Gesundheits- und Krankheitslehre, Pflege - Volker Renz - E-Book

Gesundheits- und Krankheitslehre, Pflege E-Book

Volker Renz

4,8

Beschreibung

Menschen, die im Bereich der Behindertenhilfe arbeiten, werden zunehmend mit pflegerischen Aufgaben konfrontiert. Der demografische Wandel, aktuelle Tendenzen in der Behindertenhilfe, der Wandel des Berufsbildes Heilerziehungspflege und der allgemein zunehmende Bedarf an Pflegekräften machen es notwendig, dass Heilerziehungspfleger ihre pflegerischen Kompetenzen erweitern. Das Buch vermittelt Grundlagen zu den Bereichen Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre, Grundlagen der Pflege und spezielle Pflege. Die pflegerischen Themen werden praxisnah vermittelt und entsprechen den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Den speziellen Anforderungen bei der Pflege von Menschen mit Behinderungen wird besonders Rechnung getragen.

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Menschen, die im Bereich der Behindertenhilfe arbeiten, werden zunehmend mit pflegerischen Aufgaben konfrontiert. Der demografische Wandel, aktuelle Tendenzen in der Behindertenhilfe, der Wandel des Berufsbildes Heilerziehungspflege und der allgemein zunehmende Bedarf an Pflegekräften machen es notwendig, dass Heilerziehungspfleger ihre pflegerischen Kompetenzen erweitern. Das Buch vermittelt Grundlagen zu den Bereichen Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre, Grundlagen der Pflege und spezielle Pflege. Die pflegerischen Themen werden praxisnah vermittelt und entsprechen den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Den speziellen Anforderungen bei der Pflege von Menschen mit Behinderungen wird besonders Rechnung getragen.

Volker Renz

Gesundheits- und Krankheitslehre, Pflege

Ein Lehr- und Praxisbuch

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Danke an Barbara für ihre vielfältige Unterstützung

1. Auflage 2012 Alle Rechte vorbehalten © 2012 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

978-3-17-021338-8

E-Book-Formate

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978-3-17-026455-7

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978-3-17-027962-9

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978-3-17-027963-6

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Naturwissenschaftliche Grundlagen

1.1 Der Aufbau des menschlichen Körpers aus naturwissenschaftlicher Sicht

1.1.1 Chemische Elemente (Atome)

1.1.2 Chemische Verbindungen (Moleküle)

1.1.3 Zellen und Zellorganellen

1.1.4 Gewebe

1.1.5 Organe

1.1.6 Organsysteme

1.1.7 Ganzheit Mensch

1.1.8 Chemische Vorgänge (Grundlage für Abläufe im menschlichen Körper)

2 Gesundheit – Krankheit – Behinderung

2.1 Gesundheit

2.2 Krankheit

2.3 Behinderung

2.3.1 Behinderungsarten

2.3.2 Ursachen von Behinderungen

2.4 Die Salutogenese – Ein interessanter Ansatz

2.4.1 Kohärenzgefühl

2.4.2 Pathogenetisch – Salutogenetisch

2.5 Allgemeine Pathologie (Allgemeine Krankheitslehre)

2.5.1 Krankheitsursachen

2.5.2 Disposition (Veranlagung, Krankheitsbereitschaft)

2.5.3 Krankheitsverläufe

2.5.4 Krankheitsausgang

2.5.5 Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Tod

2.5.6 Krankheitsstatistik

2.5.7 Klassifikation von Krankheiten

2.5.8 Pathologische Vorgänge

2.6 Diagnostik und Therapie

2.6.1 Allgemeine und spezielle Diagnostik

2.6.2 Pflegediagnose

2.6.3 Therapie

3 Pflege (im Kontext zur Heilpädagogik)

3.1 Geplante Pflege

3.1.1 Pflegeprozess

3.1.2 Pflegedokumentation

3.1.3 Standards in der Pflege

3.2 Die Pflegemodelle der Aktivitäten des Lebens

3.3 Beobachtungen in der Pflege

3.3.1 Beobachtungsmöglichkeiten

3.3.2 Assessmentinstrumente

3.3.3 Beobachtungskriterien (Beispiele)

3.3.4 Beobachtungen aus heilpädagogischer Sicht

3.4 Rechtliche Grundlagen

3.4.1 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz (AMG))

3.4.2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG)

3.4.3 Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz (MPG))

3.4.4 Heimgesetz (HeimG)

3.4.5 Strafgesetzbuch (StGB)

3.4.6 Sozialgesetzbuch (SGB)

3.4.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG)

4 Die Haut (Cutis) – Ein Zugang zum Menschen

4.1 Bedeutung

4.2 Anatomie und Physiologie

4.3 Hautbeobachtung

4.3.1 Hauttyp

4.3.2 Hautfarbe

4.3.3 Hautspannung (Hautturgor)

4.3.4 Veränderungen an der Hautoberfläche (Effloreszenzen)

4.3.5 Nagelveränderungen

4.3.6 Haarveränderungen

4.3.7 Beobachtungen des Schweißes

4.4 Hauterkrankungen

4.4.1 Akne

4.4.2 Cellulite (Orangenhaut)

4.4.3 Rosazea („Kupferrose“, „Rosenfinne“)

4.4.4 Gewöhnliche Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris)

4.4.5 Exantheme (Hautausschläge)

4.4.6 Neurodermitis

4.4.7 Infektiöse Hauterkrankungen

4.4.8 Bösartige Erkrankungen der Haut

4.4.9 Intertrigo

4.4.10 Ulcus cruris (Plural: Ulcera cruris)

4.4.11 Verbrennungen

4.5 Dekubitus

4.5.1 Dekubitusprophylaxe

4.5.2 Maßnahmen bei bestehendem Dekubitus

4.6 Wunden und Wundbehandlung

4.6.1 Wundheilung

4.6.2 Wundmanagement

4.7 Körperpflege und Körperreinigung

4.7.1 Körperreinigung (Waschung)

4.7.2 Bad oder Dusche

4.7.3 Augenpflege

4.7.4 Ohrenpflege

4.7.5 Nasenpflege

4.7.6 Mundhygiene

4.7.7 Spezielle Mundpflege

4.7.8 Zahnpflege

4.7.9 Pflege der Zahnprothese

4.7.10 Intimpflege

4.7.11 Haarpflege

4.7.12 Fuß- und Nagelpflege

4.7.13 Spezielle Waschungen

4.8 Kleidung

4.9 Hautpflege und Hautpflegemittel

5 Bewegungs- und Stützapparat

5.1 Bedeutung von Bewegung

5.2 Anatomie und Physiologie

5.2.1 Das Skelett (Knochen und Knorpel)

5.2.2 Schädel (Cranium)

5.2.3 Wirbelsäule (Columna vertebralis)

5.2.4 Brustkorb (Thorax)

5.2.5 Obere Gliedmaßen (obere Extremität)

5.2.6 Untere Gliedmaßen (untere Extremität)

5.2.7 Knochen (ossa)

5.2.8 Gelenke

5.2.9 Bänder (Ligamente)

5.2.10 Knorpel (Cartilago)

5.2.11 Muskulatur

5.3 Beobachtungen zum Bewegungs- und Stützapparat

5.3.1 Bewegungsabläufe

5.3.2 Bewegungsrichtungen

5.3.3 Bewegungsstörungen

5.3.4 Gang und Gangbild

5.3.5 Haltung

5.3.6 Lage

5.3.7 Unterscheidungen von Lähmungen

5.4 Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates

5.4.1 Frakturen (Knochenbrüche)

5.4.2 Rheuma

5.4.3 Verstauchung (Distorsion)

5.4.4 Luxation (Verrenkung, Auskugelung)

5.4.5 Osteoporose (Knochenschwund)

5.4.6 Skoliosen

5.4.7 Bandscheibenvorfall (Bandscheibenprolaps)

5.4.8 Kontraktur (Versteifung eines Gelenks)

5.5 Bewegungsübungen

5.6 Mobilisation

5.6.1 Kinästhetik (Kinaesthetics®)

5.6.2 Lagerung (Positionsunterstützung)

5.7 Sturzprophylaxe

5.8 Fixierung

6 Herz- und Kreislaufsystem

6.1 Anatomie und Physiologie

6.1.1 Das Herz

6.1.2 Blutkreisläufe

6.1.3 Arterien (Schlagadern)

6.1.4 Venen (Blutadern)

6.1.5 Kapillaren (Haargefäße)

6.1.6 Regulation des Blutdrucks

6.2 Allgemeine Beobachtungsschwerpunkte bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

6.2.1 Pulsmessung

6.2.2 Blutdruckmessung

6.3 Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems

6.3.1 Schock

6.3.2 Koronare Herzkrankheit (KHK)

6.3.3 Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“)

6.3.4 Hypertonie (Bluthochdruck)

6.3.5 Hypotonie (pathologisch niedriger Blutdruck)

6.3.6 Herzinsuffizienz (Herzschwäche)

6.3.7 Thrombose

6.3.8 Varizen (Krampfadern)

6.3.9 Chronisch venöse Insuffizienz (CVI)

6.3.10 Phlebitis

7 Das Atmungssystem

7.1 Anatomie und Physiologie

7.2 Beobachtungen zur Atmung

7.2.1 Atemfrequenz

7.2.2 Atemtiefe (Atemvolumen)

7.2.3 Atemintensität

7.2.4 Atemrhythmus

7.2.5 Atemtyp

7.2.6 Atemgeräusche

7.2.7 Atemgeruch

7.2.8 Spezielle Beobachtungen bei Husten (Tussis)

7.2.9 Beobachtungen des Sputums

7.2.10 Atemnot (Dyspnoe)

7.3 Erkrankungen des Atemsystems

7.3.1 Erkältung (grippaler Infekt)

7.3.2 Grippe (Influenza)

7.3.3 Diphtherie (Echter Krupphusten)

7.3.4 Pseudokrupp (Laryngitis subglottica)

7.3.5 Keuchhusten (Pertussis)

7.3.6 Bronchitis (Entzündung der Bronchien)

7.3.7 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

7.3.8 Asthma bronchiale

7.3.9 Lungenemphysem

7.3.10 Bronchiektasie

7.3.11 Atelektasen

7.3.12 Bronchialkarzinom (Bronchial-Ca)

7.3.13 Pneumonie (Lungenentzündung)

7.3.14 Erkrankungen der Pleura (Brustfell)

7.3.15 Das Schlafapnoe-Syndrom (SAS)

7.4 Tracheostoma

8 Blut und Immunsystem

8.1 Blut

8.2 Immunsystem

8.3 Erkrankungen des Blutes

8.3.1 Anämie

8.3.2 Leukämien

8.3.3 Blutungsneigung (Hämorrhagische Diathese)

8.3.4 Störungen des Immunsystems (Immunmangelsyndrom)

8.4 Allgemeine Infektionslehre

8.4.1 Krankheitserreger

8.4.2 Begrifflichkeiten

8.5 Temperaturregulation

8.5.1 Fieber

8.5.2 Pflege bei Fieber

8.6 Infektionskrankheiten (Auswahl)

8.6.1 Virushepatitis

8.6.2 Salmonellosen

8.6.3 Durch Zecken übertragbare Infektionskrankheiten

8.6.4 MRSA (Methicillinresistenter Staphylococcus aureus)

8.6.5 HIV (Human Immunodeficiency Virus)

8.6.6 Kindliche Infektionskrankheiten

8.6.7 Sepsis

8.7 Hygiene

9 Das Harn- und Fortpflanzungssystem

9.1 Anatomie und Physiologie des Harnsystems

9.2 Geschlechtsorgane (Genitalien)

9.3 Beobachtungen

9.3.1 Urin

9.3.2 Miktionsstörungen

9.3.3 Bettnässen (Enuresis)

9.4 Erkrankungen des Harnsystems

9.4.1 Harnwegsinfekte (Blasenentzündung, Zystitis)

9.4.2 Nephritis (Nierenentzündung)

9.4.3 Nephrolithiasis (Nierensteine)

9.4.4 Niereninsuffizienz

9.4.5 Nephrotisches Syndrom

9.4.6 Harninkontinenz (Blasenschwäche)

9.5 Sexualität in der Pflege – Sexualität bei Menschen mit Behinderungen

10 Stoffwechsel und Ernährung

10.1 Energie und Energiestoffwechsel

10.2 Grundlagen der Ernährung

10.3 Zusammensetzung der menschlichen Ernährung

10.3.1 Energieliefernde Nährstoffe

10.3.2 Nicht energieliefernde Nahrungsbestandteile

10.4 Pflegerische Aspekte zur Ernährung

10.4.1 Körpergewicht/BMI (Body-Maß-Index)

10.4.2 Ernährungszustand (EZ)

10.4.3 Dehydration (Exsikkose, Wasserentzug, Austrocknung)

10.4.4 Beobachtungen zum Ess- und Trinkverhalten

10.5 Anatomie und Physiologie des Verdauungssystems

10.6 Beobachtungen

10.7 Stuhlinkontinenz (Darminkontinenz)

10.8 Erkrankungen des Verdauungstraktes

10.8.1 Aphten

10.8.2 Soor

10.8.3 Stomatitis

10.8.4 Parotitis

10.8.5 Refluxösophagitis

10.8.6 Hiatushernie (Zwerchfellbruch, Zwerchfellhernie)

10.8.7 Gastritis (Magenschleimhautentzündung)

10.8.8 Magengeschwür (Magenulkus, Ulcus ventriculi)

10.8.9 Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür)

10.8.10 Zöliakie (Einheimische Sprue, Glutenunverträglichkeit)

10.8.11 Chronische entzündliche Darmerkrankungen (CED) – Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

10.8.12 Darmverschluss (Ileus)

10.8.13 Divertikel und Divertikulitis

10.8.14 Polypen

10.8.15 Peritonitis (Bauchfellentzündung)

10.8.16 Hämorrhoiden (Hämorrhoidalleiden)

10.8.17 Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)

10.8.18 Erkrankungen der Leber

10.8.19 Erkrankungen der Gallenblase und -gänge

10.9 Stoffwechselerkrankungen

10.9.1 Diabetes mellitus

10.9.2 Phenylketonurie (PKU)

10.10 Schluckstörungen (Dysphagie)

10.11 Künstliche Ernährung

10.11.1 PEG-Sonde (Perkutane Endoskopische Gastrostomie)

10.11.2 Sondenkost

10.11.3 Parenterale Ernährung

10.12 Enterostoma (Anus praeter naturalis, künstlicher Darmausgang, Stoma)

11 Das hormonelle (endokrine) System

11.1 Physiologie des Hormonsystems

11.2 Schilddrüse (Glandula thyroidea)

11.3 Der Schlaf-Wach-Rhythmus

12 Anhang

12.1 Arzneimittellehre

12.1.1 Allgemeine Arzneimittellehre

12.1.2 Umgang mit Arzneimitteln

12.2 Terminologie (Auswahl)

Literatur

Sachverzeichnis

Einleitung

Die Grundüberlegung zur Struktur eines Buches, das medizinische und pflegerische Inhalte in kurzer Form für einen Beruf enthält, der sich schon in seinem elementaren Verständnis mit dem ganzen Menschen auseinandersetzt, hat dazu geführt, dass die Kapitel bzw. Themenbereiche nicht aufbauend auf ein Pflegemodell bzw. einer Pflegetheorie gewählt sind. Sie basieren deshalb auf einer gängigen Einteilung der Organsysteme aus dem Bereich der Naturwissenschaften.

Letztendlich haben langjährige Erfahrungen bei der Vermittlung von theoretischen und praktischen Inhalten in den Fächern Gesundheits- und Krankheitslehre und Pflege im Bereich der Heilerziehungspflege den Ausschlag gegeben, dass ich in diesem kurzgefassten Lehrbuch möglichst viele Aspekte der klassischen Pflege ansprechen möchte. Dabei habe ich versucht, die Bereiche Medizin und Pflege in einer Struktur zu vereinen.

Die ganzheitliche, aktivierende Begleitung von Menschen mit Behinderungen, welche die Ressourcen fördert oder zumindest zu erhalten versucht, ist nicht nur ein grundlegendes Prinzip im Bereich der Pflege, sondern gilt für alle Lernbereiche und stellt deshalb auch ein Grundprinzip im Umgang mit Menschen mit und ohne Behinderungen dar.

Für mich sind deshalb nicht die Modelle der Aktivitäten (ATL, AEDL und ABEDL®) strukturgebend, sondern die Organsysteme des Menschen. Anhand eines Grundverständnisses über den Aufbau des menschlichen Körpers will ich einen Zusammenhang schaffen zwischen Aufbau, Funktion, Veränderungen und deren Beobachtungen und den pflegerischen Konsequenzen (s. Tab. 1).

Ein Bezug zu den gängigen Modellen (ATL, AEDL und ABEDL®) wird hergestellt.

Tab. 1: Struktur der einzelnen Themenbereiche (Kapitel)

Anatomie und Physiologie – Basiswissen

z. B. Die Haut und Hautanhangsgebilde

Beobachtungen

z. B. Beobachtungen zur Hautfarbe

wichtige und häufige Erkrankungen und die pflegerischen Konsequenzen

z. B. Neurodermitis, Erkrankung und pflegerische Aspekte

spezielle pflegerische Themen in diesem Themenbereich

z. B. Dekubitus und Dekubitusprophylaxe

Zu einigen Themen wird – wie in folgendem Kasten dargestellt – versucht, eine didaktische Hilfestellung zur Erlangung spezieller Kompetenzen durch Fragestellungen zu geben.

Kompetenzerwerb

Bei wichtigen Themen kann anhand von Fallbeispielen – siehe folgender Kasten – die geplante Pflege (Pflegeplanung) geübt und die pflegerischen Inhalte der Kapitel vertieft werden.

Fallbeispiel und Pflegeplanung

1 Naturwissenschaftliche Grundlagen

Viele wichtige Kompetenzen im Berufsbild der Heilerziehungspflege basieren auf einem Grundverständnis vom Aufbau und von den Funktionen des menschlichen Körpers. Eine Grundüberlegung ist deshalb die Frage: „Was ist der Mensch?“ Ein Mensch ist viel mehr als die Summe seiner Einzelteile, wie es in der naturwissenschaftlichen Betrachtung oft beschrieben wird. Deshalb ist die naturwissenschaftliche Betrachtung nur ein Teil der Überlegungen. Für die Auseinandersetzung mit Aufbau, Funktion, Erkrankungen, Veränderungen und Beeinträchtigungen kann sie uns aber eine wichtige Hilfe sein.

Und letztendlich hat dies auch eine Bedeutung für die Pflege. Wie sollen wir Veränderungen und ihre Bedeutung erkennen, fachlich korrekt dokumentieren und ggf. weitergeben, therapeutisch unterstützen, grundlegende Bedürfnisse erkennen und bei der Befriedigung dieser Bedürfnisse unterstützend mitwirken, wenn nicht ein Grundverständnis für diese Einzelteile vorhanden ist?

Daten – Mensch (Mittelwerte):

Körpergröße (Europa)

Mann:

176 cm

Frau:

168 cm

Schuhgröße

Mann:

29 cm

Frau:

26 cm

Körperoberfläche

1,9 m2

Körpervolumen

75 l bzw. 0,075 m³

Körpermasse

60 kg

Lebenserwartung bei Neugeborenen

Junge:

76 Jahre

Mädchen:

82 Jahre

bei 60-jährigen Menschen

Mann:

80 Jahre

Frau:

84 Jahre

1.1 Der Aufbau des menschlichen Körpers aus naturwissenschaftlicher Sicht

Man kann die Zusammensetzung des menschlichen Körpers in verschiedene Ebenen einteilen (s. Kap. 1.1.1 bis 1.1.7): in chemische Elemente (Atome), chemische Verbindungen (Moleküle), Zellen und Zellorganellen, Gewebe, Organe, Organsysteme, Ganzheit Mensch. Weitere Grundlagen für das Verständnis von Abläufen im menschlichen Körper sind spezielle chemische Vorgänge (s. Kap. 1.1.8).

1.1.1 Chemische Elemente (Atome)

Zwar kennt die Wissenschaft noch kleinere Strukturen als die Atome, für das Verständnis für den menschlichen Körper und die abzuleitende Pflege reicht es, sich mit der Ebene der Atome ein wenig auseinanderzusetzen.

Der Mensch besteht aus ungefähr 5 x 1027 (das ist eine 5 mit 27 Nullen) Atomen. Man unterscheidet dabei Elemente, die einen hohen Gewichtsanteil haben (Makro- oder Mengenelemente), und Elemente, die nur in sehr geringen Mengen (Mikro- oder Spurenelemente) im menschlichen Körper vorkommen. Beispiele über Vorkommen und Bedeutung einiger Elemente (s. a. Kap. 1.1.2):

Sauerstoff: ein Element des Wassers, notwendig für die Verbrennung von Kohlenhydraten zur Energiegewinnung

Kohlenstoff: Grundelement von organischen Verbindungen (Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate)

Wasserstoff: ein Element des Wassers

Stickstoff: wesentliches Element der Eiweiße, Eiweißstoffe und DNA

Kalzium: Knochenstabilisierung, Muskelerregung

Kalium: Leitfähigkeit von Nervenzellen

Natrium: Regulation des Wasserhaushaltes, Leitfähigkeit von Nervenzellen

Magnesium: Bestandteil von Knochen, Enzymen; stabilisiert die Erregbarkeit von Zellen

Phosphor: Bestandteil von Knochen (als Phosphat)

Schwefel: Bestandteil von Aminosäuren und Vitaminen

Chlor: Bestandteil der Magensäure, zusammen mit Natrium (NaCl – Kochsalz), Regulation des Wasserhaushaltes

Eisen: Bestandteil vieler Enzyme, z. B. roter Blutfarbstoff (Hämoglobin)

Fluor: Härtung des Zahnschmelzes

Iod: Bestandteil der Schilddrüsenhormone

Zink: Beteiligung an vielen Enzym- und Hormonvorgängen

Kupfer: Bestandteil zahlreicher Enzyme

1.1.2 Chemische Verbindungen (Moleküle)

Die chemischen Elemente bilden im menschlichen Organismus viele verschiedene Verbindungen, die sich folgendermaßen einteilen lassen (s. Tab. 1.1; die Prozentzahlen stellen den ungefähren Gehalt im menschlichen Körper dar):

Tab. 1.1: Chemische Verbindungen

anorganische Verbindungen

organische Verbindungen

Wasser (60–70 %)

Eiweiß (15 %)

Mineralstoffe (5 %)

Fett (10 %)

Laugen und Säuren (1 %)

Kohlenhydrate (1,2 %)

Nukleinsäuren (1 %)

Beispiele für die Bedeutung der einzelnen Verbindungen:

Wasser: Wasser ist die Grundlage des Lebens, alle chemischen Prozesse und somit Lebensvorgänge spielen sich im Medium Wasser ab. Wasser ist Lösungs- und Transportmittel.

Mineralstoffe: Als chemische Verbindungen dienen sie dem Körper als Bau- und Regelstoff (z. B. in Hormonen).

Laugen und Säuren: Magensäure dient der Verdauung und sie regulieren den pH-Wert des Blutes.

Eiweiße: Eiweiße (Proteine) setzen sich aus verschiedenen Aminosäuren zusammen. Jede Körperzelle im Menschen besteht aus Eiweißen, sie bestimmen in großem Maße die Funktion und die Struktur des menschlichen Körpers und sie sind in allen Organen zu finden (z. B. Hauptbestandteil der Muskulatur). Weitere Aufgaben: Sie sind Bestandteil von Enzymen und Hormonen, sind Stütz- und Gerüstbaustoff (z. B. Kollagen), bilden Keratin für Haut, Haare und Nägel, man findet sie im Blut und in den roten Blutkörperchen als Transporteiweiße (z. B. Hämoglobin) sowie als Antikörper für die Immunabwehr und sie sind Faktoren der Blutgerinnung.

Nukleinsäuren: Nukleinsäuren sind Bestandteil der Chromosomen als DNA (Desoxyribonukleinsäure), Träger der genetischen Information und Bestandteil der RNA (Ribonukleinsäure) sowie Überträger der genetischen Information in der Zelle.

Fette: Fette sind Energieträger und Energiespeicher. Durch die Speicherung von Fetten unter der Haut wird ein Wärmeschutz gewährleistet, Fettgewebe schützt die Organe vor äußeren Einflüssen und Fett spielt für den Aufbau der Zellwände (Membranen) eine wichtige Rolle.

Kohlenhydrate: Kohlenhydrate dienen dem Körper v. a. als Energiequelle, Energiereserve sowie als Gerüstsubstanz.

1.1.3 Zellen und Zellorganellen

Der gesamte menschliche Organismus ist aus Zellen aufgebaut. Jeder Mensch hat ca. 100 Billionen Zellen (das ist eine Eins mit 14 Nullen). Größe und Aufbau der Zellen ist je nach Funktion sehr unterschiedlich. Jede dieser Zellen, mit Ausnahme der roten Blutkörperchen, enthält in ihrem Zellkern den vollständigen genetischen Bauplan, der jedem Menschen zugrundeliegt.

Zellen haben in der Regel die Endung „-zyten“, z. B.:

Melanozyten: Hautzellen, die das Pigment Melanin bildenLeukozyten: weiße BlutkörperchenAstrozyten: eine bestimmte Zellart im Nervensystem

Die Zelle, die auch als kleinste Funktionseinheit des menschlichen Körpers bezeichnet wird, hat folgende Lebenseigenschaften:

Wachstum: Die Zelle kann durch Bildung von Eiweißen wachsen.

Stoffwechsel: Damit Aufbau, Ernährung und Funktion der Zelle gewährleistet sind, müssen sehr viele chemische Prozesse stattfinden. Die Zelle muss in der Lage sein, Stoffe aufzunehmen, um- und aufzubauen und abzugeben.

Sekretion: Bestimmte Zellen können Schleim, Fermente, Enzyme und Hormone bilden (z. B. in Hormondrüsen vorkommende Zellen).

Phagozytose: Manche Zellen (z. B. „Fresszellen“, Monozyten) können Fremdkörper oder Bakterien in sich aufnehmen.

Beweglichkeit: Einige Zellen haben die Fähigkeit, sich fortzubewegen oder Flimmerhärchen an der Zellmembran zu bewegen (z. B. Samenzellen, bestimmte weiße Blutkörperchen (Granulozyten), Zellen in den Atemwegen).

Reizbarkeit: Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, brauchen Zellen einen Reiz. Dieser Reiz kommt entweder direkt von außen (bei Sinneszellen), vom Körper selbst durch Hormone oder vom Nervensystem. Der Reiz wird aufgenommen und beantwortet (z. B. führt ein Nervenimpuls auf eine Muskelzelle zur Kontraktion).

Regeneration: Zellen haben in der Regel die Fähigkeit, sich zu erneuern bzw. sich zu ersetzen.

Vermehrung: Durch Zellteilung können sich Zellen vermehren.

Allgemeiner Aufbau der Zellen mit den wichtigsten Strukturen (Zellorganellen)

Zellmembran: Sie hält die Zelle zusammen und regelt durch besondere Strukturen den Austausch von Stoffen (Wasser, Nährstoffe).

Zellplasma: Sie bildet eine zähflüssige Masse aus Wasser (75 %), Eiweißen, Salzen, Kohlenhydraten, Fetten. Im Zellplasma spielen sich die meisten Stoffwechselvorgänge ab.

Zentralkörperchen: Sie spielen eine wichtige Rolle während der Zellteilung.

Mitochondrien: Die „Kraftwerke“ der Zelle: Hier wird die benötigte Energie erzeugt.

Ribosomen: Sie bilden die notwendigen Eiweiße, die für den Aufbau und die Funktion der Zelle notwendig sind.

Zellkern: Er bildet die größte Struktur der Zelle. Der Zellkern ist die Steuerzentrale des Zellstoffwechsels und enthält den größten Teil des genetischen Materials der Zellen in Form von mehreren Chromosomen.

Gene

Der Bauplan des gesamten menschlichen Erbguts (die Gene) ist in jeder menschlichen Zelle hinterlegt. Etwa 100.000 Gene liegen aufgereiht auf den Chromosomen.

Chromosomen

Die Körperzellen des Menschen enthalten 46 Chromosomen, aufgeteilt in 23 Chromosomenpaare, die man einen Chromosomensatz nennt. Unterschieden werden 44 Autosomen (Körperchromosomen) und 2 Gonosomen (Geschlechtschromosomen), dabei haben Männer ein X- und ein kleineres Y-Chromosom, Frauen haben zwei X-Chromosomen.

Zellteilung

Man unterscheidet zwei Arten der Zellteilung:

Die Mitose ist die normale Zellteilung, bei der zwei gleiche Tochterzellen entstehen. Dies ist die häufigste Art der Zellteilung. Sie findet ständig und in fast jedem Gewebe (Wachstum und Regeneration) statt. Die Meiose ist die Reduktionsteilung oder Reifeteilung zur Bildung von Keimzellen (Spermien und Eizellen). Die Chromosomenzahl wird zunächst von 46 auf 23 verringert. Bei der Befruchtung verschmelzen die beiden elterlichen Keimzellen miteinander, sodass wieder ein kompletter Chromosomensatz mit 46 Chromosomen entsteht.

1.1.4 Gewebe

Ein Gewebe ist eine Ansammlung gleichartiger und/oder unterschiedlicher Zellen. Die Zellen eines Gewebes besitzen ähnliche oder gleiche Funktionen und erfüllen so in der Regel gemeinsam die speziellen Aufgaben des Gewebes. Die verschiedenen Gewebetypen lassen sich in vier Hauptklassen gliedern, die man als Grundgewebe bezeichnet:

Epithelgewebe: Dies besteht aus Zellschichten, die alle inneren und äußeren Oberflächen bedecken. Es wird grob in Oberflächen- und Drüsenepithelien gegliedert.

Binde- und Stützgewebe: Damit ist das Gewebe bezeichnet, das für strukturellen Zusammenhalt sorgt und Zwischenräume füllt (Knochen, Knorpel und Fettgewebe).

Muskelgewebe: Das Muskelgewebe besitzt durch seine Struktur die besondere Fähigkeit zur Kontraktion. Muskeln bestehen aus Fasern bzw. Zellen, die eine Vielzahl von kontraktilen (mit der Fähigkeit, sich zusammenzuziehen) Eiweißfäden, die sog. Myofibrillen, enthalten.

Nervengewebe: Es bildet die Grundlage des Nervensystems, seine Aufgabe ist die Signalübertragung zwischen verschiedenen Körperstrukturen.

Die einzelnen Gewebetypen werden wie folgt unterschieden.

Epithelgewebe

Deckepithelien: Sie besitzen eine Schutzfunktion (chemisch, mechanisch etc.), dienen als Abdichtung und gewährleisten einen Stoffaustausch. So werden dem Körper Aufnahme (Resorption) und Abgabe (Sekretion) von Stoffen ermöglicht.

Deckepithel: Die Deckepithelien, aus denen die Haut besteht, lassen sich noch in einschichtige und mehrschichtige Deckepithele untergliedern.

Drüsenepithelien: Sie können eine Ausscheidungsfunktion erfüllen (Sekretion). Man findet Drüsenepithelien z. B. an allen Schleimhäuten.

Sinnesepithelien: Sie dienen der Reizaufnahme in Nase, Zunge, Auge und Innenohr und bestehen aus Stütz- und Sinneszellen.

Binde- und Stützgewebe

Bindegewebe ist gut durchblutet. Wie sein Name andeutet, verbindet es verschiedene Organe miteinander und hat vielfältige Aufgaben:

Bindegewebe umhüllt die Organe, Gefäße und Nerven. In Form von Bändern dient es der Stabilisierung von Strukturen, als Sehnen der Kraftübertragung.

Stoffwechselfunktion: Durch seine starke Durchblutung ist das Bindegewebe bestens mit Nährstoffen versorgt und kann Stoffwechselendprodukte abtransportieren.

Durch die Dehnbarkeit ist das Bindegewebe der ideale Wassermassenspeicher. Bemerkbar macht sich dies bei Ödemen.

Wundheilung: Narbengewebe ist derbes Bindegewebe.

Abwehr: Bestimmte Bindegewebszellen sind an der Aufnahme von fremden Stoffen (Phagozytose) beteiligt.

Speicher: Im Fettgewebe wird u. a. Energie in Form von Fett gespeichert.

Als Stützgewebe bezeichnet man im Allgemeinen Knorpel- und Knochengewebe

Muskelgewebe

Im menschlichen Körper lassen sich drei Arten von Muskelgewebe unterscheiden:

Quergestreifte Skelettmuskulatur, die auch Bewegungsmuskulatur genannt wird, ist für die Motorik des Körpers verantwortlich. Sie ist meistens willkürlich steuerbar. Es gibt über 600 Skelettmuskeln im menschlichen Körper.

Herzmuskulatur kann als weitere Form der quergestreiften Muskulatur abgegrenzt werden. Sie arbeitet ständig, kann nicht krampfen und hat mit dem Reizleitungssystem ein eigenes Nervensystem.

Glatte Muskulatur besitzt keine Querstreifung und wird deshalb als glatt bezeichnet. Sie ist nicht der bewussten Kontrolle unterworfen und wird vom vegetativen Nervensystem innerviert (gereizt) und gesteuert. Hierzu zählt z. B. die Darm- und Gefäßmuskulatur.

Nervengewebe

Nervengewebe besteht aus folgenden Zelltypen:

Nervenzellen (Neuronen): Nervenzellen sind Zellen, die für die Reizaufnahme sowie die Weitergabe und Verarbeitung von Nervenimpulsen (Erregungen) zuständig sind.

Gliazellen: Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Gliazellen (z. B. Schwann-Zellen, Astrozyten, Oligodendrozyten, Plexuszellen u. a.) Diese Zellen erfüllen im Nervengewebe vielfältige die Nervenzellen unterstützende und organisierende Aufgaben, z. B.:

Stützfunktion

Transport- und Stoffwechselfunktionen

Versorgung der Nervenzellen (z. B. mit Cholesterin)

Isolation (Verbesserung der Erregungsleitung)

Aufbau und Reparation von Nervengewebe

Abwehrfunktionen

Beteiligung an der Bildung von Synapsen (Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen oder zwischen einer Nervenzelle und einer Muskelzelle)

Die meisten Nervenzellen regenerieren sich ab dem sechsten Lebensmonat nicht mehr, sie stellen ihre Zellteilung ein (bei der Zellteilung wäre die Funktion beeinträchtigt). Nervenzellen sind extrem spezialisiert, nur bestimmte Zellen können bei Ausfall deren Funktion übernehmen. Dies stellt die Grundlage für das Verständnis von vielen Behinderungsarten dar. Nur im peripheren Nervensystem können Nervenfasern unter bestimmten Umständen nachwachsen.

1.1.5 Organe

Die Tabelle 1.2 zeigt Beispiele für Organe und deren Anteile am Gesamtkörpergewicht (70 kg entsprechen 100 % des Körpergewichts):

Tab. 1.2: Organe (Beispiele)

Organe

Gewicht

Anteil am Gesamtkörpergewicht

Muskeln

30 kg

43 %

Skelett

8,5 kg

11,5 %

Haut

6,1 kg

8,7 %

Blut

5,4 kg

7,7 %

Verdauungstrakt

2,0 kg

2,9 %

Leber

1,7 kg

2,4 %

Lunge

1,0 kg

1,4 %

Herz

0,3 kg

0,43 %

Nieren

0,3 kg

0,43 %

Schilddrüse

0,02 kg

0,03 %

Gehirn

1,3 kg

1,8 %

Milz

0,18 kg

0,26 %

Als Organ wird ein Teil des Körpers bezeichnet, der aus unterschiedlichen Zellen und Geweben besteht und eine oder mehrere spezielle Aufgaben erfüllt. Ein Organ stellt eine abgegrenzte Funktionseinheit innerhalb des menschlichen Körpers dar.

Organe bestehen meist aus dem eigentlichen Funktionsgewebe (Parenchym) und dem Zwischengewebe (Interstitium). Sie sind in ihrer Funktion direkt durch Organsysteme miteinander verbunden.

1.1.6 Organsysteme

Als Organsystem bezeichnet man eine funktionell zusammengehörende Gruppe von Organen. Häufig wird auch von „Apparat“ gesprochen. So werden z. B. zum Verdauungssystem (oder Verdauungsapparat) alle Organe zusammengefasst, die der Aufnahme (Lippen, Mundhöhle), der Zerkleinerung (Zähne), dem Transport (Speiseröhre) und der chemischen Verdauung (Magen-Darm-Trakt, Leber, Bauchspeicheldrüse) von Nahrung sowie der Ausscheidung (Rektum, Anus) ihrer unverdaulichen Reste dienen. Diese Einteilung berücksichtigt nicht, dass es zahlreiche Überschneidungen und Wechselwirkungen zwischen den Organsystemen gibt, also kein Organsystem unabhängig von den anderen agiert. So wird das Verdauungssystem durch Gefäße mit Blut versorgt (Herz-Kreislauf-System) und durch Nerven gesteuert (Nervensystem). Die Kotabgabe wird durch die Bauchmuskeln unterstützt (Bewegungsapparat).

Ein weiteres Problem bei der Gliederung in Organsysteme sind Mehrfachfunktionen, so hat z. B. die Leber vielfältige Funktionen und könnte zu mehreren Organsystemen gerechnet werden.

Organsysteme im Überblick

Es gibt verschiedenste Einteilungen für Organsysteme. Die in Tabelle 1.3 gewählte hat v. a. einen didaktischen Hintergrund.

Die Ursachen der Einschränkungen von Menschen mit Behinderungen liegen häufig in einer Beeinträchtigung oder Schädigung des Nervensystems, weshalb in den meisten Bundesländern eine Trennung von Neurologie/Psychiatrie und der Allgemeinen Gesundheits- und Krankheitslehre und Pflege vollzogen wird. In diesem Buch findet aus diesem Grund das Thema Nervensystem keinen besonderen Platz.

Tab. 1.3: Organsysteme

Organsystem

beteiligte Organe

Hautsystem

Ober-, Leder- und Unterhaut, Haare, Nägel, Hautdrüsen

Nervensystem

Gehirn, Nerven, Sinnesorgane (z. B. Augen, Gehörorgan, Hautsinneszellen)

Hormonsystem

Hormondrüsen (z. B. Schilddrüse) und hormonbildende Gewebe (z. B. im Magen)

Blut und Immunsystem

Blut, Lymphgefäße, Lymphknoten, Lymphe, Milz

Atmungssystem

Nase, Rachen, Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien, Lunge

Herz- und Kreislaufsystem

Herz, Blutgefäße

Verdauungssystem

Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre, Magen, Dünndarm, Dickdarm, Leber, Bauchspeicheldrüse

Bewegungs- und Stützapparat

Knochen, Knorpel, Bänder, Sehnen, Muskulatur

Harn- und Fortpflanzungssystem

Nieren, Harnleiter, Harnblase, Harnröhre Mann: Hoden, Prostata, Penis Frau: Eierstöcke, Gebärmutter, Scheide

1.1.7 Ganzheit Mensch

Bei der vorangegangenen Betrachtung lag der Schwerpunkt auf dem Körperlichen. Ein kleiner Blick auf die Begrifflichkeiten „Psyche“ und „Geist“ soll uns helfen, der Ganzheit Mensch ein wenig näherzukommen.

Unter der Psyche (Seele) versteht man heutzutage normalerweise die Gesamtheit aller Gefühlsregungen (Emotionen) und geistigen Vorgänge beim Menschen. Die Psyche wird auch oft als etwas den Organsystemen des Menschen Übergeordnetes angesehen, sie ist aber auch abhängig vom Funktionieren aller Organsysteme (z. B. vom Hormonsystem) und aufs Engste mit dem Nervensystem verbunden.

Wenn man von Geist oder geistig spricht, sind in erster Linie kognitive Fähigkeiten gemeint; also alles, was mit Denken zu tun hat. Grundlagen von Denken wiederum sind das Wahrnehmen, Bewusstmachen, Lernen, Erinnern, Vorstellen und Entwickeln eigener Phantasien. Weitere Voraussetzungen für Denken sind Wachsamkeit und Konzentrationsfähigkeit.

Differenziert man den Begriff „Denken“ nochmals, spielen Begriffe wie Planen, Überlegen, Entscheiden, Beabsichtigen, Auswählen, Strategien entwickeln und verfolgen, Einschätzen, Bewerten, Kontrollieren und viele andere eine zumindest sprachliche Rolle. Weiterhin versteht man unter „Geist“ auch Vorgänge, die mit religiösen und kulturellen Vorstellungen (z. B. Existenz einer Seele) bis hin zu Jenseitserwartungen verknüpft sind. Oft wird unter Geist auch all das verstanden, was nicht an den leiblichen Körper gebunden ist. Alles ist miteinander verbunden und beeinflusst sich gegenseitig.

Kompetenzerwerb:

Diskutieren Sie die Begriffe „Körper“, „Psyche“ und „Geist“ in der Gruppe.Finden Sie Zusammenhänge anhand von konkreten Beispielen.

1.1.8 Chemische Vorgänge (Grundlage für Abläufe im menschlichen Körper)

Brownsche Molekularbewegung

Als Brownsche Molekularbewegung wird die Wärmebewegung von Teilchen in Flüssigkeiten bezeichnet. Dabei beschreibt jedes Atom oder Molekül eine Bewegung, deren Ausmaß temperaturabhängig ist. Sie ist die Grundlage dafür, dass sich Atome und Moleküle bewegen und somit immer die Tendenz zur Verteilung haben. Diffusion und Osmose beruhen auf dieser Teilchenbewegung.

Diffusion

Alle Teilchen eines gelösten Stoffs sind in ständiger Bewegung. Kommt es in der Lösung zu einem Konzentrationsunterschied – beispielsweise durch Zugabe von einem Lösungsmittel oder durch die Neubildung einer löslichen Substanz an einer bestimmten Stelle – so entsteht ein Konzentrationsgefälle. Dieses wird durch die Teilchenbewegung, sofern es nicht ständig neu erzeugt wird, im Laufe der Zeit ausgeglichen. Die spontan eintretende gleichmäßige Verteilung eines Stoffs in dem zur Verfügung stehenden Raum nennt man Diffusion. Die Diffusionsgeschwindigkeit hängt, gleiche Temperatur vorausgesetzt, v. a. vom Konzentrationsgefälle und von den Eigenschaften des diffundierenden Stoffs ab. Was für gelöste Stoffe gilt, trifft auch für das Lösungsmittel Wasser zu.

Osmose

Unter Osmose versteht man den Fluss von Wasser durch eine halbdurchlässige Membran (semipermeable Membran). Ist die Konzentration des Wassers auf beiden Seiten einer Membran gleich groß, ändert sich an diesem Zustand nichts, obwohl ständig Wassermoleküle in beiden Richtungen durch die Membran hindurchwandern. Je höher die Temperatur, umso stärker ist diese Bewegung der Teilchen. Ist die Membran zwischen zwei Lösungen hauptsächlich für das Lösungsmittel durchlässig, für andere Teilchen aber kaum, wird sie als halbdurchlässige Membran bezeichnet. Befinden sich auf beiden Seiten der Membran Lösungen unterschiedlicher Wasserkonzentration, dann werden in Richtung der niedrigeren Konzentration im gleichen Zeitraum mehr Wassermoleküle durch die Membran treten als umgekehrt. Man spricht von Osmose.

Begriffe:

isotonisch: Der osmotische Druck auf beiden Seiten der Membran ist gleich groß.hypotonisch: Die Konzentration einer gelösten Substanz (z. B. in der Zelle) ist niedriger als in der Vergleichslösung (z. B. in der Umgebung der Zelle).hypertonisch: Die Konzentration einer gelösten Substanz ist höher als in der Vergleichslösung.

Wasser wandert so lang aus einer hypotonischen in eine hypertonische Lösung ein, bis beide isotonisch sind.

2 Gesundheit – Krankheit – Behinderung

Begrifflichkeiten, die uns in Bedeutung, Sprachgebrauch und in Bezug auf eine grundlegende heilerziehungspflegerische Haltung immer wieder begegnen, sollen hier kurz aufgeführt werden.

2.1 Gesundheit

Gesundheit des Menschen ist:

laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

nach dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie von 1997 ein „mehrdimensionales Phänomen, welches über den ‚Zustand der Abwesenheit von Krankheit’ hinausreicht.“

nach Monika Krohwinkel, 1992, ebenso wie Krankheit ein „dynamischer Prozess“. Beide Zustände sind „für die Pflege als Fähigkeiten und Defizite erkennbar.“ Krohwinkel identifiziert Wohlbefinden und Unabhängigkeit als subjektiv empfundene Teile der Gesundheit.

laut einer weiteren pflegerischen Definition (Reinhard Lay, 1997/2004) „eine zufriedenstellende Entfaltung von Selbstständigkeit und Wohlbefinden in den Aktivitäten des Lebens.“

Ist Gesundheit also nur ein Begriff, der Zustand eines Menschen oder ein dynamischer Prozess? Vielleicht auch eine grundlegende Denkweise im Umgang mit mir selbst und meinem Selbstverständnis im Umgang mit Menschen, die als „krank“ oder „behindert“ eingeschätzt werden?

Kompetenzerwerb:

Diskutieren Sie folgende Fragestellungen:

Was verstehen Sie unter dem Begriff „Gesundheit“?Welche grundlegenden Haltungen können hinter den einzelnen Definitionen stecken?Wo stecken Möglichkeiten bei den einzelnen Definitionen in Bezug auf die Begleitung von Menschen?

2.2 Krankheit

Unter Krankheit wird meist die Störung einer Organfunktion, der Psyche oder des gesamten Organismus verstanden. Es handelt sich dabei immer um eine Beeinträchtigung des Menschen bei der Erfüllung von körperlichen, seelischen, geistigen und/oder sozialen Bedürfnissen.

Im Kontext mit Gesundheit kann Krankheit somit nicht als Zustand, sondern sollte als Prozess verstanden werden. Menschen sind nicht entweder krank oder gesund, sondern befinden sich ständig in einem Wechselspiel zwischen Krankheit und Gesundheit. Der Mensch unterliegt ständig krankmachenden Faktoren, die durch gesundmachende Mechanismen (Ressourcen, Fähigkeiten, Möglichkeiten) ausgeglichen werden können. Nur durch dieses grundlegende System der Ausgewogenheit funktioniert unser menschlicher Körper. Es gibt jedoch auch Erkrankungen beim Menschen, bei denen diese Ausgewogenheit nicht mehr gegeben ist.

2.3 Behinderung

Ein Mensch hat eine Behinderung, wenn er dauerhafte oder zumindest längerfristige Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat. Diese Beeinträchtigungen haben ursächlich zwei Komponenten:

Die von außen kommende Komponente: Der Mensch wird in seinen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten dadurch behindert, dass Strukturen und Prozesse in einer Gesellschaft keinen oder einen nur unzureichenden Platz haben, Minderheiten in ihrer Individualität zu berücksichtigen.

Die Komponente, die vom Menschen selbst aus geht: Das sind Einschränkungen in der Funktion von bestimmten körperlichen, seelischen, geistigen oder sozialen Fähigkeiten, die dazu führen, dass dieser Mensch nicht oder nur erschwert am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.

Bei der Begleitung von Menschen mit Behinderung müssen beide Komponenten berücksichtigt werden: Ein Mensch ist nicht nur behindert, sondern wir behindern diesen Menschen auch!

2.3.1 Behinderungsarten

Zu den Behinderungsarten zählen: körperliche Behinderung, Sinnesbehinderung (Blindheit, Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit, Taubblindheit), Sprachbehinderung, psychische (seelische) Behinderung, Lernbehinderung und geistige Behinderung. Häufig kommt es zu Kombinationen in den einzelnen Behinderungsarten. In der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden Schädigung, Leistungsminderung und Behinderung unterschieden:

Schädigung

ist eine dauernde oder vorübergehende psychische, physiologische oder anatomische Einbuße und/oder Anomalie. Als Beispiel können folgende Krankheiten genannt werden: Herzinfarkt, Hirninfarkt, aber auch psychische Störungen (z. B. Wahrnehmungsstörungen).

Leistungsminderung

ist die teilweise oder gänzliche Unfähigkeit, Tätigkeiten auszuüben, die für motorische oder geistige Funktionen notwendig sind (z. B. Gehen, Sehen, Sprechen, Interesse an der Umwelt zeigen und mit ihr in Kontakt treten usw.).

Behinderung

wird als eine vorhandene Schwierigkeit definiert, eine oder mehrere Tätigkeiten auszuüben, die in Bezug auf das Alter der Person, ihr Geschlecht und ihre soziale Rolle im Allgemeinen als wesentliche Grundkomponenten der täglichen Lebensführung gelten (z. B. die Sorge für sich selbst, soziale Beziehungen, wirtschaftliche Tätigkeit).

Eine neuere Unterscheidung bzw. Definition beinhaltet noch Fähigkeiten und Aktivitäten des Menschen (nach Fornefeld, 2009):

Impairment

: Beeinträchtigung einer Körperfunktion oder -struktur im Sinne einer wesentlichen Abweichung oder eines Verlustes

Activity

: Möglichkeit der Aktivität eines Menschen, eine persönliche Verwirklichung zu erreichen

Participation

: Maß der Teilnahme an öffentlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Aufgaben, Angelegenheiten und Errungenschaften

Kontextfaktoren

: physikalische, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der ein Mensch das eigene Leben gestaltet

2.3.2 Ursachen von Behinderungen

Behinderungsursachen können wie folgt unterteilt werden:

erworbene Behinderungen

perinatal (während der Geburt) entstandene Schäden (z. B. Sauerstoffmangel)

durch Krankheiten entstandene Schäden (z. B. Infektionen, Epilepsie)

körperliche Schädigungen (z. B. Unfall)

Alterungsprozesse

angeborene Behinderungen

vererbt bzw. chromosomal bedingt (z. B. Trisomie 21)

pränatale (vor der Geburt entstandene) Schädigungen (Infektionen in der Schwangerschaft)

Behinderungen können auch als Kombination aus mehreren Ursachen und Folgen auftreten (Mehrfachbehinderung, schwerstmehrfache Behinderung) und weitere Behinderungen zur Folge haben (z. B. Kommunikationsbehinderung als Folge einer Hörbehinderung). Ein weiterer Aspekt bei der Betrachtung von Behinderung kann durch das Beispiel eines Menschen mit einer ausgeprägten Hauterkrankung aufgezeigt werden, dessen Hände und Gesicht stark verändert sind. Dieser kann in seiner wirtschaftlichen Stellung und besonders in seiner sozialen und emotionalen Befindlichkeit stark behindert werden.

Einige Behinderungen werden gesellschaftlich überhaupt nicht als solche wahrgenommen, sondern gelten als Ausdruck mangelnder Selbstbeherrschung und Erziehung des Betroffenen.

Kompetenzerwerb:

Entwickeln Sie eine Sichtweise von Behinderung, die dem Anspruch einer professionellen Begleitung und Pflege von Menschen mit Behinderungen am besten gerecht werden kann.

2.4 Die Salutogenese – Ein interessanter Ansatz

Der Begriff der Salutogenese bedeutet so viel wie „Gesundheitsentstehung“ oder die „Ursprünge von Gesundheit“. Die Salutogenese wurde vom israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923–1994) in den 1970er Jahren entwickelt. Nach dem Salutogenese-Modell sind Gesundheit und Krankheit kein Zustand, sondern müssen als Prozess verstanden werden. Ein Mensch soll lernen, seine gesunderhaltenden Ressourcen und Fähigkeiten zu nutzen, um gesund zu bleiben oder bei einer Erkrankung aus eigenem Antrieb selbst zur Gesundung beizutragen.

Die Hauptthese von Antonovsky ist, dass das sog. Kohärenzgefühl als Kern der Frage „Wie entsteht Gesundheit?“ gesehen werden muss.

2.4.1 Kohärenzgefühl

Das Kohärenzgefühl besteht laut Antonovsky aus drei Fähigkeiten bzw. Gefühlen im Umgang mit dem eigenen Körper. Es drückt aus, wie ein Mensch mit Reizen, Veränderungen und Belastungen (z. B. Krankheiten) von außen (Umwelt) und innen (vom eigenen Körper) umgeht.

Gefühl von Verstehbarkeit (

sense of comprehensibility

): die Fähigkeit, Zusammenhänge des Lebens verstehen zu können

Gefühl von Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit (

sense of manageability

): die Überzeugung, dass das eigene Leben gestaltet werden kann

Gefühl von Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit (

sense of meaningfulness

): der Glaube, dass das Leben sinnvoll ist

Nach Antonovsky ist das Gefühl von Sinnhaftigkeit das wichtigste. Es wird von ihm als eine von außen bedingte, bis zu einem Alter von ca. 30 Jahren abgeschlossen entwickelte Disposition angesehen.

Kompetenzerwerb:

Diskutieren Sie in der Kleingruppe die Begriffe Salutogenese und Kohärenzgefühl.Entwickeln Sie Methoden, mit denen Sie Menschen mit Behinderungen das Kohärenzgefühl vermitteln können.

2.4.2 Pathogenetisch – Salutogenetisch

Beispiel vom „Schwimmer im Fluss“: Bei der Behandlung von Krankheiten gleicht nach Antonovsky die ursachensuchende (pathogenetische) Herangehensweise der Medizin dem Versuch, Menschen mit hohem Aufwand aus einem reißenden Fluss zu retten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sie da hineingeraten sind und warum sie nicht besser schwimmen können. Die Klassische Medizin sieht Lebenseinflüsse wie Stresserfahrungen und Krankheit als generell schädlich an und versucht im Beispiel, den Menschen aus den Fluten des Flusses zu retten und ihm schnell wieder festen Boden unter den Füßen zu verschaffen.

Die Salutogenese hingegen sieht den Fluss als den Strom des Lebens. Sie sieht die Notwendigkeit eines jeden Menschen, ein guter Schwimmer zu werden, um im Wechselspiel des Lebens bestehen zu können. Salutogenese will trainieren und ermutigen, die eigenen Ressourcen zu nutzen, um den Herausforderungen (z. B. Krankheiten) des Lebens vertrauensvoll zu begegnen.

Niemand geht sicher am Ufer entlang. Darüber hinaus ist für mich klar, dass ein Großteil des Flusses sowohl im wörtlichen wie auch im herkömmlichen Sinn verschmutzt ist. Es gibt Gabelungen im Fluss, die zu leichten Strömungen oder in gefährliche Stromschnellen und Strudel führen. Meine Arbeit ist der Auseinandersetzung mit folgender Frage gewidmet: Wie wird man, wo immer man sich in dem Fluss befindet, dessen Natur von historischen, soziokulturellen und physikalischen Umweltbedingungen bestimmt wird, ein guter Schwimmer? (Antonovsky, 1997)

Begriffe:

Ressourcen sind Reserven, auf die man jederzeit zugreifen kann, so auch die inneren, menschlichen Ressourcen, die man auch als Energien, Kräfte, Fähigkeiten bezeichnen könnte.Salutogenese ist eine Wortschöpfung von Antonovsky aus den 1970er Jahren, der damit die Frage nach der Entstehung von Gesundheit in die Wissenschaft eingebracht hat. Wir können heute mit einer Zukunftsperspektive sagen, dass „Salutogenese“ eine Bezeichnung ist für die gerade im Entstehen begriffene Wissenschaft von der Entstehung von Gesundheit.Salutogen ist alles, was die Gesundheit fördert.Salutogenetisch wird die Sichtweise genannt, die die Gesundheitsentstehung im Fokus hat.

2.5 Allgemeine Pathologie (Allgemeine Krankheitslehre)

Die Pathologie erforscht Ursachen, Entstehungsmechanismen, sichtbare Veränderungen und Verläufe von Krankheiten. Für Pflegende hat die Pathologie v. a. Bedeutung für das Verständnis von Erkrankungen und somit auch von Symptomen, die beobachtet werden können, wie Therapie und Pflege aussehen und wie Krankheiten vermieden werden können (Hygiene).

Kompetenzerwerb:

„Pathos“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Leiden“, „-logie“ heißt „Lehre“.

Eine kleine Überlegung zur Wortherkunft von „sympathisch“: Die Vorsilbe „sym-“ bedeutet „mit-“ und „patho“ bedeutet „leiden“, zusammen also „mitleiden“ oder auch „mitempfinden“.

Denken Sie über folgende Fragestellung zur Wortherkunft nach: Soll eine Pflegekraft „sympathisch“ sein?

2.5.1 Krankheitsursachen

Die Lehre von den Krankheitsursachen wird als Ätiologie bezeichnet. Folgende Einteilungen der Ursachen kann man zugrunde legen:

physikalisch: Mechanische Einwirkung, Strahlung, Hitze, Kälte, Elektrizität

chemisch: Säuren, Laugen, Gifte (Toxine), Medikamente (Pharmaka)

mikrobiell (durch Mikroorganismen): Viren, Bakterien, Parasiten, Pilze

metabolisch-nutritiv (Stoffwechsel und Ernährung): Über- oder Unterversorgung mit Nährstoffen

Hypoxie (Sauerstoffmangel) und Ischämie (Durchblutungsstörungen)

immunologische Reaktionen (Allergien, Autoimmunerkrankungen)

genetische Störungen (Enzymdefekte, Chromosomenabweichungen (-aberration), erbliche Dispositionen)

Eine andere Einteilung unterscheidet zwischen äußeren und inneren Ursachen:

äußere Krankheitsursachen

Mikroorganismen: Pilze (z. B. Hautpilz), Bakterien (z. B. Harnwegsinfekte), Viren (z. B. Grippevirus), Prionen (z. B. Erreger von BSE), Protozoen (Einzeller, z. B. Malaria), Metazoen (Mehrzeller, z. B. Würmer, Insekten etc.)

soziale Krankheitsursachen (z. B. Ernährungsstörungen in einem bestimmten sozialen Umfeld)

physikalische Krankheitsursachen

mechanische Gewalteinwirkungen (z. B. Frakturen), thermische Faktoren (z. B. Verbrennungen), elektrischer Strom (z. B. Stromschlag), Strahlen (z. B. radioaktive Strahlung)

Klima und Wetter (z. B. Erkältungskrankheiten)

chemische Faktoren (z. B. Umweltgifte)

innere Krankheitsursachen

angeborene Störungen (z. B. Herzfehler bei Trisomie 21)

erworbene Störungen (z. B. Autoimmunerkrankungen)

Alter und Geschlecht (z. B. Demenz)

Beide Einteilungen dienen letztendlich dem Verständnis für Mechanismen in der Krankheitsentstehung und somit auch der Möglichkeit, ursächlich zu therapieren und für gesundheitsunterstützende und vorbeugende Maßnahmen (Prophylaxen) sorgen zu können.

Eine Krankheit kann durch eine einzige Ursache ausgelöst werden (z. B. eine Infektion), in den meisten Fällen ist sie aber die Folge mehrerer, gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeitpunkten wirksam werdender, ursächlicher Krankheitsfaktoren. Auch bestimmte Dispositionen oder Risikofaktoren spielen bei der Entstehung einer Krankheit eine große Rolle.

2.5.2 Disposition (Veranlagung, Krankheitsbereitschaft)

Bestimmte Menschen oder Gruppen von Menschen zeigen sich für bestimmte Erkrankungen besonders anfällig. Dies nennt man Krankheitsdisposition. Beispiele:

Geschlechtsdisposition (z. B. Gichterkrankungen sind bei Männern häufiger)

Altersdisposition (z. B. häufigere Erkältungskrankheiten bei Kindern)

Disposition durch ethnische Zugehörigkeit (z. B. tritt die Sichelzellenanämie nur bei Schwarzen auf, manche Hauterkrankungen kommen ausschließlich bei Weißen vor)

angeborene oder genetische Faktoren: bestimmte Erkrankungen haben eine genetische Disposition (z. B. Diabetes mellitus Typ II)

bestehende oder früher durchgemachte Erkrankungen oder Behinderungen (z. B. Demenzerkrankungen bei Menschen mit Trisomie 21)

körperliche und seelische Belastungen (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben Stress als Risikofaktor)

Umweltfaktoren (Lebensumstände, psychosoziale Faktoren, Ernährung, klimatische Bedingungen – z. B. gehäufte Depressionen in nordischen Ländern)

2.5.3 Krankheitsverläufe

akuter Verlauf: plötzlicher Beginn, meist gute Heilungstendenz, aber häufig auch ausgeprägte Symptome

chronischer Verlauf: häufig schleichender Beginn, oft schlechte Heilungstendenz

rezidivierender Verlauf: wiederholt auftretende Erkrankungen

2.5.4 Krankheitsausgang

völlige Ausheilung

Defektheilung; es bleibt eine dauerhafte Störung (z. B. eine nur kosmetisch beeinträchtigende Narbe), ein Funktionsverlust eines bestimmten Organs oder aber eine bleibende Behinderung

Tod

2.5.5 Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Tod

klinischer Tod (gekennzeichnet durch die unsicheren Todeszeichen); dazu gehören: Kreislaufstillstand, Atemstillstand, Areflexie (fehlende Reflexe) und Abfall der Körperkerntemperatur

Scheintod (Zustand, der mit einem klinischen Tod verwechselt werden kann); z. B. Intoxikation (Vergiftungen) und Unterkühlung

Hirntod (Individualtod); entsteht durch: irreversibler Ausfall der Hirnfunktion (Null-Linien-Elektroenzephalogramm (Null-Linien-EEG)) und fehlender Blutkreislauf im Gehirn (sistierender Hirnkreislauf)

biologischer Tod (gekennzeichnet durch die sicheren Todeszeichen); dazu gehören: Totenflecken (Livores), Leichenstarre (Rigor mortis), Fäulnis, Verwesung, Mumifikation, mit dem Leben nicht vereinbare Verletzungen und Nachweis des Hirntodes

Die Feststellung des Todes durch den Arzt erfolgt anhand der sicheren Todeszeichen. Die Todesart lässt sich unterscheiden in natürliche Tode (durch innere Ursachen bzw. Erkrankung) und nichtnatürliche Tode (durch äußere Einwirkung, Fremdeinwirkung oder als selbst beigebrachter Tod; z. B. durch Suizid, Alkoholvergiftung oder Unfall).

Todesursachen sind Erkrankungen und Veränderungen des Körpers, die zum Tode geführt haben.

2.5.6 Krankheitsstatistik

Morbidität: Anzahl Erkrankter einer bestimmten Krankheit (pro Zeit und Einwohner)

Mortalität: Anzahl Verstorbener an einer bestimmten Krankheit (pro Zeit und Einwohner)

Letalität: Prozentsatz derer, die an einer bestimmten Krankheit versterben (bezogen auf die Zahl der Erkrankten)

Inzidenz: Neuerkrankungen pro Jahr

Prävalenz: Morbidität an einem Stichtag

2.5.7 Klassifikation von Krankheiten

Man kann Erkrankungen verschiedentlich klassifizieren, z. B nach ihrer hauptsächlichen Organbeteiligung, ihrer Ätiologie (Krankheitsursache) oder nach ihrer Pathogenese (Ursache und Entwicklung der Krankheit im Körper). Zum Beispiel kann eine Hauterkrankung infektiös und durch Viren hervorgerufen, also ätiologisch klassifiziert sein.      Eine offizielle Klassifikation für Erkrankungen ist die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems der Weltgesundheitsorganisation (WHO), aktuell der ICD-10 – Listungs-Beispiel: Q90.2 (Trisomie 21, Translokation).

Man sieht, dass versucht wird, Erkrankungen in einem System zu erfassen, um dadurch die Vielfältigkeit von Erkrankungen und Syndromen in eine sinnvolle Struktur zu bringen. Dies hat den Vorteil, dass eine klarere Definition der Erkrankung besteht und somit auch eine einheitlichere Finanzierung gewährleistet werden kann. Darunter kann aber auch der individuelle Unterstützungsbedarf des einzelnen Menschen leiden.

2.5.8 Pathologische Vorgänge

Welche Vorgänge sind bei Erkrankungen im menschlichen Körper zu beobachten? Wie reagiert der menschliche Körper auf Schäden? Was passiert auf Zell-, Gewebe- und Organebene? Körperliche Erkrankungen, Altern und Tod beruhen auf Schädigung und Veränderung molekularer, zellulärer und/oder anatomischer Strukturen durch bestimmte äußere oder innere Einwirkungen und vorgegebene Abläufe im Zusammenspiel mit den Reaktionen des Organismus.

Im Folgenden sind einige grundlegende pathologische Vorgänge im menschlichen Körper aufgeführt.

Entzündung

Eine Entzündung ist eine allgemeine Abwehrreaktion des Körpers auf verschiedenartig schädigende Reize. Sie hat das Ziel, die weitere Ausbreitung der Schädlichkeit zu hemmen, sie zu entschärfen, das Gewebe zu reinigen und schließlich die Voraussetzung für die Beseitigung des Schadens zu schaffen.

Jeder das physiologische Maß übersteigende Reiz kann eine Entzündung auslösen. Insbesondere gilt dies für folgende Reize (Noxen):

mechanische (z. B. Druck, Reibung, Verletzung)

thermische (z. B. Wärme, Kälte)

strahlungsbedingte (z. B. Ultraviolettstrahlung, infrarote und radioaktive Strahlung)

chemische (z. B. Säuren, Laugen)

toxische (giftige; z. B. Bakteriengifte)

enzymatische (z. B. bei der Bauchspeicheldrüsenentzündung durch körpereigene Enzyme)

allergische (z. B. bei Asthma bronchiale)

biologische Reize – durch Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten)

Ablauf einer Entzündungsreaktion

Zuerst kommt es zu einer lokalen Durchblutungsstörung, diese nur minutenlange Phase entsteht durch Verengungen der Arteriolen (kleinste arterielle Gefäße) und einer gleichzeitigen Erweiterung der Venolen (kleinste venöse Gefäße). Danach folgt eine lokale Durchblutungssteigerung (Rötung), ausgelöst vom vegetativen Nervensystem und von Gewebshormonen (Mediatoren, z. B. Prostaglandinen, Kininen). Die Gefäßwände werden durchlässiger, dadurch können Abwehrzellen (v. a. Granulozyten, Makrophagen und Lymphozyten) in das geschädigte Gewebe einwandern. Gleichzeitig tritt Flüssigkeit ins Gewebe aus, es entsteht ein lokales Ödem (Flüssigkeitsansammlung im Gewebe). Es kommt zu einer Schwellung und Schmerzen entstehen durch direkte Reizung von Schmerzrezeptoren und den erhöhten Druck. Rötung und Erwärmung entstehen durch die gesteigerte Durchblutung. Direkte Zellschädigung, Ödeme und Schmerzen führen schließlich zur Funktionsstörung.

Einteilungen und Begrifflichkeiten

Entzündungen können wie folgt eingeteilt werden:

nach zeitlichem Ablauf

akute Entzündung (plötzlich einsetzend)

chronische Entzündung (langsam, schleichend verlaufend)

rezidivierende Entzündung (wiederholt auftretend)

nach der Ausdehnung

systemische Entzündung (der gesamte Körper ist betroffen)

lokale Entzündung (nur auf eine Stelle beschränkt)

nach der Flüssigkeit

seröse Entzündung (eiweißhaltige Flüssigkeit)

eitrige Entzündung (z. B. bei bakteriellen Infektionen)

Infektion

Eine Infektion ist eine Entzündung, die durch Mikroorganismen verursacht wird.

Die klassischen Merkmale einer Entzündungsreaktion sind:

Rötung (Rubor)

Schwellung (Tumor)

Erwärmung (Calor)

Schmerz (Dolor)

Funktionsstörung (Functio laesa) des betroffenen Gewebes oder Organs

Neben den fünf direkten lokalen Zeichen ist eine Entzündung ab einem bestimmten Schweregrad an folgenden allgemeinen Reaktionen des Körpers erkennbar: an Fieber, allgemeinem Krankheitsgefühl oder an Veränderungen im Blut über Laboruntersuchungen.

Entzündungsterminologie (Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit einer Entzündung): Das Geschehen wird meist mit einer Kombination des anatomischen Begriffs für das betroffene Organ mit der Endung „-itis“ gekennzeichnet, z. B. Enteritis (Entzündung des Darms), Colitis (Entzündung des Dickdarms), Gastritis (Entzündung des Magens), Arthritis (Gelenksentzündung), Myokarditis (Herzmuskelentzündung), Dermatitis (Hautentzündung) oder Otitis (Ohrenentzündung). Dabei gibt es auch Ausnahmen: Zum Beispiel ist auch die Pneumonie (Lungenentzündung) eine Entzündung, obwohl die Endung „-itis“ fehlt.

Ödem

Ein Ödem ist die Einlagerung von Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem im Gewebe (zwischen den Zellen). Alle Ödeme kommen durch gesteigerten Austritt von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen bzw. verminderten Rückfluss in die Gefäße zustande. Ein Ödem zeigt sich als nicht gerötete, schmerzlose Schwellung. Ödeme können in der Haut, aber auch in anderen Geweben auftreten (z. B. Hirnödem).

Ursachen:

Entzündungen können ein Ödem entstehen lassen.

Ödeme können als Folge einer Erkrankung, z. B. einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) entstehen. Die dabei auftretende Störung des Blutkreislaufs führt zu einem Rückstau im Gefäßsystem und zu einem Anstieg des Drucks, wodurch Wasser ins Gewebe austritt.

Ödeme treten auch als Begleiterscheinung von Thrombosen auf, die den Rückfluss des Blutes zum Herzen behindern.

Eiweißmangel kann zu Ödemen führen.

Erguss

Beim Erguss handelt es sich um Flüssigkeitsvermehrung oder -ansammlung in einem vorgebildeten Hohlraum, z. B. einem Gelenkspalt.

Ergüsse in vorgebildeten Körperhöhlen entwickeln sich am häufigsten bei Blutstauungen, Entzündungen, Tumorwachstum in die Körperhöhle und Eiweißmangel

Anpassungsreaktionen

Die Gewebe des Körpers reagieren auf Veränderungen der Umwelt, auf metabolische (stoffwechselbedingte), mechanische Belastungen und auf körpereigene Veränderungen. Im Folgenden werden Beispiele für Anpassungsreaktionen genannt.

Hypertrophie

Hypertrophie meint die Zunahme der Organgröße/Gewebemasse durch Zunahme der Zellgröße, z. B.:

Herzmuskelhypertrophie bei Bluthochdruck (Hypertonie)

Skelettmuskelhypertrophie bei Sportlern

Skelettmuskelhypertrophie bei Einnahme von Anabolika (Substanzen, die den Aufbau von körpereigenem Gewebe fördern)

Hyperplasie

Unter Hyperplasie versteht man Gewebevermehrung durch Zunahme der Zellzahl, z. B.:

Verdickung (Hornhaut) der Oberhaut (Epidermis) an mechanisch belasteten Stellen

gutartige Prostatahyperplasie (Vergrößerung der Vorsteherdrüse beim Mann)

Atrophie

Atrophie ist die Gewebeabnahme durch Verminderung von Zellgröße und/oder Zellzahl. Eine Atrophie kann entweder allgemein (universelle Atrophie, z. B. bei Unterernährung) auftreten oder auf bestimmte Organe oder Gewebe innerhalb eines Organs beschränkt sein. Sie kann u. a. aus folgenden Gründen entstehen: Mangelernährung, Stoffwechselstörungen, Unterbeanspruchung eines Organs (Inaktivitätsatrophie, z. B. Muskel- und Knochenschwund bei mangelnder körperlicher Aktivität), infektiöse, physikalische oder chemische Schädigung, Störungen der Blutversorgung, Störung der Innervation (Störung des Nervenreizes auf ein Organ), hormonelle Veränderungen (z. B. bei einem Mangel an Wachstumshormonen), normale Alterserscheinung (z. B. Altershaut), mechanischer Druck (Druckatrophie; z. B. durch den Druck einer schlecht sitzenden Prothese), Kortisontherapie oder übermäßiger Alkoholkonsum.

Manche Organe zeigen eine physiologische Atrophie, wie z. B. der Thymus (Organ des Abwehrsystems, lymphatisches Organ), der sich ab der Pubertät zurückbildet.

Metaplasie (Gewebsumwandlung)

Gewebe verändern ihren Aufbau dadurch, dass sie zwar ähnliche, aber den spezifischen Belastungen besser gewachsene Gewebe bilden. Zum Beispiel verändert sich die Schleimhaut der Bronchien bei chronischen Rauchern dahingehend, dass sich Flimmerepithel gegen Plattenepithel austauscht.

Fibrose

Fibrose entsteht durch Erhöhung des Anteils an kollagenem Bindegewebe. Sie beruht meist auf einer Mehrproduktion von Kollagenfasern und bewirkt eine Verhärtung und Elastizitätsabnahme des betroffenen Gewebes. Ursachen für eine Fibrose können Ödeme, Nekrosen (siehe unten) und Entzündungen sein.

Nekrose

Abb. 2.1: Nekrotischer Zeh

Unter Nekrose versteht man das Absterben von Zellen oder Zellverbänden (s. Abb. 2.1). Nekrose beinhaltet den Zelltod und die Abwehrreaktion des Körpers (Entzündung). Sie ist immer krankhaft (pathologisch).

Zur Bildung von Nekrosen als Endstadium aller Zellschäden kommt es immer dann, wenn der schädigende Einfluss die Anpassungsfähigkeit der Zellen übersteigt. Die wichtigsten Ursachen solcher Zellzerstörungen sind:

Sauerstoffmangel, meist infolge von Durchblutungsstörungen (z. B. Herzinfarkt)

physikalische Schädigungen (z. B. Strahleneinwirkung, Verbrennungen, Erfrierungen oder Nekrosen bei Dekubiti)

Giftstoffe (z. B. Nekrosen an der Leber durch Knollenblätterpilzvergiftung)

Infektionen

Verletzungen

Neoplasie (Neubildung) – Tumor

Ein Tumor (Geschwulst, Schwellung) ist jede Zunahme eines Gewebsvolumens, unabhängig von der Ursache. In der Medizin gibt es zwei Definitionen des Begriffs, danach ist ein Tumor:

jeder erhöhte Platzbedarf (Raumforderung) eines Gewebes oder eine tastbare Verhärtung, z. B. auch eine Schwellung bei einer Entzündung (Ödem, Abszess) oder Zyste (Blase) oder eine Stuhlansammlung im Darm, die man im linken Unterbauch tasten kann.

in engerer Definition jede Neubildung von Körpergeweben (Neoplasien), die durch Fehlregulationen des Zellwachstums entsteht. Eine Aussage, ob ein Tumor bösartig (Krebs) oder gutartig (kein Krebs) ist, ist dabei jedoch noch nicht gegeben.

Neoplasien können jedes Gewebe betreffen, sie können gutartig (benigne) oder bösartig (maligne) sein. Sie können alleinstehend (solitär) oder mehrfach an verschiedenen Stellen im Organismus (multifokal) auftreten. Je nach Ort (Lokalisation) des Tumors und der Funktion des durch ihn geschädigten Gewebes kann er zu einer Zerstörung von Organen mit Beeinträchtigung des Gesamtorganismus bis hin zum Tod führen.

Unterscheidung von Tumoren:

Benigne Tumore verdrängen durch ihr Wachstum umliegendes Gewebe, durchwachsen (infiltrieren) es aber nicht und bilden keine Tochtergeschwulste (Metastasen). Manche gutartigen Tumore können sich jedoch zu bösartigen (malignen) verändern (sie mutieren; z. B. Dickdarmpolypen).

Maligne Tumore werden häufig als Krebs bezeichnet. Sie wachsen in umgebendes Gewebe ein (Infiltration) und zerstören es (Destruktion), außerdem setzen sie durch Verbreitung, über Blut (hämatogen) und Lymphe (lymphogen) Tochtergeschwulste (Metastasen).

Semimaligne (halbbösartige) Tumore setzen in der Regel keine Tochtergeschwulste, zerstören aber umliegendes Gewebe und wachsen in dieses hinein.

Tab. 2.1: Eigenschaften von gutartigen und bösartigen Tumoren

Eigenschaft

benigne (gutartige) Tumore

maligne (bösartige) Tumore

Wachstum

langsam, verdrängend

schnell, invasiv

Abgrenzung zum gesunden Gewebe

gut abgrenzbar, verschieblich

schlecht abgrenzbar, oft nicht verschieblich

Zellgehalt

niedrig

hoch

Tochtergeschwulste (Metastasen)

keine Metastasen

Metastasen

Zellveränderungen

keine oder wenige Zellveränderungen

hohe Mutationsrate, viele atypische Veränderungen, hohe Zellteilungsrate

Verlauf

lang dauernd, symptomarm, selten Rezidive

kurz, häufig Rezidive, häufig tödlich

Beispiele

Kolonadenom (z. B. Dickdarmpolypen)

Bronchialkarzinom (Krebs im Bronchialsystem)

Einteilung (Klassifikation) nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Tumore sind in Grade eingeteilt, man nennt dies die TNM-Klassifikation. Diese dient der Medizin, bösartige Erkrankungen (Krebs) einzuteilen. Sie basiert auf statistischen Untersuchungen, die Aussagen über das voraussichtliche Verhalten von Tumorerkrankungen zulassen, Prognosen erlaubt und weitere Therapien bestimmt. TNM ist eine Abkürzung für:

T

umor: Beschreibung von Ausdehnung und Verhalten des Primärtumors

N

odes (Lymphknoten): Fehlen bzw. Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen

M

etastasen: Fehlen bzw. Vorhandensein von Fernmetastasen (in anderen Organen)

Beispiel: T1N0M0 kennzeichnet einen kleinen Primärtumor ohne Lymphknotenbefall und ohne Fernmetastasen.

Wirkung von Tumoren auf den Körper

Komplikationen benigner und maligner Tumoren sind z. B.: Druckatrophie durch Wachstum (führt z. B. zu Hormonmangel bei Tumoren in Hormondrüsen), Verlegungen und Verengungen in Hohlorganen (z. B. Darmverschluss) und gesteigerte Hormonproduktion (z. B. von Insulin). Komplikationen ausschließlich maligner Tumore sind:

hochgradige Verlegungen und Verengungen von Hohlorganen (z. B. Verschluss von Luftwegen, Speiseröhre, Gallengängen, Darm) mit schwerwiegenden Komplikationen

Zerstörungen von Gewebe mit Blutungen und Geschwüren

Ödeme durch Verschluss von Venen und Lymphgefäßen

Erkrankungen der Nerven, Muskeln, Blutgefäßen, Haut und Hautanhangsgebilde – man nennt diese Erkrankungen in Zusammenhang mit einem bösartigen Tumor auch Paraneoplasien

Leiden unter Atrophie des Muskel- und Fettgewebes (Tumorkachexie), Blutarmut (Anämie), allgemeiner Schwäche und starken Schmerzen

gelegentlich Stoffwechselstörungen (Unterzucker (Hypoglykämie), Anhäufung von sauren Stoffwechselprodukten (Azidose))

Regeneration

Das menschliche Gewebe ist einem ständigen Regenerationsprozess unterworfen:

physiologische Regenerationen: einmalig (z. B. Milchgebiss), regelmäßig (z. B. Gebärmutterschleimhaut), ständig, immer (z. B. Oberhaut (Epidermis), Blutzellen etc.)

pathologische bzw. reparative Regeneration: Wundheilung (s. Kap. 4.6.1), Knochenheilung, Nervenheilung

Allergien

Eine Allergie ist die Folge einer überschießenden Reaktion des Immunsystems. Der Organismus reagiert hierbei überempfindlich auf ein Antigen (fremder Eiweißstoff, der im Körper die Bildung von Abwehrstoffen bewirkt), mit dem er bereits Kontakt hatte. Dabei kommt es zur Schädigung von Zellen und Gewebe. Diese Schädigung kann entweder in Form einer Entzündung örtlich begrenzt bleiben oder in Form eines allergischen Schocks den gesamten Organismus betreffen.

Beispiele:

Hautausschläge (Exantheme), z. B. infolge einer Reaktion auf Arzneimittel (Arzneimittelallergie)

Heuschnupfen führt zu Entzündungen der Augen und der Nasenschleimhäute

Insektenstiche können zu lokalen und systemischen Reaktionen führen

Autoimmunerkrankungen

Das Immunsystem ist in der Lage, jedes körperfremde Antigen (Eiweißstoff) zu erkennen und darauf zu reagieren. Darüber hinaus erkennen Zellen, die zu einer Immunantwort fähig sind (sog. immunkompetente Zellen), auch körpereigene Strukturen, ohne jedoch zu reagieren. Während der Embryonalentwicklung und der ersten Lebensmonate lernen die Zellen, diese körpereigenen Strukturen zu tolerieren.

Fehlt diese Autoimmuntoleranz, greift das Immunsystem die körpereigenen Gewebe an und schädigt sie. Dies nennt man Autoimmunerkrankung. Wie Autoimmunerkrankungen entstehen, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Vermutlich entwickeln sich diese Fehlfunktionen der Immunabwehr auf Grundlage von Infektionen mit Bakterien, Viren oder anderen Mikroorganismen, deren Antigene teilweise identisch mit denen körpereigener Zellen sind. Als Reaktion auf die Erreger-Antigene bildet das Immunsystem Abwehrstoffe (Antikörper), die sich auch gegen das körpereigene Gewebe richten. Verbleiben diese Autoantikörper im Blut, nachdem die Infektion abgeklungen ist, entwickeln sich chronische Erkrankungen, die in der Regel in Schüben verlaufen und verschiedene Organe und Gewebe betreffen können. Beispiele sind Multiple Sklerose, Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris), rheumatoide Arthritis oder chronische Schilddrüsenentzündung.

2.6 Diagnostik und Therapie

Diagnose- und Therapiemöglichkeiten verändern sich ständig und immer differenziertere Techniken und Methoden werden entwickelt. Für die Begleitung von Menschen mit und ohne Behinderungen ist es wichtig, dass man sich einen kleinen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten verschafft.

2.6.1 Allgemeine und spezielle Diagnostik

Unter Diagnostik versteht man alle Methoden, die zur Feststellung einer Erkrankung (Diagnosefindung) dienen. Aus Befunden, Symptomen, vermuteter Krankheitsursache und -entstehung resultiert die Diagnose, dieses Vorgehen muss in medizinischen Berufen aus rechtlichen Gründen schriftlich dokumentiert werden. Die wichtigsten diagnostischen Methoden in der Medizin sind:

Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) durch Befragung des Menschen oder anderer Personen (Fremdanamnese)

körperliche Untersuchung des Menschen unter Einsatz der Sinne und einfacher Hilfsmittel (z. B. Puls, Blutdruck und Temperatur messen); Methoden: Inspektion (Anschauen, Sehen), Palpation (Fühlen, Tasten), Perkussion (Klopfen), Auskultation (Abhören)

Labordiagnostik: Blut-, Urin-, Stuhl-, Gewebs- und Zelldiagnostik mittels Histologie, Zytologie

bildgebende Verfahren ohne und mit Kontrastmittel

Sonografie (Ultraschalluntersuchungen)

Endoskopie (Spiegelung von Körperhöhlen und Hohlorganen), ggf. kann gleichzeitig auch therapiert werden (z. B. Magenspiegelung (Gastroskopie))

Röntgen (Untersuchung mittels sog. Röntgenstrahlen, auch X-Strahlen genannt): Zwischen Röntgenröhre und Röntgenfilm befindet sich der Mensch, dessen Gewebe die Röntgenstrahlen in unterschiedlichem Ausmaß abschwächen. Der Strahlenanteil, der den Körper durchdrungen hat, wird auf einem Röntgenfilm sichtbar gemacht. Beispiel: Knochen haben die höchste Dichte und stellen sich auf dem Röntgenfilm weiß dar, dagegen erscheint Luft mit der geringsten Dichte schwarz. Gefahren: Röntgenstrahlung durchdringt alle Gewebe und kann v. a. in Bezug auf die Zellteilung zu Schäden führen. Es kann zu Verbrennungen, Schädigungen des Knochenmarks und der Keimzellen und dadurch zu einer Entstehung von Missbildungen, Unfruchtbarkeit oder Krebs kommen. Deshalb ist Strahlenschutz (z. B. Bleischürzen, Beachtung der jährlichen Höchstdosen) wichtig für zu Untersuchende und Personal. Besondere Vorsicht ist bei Schwangeren geboten; für das ungeborene Kind sind Röntgenstrahlen lebensgefährlich. Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist vor einer Röntgenuntersuchung ein Schwangerschaftstest (Beta-HCG) wichtig, wenn eine Schwangerschaft nicht auszuschließen ist.

Computertomographie (CT): Die Computertomographie ist eine Weiterentwicklung des klassischen Röntgenverfahrens. Der Vorteil besteht in der überlagerungsfreien Darstellung einzelner Körperschichten. Die Strahlenbelastung ist relativ hoch, deshalb sollte bei Schwangeren keine Computertomographie durchgeführt werden.