Geteilte Arbeit, doppelt durchstarten! - Lydia Leipert - E-Book

Geteilte Arbeit, doppelt durchstarten! E-Book

Lydia Leipert

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Beschreibung

Im Tandem zu arbeiten ist die perfekte Lösung für einen anspruchsvollen Job mit vermindertem zeitlichem Aufwand. Von Elternzeit-Rückkehrer:innen über Menschen, die ihre Angehörigen pflegen bis hin zu Arbeitnehmer:innen, die mehr Zeit für Weiterbildungen und Hobbys haben wollen – Jobsharing ist DIE Win-Win-Strategie für Arbeitgeber:innen und -nehmer:innen und ein zukunftsweisendes New Work-Modell für unsere Gesellschaft. Lydia Leipert und Rebecca Zöller erklären, wie es in der Praxis funktioniert.

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Lydia Leipert | Rebecca Zöller

GETEILTEARBEIT,DOPPELTDURCHSTARTEN!

SO FUNKTIONIERTJOBSHARING

Bildnachweis:

Alle Grafiken von der Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Bilder Aufmacherseiten shutterstock: S. 18/19: CRStocker; S. 26/27: noir_illustration und ouran; S. 48/49: Dychkova Natalya; S. 84/85: Simple Line; S. 108/109: Julia Korchevska und In Art; S. 144/145: An Vin; S. 172/173: OneLineStock.com; S. 188/189: one line star

Originalausgabe

1. Auflage 2022

Verlag Komplett-Media GmbH

2022, München

www.komplett-media.de

ISBN: 978-3-8312-0600-1

eISBN: 978-3-8312-7111-5

Auch als E-Book erhältlich

Lektorat: Hanne Reinhardt, Berlin

Korrektorat: Redaktionsbüro Diana Napolitano, Augsburg

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Coverfoto: © Julia Bradley, München

Layout & Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Druck & Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Gedruckt in Deutschland

Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrecht zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.

INHALT

JOBSHARING ALS SINNBILD FÜR DIE MODERNE ARBEITSWELT: EIN VORWORT VON FRÄNZI KÜHNE

AUFBRECHEN: EIN VORWORT DER AUTORINNEN

MACH DICH AUF DIE REISE

This is not a Coaching Buch

Interview Moritz Gekeler: »Be a player not a victim«

WILLKOMMEN AUF DEM KONTINENT NEW WORK

Was ist eigentlich dieses New Work?

Alles auf Anfang

Open your Mind

Interview Inga Höltmann: »Wie New Work in die Köpfe und Unternehmen kommen muss«

Raus aus dem »Ich-arbeite-ja-nur-in-Teilzeit«-Modus

REISEATLAS: JOBSHARING

All inclusive oder Halbpension?

Modelle: Hybrid? Pure? Oder einfach nur Workspouse?

Sicher reisen – mit den Jobsharing-Scouts

Interview Svenja Christen: »Where the magic happens«

Interview Christina Braase: »Wir wollten, dass es fliegt«

Psychotest Jobsharing – Bist du der Typ fürs Jobsharing?

DIE RICHTIGE AUSRÜSTUNG:VORAUSSETZUNGEN FÜR JOBSHARING

Gute Kommunikation

Mit Vertrauen in den Flow

Gemeinsam interviewt: »Wie gut kennt ihr euch wirklich?«

Interview Hermann Hempel: »In der richtigen Rolle«

Strategie und Vision

Flexibilität par excellence

Wie das Leben als Mann einer Tandem-Partnerin ist

SONNE, MEER UND BERGE:ALLES BEKOMMEN DURCH JOBSHARING

Exotenstatus

Bessere Work-Life-Balance

Jobsharing macht happy

Interview Natalie Kauther und Adrian Pollmann: »Wir haben das Gefühl, dass wir im Beruf eine Person sind«

Zwei Hirne sind eben zwei Hirne

Interview Volker Klüpfel und Michael Kobr: »Der Volker macht den Showdown, der Michi die Autos«

Superkräfte inklusive

Wissenstransfer und Feedback

Interview Elly Oldenbourg, Google-Managerin und Sidepreneurin: »Doppelt stark in mehreren Tandems«

Höhere Arbeitgeberattraktivität

Karriere-Boost Jobsharing

Interview Stefanie Bschorr: »Warum wir uns für Unternehmerinnen stark machen müssen«

INSIDERTIPPS: BEST PRACTICE

Sharing, aber richtig

Always: Übergaben

Tandem-Spirit: Ganz normal!

CC ist das A und O

Mit einer Stimme sprechen, nach innen und nach außen

Das Prinzip Good Cop – Bad Cop

Coaching – Außenperspektive einholen

Umgang mit Konflikten

»Dark Moments« bei Lydecca

Erwartungsmanagement

EXKURS: Hand aufs Herz: Ist befreundet zu sein nur ein Vorteil?

GIPFELTOUR: FÜHREN IN TEILZEIT

Weder Makel noch Mutti-Modell: Warum Arbeiten und Führen in Teilzeit keine Karrierekiller sind

Interview Thomas Angerstein und Christof Lieber: »Das 400-Prozent-Topshare-Tandem«

TOLLE AUSSICHTEN

SCHLUSSWORT

DANKSAGUNG

AUTORENVITA LYDECCA

ANMERKUNGEN

In Gedenken an unsere erste gemeinsame ChefinRebecca Smit

JOBSHARING ALS SINNBILD FÜR DIE MODERNE ARBEITSWELT

EIN VORWORTVON FRÄNZI KÜHNE

Gemeinsam mit meinem ehemaligem Gründungspartner Boontham Temaismithi trete ich 2022 eine Tandemstelle in einer familiengeführten Aktiengesellschaft als CDO an. Das hat in einer Aktiengesellschaft auf Vorstandsebene absoluten Pioniercharakter. Zwar steht der Digitalbereich ohnehin für Innovation und Transformation, in Kombination mit einer Tandembesetzung wiederum, bietet das die Chance, ein echtes Zeichen für eine moderne Arbeitswelt zu setzen. Nicht zuletzt ist es mir deshalb so wichtig, mich für das Thema Jobsharing einzusetzen – und das nicht nur auf Führungsebene. Denn Jobsharing ist auf allen Ebenen die Zukunft unseres Arbeitens.

Eine Tandembesetzung hat aber nicht nur nach außen Signalwirkung, sondern auch ins Unternehmen hinein. Wenn ein Unternehmen die Strukturen für die Umsetzung von Jobsharing bietet, weiß man, ob es mit der Modernisierung wirklich ernst gemeint ist. Die vielen Vorteile liegen auf der Hand. Das fängt im Kleinen an – wie doppeltes Fachwissen in einer Position oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aber es ist vielmehr als das. Im Grunde bietet Jobsharing einen zukunftsfähigen Thinktank, der stets unterschiedliche Perspektiven und Meinungen mit einbezieht. So können bessere und reflektiertere Entscheidungen getroffen werden. Diversität ist das Wort der Stunde – sei es durch Geschlechter- oder Generationendiversität.

Aktuell steht das Jobsharing noch am Anfang. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Vorbilder haben, die den Traum vom gemeinsamen Arbeiten bereits verwirklicht haben. Ein wichtiger Punkt ist hier die Sichtbarkeit erfolgreicher Tandems, die sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Arbeitgebern Begehrlichkeiten wecken, das auch im eigenen Unternehmen umzusetzen. Deshalb halte ich das Buch von Lydia Leipert und Rebecca Zöller für ebenso wichtig wie notwendig. Voller Leidenschaft erzählen die beiden, wie sie es geschafft haben, zusammen Karriere zu machen. Sie teilen ein gemeinsames Wertegerüst und eine gemeinsame Vorstellung von der Rolle, die sie vertreten. So funktionieren Absprachen ohne Effizienzverlust. Ein Reichtum für jeden Arbeitgeber. Und ein Vorbild für jeden Arbeitnehmer.

Eure

Fränzi Kühne

AUFBRECHEN:EIN VORWORTDER AUTORINNEN

CIAO, BELLA! CIAO, BELLA!ODER: WARUM ITALIEN DER BEGINNUNSERER GEMEINSAMEN REISEALS TANDEM WAR

Schon wieder ein Heulen. Ich verdrehe meinen Oberkörper, um meiner kleinen Tochter Hirsebällchen auf die Rückbank zu reichen. Eigentlich könnte ich so völlig verknotet auf dem Beifahrersitz bleiben, denn dauernd will sie was, und sei es nur, meine Hand zu halten. Der Rücken tut mir weh. »Kannst du mal ’ne andere CD rein machen? Die mit dem Kasperl?«, ruft mein Sohn von hinten, während mein Mann auf die italienische Autobahn vor uns schaut. »Superurlaub« haben wir die sechswöchige Reise durch Apulien getauft, nun sind wir auf dem Rückweg. Und klar hatte ich mich vor allem Cappuccino trinkend am Meer gesehen. Das Stresslevel jetzt im Auto passt nicht ganz zu dieser Idee: »Buaaaaaaahhhhh«, kommt es wieder von meiner Tochter. Auweia. Jetzt richtig mit Tränen. Da klingelt auch noch das Telefon. »Seid doch bitte kurz leise«, sage ich und gehe ran. Meine ExKollegin Rebecca fragt, wie es uns geht und rückt dann schnell raus mit der Sprache: »Du, hör zu, ich soll diese Stelle übernehmen. Eine tolle Aufgabe, quasi die Stelle unserer alten Chefin, aber 100 Prozent. Das schaffe und will ich aber nicht. Wollen wir uns die Stelle teilen?«

Niemals hätte ich geglaubt, dass ein Anruf auf der Autobahn zwischen Bologna und Venedig mein Leben für immer verändern würde. Ich weiß noch, dass ich mit der Antwort gezögert und mir erst mal Bedenkzeit bei Rebecca erbeten habe. Eigentlich plante ich, nach meiner Elternzeit ein interessantes Digitalprojekt zu begleiten. Und wie sollte so eine gemeinsame Stelle eigentlich aussehen?

Knapp fünf Jahre später bin ich sehr froh, dass ich mich schnell für ein Tandem mit Rebecca entschieden habe. Ich durfte nicht nur sehr viel über das Arbeiten (sowohl allein als auch im Team), sondern auch über mich lernen. Wie dankbar ich über diese Chance bin, kann ich gar nicht sagen.

Lydia, Dezember 2021

Dieser Anruf war für uns der Beginn einer gemeinsamen Reise. Einer Reise, die wir für so spannend, vielseitig und aufregend halten, dass wir möglichst vielen Menschen die Chance geben möchten, sie auch zu wagen. Also, nix wie Koffer packen, und los geht es auf unserem Roadtrip Richtung Jobsharing. Denn zwar hat es bei uns gut funktioniert, das Loslegen ohne eigentlich genau zu wissen, was wir tun. Aber vielleicht kann die eine oder andere von diesem Reiseführer gen New Work profitieren. Wir freuen uns auf jeden Fall, wenn jede – wie man es ja bei einer normalen Urlaubsfahrt auch tut – sich genau überlegt, wo sie denn eigentlich hinmöchte: Ob ins Adults-Only Boutique Hotel im österreichischen Bergland oder auf den Campingplatz an der italienischen Küste. Was will ich mit meiner Arbeits- und meiner Lebenszeit – die ja nun mal beide begrenzt sind – anfangen? Unser Buch soll Inspiration sein für alle, die ihr Leben aktiv gestalten und den Dingen, die ihnen wirklich wichtig sind, genug Zeit einräumen wollen.

Wir denken dabei nicht nur an Frauen. Denn natürlich übernehmen Frauen immer noch die meiste Care-Arbeit, und der Wunsch nach Teilzeit ist vor allem von weiblicher Seite stark. Aber Jobsharing ist viel mehr als nur ein temporäres Modell für Mütter, deren Kinder ja auch irgendwann größer werden. Jobsharing ist in so vielerlei Hinsicht eine Bereicherung, dass wir so weit gehen zu sagen, unsere Gesellschaft wäre besser, wenn viel mehr Menschen sich eine Stelle teilen würden. Wenn Menschen nicht überfordert, überlastet und unglücklich wären, weil ihnen für die Dinge, die ihnen wirklich am Herzen liegen, keine Zeit bleibt. Wenn Menschen davon profitierten, dass es immer mehr als eine Sicht auf die Dinge gibt. Auch das, also wie viele Vorteile Jobsharing hat, wollen wir in diesem Buch festhalten.

Wir wollen aber auch ganz konkrete Tipps geben, also davon berichten, was wir mitnehmen konnten an Prozessen, Workflows und Ideen, die das Leben als Tandem leichter machen. Denn es war tatsächlich die wohl größte Überraschung für uns, wenn wir von unseren Erfahrungen berichteten: Ob bei Meet-ups auf der re:publica oder Workshops der Friedrich-Ebert-Stiftung – wir haben viel positives Feedback dafür bekommen, wie sehr wir für dieses Modell brennen. Dafür, dass wir unsere Learnings preisgeben und wir andere inspirieren. Da war etwa diese Frau, die nach einem Vortrag zu uns kam und meinte, dass sie lange überlegt hatte, bei ihrer Personalabteilung das Konzept einzuführen, sich aber jetzt endlich trauen würde. Diese Rückmeldungen haben uns so viel gegeben, dass wir irgendwann wussten: Wir müssen unsere Tipps auch in einer anderen Form festhalten, eben als Reiseführer.

Der Weg zum »Reiseführer Jobsharing« war für uns auch schon fast eine eigene Reise. Denn wir haben schon wirklich viel zusammen gemacht und geteilt: schreckliche Sitzungen, nach denen wir nur noch schimpfen konnten; tolle Erfolge unserer beruflichen Social-Media-Accounts oder richtig gelungene Aktionen mit unserem Team – und auch gemeinsame Urlaube mit unseren Familien an der italienischen Riviera. Aber ein Buch? Selbst mehr als 240 000 Zeichen zu schreiben haben wir nun zusammen hinbekommen und finden, dass sich auch hier das anfängliche Zurechtruckeln gelohnt hat. Wie haben wir das gemacht? Wir haben uns zunächst um eine Gliederung bemüht, um dann die Kapitel aufzuteilen (wer errät, welches Kapitel von wem stammt, kann sich ne Flasche Sekt bei uns abholen!). Und witzigerweise begegnen einem auch hier viele Fragen, auf die wir zunächst keine Antwort wussten: Wie ernst muss man eigentlich bei einem Sachbuch sein? (Wir hoffen, nicht zu ernst.) Wie wichtig ist es, dass man beim Gendern eine harte Linie fährt? (Auch hier hoffen wir auf die Nachsicht der Leserinnen, weil wir uns für eine eher ungewöhnliche Form des Freestyle-Genderns – mal so mal so – entschieden haben. Das hat nichts mit Faulheit oder Unentschlossenheit zu tun. Generell macht Gendern für uns dann Sinn, wenn dadurch kleine Stolpersteine in der Sprache entstehen. Und wenn die immer gleich aussehen, dann stolpert man vielleicht schnell gar nicht mehr! Außerdem gilt für uns beim Gendern wie beim Jobsharing: Einfach machen.)

Doch genug des Vorworts. Bitte den Sicherheitsgurt anlegen, die Reise geht los!

MACH DICH AUF DIE REISE

THIS IS NOT A COACHING BUCH

Keine Sorge, dieses Buch ist kein Coaching-Buch: Wir machen hier keine Achtsamkeitsübungen, und hässliche Kindheitserlebnisse werden auch nicht ausgegraben. Wozu wir allerdings dank unserer Job-Erfahrungen der letzten Jahre ermutigen wollen ist, sich tatsächlich Gedanken über die eigenen beruflichen Handlungsspielräume zu machen und sie zu nutzen. Wir müssen die Chance ergreifen, unseren Beruf so zu formen, dass er zum Leben passt und nicht umgekehrt.

INFO

ZAHLEN DAZU ZU BEKOMMEN, WIE VIELE MENSCHEN SICH AKTUELL IN DEUTSCHLAND EINE STELLE TEILEN, IST ENORM SCHWER BIS UNMÖGLICH. ABER WIR KÖNNEN FESTHALTEN, DASS BEI GETEILTER ARBEIT AUF JEDEN FALL NOCH LUFT NACH OBEN IST: ZWAR STEIGT DER ANTEIL DER DEUTSCHEN UNTERNEHMEN, DIE JOBSHARING ANBIETEN, LEICHT – VON 2015 AUF 2018 VON RUND 14 AUF 17 PROZENT1 – ABER WIE STARK DAS IN DEN EINZELNEN UNTERNEHMEN AUCH UMGESETZT WIRD, IST SCHWER FASSBAR.

Bevor wir dazu kommen, uns genauere Definitionen von Jobsharing anzuschauen, wollen wir erst mal mit dem Finger über den Arbeits-Globus fahren und Jobsharing richtig verorten: Nämlich auf dem Kontinent New Work. Kaum ein Bereich ist so voller Buzzwords und fühlt sich so fremd an für die klassisch Arbeitenden hinter dem Schreibtisch.

Deshalb wollen wir auf den nächsten Seiten zunächst Reiselust wecken und zwar mit Moritz Gekeler. Er ist freiberuflicher »New-Work-Facilitator«, also eine Art Reiseführer, der alle Sehenswürdigkeiten auf dem neuen Kontinent kennt. Moritz ist zusammen mit Bernadette Büsgen und Susanne Schluckebier Gründer der Transformationsberatung mermaid & broccoli GmbH. Die drei haben sich darauf spezialisiert, gemeinsam mit ihren Kunden Zukunftsmodelle für Individuen, Teams und ganze Organisationen zu gestalten. Moritz ist Design-Thinking-Experte und leitet die Prozesse, in denen unterschiedliche Menschen zusammen innovative Ideen entwickeln. So arbeitet Moritz mit seinen Kunden an neuen Produkten und Dienstleistungen oder malt sich aus, wie sie in Zukunft noch besser zusammenarbeiten könnten. In seine Workshops geht er übrigens auch grundsätzlich immer mit einer seiner Mitgründerinnen – #Jobsharing

Moritz glaubt, dass man vor allem die richtige Einstellung braucht: Also sich zuzugestehen, dass man es selber in der Hand hat, sein Leben zu designen. Sein zentraler Spruch: »Be a player, not a victim.«

INTERVIEW

MORITZ GEKELER: »BE A PLAYER NOT A VICTIM«

Du arbeitest ja viel mit Design-Thinking, also einer innovativen Methode für die Lösung von komplexen Problemen und die Entwicklung neuer Ideen. Kann man auch das eigene Leben »designen«?

Man kann nicht nur, man sollte unbedingt. (lacht) In meiner Wahrnehmung ist es so, dass, gerade was die Kombination von Familienplanung und Berufsleben betrifft, vieles einfach so vonstattengeht, ohne wirklich bewusste Entscheidungen. Es passiert oft, weil es passiert. Es ist sehr selten ein wirklich durchdachtes Konzept. Eine Entscheidung, bei der zum Beispiel Mann und Frau auf Augenhöhe sagen, wir machen das so oder so. Menschen sind meist in einer Pfadabhängigkeit, in einer Maschine drin, aus der sie nicht so leicht rauskommen. Der Klassiker, den ich nach wie vor oft im Freundeskreis erlebe, ist: Frau wird schwanger, Partner (meist männlich) sagt, ich gehe maximal zwei Monate in Elternzeit, mehr geht auf gar keinen Fall.

Warum ist das so? Warum der Pfad?

Unsere Generation hat etwas vorgelebt bekommen, das tief verankert ist. Jetzt braucht es aber endlich neue Vorbilder. Männer haben – das ist historisch gewachsen – weniger Druck zu gestalten. Sie sind zum Beispiel weniger dazu aufgefordert, Care-Arbeit zu übernehmen und sehen so weniger die Notwendigkeit, ihr Privatleben anzupassen. Unsere gesellschaftlich zementierten Lebensmodelle sehen in den Männern nach wie vor den Vollzeit-Worker. Wir brauchen eine grundgesellschaftliche Veränderung, zum Beispiel fluide Kinderbetreuung, das ist unerlässlich dafür, dass solche Arbeitsmodelle wie Jobsharing selbstverständlich werden.

Wenn du selber nicht gestaltest, hast du also verloren?

Genau. Dazu gibt es auch ein sehr schönes Modell: Führungskräfte-Coach und Bestseller-Autor Fred Kofmann spricht vom »Victim-« bzw. dem »Player-Mindset«. Wenn du dich selbst als Victim siehst, schaust du auf die Welt und denkst: »Oh, was passiert hier denn? Ich bin dem allen hilflos ausgeliefert.« Oder du bist eben der Player, und du gestaltest selber. Ich bin der/die Chef:in über mein Leben, meiner selbst. Das drückt sich dann in allen Handlungen aus und hat wahnsinnig starken Einfluss auf das gesamte Leben. In meinen Coachings ist es mir ganz wichtig, meinen Klient:innen zu helfen, ihren persönlichen Handlungsspielraum zu erkennen und auch zu vergrößern.

Du hast dich viel mit Zukunftsszenarien beschäftigt, siehst du denn einen Trend, dass wir zukünftig anders arbeiten?

Ja. Ich glaube, dass viele Trends eine Rolle spielen werden aus dem Bereich New Work: hybride Arbeit, Remote-Arbeit, dass man nicht vor Ort sein muss, so wie ich gerade in Italien sitze und mit deutschen Kunden zusammenarbeite. Ich sehe das auch in den Arbeitszeitmodellen bei innovativeren Firmen. Viele haben bereits die Idee, weniger zu arbeiten oder anders; also nicht mehr fünf Tage die Woche, zehn Stunden am Tag. Viele machen einfach vier Tage die Woche, für alle Mitarbeiter. Bei uns ist freitags auch frei. Meistens! (lacht) Ich kann mir eine Zukunft vorstellen, wo alles aufgeweichter und flexibler ist. Die Idee »Ich schaff’ 25 Jahre beim Daimler« hat für viele ihre Attraktivität verloren. Viele Jüngeren haben gar keinen Bock mehr auf NUR eine Firma, 40 Stunden die Woche – und das bis zur Rente, was ja früher schon eher das Ziel war. Es kommt zur Ausdifferenzierung.

Also dazu passt ja Jobsharing dann wie die Faust aufs Auge, oder?

Absolut. Es hat ganz klar Vorteile: Durch Jobsharing hat man Zeit, die man für anderes nutzen kann. Vielleicht für Familie und Kinder, oder etwas anderes – ich habe zum Beispiel keine Kinder. Aber die Möglichkeit zu haben, den Kopf nicht nur in diesem einen Job und Thema drin zu haben, ist doch sehr von Vorteil. Meine Mitgründerinnen und ich haben »nebenher« immer auch andere Projekte. Meine Arbeit mit großen Konzernen wird z.B. immer wieder inspiriert von Projekten, die ich mit NGOs, Stiftungen, kleinen Start-ups oder ganz für mich persönlich mache. Und umgekehrt!

Du holst dir also Inspiration aus anderen Bereichen?

Ja, ich blicke über den Tellerrand hinaus, weil ich nicht jeden Tag nine-to-five in EINER Denkwelt drin bin, sondern auch was anderes habe. Das bringt mehr Lebensqualität. Nicht nur der professionelle Mensch sein. Nicht »Ich lebe nur für die Arbeit«, wie es unsere Eltern, besonders die Väter, oft hatten. Das ist auch ökonomisch sinnvoll.

Inwiefern ökonomisch?

Ich glaube, Menschen, die kreativ sein wollen, brauchen auch anderen Input. Die müssen mal ins Museum oder Theater gehen, was anderes erleben, andere Menschen kennenlernen, andere Denkweisen betrachten. Finanziell ist das schwer zu bemessen, aber ich bin davon überzeugt, dass Menschen, die diese Möglichkeit haben, sich dann in DER Zeit, in der sie sich intensiv für das Unternehmen engagieren, mehr leisten können. Und – was mir ehrlich gesagt noch wichtiger ist – ein erfüllteres Leben führen.

Wenn es ein Trend ist, sein Leben stärker zu gestalten, zum Beispiel durch Jobsharing, welche Trends gibt es noch?

Mehr auf Vertrauen und Kommunikation zu setzen kann man jetzt schon als Trend im New-Work-Bereich sehen. Es hat sehr viel damit zu tun, dass man mehr Transparenz schafft, mehr auf den sogenannten Purpose achtet: Die berühmte »Warum mache ich diesen Job?«-Frage.

Als Beispiel: Ich arbeite gerade mit einem großen Chemiekonzern zusammen. Konkret: mit der Finanzabteilung. Die überlegen sich selten, was ist unser (persönlicher) Purpose. Heute hatten wir einen Termin zum Thema »Wie arbeiten wir eigentlich zusammen?«. So etwas kommt jetzt immer häufiger vor. Früher war es ganz klar der Chef, der gesagt hast: Du machst jetzt das. Jetzt wird gefragt: Hey, wie verstehen wir uns eigentlich? Warum sind wir hier? Läuft hier alles gut? Das zahlt auf solche Faktoren wie Vertrauen ein, fordert mehr Kommunikation. Man weiß, was jeder und jede macht und versteht besser, wie die Kolleg:innen denken. Der Trend »Neue Arbeit« bringt ja auch solche Themen wie Mindfulness mit sich. Es geht immer mehr darum, sich bewusst zu machen, warum man arbeitet, was man wie tut. Und der Gedanke ist dann, sich selbst und anderen gegenüber expliziter zu werden und gegebenenfalls gestalterisch einzugreifen, wenn das Warum, das Wie und das Was nicht zusammenpassen.

Es lohnt sich, selbst zu gestalten und das Ticket Richtung New-Work-Kontinent zu lösen. Sich einfach aufzumachen auf die Reise und sich und seine Bedürfnisse auf dem Weg zu entdecken. Aber was erwartet einen eigentlich dort?

WILLKOMMEN AUF DEM KONTINENT NEW WORK

WAS IST EIGENTLICH DIESES NEW WORK?

Jobsharing ist eine ganz wunderbare Art, wie wir bei Neuer Arbeit wirklich konkret in die Umsetzung kommen.

INGA HÖLTMANN

Wenn irgendwelche Firmenchefs oder Personaler von »New Work« sprechen, kann man den Eindruck bekommen, mit New Work wäre das Arbeitsleben so, wie 365 Tage Urlaub im Jahr am Strand von Miami Beach. Bevor wir diese Weltsicht zerstören, hier die zehn flachsten Klischees kurz zusammengefasst:

DIE ZEHN FLACHSTEN NEW-WORK-KLISCHEES

in jedem Büro steht ein Tischkicker

Surfen gehen in der Mittagspause ist Standard

alle arbeiten nur 50 Prozent

mittags isst jeder eine Veggie-Bowl

jeder hüpft ins Bällebad vor dem ersten Call

Awareness-Stunde in der Mittagspause mit Yogalehrer muss schon sein

die Männer tragen Holzfällerhemden und Vollbart

steht Cola statt Bionade im Kühlschrank, kommt es zum spontanen Mitarbeiteraufstand

jeder hat einen privaten Coach

Wohnen: mindestens in einer WG in Berlin Kreuzberg

So verlockend das alles klingt, auch für New-Work-Menschen gibt es nervige Kollegen, Deadlines und je nach Alter des Nachwuchses volle Windeln oder Hausaufgaben mit dem Grundschüler. Trotzdem, die Suche nach dem Kontinent des »New Work« lohnt sich, und das Leben dort mitzugestalten erst recht. Italien, der wichtige Startpunkt und Sehnsuchtsort unserer Reise, entstand ja auch mit der Verschiebung der Erdplatten und sah vor 250 000 Millionen Jahren noch nicht so schön aus wie heute. Jobsharing ist ein Teil von New Work, und um uns der Inselgruppe der Jobsharenden zu nähern, müssen wir erst mal auf dem New-Work-Kontinent ankommen.

Inga Höltmann, Journalistin und Transformationsberaterin, fährt mit ganzen Unternehmen ins Arbeits-Ausland. Sie sagt: »New Work bedeutet, sich mit der gesamten Führung und der ganzen Organisation auf eine Reise zu begeben. Das kann damit beginnen, dass wir uns Gedanken machen, wie wir die Führungskraft in ihrer Position entlasten können, und bis hin zur Holokratie gehen, wo es gar keine hierarchischen Führungspositionen mehr gibt und Führung in den Teams selbst stattfindet.«

Entwicklungen in der Arbeitswelt sind ein Prozess, doch manchmal gibt es Zäsuren, bei denen besonders aktiv darüber nachgedacht wird, was sich ändern muss – so wie im 18. Jahrhundert westliche Forscher plötzlich überzeugt waren, es müsse einfach einen weiteren Kontinent im Süden geben, nämlich Australien, und sich auf die Suche machten. In der Arbeitswelt war es in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts – damals noch in Abgrenzung zum Sozialismus – der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann, der darüber nachdachte, mehr »Handlungsfreiheit« in die Arbeitswelt zu bringen. Dafür schlug er den Begriff »New Work« vor. Die Schlagworte: »Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft. Arbeit, die man wirklich will.«2

New Work war für uns immer das, was wir suchten, ohne zu wissen, was wir suchten. Alles, was wir wussten, war, dass wir Lust hatten auf eine Welt, in der das Arbeiten zu unseren privaten Plänen und zur digitalen Entwicklung passt. Wir haben eine lange Erfahrungsreise auf uns genommen, um diesen neuen Erdteil des »New Work« zu erreichen. Dass wir einmal den Namen Lydecca tragen würden, konnten wir zu Beginn der Reise noch nicht ahnen.

ALLES AUF ANFANG

»Lydecca« wurde ja eigentlich aus einem großen Zufall heraus geboren.

Rebecca: Die Position, die wir heute zu zweit ausfüllen, war vakant geworden, und mein damaliger Vorgesetzter fragte mich, ob ich mir nicht vorstellen könnte, sie zu übernehmen. Ich freute mich sehr, eine Teamlead-Aufgabe war schließlich so knapp nach der Elternzeit eine große Chance für mich. Aber mir war sofort klar: Eine 100-Prozent-Stelle, das schaffe ich gerade einfach nicht. Zwei Kleinkinder und ein Mann, der voll arbeitet, sind dafür eine denkbar schlechte Ausgangssituation, zumal ich ja auch möglichst viel Zeit mit den wirklich noch kleinen Kindern verbringen wollte. Dazu kam, dass die Stelle mit vielfältigen Kompetenzanforderungen verbunden war. Mein sofortiges Zweifeln (»Wie soll ich das denn hinkriegen?«) und der gleichzeitige Enthusiasmus in mir (»Oh Gott, megageil!«) lösten den spontanen