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Geträumter Schmerz - ist der Alptraum einer Person, der in seelische sowie körperliche Schmerzen ausgeartet zu sein scheint. Diese Person ist sich schlummernd nicht mehr genau darüber bewusst, ob sie träumt oder eine schreckliche "Realität" erlebt. Sie schreibt in ihren Gedanken Briefe und zu guter Letzt glaubt sie auch noch ein Buch darüber geschrieben zu haben. Als sie aufwacht, stellt sie fest, dass zum Glück alles ganz anders ist. So finden Sie hier sozusagen ein Buch im Buch vor, was einer "Verschachtelung" gleicht, die es eigentlich gar nicht gibt. Denn gäbe es sie tatsächlich, dann gäbe es ganz sicher keine Person mehr, die dazu im Stande gewesen wäre, diese vermeintlich geglaubte so schreckliche "Realität" aufzuschreiben, da sie unannehmbar wäre, so dass man sie gar nicht mehr ertragen könnte. So ist das hier die Darstellung einer Fiktion zum Thema: "Vertrauen ist falsch und Kontrolle ist in jedem Falle richtig, vor allem bei Nahestehenden, geliebten Personen und vor allem bei Verwandten". Erst dann ist es uns möglich, tatsächlich eigenverantwortlich auch in seelischer Freiheit, unsere eigenen Entscheidungen treffen zu können und unser Leben so zu gestalten, wie wir es uns persönlich wünschen. Nur so können wir unseren Weg im Leben finden, der dann nur uns gehört. Die Kommunikation mit andern Menschen macht anschließend mehr Freude und lässt uns Freunde finden ohne sie gesucht zu haben. Was das bedeutet, ist ganz einfach – die Lösung heißt Glück! Die Wiederholungen von Inhalten sind nicht zufällig sondern beabsichtigt, sowie auch der Wechsel von Imperfekt zu Präsens, um der Darstellung der Fiktion gerecht zu werden und damit aufzuzeigen, dass dies alles nur ein fiktiver Traum ist, der mit der Realität nichts zu tun hat, so - wie es eben bei den Träumen vorkommen kann.
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Seitenzahl: 364
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Impressum
Titel: Geträumter Schmerz
Autorin: Simone Suhle
Covergestaltung: Simone Suhle
©Copyright 2016 Simone Suhle
Printed in Germany by epubli
www.epubli.de
Geträumter Schmerz
Simone Suhle
2016
Geträumter Schmerz
Der gesamte Inhalt entspringt der Phantasie der Autorin Simone Suhle und hat nichts mit der Realität zu tun. Eventuelle Ähnlichkeiten mit Personen, Namen, Ereignissen und Orten wären zufällig und nicht beabsichtigt.
- für Leseratten ab 16 Jahre bis 99 Jahre –
Buchdetails
Belletristik & Literatur, Allgemein,
Kinder- und Jugendliteratur,
Fantasy, Horror, Dramatik
Sprache: Deutsch
Format: Taschenbuch 12,5 X 19,00 cm
Seiten: 272
Altersempfehlung: 16 bis 99 Jahre
Erscheinungsdatum: 01.06.2016
Schlagworte: Garten, Erdbeerbeet, Krähe, Reihenhaus, Fahrrad, Schuppen, Gartengeräte, Spaten, Harke, Grasbesen, Gewächshaus, Hocker, Hund, Polizei, Katze, Klavierspielen, Federball, Brettspiele, Auto, Polizeiauto, Feuerwehrauto, Disco, Kinder, Ballerina-Damen-Schuhe, Damen-Mantel, Baby-Wäsche, Kinderwagen, Fisch-Laden, Computer, Internet-Recherche, Ostsee, Frankreich, Brüssel, Ausland, Geburtsurkunde, Sterbeurkunde, Bescheinigung, Kinder-Krankenhaus, Liebe, Hass, Rache, Fußball-Weltmeisterschaft, Kirche, Kindesentführung, Adoption, Brief, Post-Karte, eMail, Scheidung, Tod, Hochhaus, Buch, Fenster, Balkon, Kinder-Arzt, Beerdigung, Anwalt, Betrug, Haselnuss-Strauch, Ferien, Urlaub, Schule, Lehrer, Wohnungs-Klingel, Flugzeug, Flieger, Feld, Straßenkreuzung, Rettungsautos, Charmeur, Alptraum
Einleitung -Geträumter Schmerz- ist der Alptraum einer Person, der in seelische sowie körperliche Schmerzen ausgeartet zu sein scheint. Diese Person ist sich schlummernd nicht mehr genau darüber bewusst, ob sie träumt oder eine schreckliche „Realität“ erlebt. Sie schreibt in ihren Gedanken Briefe und zu guter Letzt glaubt sie auch noch ein Buch darüber geschrieben zu haben. Als sie aufwacht, stellt sie fest, dass zum Glück alles ganz anders ist. So finden Sie hier sozusagen ein Buch im Buch vor, was einer „Verschachtelung“ gleicht, die es eigentlich gar nicht gibt. Denn gäbe es sie tatsächlich, dann gäbe es ganz sicher keine Person mehr, die dazu im Stande gewesen wäre, diese vermeintlich geglaubte so schreckliche „Realität“ aufzuschreiben, da sie unannehmbar wäre, so dass man sie gar nicht mehr ertragen könnte. So ist das hier die Darstellung einer Fiktion zum Thema: „Vertrauen ist falsch und Kontrolle ist in jedem Falle richtig, vor allem bei Nahestehenden, geliebten Personen und vor allem bei Verwandten“. Erst dann ist es uns möglich, tatsächlich eigenverantwortlich auch in seelischer Freiheit, unsere eigenen Entscheidungen treffen zu können und unser Leben so zu gestalten, wie wir es uns persönlich wünschen. Nur so können wir unseren Weg im Leben finden, der dann nur uns gehört. Die Kommunikation mit andern Menschen macht anschließend mehr Freude und lässt uns Freunde finden ohne sie gesucht zu haben. Was das bedeutet, ist ganz einfach – die Lösung heißt Glück! Die Wiederholungen von Inhalten sind nicht zufällig sondern beabsichtigt, sowie auch der Wechsel von Imperfekt zu Präsens, um der Darstellung der Fiktion gerecht zu werden und damit aufzuzeigen, dass dies alles nur ein fiktiver Traum ist, der mit der Realität nichts zu tun hat, so wie es eben bei den Träumen vorkommen kann.
Inhalt
Kapitel
I
Versuch-Vorwort
Seite
9
Kapitel
II
Erinnerungen
Seite
11
Kapitel
III
Grusel
Seite
16
Kapitel
IV
Blutgruppen
Seite
19
Kapitel
V
Polizei
Seite
20
Kapitel
VI
Abwesenheit
Seite
23
Kapitel
VII
Gebrabbel
Seite
27
Kapitel
VIII
Jungs
Seite
34
Kapitel
IX
Ehe - Briefe
Seite
40
Kapitel
X
Scheidung
Seite
76
Kapitel
XI
Kinder
Seite
79
Kapitel
XII
Vertrauen
Seite
86
Kapitel
XIII
Recherche
Seite
125
Kapitel
XIV
Ungelesene Briefe
Seite
165
Kapitel
XV
Ballerina-Schuhe
Seite
257
Kapitel
XVI
Wie das Feuerwehrauto
Seite
262
Kapitel
XVII
Erwachen
Seite
266
Kapitel
XVIII
Nachwort
Seite
269
Kapitel I – Versuch-Vorwort
Es ist spät fast zu spät. Aber sie hat sich entschieden, endlich mal etwas Sinnvolles zu tun. Gedankenblitze hatte sie schon so oft gehabt, bloß nichts daraus gemacht. Nun hat sie begonnen zu „Texten“. Die verschiedensten Personen hatten ihr gesagt, dass sich ihre Briefe wie ein Roman lesen. Auch eine Schulkameradin meinte zu einem Klassentreffen, was nur alle fünf Jahre bei ihr stattfand, dass sie ihre Erlebnisse und Gedanken und Gefühle einfach zu Papier bringen sollte. All diese Leute, hat sie nicht ernst genommen und fühlte sich veräppelt. Aber vielleicht war ja etwas dran. Wenn sie ohne Punkt und Komma reden konnte, und ihr so manch einer gerne zuhörte und dabei schmunzeln musste, sagte sie sich eines Tages: „Na vielleicht sollte sie es doch einmal versuchen.“ Und so fing sie an, ihre Gedanken in den Laptop einzuspeisen und ihn zu füttern.
Der Fernseher ist an, Platz genommen hat sie schon und sich sogar ein Gläschen Rotwein gegönnt. Mit ihrer Tochter hat sie telefoniert und erholt sich nun von ihren Nachtschichten, die sie als Sicherheitskraft in renommierten Firmen und Gebäuden leistet. Eigentlich war sie ursprünglich nicht Sicherheitskraft sondern hatte interessantere und anspruchsvollere Berufe. Nur leider konnte sie in diesen Berufen und Branchen keinen Job finden, der ihre Existenz sichern würde. Wenn sie stur weiter suchen würde, dann wäre sie wahrscheinlich noch heute arbeitslos. So geht sie als Überqualifizierte in dieser Branche jobben, trifft von Zeit zu Zeit auf Leute, denen es ebenso geht wie ihr und manchmal auf Leute, die voller Stolz diesen Beruf ausüben und meinen, dass sie mit Leib und Seele Wachmann sind. So ganz verstehen kann sie das noch nicht, inzwischen aber immer öfter. Die Menschen haben alle eine andere
Ausgangposition, andere Erfahrungen in ihrem Leben gesammelt, aber ein und dasselbe Ziel – nämlich eine solide Beschäftigung auszuüben. Und so treffen sie sich dann aus den unterschiedlichsten Branchen vormals kommend bei dieser Arbeit, die manchmal sogar ganz spannend sein kann, wie im Film.
Die einen wollen und können sogar ein Instrument spielen, die anderen nicht, weitere können fließend mehrere Fremdsprachen verstehen und sogar sprechen obwohl sie diesen so wenig Wert geschätzten Beruf ausüben, diesen Beruf eines Sicherheitsmitarbeiters. Die einen können Handarbeiten machen, häkeln, nähen und stricken, die andern nicht, natürlich nicht auf Arbeit. Ave kann einiges von all dem. Aber sie ist trotzdem ein Niemand. Sie sitzt zu Hause vor einem Laptop und schreibt sich alles von der Seele. Ave ist groß, Ave ist nicht hässlich. Ave kann kommunizieren und sogar flirten und trotzdem hat sie keinen Mann und ist allein, geschieden. So macht es den Anschein, als könne keiner mit ihr länger aushalten oder sie lässt es gar nicht erst dazu kommen. Sie weiß es noch nicht so genau. Denn sie hat es nicht probiert. Eigentlich könnte sie es mal probieren. Denn sie schielt nicht und X- oder O-Beine hat sie nicht, einen Buckel hat sie auch nicht und sie ist nicht einmal fett und das ganz ohne zu kotzen und ohne zu joggen. Sie ist einfach so wie sie ist ohne etwas dafür zu tun, nämlich eine ganz normale Frau von heute, die mit der Zeit geht.
Jetzt tut sie endlich etwas für ihre Seele, die ihrer Meinung nach völlig verkümmert ist. Bloß, sie weiß noch nicht, was sie eigentlich tatsächlich will. Sie weiß immer nur ganz genau, was sie nicht will. Und das ist ihr Problem. So bleibt ihr nichts weiter übrig vieles auszuprobieren und sich selbst zu testen, was sie nicht will. Die Dinge, die sie will, macht sie einfach weiter ohne es bewusst wahrzunehmen und die Dinge, die sie nicht will, lässt sie einfach sein.
Da es schon sehr spät und inzwischen dunkel draußen ist, möchte sie nun nicht mehr weiter machen und geht gleich ins Bett. So wird sie sich vor dem Fernseher noch ein bisschen entspannen und dann duschen und schlafen gehen, wie ihre Nachbarn auch. Morgen wird hoffentlich die Sonne scheinen, denkt sie, dann fliegen ihr die Gedankenblitze nur so zu. Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Denn sie schreibt, um sich mitzuteilen und nichts weiter. Entweder hat man etwas mitzuteilen oder man hat nichts mitzuteilen. So ist das eben. Egal ob man gerade ein Gespräch führt und sich unterhält oder ob Ave ihre Gedanken, die sie niemandem mitteilen kann, einfach so in den Laptop tippt. So einfach ist das. Die Hauptsache ist, es tut ihr gut. So scheint es zu sein.
Kapitel II – Erinnerungen
Die Sonne scheint und Ave hat gute Laune und vor allem gute Gedanken, Erinnerungen, die sie zulässt, egal ob es nur böse Träume waren und sind oder ob es der Realität entspricht, die tatsächlich einmal stattgefunden hat, glaubt sie schlummernd.
Die Frau, die sich ein Leben lang immer als ihre Mutter ausgegeben hatte, bereitete Ave darauf vor, am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang, in der Morgendämmerung mit ihr in den Garten zu gehen. Ave war damals höchstens 4 Jahre alt und wusste noch nicht einmal wie sie heißt. Wenn sie beim Einkaufen von der Verkäuferin gefragt wurde, wie sie heißt, konnte sie nur den Nachnamen der Schwester ihrer Mutter nennen, den sie bei Gesprächen mitbekommen hatte, aber nicht ihren eigenen Namen. Denn keiner hatte ihr mitgeteilt, dass sie Ave Venzter hieß. Sie wusste nur, dass sie Ave gerufen wurde, wenn sie vom Spielen draußen aus dem Garten ins Haus kommen sollte, mehr nicht.
So ging ihre Mutter mit ihr, wie am Vorabend schon angekündigt, raus in den Garten. Ihr Vater war nicht zu Hause. Sie kann sich nicht daran erinnern, wo er war. Oft war er auf Dienstreisen, wovon er dann viele Fotos, Mineralien und Pflanzen mitbrachte. Der Garten war groß und es waren viele Apfelbäume, Birnbäume und Kirschbäume im Garten und er war zugewachsen wie ein Wald und wenn man darin spazieren ging, war man aus manchen Ecken kaum zu sehen. Trotzdem war er gepflegt. Es gab kein Unkraut statt dessen viele blühende Pflanzen und immer frisch gemähten Rasen. Im hinteren Teil auf der linken Seite wurde sogar Gemüse angepflanzt. Kürbisse wuchsen zu Fußbällen heran. Auch Erdbeeren wurden auf einem größeren Quadrat gezüchtet, die alljährlich eine schöne Ernte ermöglichten und in Zucker gewälzt lecker schmeckten. Dieses Erdbeerbeet befand sich ebenfalls im hinteren Teil des Gartens zwischen Kirschbäumen und Apfelbäumen. Dort ging die Mutter von Ave mit ihr hin. Sie hatte einen Spaten dabei und buddelte ein Loch. Aber schon bald stieß sie auf Lehm und Steine sowie auf altes Porzellan, auf Scherben aus Glas und Porzellan und festen Sandboden und kam mit ihrem Spaten nicht weiter voran. Nur etwa einen halben Meter tief konnte sie buddeln. Ave stand daneben und schaute ihr zu. Ihre Mutter hatte ein Hauskleid an, was ihr viel zu weit war, in einer Farbe, die sie sonst nicht trug. Irgendwie sah sie anders aus als sonst. Ernst war sie und hatte weit aufgerissene Augen, wie eine Wahnsinnige blickte sie Ave an und in der Gegend umher. Ave stand daneben und konnte und wollte auch gar nichts tun. Sie stand wie angewurzelt da und schaute einfach nur zu, was ihre Mutter dort tat. Sie hatte keine Ahnung, was das sollte. Sie wartete und wusste nicht auf was sie eigentlich wartete. Sie stand einfach nur da und sah ihrer Mutter im morgendlichen Dunkel beim Mondschein zu. Sie spürte nur so eine Leere in sich. Sie wusste nicht, ob sie wieder rein ins Haus gehen würde, sich in ihr Bettchen schlafen legen würde, denn es war ja noch sehr früh am Morgen, oder ob sie sich darüber wundern sollte, was ihre Mutter dort im Dunkeln im hinteren Teil des Gartens tat. Sie fragte nicht einmal, weil die Situation so angespannt war. Sie sah ihr einfach nur zu.
Dann nahm ihre Mutter plötzlich ein in Zeitungspapier gepacktes „Päckchen“, was sehr unregelmäßig aussah, so wie ein großer Fleischklumpen aus dem Fleischerladen, nur eben fest und vermutlich trocken nicht weich. Denn es knisterte, als sie es in die Hand nahm. Wenn man damals beim Fleischerladen einkaufen war, knisterte das damals in Zeitungspapier gewickelte Fleisch nicht. Das Papier wurde sofort feucht und der Klumpen war nicht Form beständig. So hatte es Ave jedenfalls beobachtet. Denn nicht nur einmal wurde sie zum Fleischerladen einkaufen geschickt worden, wo sie dann ihren eigenen Namen nicht einmal nennen konnte. Als ihre Mutter dieses eigenartige „Päckchen“ in den Händen hielt, schaute sie Ave bedeutungsvoll an und meinte zu ihr: „DAS BIST DU!“ Packte es in das Loch, das sie mit dem Spaten ausgehoben hatte und schüttete es mit Sand zu. Damit war der von ihr am Vorabend angekündigte „Akt“ abgeschlossen, den sie dann bei Morgendämmerung in Anwesenheit von Ave im Dunkeln ausführte. Die ganze „Angelegenheit“ war so eigenartig und unangenehm, dass sie von Ave völlig verdrängt wurde. Ave wagte es nicht einmal, ihre Mutter danach zu fragen, was das eigentlich sollte. Sie war damals erst 4 Jahre alt und konnte das auch gar nicht verstehen. Sie wusste noch nicht, dass es Menschen gab, die ehrlich waren und Menschen gab, die unehrlich waren und sogar Menschen gab, die fähig waren schreckliche Verbrechen und Straftaten zu begehen. Sie befand sich noch in einem Alter, wo sie viele Dinge zum ersten Mal in ihrem Leben sah, hörte und selbst erlebte.
Als Ave etwa 5 Jahre alt war, ging ihre Mutter mit ihr in den Schuppen, der hinter dem Reihenhaus stand, wo sie wohnten. Im Schuppen befanden sich Gartengeräte, wie Harken, Schippen und Grasbesen, sowie auch der Rasenmäher für den weit läufigen Rasen im Garten. Dort war es sehr staubig, so dass man, wenn man dort fegen wollte, zuerst einmal mit dem Gartenschlauch den Fußboden befeuchten musste, weil man sonst keine Luft mehr bekommen hätte. Bei der Suche nach Federballschlägern, die auch dort im Schuppen aufbewahrt wurden, musste Ave Acht geben, um sich zwischen den Geräten nicht alle Knochen zu brechen. In diesen Schuppen ging die Mutter mit ihrer Tochter Ave. Sie setzte Ave auf einen Hocker und band sie dort an den Knöcheln und an den Handgelenken fest und meinte gleichfalls zu ihr, dass sie sich leise zu verhalten hätte. Ave wusste nicht, ob es sich dabei um ein Spiel handeln sollte oder etwa um irgendetwas Anderes. Sie hatte keine Ahnung. Sie wartete ziemlich lange und ahnte eigentlich auch gar nicht auf was sie dort wartete, so lange, bis sie ihren Kopf nicht mehr aufrecht halten konnte und ihn einfach hängen ließ und irgendwann in sich zusammen sackte und nicht mehr aufrecht sitzen konnte, da sie keine Kraft mehr verspürte. Sie war schlapp, völlig entkräftet und hatte Durst. Sie wusste, dass es aber keinen Sinn machen würde zu rufen und zu schreien, damit sie dort jemand aus dem Schuppen raus holen würde und außerdem sollte sie sich ja ruhig verhalten. So wartete sie in sich zusammen gesackt und dachte an gar nichts mehr bis plötzlich die Tür aufging, ihr Vater in den Schuppen trat und sie vom Hocker los band. Er fragte Ave: „Warum hast du dich nicht befreit? Warum bist du nicht aus dem Schuppen gekommen?“ Ave sagte zu ihm auf die Geräte zeigend: „Ich habe darüber nachgedacht, mich mit dem Hocker umfallen zu lassen, um mich dann an den Geräten befreien zu können oder den Hocker zu zerbrechen. Dann habe ich mir das aber überlegt, dass es besser war, es nicht zu tun, weil ich mir sonst an den hinter mir stehenden Geräten das Genick gebrochen hätte“. Er sah Ave nur gleichgültig und neutral an, so als hätte ihm jemand irgendetwas Uninteressantes mitgeteilt, was für ihn nicht nützlich sei. Ave bewegte sich aus dem Schuppen in Richtung Reihenhaus. Ihr Vater blieb draußen und kümmerte sich um seine Pflanzen, die er in einem Gewächshaus züchtete. Für ihren Vater waren die Pflanzen das Wichtigste so wie für ihre Mutter das Strickzeug und ihr Webstuhl das Wichtigste war. Gesprochen wurde in diesem Haus so gut wie gar nicht. Wenn doch geredet wurde, dann meistens über die Renovierung der Räumlichkeiten, in welcher Farbe das Wohnzimmer gestrichen werden sollte oder der Flur und wo die gesammelten Mineralien positioniert werden sollten, die der Vater von Ave bei Exkursionen gefunden hatte, die einen anscheinend großen Wert darstellten, jedenfalls wohl mehr Bedeutung hatten, als ein eigentliches Familienleben, wo kommuniziert wurde, wie bei manchen Nachbarn bei Speis und Trank.
Kapitel III – Grusel
Jahre sind vergangen. Ave ging schon zur Schule. Sie hatte inzwischen Lesen und Schreiben gelernt. Gerne nahm sie ein Buch oder sogar eine Zeitung in die Hand, was für Schulkinder in diesem Alter eigentlich gar nicht so typisch war, eher ungewöhnlich. Das fiel ihrer Mutter auf. Schon bald waren sämtliche Zeitungen verschwunden, die immer auf dem Heizkörper im Flur gegenüber der Toilette abgelegt wurden. Ave konnte nur selten noch eine Zeitung in die Hand bekommen, nur wenn sie Glück hatte. Taschengeld bekam sie nicht. So konnte sie sich auch keine Zeitung kaufen.
Von Zeit zu Zeit kam ihre Oma Edda zu Besuch, die gerne Schattenbilder mit ihren Händen an der Wand zauberte und Ave so auf diese Art und Weise in ihre nächtlichen Träume begleitete, wenn sie Abends als Kind früher als die anderen Familienmitglieder schlafen gehen musste.
Oma Edda machte es Freude im Garten Unkraut zu jäten und blühende Blumen anzupflanzen, was der Mutter von Ave gar nicht recht war. Deshalb gab es jedes Mal Streit, wenn sie zu Besuch kam und die Mutter von Ave, ihrer Schwiegermutter, der Oma von Ave, als Oma Edda dann verboten wurde, im Garten Unkraut zu jäten.
Als die Eltern von Ave eines Tages sich entschieden hatten, eine größere Urlaubsreise ins Ausland zu unternehmen ohne Ave mitzunehmen, ist Oma Edda gekommen, um auf Ave aufzupassen, sich um sie zu kümmern. Für die Mutter von Ave war es das wichtigste, ihrer Schwiegermutter das Unkrautjäten im Garten, zu verbieten. Sie tat das mit solch einer Anspannung, dass sich Ave bis heute daran erinnern kann. Das war wohl ihre wichtigste Reisevorbereitung überhaupt. Natürlich hat sich Oma Edda das nicht verbieten lassen und sich um das Erdbeerbeet gekümmert. Dazu hatte sie schon vor längerer Zeit einen Unkraut-Pflug am Besenstiel besorgt, mit dem sie die Gartenarbeit noch leichter erledigen konnte. Das ging ruck zuck und die Erde sah nach dem Unkrautjäten so aus wie frisch umgegraben. Alles war locker und frisch aufgehäufelt und den Erdbeeren schien das sehr gut zu tun.
Ave und Oma Edda sonnten sich im Garten, als die Eltern von Ave verreist waren und machten es sich mit der kleinen weißen Katze, die Oma Edda eines Tages mitgebracht hatte, eine schöne Zeit während eines sommerlichen Frühlings. Sie spielten, Mühle und Dame, Mensch ärgere dich nicht, Halma und sogar Federball und Brettspiele, die damals modern waren und betätigten sich sportlich. Die Katze, die Katze genannt wurde sowie Miezekatze, schaute gerne bei allem zu. Als es besonders heiß wurde, setzten sich die beiden mit Miezekatze unter den Haselnuss-Strauch, der im Sommer guten Schatten spendete und schauten in den blühenden Garten. Es fiel ihnen auf, dass sich am Erdbeerbeet Krähen zu schaffen machten, die im frisch aufgehäufelten Sand wühlten, was ihnen merkwürdig erschien. Denn die Erdbeeren waren noch gar nicht so weit, Früchte gab es noch nicht und die Ernte ließ noch auf sich warten. Trotzdem machten sich dort diese Vögel zu schaffen. Was wollten sie dort. Ave und Oma Edda gingen gucken und es fiel ihnen auf, dass die Vögel im Sand kleine Knochen gefunden hatten, die diese Krähen in ihren Schnäbeln mitnahmen. Ave hatte zu diesem Zeitpunkt vergessen oder verdrängt, was ihre Mutter dort in der Nacht bei Morgendämmerung in ihrer Anwesenheit eines Tages vergraben hatte, dieses kleine Päckchen in knisterndem Zeitungspapier, was sie als 4jähriges Kind nicht verstand und ihr von der Frau, die behauptete ihre Mutter zu sein, gesagt wurde: „DAS BIST DU!“
Das Erlebnis mit den Vögeln war so außergewöhnlich, so dass Ave dies ihrer Spielkameradin aus der Nachbarschaft mitteilte, die erst kürzlich in diese Wohnsiedlung gezogen war und mit ihr gemeinsam in die gleiche Schulklasse ging. Beide Mädchen legten fast täglich gemeinsam den gleichen Schulweg zurück und erzählten sich Alles.
Als sich die beiden wieder trafen, Ave ihrer Schulfreundin diese Mitteilung mit den Vögeln im Garten schon gemacht hatte, kam Miriam sehr ernst auf Ave zu und meinte, dass dies etwas Schlimmes bedeuten könnte. Ave winkte nur Kopf schüttelnd ab. Sie konnte sich nichts Schlimmes vorstellen, obwohl sie doch in der Nacht bei Morgendämmerung von ihrer Mutter aus dem Bett geholt wurde, mit ihr in den Garten zu gehen und selbst zugesehen hatte, wie ihre Mutter ein Loch an derselben Stelle gebuddelt hatte, wo diese Vögel danach diese kleinen Knochen gefunden hatten. Das war doch so abartig und merkwürdig, dass sich Ave etwas hätte dabei denken müssen, zumal ihre Mutter dann noch zu ihr sagte: „DAS BIST DU!“
Aber nein – Ave konnte sich an nichts, aber auch an gar nichts mehr erinnern! Alles war wie weggeblasen. Oder war es nur ein böser Traum? Kann man so etwas überhaupt erlebt haben, ist das möglich?
Kapitel IV – Blutgruppen
Ave ging gerne zur Schule und erhielt in den ersten Jahren ihrer Schulzeit gute bis sehr gute Zensuren. Sie interessierte sich für Vieles. Als im Biologie-Unterricht über Blutgruppen gesprochen wurde, die in ganz bestimmter Weise vererbt werden, stellte Ave ihren Eltern diesbezüglich ganz konkrete Fragen. Jedoch wollten ihr, ihre Eltern keine konkrete Auskunft über ihre Blutgruppen erteilen, obwohl sie, wie sie wusste, schon häufig beim Arzt waren, der ihnen Blut abgenommen hatte. Sie redeten nur um den heißen Brei herum, obwohl ihr Vater von Beruf Naturwissenschaftler war, der es mit seiner Wissenschaft eigentlich immer sehr genau nahm. Sie schienen nervös zu sein. Ave wusste nicht warum und wurde wütend. In der Schule ging die Diskussion weiter bis hin zum Abgleich der vererbbaren Augenfarbe. Ave begann sich zu streiten. Sie meinte, dass es trotz dieser wissenschaftlichen Theorien Ausnahmen geben muss. Alle anderen waren sich darüber einig, dass die Kinder von den Eltern, die beide blaue Augen haben, keine Kinder mit braunen Augen haben können. Bei Ave war es aber anders. Sie hatte Eltern mit blauen Augen, auch Oma Edda hatte blaue Augen. Aber Ave hat graugrün braune Augen. An diesem Punkt war für Ave die Diskussion, die sich in der Schule sogar zu einem Streit ausgeweitet hatte, beendet.
Kapitel V – Polizei
Ave war als Kind sehr Tier lieb und sie machte sich oft Sorgen um Tiere, denen es nicht gut ging und sie setzte diese Sorge sogar in die Tat um. Gleich zwei Gärten weiter, hinter Aves zu Hause, schloss sich eine Kleingartenkollonie an, wo sich nicht nur bekennende Laubenpieper gerne dort erholten und gemeinsam ihre Sommerfeste feierten sondern auch Tierzucht, Pflanzenzucht sowie Eierlegebatterien zu finden waren. So versuchten sich einige Laubenpieper ein Zweiteinkommen zu schaffen ohne Rücksicht auf Gefühle und Verluste an tierischem Leben. Es kam nicht selten vor, dass jämmerliches Gegacker von Hühnern zu hören war und richtig wehleidiges Jaulen und Bellen von zurückgelassenen Hunden, die auf diese Hühner, Kaninchen und Eierlegebatterien alleine und vollkommen verlassen aufzupassen hatten, wenn das Herrchen oder das Frauchen keine Zeit oder keine Lust hatte im Kleingarten vorbei zu schauen um nach den zurück gelassenen Tieren und nach dem Rechten zu sehen. Als Ave etwa 9 Jahre alt war, hörte sie während ihrer Schulferien, die sie zu Hause im Garten ihrer Eltern verbrachte, eine Woche lang so ein klägliches Hundeweinen, das immer schlimmer wurde, dass es Ave nicht mehr aushalten konnte und einfach über den Zaun dieser Laubenpieper geklettert ist, um wenigstens den Hund zu retten, der offensichtlich kein Wasser mehr zu trinken hatte und schon fast am Verdursten war. Sie nahm diesen Hund zu sich in den Garten und gab ihm Wasser zu trinken sowie auch etwas Wurst-Aufschnitt. Er schien sich dann wohler zu fühlen, obwohl sein Fell so schmutzig und verlaust und verfilzt war, so dass er sich trotzdem weiter gequält haben musste. Natürlich zeigte sie diesen gequälten Hund auch ihren Eltern im Garten. Nachbarn, die diese Rettung mitbekommen hatten, waren der Meinung, dass man die Polizei darüber informieren müsste. So kam die Polizei und holte diesen vernachlässigten Hund ab. Was mit ihm dann geschah, ist Ave nicht bekannt. Sie hatte nur gehofft, dass er in diesem Zustand nicht zu diesem Besitzer in seinen Kleingarten zurück gebracht wurde.
Was Ave bei dieser Angelegenheit auffiel, als die Polizei bei ihnen im Garten war, um den vernachlässigten Hund abzuholen, dass ihre Eltern beide dicht nebeneinander zusammen standen und sich an den Händen hielten und zitterten. Man konnte sogar das Wackeln ihrer Knie erkennen und die Gesichter ihrer Eltern waren Leichen blass. Aves Meinung nach gab es aber keinen Grund so zu zittern. Denn Ave hatte zwar einen Hund aus einem fremden Garten geholt, ihn aber gerettet und Ave war erst 9 Jahre alt und hatte doch damit niemandem Schaden zu gefügt. Aber ihre Eltern zitterten wie Espenlaub. Darüber wunderte sich Ave sehr und schämte sich sogar für ihre Eltern, als das sogar den Polizisten auffiel, und sich daraufhin alle gegenseitig ansahen. Die Situation war so peinlich, dass die Polizisten, die ja auch nur Menschen waren, so taten, als würden sie nichts bemerkt haben, den Hund mitnahmen und gingen. Nur musste ihnen doch aufgefallen sein, dass in dieser Familie irgendetwas nicht stimmte. Anscheinend interessierte es aber niemanden.
Einige Jahre waren vergangen und Ave war inzwischen 12 Jahre alt. Es war Herbst und es war windig draußen. Es kündigte sich eine unruhige Nacht an. Sturm, Regen und Gewitter am Stadtrand von Straalmütz, was für diese Jahreszeit eher ungewöhnlich schien. Alle lagen schon einige Stunden in den Betten und waren endlich nach diesem Unwetter eingeschlafen und schliefen dann umso tiefer und fester. Das Elternhaus, ein Reihenhaus und der große daran anschließende Garten waren in dieser Nacht so gut wie gar nicht zu sehen. Alles war dunkler als sonst, da die alten Straßenlaternen, die noch mit Gas betrieben wurden, nicht brannten. Es gab keinen Mondschein und die Lichter der Straßenlaternen waren ja auch aus und kein Scheinwerferlicht der Autos war anzutreffen und auf dieser Nebenstraße in dieser Reihenhaussiedlung gab es zu dieser Zeit nur vollkommene Finsternis und endlich vollkommene Stille nach diesem Wolken verhangenen Himmel und dem Unwetter.
Plötzlich gab es ein lautes Klirren von Fensterscheiben, was nicht aufhörte. Immer wieder klirrten Fensterscheiben. Es hörte sich so grausam an. Ave hörte dieses Klirren immer näher kommen und sprang auf, rannte mitten in der Nacht die Treppe runter, wo das Telefon im Flur stand. Sie nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Telefonnummer der Polizei 110. Ihre Eltern standen oben an der Treppe und fragten, was sie da machte. Sie schienen noch gar nicht richtig wach zu sein, trotz dieses Klirrens der Scheiben. Sie mussten es auch gehört haben und riefen nicht die Polizei. Statt dessen musste Ave, ein 12jähriges Kind zum Telefonhörer greifen und die Polizei anrufen. Das Klirren dieser zu Bruch gegangenen Scheiben mitten in der Nacht konnte man doch nicht ignorieren, auch dann nicht, wenn es nicht die eigenen Fensterscheiben waren. Das konnte und wollte Ave nicht akzeptieren. Ihre Eltern kamen die Treppe runter, taten völlig verschlafen, als hätten sie das Klirren der Fensterscheiben gar nicht gehört. Sie mussten es aber gehört haben. Ave gefiel die Situation nicht und bestand darauf, es richtig gemacht zu haben, die Polizei angerufen zu haben. Ihre Eltern hielten sich mit ihrer Meinung zurück und schienen sich Gedanken zu machen. Welche Gedanken sie sich damals machten, konnte sich Ave nicht vorstellen. Sie registrierte nur, dass sie sich Gedanken machten.
Es dauerte nicht lange, und die Polizei stand im Flur ihres Elternhauses am Stadtrand von Straalmütz, wo kurz zuvor ein Unwetter über das Haus fegte und im Anschluss die Fensterscheiben in der Nachbarschaft laut klirrend zu Bruch gingen.
Die Polizei fragte und Ave antwortete und die erwachsenen Personen, Aves Eltern, standen wieder beide dicht nebeneinander zusammen und hielten sich an ihren Händen fest, genau wie damals im Garten, als der von Ave gerettete Hund von der Polizei abgeholt wurde. Und wieder waren Aves Eltern Leichen blass und ihre Knie zitterten sogar so, dass man es abermals unschwer erkennen konnte. Das fiel wiederum den Polizisten auf. Denn Ave bemerkte die Blicke, die unter allen Anwesenden ausgetauscht wurden. Aber sie gingen weiter, um in der Nachbarschaft nach dem Rechten zu sehen, ob dort Hilfe von Nöten sein könnte. Dass mit dieser Familie irgendetwas nicht stimmen konnte, wollten diese Polizisten nicht sehen. Sie sind einfach wieder gegangen und weg waren sie.
Kapitel VI – Abwesenheit
Ave erinnert sich, wie sie im Alter von 7 Jahren erst in die Schule kam, für sie zu spät, wie sie selbst persönlich fand. Sie fragte sich, warum sie nicht früher hätte in die Schule gehen können, da sie doch als Kindergartenkind in der Vorschulgruppe keine Schwierigkeiten hatte und sich gerne am Vorschulunterricht beteiligte, der ihr Freude bereitete. Als es dann endlich so weit war, und Ave in die Schule kam, glaubte sie, ein Fest feiern zu können. Denn ihr Vater hatte ihr häufig davon erzählt, dass er bereits schon mit 5 Jahren eingeschult wurde und das nur mit einer kleinen Bonbon-Tüte, nicht etwa mit einer echten Zuckertüte, obwohl seine Eltern, also die Großeltern von Ave durchaus genug Geld dafür übrig gehabt hätten, ihm eine traditionelle Zuckertüte zu kaufen. So ging Ave davon aus, dass ihre Eltern mit ihr dieses Fest anders feiern würden, zumal ihre Mutter eine richtige Zuckertüte schon gekauft hatte, die sie dann auch zu ihrem Ehrentag zur Einschulung mit auf den Weg in die Schule zu ihrem 1. Schultag geschenkt bekommen hatte.
Die Einschulung erlebte sie leider nur mit ihrer Mutter und ihre Oma Edda hielt sich im Hintergrund, da sie von ihrer Schwiegertochter, von der Mutter von Ave nicht gemocht wurde. Das wusste sie. Ihr Vater war zur Einschulung nicht mit dabei, er war irgendwo auf Dienstreise. Alle anderen Kinder wurden zur Einschulung von ihren Eltern, von Mutter und Vater und von ihren Großeltern begleitet. Bei manchen waren sogar Nachbarn und Freunde mit von der Party. Aber Ave hatte nur ihre Mutter dabei und ihre Oma hielt sich irgendwo im Hintergrund. Und das war noch nicht alles, was diese Situation so merkwürdig erscheinen ließ.
An diesem Tag waren sich die Eltern von Ave bestimmt darüber einig, ob sie Ave nach dem Unterricht auch in den Kinderhort zum Spielen und zum Hausaufgaben machen schicken wollten, oder ob sie Ave sofort nach der Schule bei sich zu Hause haben wollten. Denn vor der Einschulung gab es etliche Gespräche und Versammlungen der Eltern in der Schule, um sich auf die kommende Zeit mit ihren Kindern gründlich darauf vorzubereiten. Da musste diese Entscheidung schon gefallen sein.
Aber der Tag der Einschulung, Aves 1. Schultag sah anders aus. Sie wechselte an ein und demselben Tag zweimal die Klasse und wusste nicht, wo sie sich hinsetzen durfte, sollte und konnte. Sie wurde von der Klasse 1 A zur Klasse 1 B und wieder zurück in die Klasse 1 A geschickt, genauer gesagt, von ihrer Mutter hin und her gebracht. Gerne hätte sie sich schon an diesem Tag einige Schulkameraden ausgesucht, mit denen sie gemeinsam die nächste Zeit in der Schule hätte verbringen wollen. Unter diesen merkwürdigen Umständen war das aber leider nicht möglich. Ihr Vater war während ihrer Einschulung nicht mit dabei, Fotos wurden dort nicht gemacht nur von anderen netten Eltern und Ave wurde von einer Schulklasse in die nächste gebracht. Sie lief an diesem Tag Slalom nicht mit Skiern sondern mit einer Zuckertüte und fühlte sich völlig verloren. Zum Glück hatte sie diesen Tag trotz allem gut überstanden, da sie von Natur aus eine optimistische Frohnatur ist, egal was passiert, was natürlich nicht ausschließt, dass sie seelische Schmerzen in ihrem Leben gehabt hatte, die so wohl keiner kennt.
Während der Schulzeit gab es etliche Elternversammlungen, zu welchen die Kinder ihre Eltern für die Lehrer in der Schule einluden. Ave hatte es nie verpasst, ihren Eltern die Einladung für die Elternversammlungen zu geben, im Hausaufgabenheft zu zeigen oder einfach nur mündlich mitzuteilen. Trotzdem waren ihre Eltern nur zu wenigen Elternversammlungen in der Schule anwesend.
Als Aves Mutter zu einer dieser Elternversammlungen ging, die sie dann aber nicht erreichte, was nicht ungewöhnlich für sie war, blieb sie auf halber Strecke auf der Straße zurück, um angeblich Stunden lang eine Perle zu suchen, die sie von ihrem Goldring kurz vor Aves Schule verloren hatte. Ihr Schmuck, ihr Gold, ihre Perlen waren ihr wichtiger als ihre Tochter in der Schule. Zu dieser Schlussfolgerung ist Ave gekommen, als ihre Mutter nach der Rückkehr von dieser einen Elternversammlung nichts weiter zu berichten hatte, als über die Suche nach ihrer Perle. Bei den meisten Elternversammlungen wurde die fehlende Anwesenheit ihrer Eltern wahrgenommen und die Lehrer hatten diese registriert. Deshalb wurde Ave speziell darauf angesprochen, ihre Eltern daran zu erinnern oder ihr wurde sogar ein Brief der Klassenlehrerin oder des Klassenlehrers mit auf den nach Hause Weg geben, den Ave dann ihrer Mutter zu Hause aushändigte, die in den meisten Fällen zu Hause war, wenn Ave aus der Schule kam. Denn sie war Hausfrau und kümmerte sich um den Haushalt, das Haus und den Garten. Sie machte sauber, kaufte ein, wusch die Wäsche, machte die Betten und harkte im Garten nach dem Rasenmähen das Gras zusammen oder das Laub im Herbst, wobei Ave ihr dann half.
Ave musste immer die frisch gewaschene Wäsche, die großen Wäschepakete von der Reinigung abholen, die für ein Kind viel zu groß und zu schwer waren. Eigentlich war es für ein Kind gar nicht möglich 3 solche großen Wäschepakete auf einmal zu tragen, den weiten Weg bis nach Hause zu schleppen. Aber irgendwie schaffte es Ave immer. Einmal waren die Pakete so groß und schwer, dass Ave die Pakete bei Leuten im Garten abstellen durfte, und sie diese Pakte dann einzeln Stück weise nach Hause holte. Diese Leute fragten sie nach ihrem Namen und riefen Aves Mutter an und sagten ihr wohl ihre Meinung dazu. Das bemerkte Ave, als sie nach Hause kam und so merkwürdig von ihrer Mutter empfangen wurde. Irgendwie wusste sich Ave zum Glück immer zu helfen. Trotzdem war ihre Mutter der Meinung, das Ave faul war und dazu noch ein undankbares Miststück.
Kapitel VII – Gebrabbel
Ave hatte ihre Eltern lieb so wie sie waren, obwohl sie ihr die meiste Zeit nie zuhörten, wenn sie ihren Eltern etwas zu erzählen hatte und obwohl sie mit ihr nicht spielten. Selten schauten sie ihr in die Augen und guckten in ihr Gesicht. Wenn sie dann doch in ihr Gesicht blickten und in ihre Augen sahen, dann fragte Ave meistens: „Was guckst du so?“, weil sie sich darüber wunderte und in diesem Moment, den sie sich eigentlich wünschte, unwohl fühlte. Diese Blicke waren so treffend, wie ein zu scharf geworfener Ball, den man nicht auffangen konnte, der einen aber schmerzhaft getroffen hat und blaue Flecken hinterlassen hat. So war Aves Wahrnehmung. Selten gingen ihre Eltern spazieren und wenn, dann nahmen sie Ave nicht an die Hand wie es andere Eltern mit ihren kleinen Kindern machten. Wenn Ave sich doch an der Hand ihrer Mutter festhalten konnte, dann war das kein normales Händchenhalten. Man hätte zwischen beide Hände einen Tennisball legen können. So rund und steif war das Handhalten ihrer Mutter, obwohl Ave keine sogenannten Schweißpfoten hatte. Sie hielt Ave nur mit der Außenkannte ihrer Handfläche und der Daumenkannte fest. Bei diesen Spaziergängen ließen die Eltern von Ave ihre Tochter in einem gewissen Abstand, so wie einen Hund, vorrennen oder hinterherlaufen. Dann fühlten sie sich wohler oder auch sicherer, wie Ave es registrierte. Die Anspannung bei solcher Art von Ausflügen war ihren Eltern immer anzumerken. Das schmerzte Ave und sie fühlte sich unwohl dabei und war traurig darüber, was sie aber nicht zeigte.
Im Garten standen überall Giftflaschen gegen Unkraut herum und ihre Mutter zeigte ihr im Keller noch einen Schrank mit weiteren gefährlichen Giften.
Wenn Ave alleine im Garten Gummihopse spielte, dann nutzte sie dazu Eisenzäune, die man in den Rasen stechen konnte, um die Hecken und Büsche zu begradigen. Diese Zäune hatten Pfeil förmige verrostete Spitzen wie Messer und waren ziemlich gefährlich, wie die Nachbarn von Ave ihrer Mutter mitteilten.
Hinten im Garten gab es noch ein Wasserloch, was ungefähr zwei Meter tief war und am Boden sich Schlamm befand. Das war ein kleiner Brunnen ohne Umrandung. Direkt daneben gab es Blumen, die von den Eltern für Ave zur Pflege freigegeben wurden. Dort also, dicht neben dem gefährlichen Wasserloch durfte dieses kleine Mädchen sich um Blumen kümmern, Unkraut zupfen, die Erde aufhäufeln und die Blumen gießen. Im hinteren Teil des Gartens gleich neben der Garage baute sich Aves Vater zuerst ein kleines Gewächshaus aus alten Fensterscheiben, später dann noch ein neues Gewächshaus direkt am Haus. Dort gab es in der Mitte einen Gang aus unbefestigtem Sand, der am hinteren Ende plötzlich ein ungefähr drei Meter tiefes Loch hatte. Eines Tages unterhielt sich die Mutter von Ave mit ihrem Vater. Um was es in diesem Gespräch ging, hatte Ave nicht mitbekommen. Es war aber irgendwie eine beklemmende Situation. Ave fühlte nichts Gutes. Dann wurde Ave von ihrer Mutter nach Hinten in den Garten ins Gewächshaus zu ihrem Vater geschickt, worüber sich Ave zuerst freute. Denn sie bemerkte eine Handlung, die sich endlich mal um sie drehte, nur um sie.
Aber was sie dann dort feststellte, war, das von ihrem Vater mit einem Spaten ausgehobene drei Meter tiefe Loch im Sand am Ende des Ganges im Schatten der Garage. Schon als sie das Gewächshaus ihres Vaters betrat, bemerkte sie diese merkwürdigen Blicke ihres Vaters. Er schien ihr irgendwie unsicher zu sein, was für ihn völlig ungewöhnlich war. Dann war er vollkommen still. Erst als Ave ihn auf dieses Loch am Ende des Ganges ansprach, meinte er, dass sie vorsichtig sein soll, sonst fällt sie dort noch in das Loch hinein. Dann zeigte er Ave seine Pflanzen und versuchte ihr Vorträge über Botanik zu halten, was ihm aber irgendwie nicht wie sonst gelang. Die Situation war für Ave irgendwie komisch und gleichfalls behielt sie immer noch dieses Loch am Ende des Ganges in ihrem Kopf und sagte zu ihrem Vater: „Dort hinten im Garten ist ein guter Durchblick zum Haus von den befreundeten Nachbarn Hans und Hanni.“ Ihr Vater verstand, was Ave damit sagen wollte. Er blickte in diese Richtung und er schaute sie an und das drei Meter tiefe Loch am Ende des Ganges seines Gewächshauses. Als Ave sich nach dem ungewöhnlichen Besuch im Gewächshaus ihres Vaters dann wieder gemeinsam mit ihren Eltern im Haus befand, bemerkte sie die schlechte Stimmung, die Vorwürfe ihrer Mutter gegenüber ihres Vaters. Sie war sehr unzufrieden mit ihm und der Meinung, dass er etwas nicht so gemacht hatte, wie sie es sich wünschte. Um was es ihr ging, wusste Ave nicht. Aber sie vermutete, dass ihr Vater sie vielleicht doch ein klein wenig lieb hatte, lieber als sie erst glaubte. Oder hatte ihn einfach nur sein Mut verlassen?
Im Herbst baute ihr Vater mit ihr einen Drachen, den sie sogar gemeinsam in die Lüfte steigen ließen, ähnlich wie ihr Spielfreund mit seinem Vater.
Im Winter ging ihr Vater mit ihr Schlitten fahren und im darauf folgenden Sommer brachte er ihr das Schwimmen bei.
Einige Jahre später bekam Ave ein Fahrrad und ihr Vater zeigte ihr im Frühling, als im Garten alles blühte und die Vögel zwitscherten, wie man mit dem Rad ohne umzukippen sicher fahren kann.
Ihrer Mutter gefiel das alles nicht. Sie verhielt sich wie eine eifersüchtige und neidische Person, obwohl Ave doch ihre Tochter war und sie sich hätte darüber freuen können, dass ihr Mann sich um das gemeinsame Kind kümmerte. Oder war Ave gar nicht ihr Kind?
Wenn Ave krank war, dann lag sie den ganzen langen Tag oben in ihrem Kinderzimmer - alleine. Morgens guckte ihre Mutter einmal nach ihr und brachte ihr Tabletten und Fieberzäpfchen. Zwischendurch sah niemand nach ihr, egal ob sie etwas gegessen oder getrunken hatte. Am Abend, als es wieder zur Tablettenfütterung kam, wurde ihr von ihrer Mutter mitgeteilt, dass sie zusehen soll, schnell gesund zu werden. Das sagte ihre Mutter ihr so, als hätte sie etwas falsch gemacht und als wäre sie unartig gewesen. Aber sie konnte doch gar nichts dafür, dass sie krank war. Wenn sie Glück hatte, dann schaute ihr Vater am Abend nach der Arbeit nochmals kurz in ihr Zimmer, was ihre Gesundheit oder Krankheit machte. Als sie Röteln hatte, das Fieber nicht runter gehen wollte, Ave lange keinen Appetit hatte und schon völlig abgemagert in ihrem Bettchen lag, entschieden sich ihre Eltern, Ave bei gutem Wetter in den Garten zu legen. Da konnte Ave dann wenigstens die Leute am Gartenzaun vorbei laufen sehen und die spielenden Kinder hören, die ihr am Gartenzaun winkten. Das heiterte sie auf. Trotzdem lag sie immer noch völlig schlapp in der Gartenliege bis sie dann doch endlich gesund geworden ist, was wohl eher einem Zufall glich.
Bei der nächsten Kinderkrankheit war Ave so schwach und litt so sehr unter Appetitlosigkeit, dass ihre Oma Edda, die zu Besuch bei ihren Eltern war, sie versuchte mit Apfelstückchen mit Zucker oben drauf zu füttern. Sie hatte Tränen dabei in den Augen und Ave versuchte ihrer Oma zu liebe ganz schnell gesund zu werden. Ihre Oma hatte Ave lieb und Ave hatte ihre Oma lieb und beide teilten das gleiche Schicksal. Beide wurden von Aves Eltern nur geduldet. Ave störte ihre Eltern und Oma Edda störte vor allem ihre Schwiegertochter. Eigentlich wollten ihre Eltern immer nur für sich alleine sein und nicht gestört werden. Wenn Ave sich mit Fragen an ihre Eltern wandte oder irgendetwas sagte, hieß es dann meistens von Seiten ihres Vaters: „Halt den Rand!“ Was bedeutete, halt den Mund und sei ruhig. Ihre Mutter pflegte immer zu sagen: „Verschwinde!“ Was bedeutete, geh mir aus den Augen und geh in dein Zimmer. Das erfuhr Ave aber erst Jahre später, als sie kein Kleinkind sondern bereits Schulkind war und in die erste Schulklasse ging.
Ave hatte Besuch von einer Schulfreundin, die gerade von ihr ins Haus gelassen wurde und beide befanden sich auf dem Weg in ihr Kinderzimmer im Flur noch unten vor der Treppe nach oben. Ihre Mutter stand am Waschbecken und schaute von der Küche den Flur entlang, was Ave dort tat. Ave wollte ihrer Schulfreundin zeigen, wie ihre Mutter es immer hielt und wie sie dann darauf reagierte - auf den vermeintlichen Ruf ihrer Mutter, und meinte zu ihrer Mutter: „Na, sagst du es jetzt?“ Sie stand wartend an der Treppe, sagte dann selbst zu sich dabei zu ihrer Mutter blickend: „Verschwinde!“ und rannte die Treppe, gleich zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe mit ihrer Freundin hoch. Ihre Mutter wurde hoch rot und blickte den beiden Mädchen hinterher. Von da an wusste Ave, dass ihre Mutter, dieses – verschwinde – nicht so nett meinte, wie es zuvor immer bei Ave ankam. Ihre Mutter schämte sich dafür, von ihrer Tochter so vorgeführt zu werden und fühlte sich ertappt in ihren Gedanken und Handlungen ihrer Tochter Ave gegenüber. Als Ave das bemerkte, kam es ihr vor wie ein Stich ins Herz. Es tat weh, sehr weh.
Als Ave in der Schule lesen gelernt hatte, und sich in der Gefühlswelt ihrer Mutter nichts geändert hatte, ihr Vater die meiste Zeit auf Arbeit war und bei ihm es ähnlich war, wenn er nach Hause kam, nur nicht ganz so schlimm, traf Ave eine Entscheidung.