänomen (siehe Kapitel 2), das alle Lebensbereiche betrifft und für die Berufstätigkeit einen hohen Stellenwert hat. Die beruflichen Tätigkeiten und die Gestaltung der beruflichen Umwelt können sowohl die Gesundheit beeinträchtigen, Stress und Burnout verstärken, als auch zu beruflicher und allgemeiner Zufriedenheit und Engagement beitragen. Gleichzeitig hat die Gesundheit einer Lehrkraft auch Konsequenzen für ihr berufliches Verhalten, z. B. wie engagiert sie den beruflichen Anforderungen begegnen kann. Somit ist die Lehrergesundheit nicht nur ein persönliches, sondern auch ein schulisch und bildungspolitisch relevantes Thema. Wie das vorliegende Buch zeigen soll, gibt es aus der psychologischen Forschung mittlerweile wichtige Erkenntnisse zu Bedingungsfaktoren, Konsequenzen sowie Interventionsmöglichkeiten.

Die Empirie versucht herauszufinden, welche Personen aufgrund welcher Faktoren möglicherweise eher gefährdet sind, im Beruf zu erkranken (siehe Kapitel 3). Dennoch gibt es kein Fallbeispiel, das einen stereotypen Verlauf eines erkrankten Lehrers bzw. einer Lehrerin darstellt und gleichzeitig für alle Lehrerinnen und Lehrer passend wäre. Lehrerinnen und Lehrer sind so verschieden, wie Menschen eben verschieden sind. Sie unterscheiden sich im Geschlecht, im Alter, in der Herkunft, der eigenen (Schul-)Biografie, den Lebensumständen, Interessen und Ansprüchen. Einige Faktoren, wie die Lebensumstände und die Belastbarkeit, verändern sich über verschiedene Lebensabschnitte hinweg, was die Variabilität nur erhöht.

Dies macht deutlich, dass das Individuum mit all seinen Besonderheiten beim Thema Gesundheit im Lehrerberuf eine wichtige Rolle spielt. Gleichzeitig kann die Forschung – wie wir noch sehen werden – wichtige Erkenntnisse für die praktische Arbeit beitragen. In der schulpsychologischen Praxis begegnet man Leh|9|rerinnen und Lehrern mit ihrer ganz eigenen individuellen Geschichte, eigenen Bewältigungsstrategien sowie eigenen Motiven, sich mit ihrer Gesundheit auseinander zu setzen. Um der Vielfalt des Themas gerecht zu werden, skizzieren wir im Folgenden daher einige Fallbeispiele, die so oder so ähnlich in Schulen zu finden sein oder in einer schulpsychologischen Beratungsstelle vorstellig werden könnten.

Eine Lehrerin mit verloren gegangener Energie

Frau K. ist 60 Jahre alt und arbeitet seit fünfunddreißig Jahren als Grundschullehrerin. Sie hat eine erwachsene Tochter, die in einer anderen Stadt studiert. Frau K. hat immer gerne als Grundschullehrerin gearbeitet und sich insbesondere in der Elternarbeit und in verschiedenen schulischen Projekten eingebracht. In den letzten Jahren bemerkt Frau K. allerdings zunehmend, dass sie am Ende jedes Schuljahres sehr stark erschöpft ist. Sie fühlt sich öfter dünnhäutig, genervt und reagiert sensibler auf Lärm. Zuletzt hat sie in der Klasse laut herumgeschrien, als ein Schüler nach der dritten Ermahnung noch immer mit dem Sitznachbarn quatschte – was sie im Nachgang erschrocken und beschämt hat. Früher war Frau. K.s Umgang mit den Kindern warmherzig und zugewandt. In letzter Zeit hat sie den Eindruck, keine Beziehung mehr zu ihren neuen Schülerinnen und Schülern aufbauen zu können.

Mittags muss sie nach der Schule erst mal einen langen Mittagsschlaf halten, um wieder genügend Energie für den restlichen Tag zu bekommen. In Folge dessen hat sie einige schulische Projekte an andere Kollegen abgegeben. Auch im Nachmittagsbereich hat Frau K. einige Aktivitäten gestrichen, die sie sonst immer gerne gemacht hat. Sie trifft sich seltener mit ihren Freunden, zieht sich zu Hause immer mehr zurück. Auch zum Salsakurs ist sie seit Monaten nicht mehr gegangen, weil sie sich abends zu erschöpft fühlt. Dafür hat Frau K. die Leitung einer neuen Klasse übernommen, die sie sehr fordert. Eigentlich hätte sie lieber auf die Übernahme einer neuen Klassenleitung verzichtet. Sie hatte sich aber nicht getraut, dies gegenüber der Schulleitung zu äußern, da Frau K. um die enge personelle Besetzung in der Schule wusste und Sorge hatte, dass andere Kolleginnen und Kollegen unter ihrer Entscheidung zu leiden haben. Gleichzeitig merkt Frau K., dass die Gesamtsituation ihr an die Substanz geht. Immer öfter bekommt sie starke Migräneattacken und muss zu Hause bleiben. Die Anzahl ihrer Krankheitstage ist dadurch in den letzten Monaten deutlich angestiegen. Frau K. würde gerne für die letzten Berufsjahre wieder weniger erschöpft und mit mehr Engagement durchs Schuljahr kommen und sucht jetzt nach Möglichkeiten für sich.

|10|Ein Lehrer mit vielen Aufgaben und wenig Zeit

Herr H. ist Anfang 40, verheiratet und hat zwei kleine Kinder. Seinen Beruf als Gymnasiallehrer für Sport und Biologie geht er humorvoll und mit Elan an. Bei den Schülerinnen und Schülern sowie im Kollegium ist Herr H. beliebt. In der Schule hat er verschiedene Ämter übernommen und befindet sich auch in der Ausbildung als Beratungslehrer. Sowieso wird er in den Pausen und nach der Schule oft von anderen angesprochen und nimmt sich der Anliegen anderer auch gerne an. Herr H. ertappt sich allerdings immer häufiger dabei, wie er sich durch die verschiedenen Aufgaben und Anliegen manchmal verzettelt. Oft sitzt er noch bis spät abends in seinem Arbeitszimmer, um Oberstufenklausuren zu korrigieren oder kopiert in allerletzter Minute Arbeitsblätter für die nächste Stunde. Mehrmals hat er Materialien zu Hause vergessen oder musste Termine verschieben, weil sein Zeitplan zu eng getaktet war. Zu Hause hat sich zudem seine Frau beschwert, dass er so viel arbeitet. Herr H. selbst wünscht sich mehr Zeit für seine Familie und für sich selbst. Gleichzeitig möchte er seine Stellung in der Schule nicht aufgeben, da sie ihm Freude und Arbeitszufriedenheit verschafft. Herr H. fragt sich, ob er einen Weg finden kann, die verschiedenen Aufgaben und Rollen zu vereinen.

Eine Lehrerin mit vielen neuen Herausforderungen

Frau M., 30 Jahre alt, ist gerade mit dem Referendariat fertig geworden und arbeitet jetzt als Sonderpädagogin in einer Förderschule für Hören und Kommunikation. Aktuell ist natürlich jede Situation für sie neu: der erste Elternabend, die erste Projektwoche, der erste Ausflug oder die ersten Förderplangespräche mit Eltern. Vor jeder neuen Situation macht sich Frau M. viele Gedanken, denn sie versucht sich bestmöglich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Insgeheim stresst sie das. Am Abend vor einem Elterngespräch hat Frau M. letztens wach im Bett gelegen, weil sie die potenziellen Gesprächsausgänge immer und immer wieder in ihrem Kopf durchgegangen ist. Da sie Sorge hat, unerfahren zu wirken, hat sie sich bislang nicht getraut, erfahrene Kolleginnen und Kollegen anzusprechen, obwohl diese ihre Hilfe angeboten haben. Frau M. ist sich sicher, dass sie über die Jahre mehr und mehr Erfahrung dazu gewinnen und die Belastung dann auch abnehmen wird. Daher macht sich Frau M. eigentlich noch keine großen Gedanken um ihre Gesundheit, möchte aber dennoch präventiv schauen, was sie noch verändern kann, damit dies auch langfristig so bleibt.

Die drei Fälle zeigen ganz verschiedene Ausgangslagen der beispielhaft skizzierten Lehrerinnen und Lehrern auf. So unterschiedlich die Lebensumstände, Problemstellungen und Anliegen der Lehrerinnen und Lehrer sind, so unterschiedlich |11|werden die Lösungen und Handlungsstrategien sein, welche sie für sich finden – sei es durch eigene Reflexion, Austausch mit Kolleginnen und Kollegen oder in außerschulischen Angeboten (siehe Kapitel 4).

Dieses Buch hat daher den Anspruch, nicht nur die neusten Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zum Thema Gesundheit im Lehrerberuf darzustellen, sondern auch der Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit des Themenfelds gerecht zu werden.

|12|2 Grundlegende Konzepte und theoretische Ansätze

Lehrkräfte sind wichtige Akteure im Bildungssystem und haben bedeutsamen Einfluss auf die Qualität von Schule, Unterricht und die Lern- und Entwicklungsprozesse der Schülerinnen und Schüler (Hattie, 2009). Die beruflichen Anforderungen, die sich den Lehrkräften stellen, sind vielfältig und beinhalten die Planung und Durchführung eines kognitiv anregenden, klar strukturierten und unterstützenden Unterrichts, die Nachbereitungen, die pädagogische Interaktion mit Schülerinnen und Schülern auch außerhalb des Unterrichts, die Kooperation mit Kollegium und Schulleitung, die Beratung von Eltern, sowie die Beteiligung an Schulentwicklungsprozessen. Die dafür notwendigen Kompetenzen wurden vielfach beschrieben (Baumert & Kunter, 2006; Doyle, 1986; KMK, 2004). Es ist naheliegend, dass diese anspruchsvollen Tätigkeiten nur von gesunden und engagierten Lehrkräften erfolgreich zu bewältigen sind. Ist die Gesundheit der Lehrkraft beeinträchtigt, hat dies aufgrund ihrer zentralen Stellung im Schulsystem vielfältige persönliche sowie berufsbezogene Konsequenzen (siehe auch Kapitel 3). Auf persönlicher Ebene sind seit langem die Folgen von chronischen beruflichen Stress für die physische und psychische Gesundheit bekannt (Schaufeli & Bakker, 2004b). Auch auf beruflicher Ebene ist mit erheblichen Konsequenzen beispielsweise durch häufigere oder längere Fehlzeiten zu rechnen. Zusätzlich mehren sich in jüngster Zeit die empirischen Hinweise, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen in Form von Stress und Burnout-Symptomen negative Konsequenzen für die Qualität des Unterrichts und die psychosoziale und kognitive Entwicklung der Schülerinnen und Schülern haben können (Klusmann, Richter & Lüdtke, 2016; McLean & McDonald Connor, 2015).

Vieles spricht also dafür, dem Thema Lehrergesundheit entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen. Dies gilt sowohl für die Bereitstellung wissenschaftlicher Befunde als auch die Rezeption dieser Befunde durch politische Akteure, Schulleitungen, Schulpsychologinnen bzw. Schulpsychologen und Lehrkräften. Allerdings stellt sich insbesondere bei der Rezeption der zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen die Herausforderung, dass die intensiven Forschungsaktivitäten der letzten Jahrzehnte eine Vielfalt von Konzepten und theoretischen Ansätzen hervorgebracht haben, die oftmals nicht trennscharf verwendet werden. Das folgende |13|Kapitel widmet sich dieser Herausforderung und möchte durch die Darstellung ausgewählter Begriffe (Kapitel 2.1) und zentraler theoretischer Ansätze zur Erklärung von Gesundheit (Kapitel 2.2) eine erste Orientierung im Thema bieten.

2.1 Einführung zentraler Konstrukte zum Thema Gesundheit

Die Gesundheit einer Person lässt sich durch die Abwesenheit von psychischen und physischen Krankheiten bestimmen, so lautete die frühere Definition entsprechend eines pathogenetischen Modells. Heute allerdings wird Gesundheit nicht mehr nur durch die Abwesenheit von Krankheiten sondern auch durch das Vorhandensein positiver Erlebensqualitäten wie dem psychischen und sozialen Wohlbefinden definiert (vgl. Knoll, Scholz & Rieckmann, 2017; WHO, 1986). Dabei wird betont, dass Gesundheit ein Prozess ist, der immer wieder neu justiert werden muss und in dem die subjektive Einschätzung der Person eine wichtige Rolle spielt.

In der wissenschaftlichen Psychologie werden verschiedene Konstrukte als Teilaspekte von Gesundheit und Wohlbefinden verstanden. Diese lassen sich zunächst danach unterscheiden, ob sie sich der Beschreibung einer negativen Erlebensqualität wie Stress, Beanspruchung oder Burnout als die Gesundheit beeinträchtigende Faktoren widmen, oder ob sie positive Erlebensqualitäten wie Arbeitszufriedenheit, Engagement und Freude betrachten. Das Verhältnis der positiven und negativen Erlebensqualitäten wird viel diskutiert (van Horn; Taris, Schaufeli, Schreurs, 2004). Wichtig ist, dass die Abwesenheit von negativem Erleben wie Stress oder Burnout-Symptomen nicht gleichzeitig die Anwesenheit von Engagement und Zufriedenheit impliziert. Ebenso muss eine eher erschöpfte Lehrkraft nicht gleichzeitig auch unzufrieden sein.

Im Folgenden werden wir zentrale Konstrukte in Hinblick auf negatives sowie positives berufliches Erleben einführen. Sichtet man die Literatur, lässt sich feststellen, dass sich sehr viele Arbeiten einem beeinträchtigten Wohlbefinden widmen, weswegen diese Konzepte auch hier mehr Raum einnehmen werden. Nichtsdestotrotz gilt: Eine gesunde Lehrkraft ist nicht nur nicht gestresst, sondern auch mit ihrer Arbeit zufrieden und engagiert.

2.1.1 Beeinträchtigung von Gesundheit: Stress, Beanspruchung und Burnout im Beruf

Ich habe so viel Stress bei der Arbeit. Ich fühle mich überlastet. Meine Arbeit ist stressig. Sätze wie diese gehören mittlerweile in den Alltagswortschatz der meisten Berufstätigen. Auch die psychologische Forschung hat eine lange Tradition in der |14|Untersuchung von Belastungen und Stress sowohl im Allgemeinen als auch spezifisch im beruflichen Kontext. Aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz der Berufsgruppe ist eine Forschungslinie speziell zum beruflichen Wohlbefinden von Lehrkräften entstanden. Die psychologische Terminologie unterscheidet sich dabei vom alltäglichen Sprachgebrauch. Allerdings werden auch innerhalb der psychologischen Literatur Konstrukte wie Beanspruchung, Belastung, Stress, und Burnout nicht immer trennscharf verwendet. Aus diesem Grund soll zunächst eine Klärung der wichtigen Begriffe erfolgen.

Stress: Verschiedene Perspektiven auf ein bekanntes Phänomen

Bitte überlegen Sie kurz:

Was bedeutet „Stress“ für Sie? Welche Gedanken und Gefühle sind mit dem Erleben von Stress verbunden? Bitte notieren Sie kurz Ihre Überlegungen.

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In der Stressforschung existieren verschiedene Überlegungen zur Entstehung von Stress. Dabei lassen sich drei unterschiedliche Konzeptionen von Stress unterscheiden: stimulusorientierte, reaktionsorientierte und relationale bzw. transaktionale Ansätze (Knoll et al., 2017; Schwarzer, 1996). Stimulusorientierte Ansätze von Stress konzentrieren sich auf die Identifikation und Beschreibung bestimmter Umweltreize, die eine Stressreaktion bei dem betroffenen Individuum hervorrufen. Bei solchen – auch als Stressoren bezeichneten – Umweltereignissen werden ganz unterschiedliche Faktoren betrachtet. Viel Forschung gibt es beispielsweise zur Bedeutung sogenannter kritischer Lebensereignisse (siehe auch Aymanns & Filipp, 2009). Kritische Lebensereignisse markieren Übergänge von einer Lebenssituation zur einer anderen, wie beispielsweise der Übergang in den Beruf, Berufswechsel, Arbeitslosigkeit oder aber auch im privaten Bereich ein Umzug, die Geburt eines Kindes oder der Verlust einer engen Bezugsperson. Kritische Lebensereignisse müssen nicht notwendigerweise negativ bewertet werden (z. B. zählt auch die eigene Hochzeit zu den kritischen Lebensereignissen). Vielmehr ist entscheidend, dass diese Ereignisse die Personen mit multiplen Veränderungen konfrontieren, die eine komplexe psychologische Anpassungsleistung erfordern. Sucht man nach erklärenden Faktoren für negatives Erleben in Form von Unzufriedenheit und negativen Emotionen, können kritische Lebensereignisse Auslöser für psychi|15|sche Belastungen sein. Bei Lehrkräften sind solche kritischen Ereignisse der Einstieg in die berufliche Praxis oder ein beruflicher Wechsel, die zunächst mit einer Reduktion des Wohlbefindens einhergehen können (siehe Kapitel 3). Aber nicht nur die großen Lebensereignisse mit ihren vielfältigen Veränderungen werden als stressrelevant diskutiert. Auch relativ alltägliche Ereignisse, wie eine bestimmte Prüfung, eine Lehrprobe, ein bestimmtes Konfliktgespräch können als sogenannte daily hassles zum Stresserleben einer Person beitragen (vgl. Almeida, 2005).

Im Gegensatz zu reizorientierten Ansätzen konzentrieren sich reaktionsorientierte Ansätze auf die (physiologische) Reaktion des Individuums auf ein Umweltereignis. Die reaktionsorientierte Auffassung geht insbesondere auf die Arbeiten von Selye (1981) zurück. Er verstand Stress als universelle physiologische Reaktion eines Individuums, die sich durch drei typische Phasen beschreiben lässt. Die erste Phase ist durch die Alarmreaktion des Körpers gekennzeichnet, in der es zu Herzrasen und Blutdruckabfall kommt. Die darauffolgende Widerstandsphase ist durch eine erhöhte Sympathikusaktivierung und gesteigerte Kortisolausschüttung charakterisiert, die über einen längeren Zeitraum als schädlich für den Organismus angesehen wird. Auf die Widerstandsphase folgt die dritte Phase, die durch einen Zustand der Erschöpfung gekennzeichnet ist. In neueren Arbeiten der psychophysiologischen Stressforschung wird betont, dass akuter Stress nicht zwangsläufig gesundheitsschädigende Konsequenzen haben muss, sondern dass vielmehr ein häufiges Durchleben stressrelevanter Situationen, eine fehlende Gewöhnung an diese Situationen oder eine nicht stattfindende Habituation zu einer erhöhten physischen Beanspruchung des Individuums führen (vgl. McEwen, 2002).

Die dritte und heute in der psychologischen Forschung dominante Vorstellung von Stress ist eine relationale bzw. transaktionale Perspektive. Aus dieser Perspektive wird Stress als Prozess der Interaktion eines Individuums mit seiner Umwelt verstanden, in dem die kognitive Bewertung, d. h. die Gedanken zu einer Situation oder über ein Ereignis, zentral dafür sind, welche Effekte eine umweltseitige Anforderung auf das Erleben der Person hat. Richard Lazarus und Kollegen haben in dieser Tradition bereits in den 70er Jahren ihr bis heute prominentes Transaktionales Stressmodell entwickelt, das zahlreiche empirische Untersuchungen angeregt hat und welches wir in Abschnitt 2.2.1 in seinen zentralen Annahmen darstellen werden (Folkman, 2013; Lazarus, 1966; Lazarus & Folkman, 1984).

Belastung und Beanspruchung: Die Unterscheidung zwischen beruflichen Bedingungen und individuellen Reaktionen

Während sich der Stressbegriff – unabhängig von den beschriebenen Perspektiven – auf alle Lebensbereiche beziehen kann, werden die Bezeichnungen psychische Belastung und Beanspruchung ganz klar auf den Arbeitskontext bezogen und stellen klassische Konzepte der Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin dar. Mittlerweile haben die Begriffe Belastung und Beanspruchung auch Eingang in die |16|internationale DIN-Norm zur Gestaltung von Arbeit gefunden (ISO/DIN 10075-1:2015). Dabei werden psychische Belastung und Beanspruchung, sowie die kurz- und langfristigen positiven und negativen Folgen der psychischen Beanspruchung definiert. Rudow (2000) hat die Terminologie der Belastungs-Beanspruchungsforschung auf den Lehrerberuf übertragen und in einem vielbeachteten Modell spezifiziert (siehe Abbildung 2.1).