Gesundheitliche Eigenverantwortung in der Berichterstattung deutschsprachiger Printmedien. Welches Verständnis von Gesundheit wird konstruiert? - Sophie Rubscheit - E-Book

Gesundheitliche Eigenverantwortung in der Berichterstattung deutschsprachiger Printmedien. Welches Verständnis von Gesundheit wird konstruiert? E-Book

Sophie Rubscheit

0,0
39,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Immer lauter wird die Forderung, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. In nahezu jedem Bereich des täglichen Lebens werden Produkte und Dienstleistungen unter dem Label "Gesundheit" vermarktet. Magazine wie "Brigitte" und "Men’s Health" sind ganz vorne mit dabei, wenn es um Themen wie Bewegung, eine ausgewogene Ernährung oder den verantwortungsvollen Umgang mit Genussmitteln geht. Vor jenem Hintergrund geht dieses Buch der Frage nach, wie das populäre Konstrukt gesundheitlicher Eigenverantwortung in den deutschen Printmedien dargestellt wird. Welche Anforderungen werden an die Leser herangetragen? Und welches Verständnis von Gesundheit wird in diesem Zusammenhang konstruiert? Die Basis der Untersuchung bildet die Diskurstheorie des französischen Philosophen Michel Foucault. Dabei geht die Autorin von der These aus, dass die Kommunikation gesundheitlicher Eigenverantwortung zu einem leistungsbezogenen Gesundheitsverständnis führt. Übergeordnetes Ziel der Arbeit ist es, den Leser zu motivieren, sich einerseits seine persönliche Definition von Gesundheit zu vergegenwärtigen, und sich andererseits deren Ursprung und Herleitung zu verdeutlichen. Aus dem Inhalt: - Eigenverantwortung; - Gesundheit; - Diskursanalyse; - Printmedien; - Michel Foucault;

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
PDF

Seitenzahl: 177

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum:

Copyright (c) 2015 GRIN Verlag / Open Publishing GmbH, alle Inhalte urheberrechtlich geschützt. Kopieren und verbreiten nur mit Genehmigung des Verlags.

Bei GRIN macht sich Ihr Wissen bezahlt! Wir veröffentlichen kostenlos Ihre Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten.

Jetzt beiwww.grin.com

Zusammenfassung

Angeregt durch die zunehmende Forderung, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen, untersucht die vorliegende Arbeit den Diskursstrang gesundheitlicher Eigenverantwortung in der Berichterstattung der deutschsprachigen Printmedien Brigitte und Men’s Health. Das Ziel besteht darin, die Gültigkeit des gesundheitlichen Eigenverantwortungsdiskurses unter Berücksichtigung der impliziten Konstruktion von Gesundheit zu hinterfragen.

Die Untersuchung basiert auf der Diskurstheorie des französischen Philosophen Michel Foucault. Die Formierung des subjektiven und kollektiven Bewusstseins bewirkt Subjektpositionen, bringt Wirklichkeit hervor und konstruiert ‚Wahrheit‘. Vor diesem Hintergrund wird anhand der Diskursanalyse – als gegenstandskonstituierende Theorie und Forschungsstrategie – untersucht, wie das Thema gesundheitlicher Eigenverantwortung kommuniziert wird, welche Anforderungen an die Subjekte herangetragen werden und welches Verständnis von Gesundheit konstruiert wird.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Kommunikation gesundheitlicher Eigenverantwortung heterogen gestaltet. Ersichtlich werden hohe Forderungen in den Bereichen Ernährung und Bewegung und eine tendenzielle Abnahme der Forderungen bei zunehmender Schwere einer Erkrankung. Der Bedeutungsgehalt des Konstruktes Gesundheit wird durch optische Merkmale, Kontrolle, Disziplin und Leistungsfähigkeit sowie Fertilität und Potenz determiniert.

Die Ausgangshypothese, dass die Kommunikation gesundheitlicher Eigenverantwortung zu einem leistungsbezogenen Gesundheitsverständnis führt, erfährt eine argumentative Umkehrung: Die Kommunikation dessen, was die Subjekte unter „Gesundheit“ verstehen sollen, determiniert ihr eigenverantwortliches Gesundheitsverhalten. Die Umcodierung sämtlicher Verhaltensweisen in gesundheitsförderlich oder gesundheitsabträglich wird vorausgesetzt, eine Modifizierung der Bedürfnisse kristallisiert sich heraus und ein Prozess ‚vom Sollen zum Wollen‘ kündigt sich an.

Schlagwörter:

Abstract

Motivated by the increasing demand to assume personal responsibility for health, the present work examines the discourse of health and individual responsibility within the German-speaking print media Brigitte and Men’s Health. The objective is to question its validity, taking into account the implied construction of health.

The investigation is based on the discourse theory of the French philosopher Michel Foucault. The formation of the subjective and collective consciousness creates subject positions, produces reality and constructs ‘truth’. Against this background, this study investigates how the subject of personal responsibility for health is communicated, which demands for the subjects are brought and which understanding is constructed by health, using discourse analysis as an object-constituting theory and research strategy.

The results of the study have shown that communication of individual responsibility for personal health develops heterogeneously. High demands in the area of nutrition and physical activity become apparent. However, when faced with an increasingly severe illness, these demands tend to decrease. The meaning of health as a construct is determined by optical characteristics, control, discipline and efficiency as well as fertility and virility.

The initial hypothesis, that the communication of personal responsibility for health leads to a performance-related view of health undergoes an argumentative reversal: The communication of that what the subjects should understand by “health” determines their responsible, health-related behavior. It is assumed that any behavior patterns are classified as either healthy or harmful, a modification of needs forms and a transformation from obligation to desire announces itself.

Keywords: responsibility/ health/ discourse analysis

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Gender-Erklärung

Anmerkung

1 Einleitung

2 Inhaltliche Einbettung und Stand der Forschung

2.1 Gesundheit als Konstruktion

2.2 Eigenverantwortliches Gesundheitsverhalten

2.3 Förderung gesundheitlicher Eigenverantwortung

2.4 Kritik an gesundheitlicher Eigenverantwortung

2.5 Empirischer Stand der Forschung

3 Theoretischer Hintergrund – Diskurstheorie

3.1 Der Diskursbegriff und die Produktion von Wahrheit

3.2 Die Diskursanalyse

4 Methodologie

4.1 Methodisches Vorgehen der inhaltlichen Einführung

4.2 Diskursanalyse und Datenkorpus

4.2.1 Anmerkungen zu Methode und Themenwahl

4.2.2 Die Auswahl der Daten

4.2.2.1 Brigitte

4.2.2.2 Men’s Health

4.2.3 Die Generierung des Datenkorpus

4.3 Methodisches Vorgehen der Diskursanalyse

4.3.1 Die Grobanalyse

4.3.2 Die Feinanalyse

5 Ergebnisse

5.1 Grobanalyse der Brigitte

5.1.1 Allgemeine Phänomene und gesundheitliche Eigenverantwortung in der Brigitte

5.1.2 Die Konstruktion von Gesundheit der Brigitte

5.2 Feinanalyse Brigitte

5.3. Grobanalyse Men’s Health

5.3.1 Allgemeine Phänomene und gesundheitliche Eigenverantwortung in der Men’s Health

5.3.2 Die Konstruktion von Gesundheit der Men’s Health

5.4 Feinanalyse Men’s Health

5.5 Zusammenführung der Zwischenergebnisse

6 Diskussion

6.1 Diskussion der Methode

6.2 Diskussion der Ergebnisse

7 Conclusio

8 Literaturverzeichnis

8.1 Fachliteratur

8.2 Zeitschriftenartikel des Datenkorpus

9 Anhang

Anhang 1 Grobanalyse Brigitte

Anhang 2 Grobanalyse Men’s Health

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Instrumente für mehr gesundheitliche Eigenverantwortung, modifiziert nach Schmeinck 2007, 253

Abbildung 2:Abwärtsspirale der Eigenverantwortung, Quelle: Schmidt 2008, 201, eigene Darstellung, Bildquelle: http://www.augensound.de/l5611-desktop_wallpaper-spriralen.jpg

Abbildung 3: Verantwortungs-Wirkungskette, Quelle: nach Schmidt (2008) und Hanses (2010), eigene Darstellung

Abbildung 4: „Bin ich dann  noch eine richtige Frau?“, Quelle: Brigitte, 9, 2014:142

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Eigenverantwortung je Kategorie Brigitte

Tabelle 2: Konstituierte Gesundheitsbegriffe Brigitte

Tabelle 3: Eigenverantwortung je Kategorie Men’s Health

Tabelle 4: Konstruierte Gesundheitsbegriffe Men’s Health

Gender-Erklärung

Anmerkung

„Es wird dafür plädiert, von strengen Methodisierungsversuchen Abstand zu nehmen. Diskursanalyse wird als Hybrid begriffen, d.h., sie ist sowohl gegenstandskonstituierende Theorie als auch Forschungsstrategie. Diese scheinbare strukturelle Schwäche verlangt zwar vom Forscher ein hohes Maß an Reflexionsvermögen und Plausibilität bei der Umsetzung, um der Gefahr eines sich selbst beweisenden Verfahrens zu entgehen, impliziert aber ebenso das erkenntnisgenerierende Potenzial der Diskursanalyse.“ (Großkopf 2012: 109)

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit untersucht anhand eines diskurstheoretischen Ansatzes den Gegenstand der Eigenverantwortung in Bezug auf das Gesundheitsverhalten, um neue Impulse für die Betrachtung dieses Themenspektrums zu konstituieren. Bereits im FünftenBuchSozialgesetzbuch(SGBV, 2015) heißt es in § 1 Solidarität und Eigenverantwortung:

 „Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden.“

Die zunehmende Forderung, Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen, erscheint in Zeiten eines unterstellten Ressourcenmangels im Gesundheitswesen als plausible Handlungsstrategie, um den Individuen zu ihrem eigenen Vorteil zur Gesundheit zu verhelfen, sie folglich jedoch auch dazu anzuhalten, möglichst lange keine Kosten zu verursachen. Die programmatische Konzentration der von Schmidt (2008: 199 ff.) betitelten ‚Gesund & Mündig-Kampagne‘ kaschiert einerseits die Tatsache, dass Menschen nicht fortwährend zu produktiver Selbststeuerung fähig sind. Andererseits scheint es auch bei vorliegender Möglichkeit und dem Willen zur Verantwortungsübernahme notwendig, deren Folgen im Sinne von Risiken und Potenzialen zu beachten. In nahezu jedem Bereich des täglichen Lebens werden Produkte und Dienstleistungen unter dem Label „Gesundheit“ vermarktet, was zur Folge hat, dass sich für Menschen fortlaufend Optionen auftun, vermeintlich gesundheitsförderliche bzw. gesundheitsabträgliche Entscheidungen zu treffen. Diese eigenverantwortlich getroffenen Entscheidungen bergen sowohl hinsichtlich der Auswirkungen auf, als auch der Beurteilungen durch die Gesellschaft insbesondere im gesundheitlichen Kontext Gefahren (ebd.). Denn die Verantwortungszurechnung orientiere sich, wie es Schorb & Schmidt-Semisch (2012: 57) konstatieren, weniger an objektiven Kriterien, sondern vielmehr an normativen Grundsätze. Die gewünschte gesundheitliche Eigenverantwortung manifestiert sich dabei gesellschaftskonform stets in der Wahl ‚gesundheitsförderlicher‘ und dem Verzicht ‚gesundheitsabträglicher‘ Alternativen. Anderenfalls drohen finanzielle, gesellschaftliche oder moralische Sanktionen. So werden bei Nichteinhaltung empfohlener Verhaltensweisen zur Gesundheitserhaltung Fragen von Schuld und moralischen Urteilen aufgeworfen (Schmidt, 2008). Vor diesem Hintergrund zieht meine Masterthesis eine exemplarische Erkundung der gesundheitlichen Eigenverantwortung einer systematischen Darstellung vor. Eigenverantwortung stärken: ein Konzept von hoher sozialer Attraktivität – aber unter welchen Bedingungen?

Die Perspektive, aus der die geschilderte Thematik betrachtet wird, gestaltet sich kritisch analysierend auf das populäre Konstrukt gesundheitlicher Eigenverantwortung. Die Allgegenwärtigkeit des Begriffes legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um ein Schlagwort handelt, unter welchem sich höchst Unterschiedliches subsumieren lässt. Eigenverantwortung hinsichtlich der eigenen Gesundheit geht grundsätzlich mit einer Vielzahl an Wahlmöglichkeiten einher. Nach der Analyse individueller Risikofaktoren sei man laut Hanses (2010) gewissermaßen dazu verpflichtet, sämtliche Verhaltensweisen so zu verändern, dass jenen Risiken Einhalt geboten werde. Ausreichend Bewegung, eine ausgewogene Ernährungsweise, der maßvolle Umgang mit Genussmitteln, die Bereitschaft zur Aneignung von Wissen über potenzielle Risikofaktoren sowie deren Vermeidung gelten im gesellschaftskonformen Gesundheitskonzept als vorbildlich (ebd.). So ist in diesem Zusammenhang auch der Diskurs von Risikofaktoren von Belang. Einerseits muss herausgearbeitet werden, welche Gesundheitsrisiken öffentlich kommuniziert werden und andererseits, welche Verantwortungszuschreibungen damit einhergehen und welches Ausmaß diese annehmen.

Objektive Einschätzungen gesundheitlicher Risiken beruhen auf statistischen Wahrscheinlichkeiten, Erkenntnissen der Epidemiologie und Grenzwerten, woraus nach Schmidt-Semisch & Schorb (2012: 54) eine spezifische Form von Rationalität resultiere. Die rationalen Erkenntnisse besäßen somit bereits aufgrund ihrer wissenschaftlichen Neutralität den Charakter einer unanfechtbaren Gewissheit (ebd.). So können sich, wie bereits Pfaller (2012) konkludiert, alltägliche Annehmlichkeiten, die einst den Charakter Lebensqualität steigernder Bereicherung besaßen, zu möglichst konsequent vermiedenen Gesundheitsrisiken transformieren. Brunnett (2007: 174) merkt diesbezüglich an, dass das moderne Gesundheitsstreben in Eigenverantwortung keinem intrinsischen Selbsterhaltungstrieb verschuldet sei, sondern vielmehr ein Statussymbol darstelle. In diesem Zusammenhang können auch Parallelen zu dem von dem deutschen Soziologen Ulrich Bröckling geprägten Begriff des ‚unternehmerischen Selbst‘ im Rahmen der Ökonomisierung des Sozialen gezogen werden, worauf im Kapitel 2.4 näher eingegangen wird.

In den vergangenen Jahren zeichnete sich ein paradigmatischer Wandel des Gesundheitsverhaltens im Sinne einer Verantwortungsverschiebung hin zum Subjekt ab (Brunnett, 2007). Die Ausgangshypothese des vorliegenden Beitrags beruht auf der Annahme, dass die direkte und indirekte Kommunikation gesundheitlicher Eigenverantwortung zu einem entfremdeten Verständnis von Gesundheit führt. Ein Verständnis von Gesundheit, das weniger auf das Wohlbefinden des Individuums fokussiert, sondern vielmehr durch Leistungsfähigkeit auf verschiedenen Ebenen des Lebens charakterisiert wird.

Meine Masterthesis verfolgt demnach das Ziel, den gesundheitlichen Eigenverantwortungsdiskurs näher zu beleuchten, dessen Gültigkeit zu hinterfragen und herauszuarbeiten, welche Botschaften und Erwartungen diesbezüglich an die Individuen herangetragen werden. Es wird implizit untersucht, ob durch den Eigenverantwortungsdiskurs definitorisch ein „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“ (WHO, 2014) gestützt wird. Das bedeutet, es soll eine Antwort darauf gefunden werden, welches Bild von Gesundheit dem Empfänger von Gesundheitsinformationen – explizit konkreter Verhaltensempfehlungen und deren Umsetzung – vermittelt wird. Folgenden Forschungsfragen wird demnach konkret nachgegangen:

Wie wird das Thema gesundheitlicher Eigenverantwortung in den deutschen Printmedien kommuniziert?

Welche Anforderungen werden an die Subjekte herangetragen?

Welches Verständnis von Gesundheit wird in diesem Zusammenhang konstruiert?

Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit besteht darin, den Leser dazu zu motivieren, sich einerseits seine persönliche Definition von Gesundheit zu vergegenwärtigen und sich andererseits deren Ursprung und Herleitung zu verdeutlichen. Aus der Public Health-Perspektive sollen die Ergebnisse dieses Beitrages zunächst den kommunizierten Umgang mit Eigenverantwortung für die Gesundheit darlegen und darauf aufbauend Gedankenanstöße für die Prüfung seiner Chancen und Risiken bewirken. Die Verantwortungsübernahme für das in unseren Breitengraden derart hoch bewertete Gut Gesundheit und deren Kommunikation stellt wie in Kapitel 2 erläutert, sowohl eine gesundheitspolitisch als auch soziokulturell bedeutsame Thematik dar, die insbesondere im Zuge von voranschreitenden Sparmaßnahmen und wachsender sozialer Ungleichheit ihre Aktualität beweist (Ahrens, 2007; Schmeinck, 2007; Schmidt, 2008). Eben hierin liegt die gesundheitswissenschaftliche Relevanz dieser Arbeit begründet, welche von meinem persönlichen Interesse für den gewählten Themenkomplex Eigenverantwortung und Gesundheit begleitet wird.

In dem Untersuchungsgebiet liegen weitere interessante Aspekte, auf die in Anbetracht des Umfanges der Masterthesis nicht näher eingegangen werden kann. Diese beziehen sich zum einen auf gesundheitspolitische Entscheidungen hinsichtlich der Förderung und Forderung von Eigenverantwortung für die Gesundheit. Zum anderen sollen auch finanzielle Aspekte, das heißt entstehende und vermeidbare Kosten aufgrund zunehmender Verantwortung, nur en passant aufgegriffen werden.

Bei der gewählten Methode zur Klärung der Forschungsfragen handelt es sich, basierend auf der Diskurstheorie des französischen Philosophen Michel Foucault, um die wissenssoziologische Diskursanalyse nach Keller (2011), welche durch Aspekte der kritischen Diskursanalyse nach Jäger & Zimmermann (2010) ergänzt wird. Gesundheitsempfehlungen werden insbesondere auf der medialen Ebene an die Individuen herangetragen. Massenmedien stellen dabei die wichtigste Informationsquelle der Menschen dar, deren Wirkungen sowohl positiv als auch negativ sein können (bpb, 2011). Die themenbezogenen Zeitschriften, aus denen sich der Datenkorpus meiner Analyse speist, sind zum einen die ‚Brigitte‘ und zum anderen die ‚Men’s Health‘, um bezüglich der Zielgruppe sowohl Frauen als auch Männer[1] mit einer Altersspanne von 20-59 Jahren zu berücksichtigen (G+J Electronic Media Sales GmbH 2015; Bongertz et al., 2015). Der Diskurs − und im speziellen Falle dieser Arbeit, der Eigenverantwortungsdiskurs − vermag es, das subjektive und kollektive Bewusstsein der Individuen zu formieren. Jenes formierte Bewusstsein stellt die Basis für die Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit der Gesellschaft dar und ist hier insbesondere in Bezug auf die Wahrnehmung der Gesundheit respektive wie Menschen mit dieser umgehen, von Belang (Jäger 1997). Das bedeutet, durch den Diskurs wird geprägt, was darunter zu verstehen ist, Gesundheit eigenverantwortlich zu schützen, zu strapazieren oder aber zu vernachlässigen. Im Hinblick auf die Fragestellungen soll das implizite Machtpotenzial diskursanalytisch beleuchtet werden.

2 Inhaltliche Einbettung und Stand der Forschung

In den folgenden Kapiteln soll zunächst auf die Konstruktion von Gesundheit eingegangen werden, indem verschiedene Definitionen, Beschreibungen und Konzepte sowie der Wandel des Gesundheitsbegriffes präsentiert werden. Das Ziel dieser Darlegung besteht darin, der Leserin bzw. dem Leser zu verdeutlichen, dass es sich bei Gesundheit nicht um einen klar definierbaren Status handelt, der anhand festgelegter Kriterien bestimmbar ist. Vielmehr erscheint es sinnvoll, sich in geistiger Flexibilität und erkenntnisoffen der verschiedenen Sichtweisen auf die Gesundheit als variable Konstruktion bewusst zu werden und diese als komplexen Zustand, der einer kontinuierlichen Veränderung unterliegt, zu begreifen. Anschließend wird der Eigenverantwortungsbegriff skizziert, Perspektiven auf die Übernahme gesundheitlicher Eigenverantwortung vorgestellt und final die empirische Forschungslücke im gewählten Themenkomplex aufgezeigt.

2.1 Gesundheit als Konstruktion

In der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Stand Mai 2014 heißt es: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Die Gesundheitsdefinition des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie fokussiert auf ähnliche Aspekte: „Gesundheit wird als mehrdimensionales Phänomen (seltsames, ungewöhnliches Ereignis) verstanden und reicht über den ‚Zustand der Abwesenheit von Krankheit’ hinaus“ (BMBF, 1997). Beide Begriffsdefinitionen verweisen auf die subjektiven Dimensionen von Gesundheit, die im Hinblick auf zeitliche und kulturelle Bedingungen zudem einem kontinuierlichen Wandel unterliegen (Bloch, 1995). Hurrelmann (2006: 7) schließt sich dem an und definiert Gesundheit als einen „Zustand des Wohlbefindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich körperlich, psychisch und sozial im Einklang mit den jeweils gegebenen inneren und äußeren Lebensbedingungen befindet“. Der objektive und subjektiv empfundene Gesundheitszustand eines Individuums hänge demnach von der Fähigkeit ab, körperliche, seelische und soziale Bereiche in Balance zu bringen. Weiterhin bedinge er sich dadurch, die individuellen Lebensbedingungen mit den gegebenen persönlichen Ressourcen und Zielen in Einklang zu bringen, sodass die Erfüllung von Pflichten und der Genuss von Vergnügen gewährleistet seien (ebd.). Diese Konnotation fasst Freud wie folgt zusammen: „Gesundheit ist die Fähigkeit lieben und arbeiten zu können“ (Freud, o.J. in Waller 2006: 9). Der Medizinsoziologe Talcott Parsons hingegen betont den verpflichtenden Charakter im Sinne einer Erfüllung von Rollen und Aufgaben. Er hält Gesundheit für einen „Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben, für die es sozialisiert (…) worden ist“ (Parsons 1951: 431). Laut Parsons (1958: 10) stelle Gesundheit somit eine der funktionalen Vorbedingungen des sozialen Lebens dar. Denn beinahe in allen Definitionen zähle sie zu den funktionalen Bedürfnissen der Gesellschaftsmitglieder, was dazu führe, dass ein zu niedriges Gesundheitsniveau und ein zu häufiges Krankheitsauftreten dysfunktional im Hinblick auf das Funktionieren eines sozialen Systems seien, da Krankheit die Erfüllung sozialer Rollen unmöglich mache.

Eine sehr lebensbejahende Bezeichnung von Gesundheit führt der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer (1993: 143 f.) an:

„Es liegt ganz unzweifelhaft in der Lebendigkeit unserer Natur, (…) dass Gesundheit sich verbirgt. Trotz aller Verborgenheit kommt sie aber in einer Art Wohlgefühl zutage, und mehr noch darin, dass wir vor lauter Wohlgefühl unternehmungsfreudig, erkenntnisoffen und selbstvergessen sind und selbst Strapazen und Anstrengungen kaum spüren - das ist Gesundheit. (…) Gesundheit ist eben überhaupt nicht ein Sich-Fühlen, sondern ein Da-Sein, In-der-Welt-Sein, Mit-den-Menschen-Sein, von den eigenen Aufgaben des täglichen Lebens tätig oder freudig erfüllt sein.“

Nach Gadamer zeichne sich Gesundheit dadurch aus, dass sie sich verberge, man sich keinerlei Gedanken um sie machen müsse und sich dennoch durch ein bestimmtes Wohlempfinden gesund fühle, sodass die alltäglichen Herausforderungen motiviert angenommen werden können. Eine weitere philosophische Sichtweise auf die Begrifflichkeit Gesundheit bringt Ernst Bloch an. Er weist insbesondere auf den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel hin, dem der Begriff unterliegt. Seinem Verständnis nach sei Gesundheit vielmehr ein gesellschaftlicher als medizinischer Begriff.

 „Gesundheit wiederherstellen, heißt in Wahrheit den Kranken zu jener Art von Gesundheit bringen, die in der jeweiligen Gesellschaft die jeweils anerkannte ist, ja in der Gesellschaft selbst erst gebildet wurde (...). Gesundheit ist in der kapitalistischen Gesellschaft Erwerbsfähigkeit, unter Griechen war sie Genussfähigkeit, im Mittelalter Glaubensfähigkeit.“ (Bloch 1995: 539)

Der Historiker und Soziologe Alfons Labisch (1992: 12) vertritt die Ansicht, dass alle Deutungen von Gesundheit auf eine vorweggenommene Ordnung verweisen würden. In wissenschaftlichen Untersuchungen über den Gesundheitsbegriff werde deutlich, dass dieser grundsätzlich nicht von Wertvorstellungen zu trennen sei. Die Normalität des Körpers gehe unmerklich in eine Normativität, eine Wertbezogenheit des Körpers über. Er führt weiterhin an: „Gesundheit im allgemeinen Sinn ist (…) eine Normativitätsvorstellung des Körpers (…), die diesen jetzt und zukünftig als organische Grundlage individuellen und sozialen Handelns im Rahmen der dafür vorgegebenen Werte gestaltet und berechenbar zur Verfügung hält“ (ebd.: 16). Laut Labisch (1992: 17) handele es sich bei Gesundheit und Krankheit um inhaltsleere Worthülsen, die sich aus vorgegebenen Blickrichtungen jeweils neu füllen ließen. Er assoziiert mit dem Gesundheitsbegriff somit grundsätzlich Wertvorstellungen und den Übergang eines Normalitätsgedankens des Körpers in eine Normativitätsvorstellung zur Zielerreichung einer inhaltsleeren Worthülse.

Während Parsons (1951) Gesundheit im Zusammenhang mit den Vorbedingungen eines jeden sozialen Systems und der Rollenerfüllung sieht, erkennt Gadamer (1993) darin ein freudiges Erfülltsein von den eigenen Aufgaben des täglichen Lebens und nach Bloch (1995) sei die Tatsache relevant, dass Gesundheit in der jeweiligen Gesellschaft gebildet werde. Die aufgeführten Definitionen erlauben einen ersten Eindruck darüber, welche Vielfältigkeit der Gesundheitsbegriff aufweist und wie sein jeweiliger Sinngehalt durch die Schwerpunktsetzung in der Formulierung durchaus divergent dargestellt werden kann. In diesem Zusammenhang merkt Brunnett (2007: 170) an, dass wissenschaftliche Konzepte, individuelle Gefühle, Erfahrungen und Vorstellungen von Gesundheit nicht natürlich, sondern sozio-kulturell und historisch höchst kontingent seien. Sie schlussfolgert, dass Gesundheit demnach sozial konstruiert werde und dies die Frage aufwerfe, wie sie in den Medien oder der Medizin entworfen wird (ebd.). Jener Frage wird im Verlauf der vorliegenden Ausarbeitung kontextsensitiv nachgegangen.