Gibt’s das auch in romantisch? - Hanna Dietz - E-Book
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Gibt’s das auch in romantisch? E-Book

Hanna Dietz

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Beschreibung

Jeder Wunsch hat seinen Preis … Der humorvolle Liebesroman »Gibt’s das auch in romantisch??« von Hanna Dietz jetzt als eBook bei dotbooks. Wünschen wir uns nicht alle manchmal, auf Händen getragen zu werden? Schon seit langem träumt Lotte in herrlichstem Rosarot von dem Tag, an dem sie einen Heiratsantrag von ihrem Freund Jan bekommt. Doch all ihre Träume zerschellen, als er inmitten einer grölenden Menge von Formel-1-Fans einen Bierdosenverschluss als Ring zückt. Unromantischer geht’s ja wohl nicht! Als auch die Flitterwochen in Frankreich am Boden der Romantikskala rangieren, stellt Lotte ihrem frischgebackenen Mann ein Ultimatum: Romantik – oder Scheidung! Und siehe da, es funktioniert. Lotte schwebt auf Wolke 7 – bis ihr der Gedanke kommt, dass Jan all die süßen Ideen unmöglich allein gehabt haben kann … Jetzt als eBook kaufen und genießen: die turbulente Komödie »Gibt’s das auch in romantisch??« von Hanna Dietz. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Wünschen wir uns nicht alle manchmal, auf Händen getragen zu werden? Schon seit langem träumt Lotte in herrlichstem Rosarot von dem Tag, an dem sie einen Heiratsantrag von ihrem Freund Jan bekommt. Doch all ihre Träume zerschellen, als er inmitten einer grölenden Menge von Formel-1-Fans einen Bierdosenverschluss als Ring zückt. Unromantischer geht’s ja wohl nicht! Als auch die Flitterwochen in Frankreich am Boden der Romantikskala rangieren, stellt Lotte ihrem frischgebackenen Mann ein Ultimatum: Romantik – oder Scheidung! Und siehe da, es funktioniert. Lotte schwebt auf Wolke 7 – bis ihr der Gedanke kommt, dass Jan all die süßen Ideen unmöglich allein gehabt haben kann …

Über die Autorin:

Hanna Dietz wurde 1969 in Bonn geboren und studierte an der Deutschen Sporthochschule Köln. Seit 1993 arbeitet sie als freie Journalistin für das Radio und den WDR. Sie ist auch bekannt für ihre Kinderbücher unter dem Pseudonym Emma Flint.

Bei dotbooks erscheint von Hanna Dietz auch:

»Wer A sagt, muss auch Baby sagen«

***

eBook-Neuausgabe Oktober 2021

Dieses Buch erschien bereits 2008 unter dem Titel »Mein unheimlich romantischer Mann« und 2010 unter dem Titel »Soll das ein Antrag sein?« bei Piper.

Copyright © der Originalausgabe 2008 Piper Verlag GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von

© shutterstock / Nadia Grapes / K N

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96655-886-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Hanna Dietz

Gibt’s das auch in romantisch?

Roman

dotbooks.

Teil I

Männer muss man nehmen, wie sie sind,

aber man darf sie nicht so lassen.

Zsa Zsa Gabor, Hollywood-Diva

Kapitel 1

Im Mai vergangenen Jahres stellten zwei Ereignisse mein Leben auf den Kopf: Ich bekam einen Heiratsantrag, und ich kaufte mir eine Schiebermütze.

»Wie siehst du denn aus?« Sibylle starrte mich an, als hätte ich einen selbst gehäkelten Klorollenhalter auf dem Kopf.

»Wir hassen doch Schiebermützen!«, meinte Conny.

Die beiden hatten recht. In unseren Mode-Hass-Charts hatten wir der Schiebermütze einen Ehrenplatz eingeräumt – neben Ibiza-Stretch-Bikinis, Mokassins, T-Shirts mit Angebersprüchen wie »Remember my name, you’ll scream it tonight« und natürlich weißen Socken in Sandalen und hautfarbenen Füßlingen in Pumps. Wenn der Begriff Deppenkappe jemals für etwas gut gewesen ist, dann für die Schiebermütze und ihre noch groteskere Schwester, die Ballonmütze.

»Man kann doch wohl mal seine Meinung ändern«, sagte ich patzig. Meine dunklen Haare wellten elegant unter dem Mützenrand hervor, der bernsteinfarbene Tweed schmeichelte meinen braunen Augen. »Außerdem steht sie mir einfach gut.«

»Das ist nicht der Punkt«, sagte Sibylle.

»Ich hab auch schon mal überlegt, mir eine zu kaufen«, fügte Conny hinzu, »aber ihr wisst ja, ich kann keine Hüte tragen.«

Sie zeigte auf die Gucci-Sonnenbrille, die sie wie immer mit Haarspray auf dem Kopf einbetoniert hatte. Klar, dass da kein Hut drauf passte.

»Man muss einfach ab und zu mal was Neues wagen«, rechtfertigte ich mich, »es kann nämlich sein, dass man Sachen nur aus Gewohnheit jahrelang ablehnt und plötzlich feststellt, dass man was ganz Tolles verpasst.«

»Und was kommt als Nächstes? Leopardenleggings?« Sibylle lachte grimmig. »Trittst du Scientology bei? Oder wirst ein Fan von Nina Ruge?«

»Du könntest auch mal überlegen, was anders zu machen. Und aufhören zu rauchen. Wäre besser«, sagte ich spitz.

»Siehst du, Lotte, genau das meine ich. Ich bin Raucherin, klar? Das war ich mit zwanzig, das war ich mit dreißig, und das bin ich heute. Punkt. Ich bin Raucherin, und du bist Vegetarierin. So hat eben jeder sein Laster.«

»Haha, siehst du«, sagte ich triumphierend, »genau darüber habe ich auf dem Weg hierher nachgedacht.«

Unter den staunenden Augen meiner Freundinnen bestellte ich ein Salamibaguette. Ich hatte seit sechzehn Jahren kein Fleisch gegessen, aber jetzt würde ich meine Geschmacksknospen zu neuem Leben erwecken und von nun an regelmäßig pizzagroße Fleischlappen verschlingen. Wegen des ganzen Eiweißes würde ich jede Menge Muskeln bekommen und könnte wieder Spaghettiträgertops anziehen. Und Neckholdertops! Meine Güte, warum hatte ich bloß so lange damit gewartet?

»Guten Appetit!«, rief ich, als der Kellner das Baguette brachte, und biss mit Schwung hinein. »Oh, mein Gott«, keuchte ich wenig später und spuckte alles wieder aus. »Das schmeckt ja nach Brühwürfel!« Ich spülte mit meinem Chai Latte nach.

Sibylle grinste und zündete sich demonstrativ eine Zigarette an.

Am Wochenende darauf bekam ich den Heiratsantrag. Von meinem Freund Jan. Darauf hatte ich mein Leben lang im Allgemeinen und seit sieben Jahren im Besonderen gewartet.

Es war mir völlig klar gewesen, dass ich Jan heiraten würde, von dem Moment an, als ich ihn das erste Mal sah. Mit einem Satz war er aus seinem alten Alfa Romeo gesprungen und mit energischer Lässigkeit auf mich zugeschritten, und der Blick aus seinen grünblauen Augen hatte mir verraten, dass dieser Mann nicht nur gekommen war, um mich und meinen liegen gebliebenen Kadett an diesem Sonntagabend von der Severinsbrücke zu retten. Er trug Jeans, Boots und ein kurzärmeliges schwarzes Hemd, das am Oberarm einmal umgekrempelt war, sodass sein Bizeps besser zur Geltung kam.

Ich hätte mich ihm noch auf der Brücke hingegeben, hätten die Autofahrer nicht so gehupt, weil meine Karre die rechte Fahrbahn blockierte. So begaffte ich nur meinen gut aussehenden Retter, der sich unter die Motorhaube beugte, und ich wusste, dass meine Zukunft in diesen Händen lag, die mit wenigen Griffen den Kadett wieder fahrtüchtig machten.

Zum Dank lud ich ihn in den Biergarten ein, und schon nach dem zweiten Alsterwasser nahm er meine Hand. Von da an malte ich mir heimlich aus, wie er um selbige anhalten würde, und ein Szenario war romantischer als das andere. Als kleines Mädchen hatte ich die klassische Variante vor Augen gehabt: Prinz in schillerndem Dress kommt auf weißem Pferd angeritten, fällt vor mir auf die Knie und schenkt mir einen Glitzerring, als Vorschuss auf das Königreich zur Hochzeit. Das Volk jubiliert, wirft seine Hüte in die Luft, und Fanfaren posaunen das Glück in alle Welt.

Im Lauf der Jahre wurde mir bewusst, dass es wahrscheinlich anders kommen würde. Auf den schillernden Prinzendress war ich sowieso nicht mehr scharf – wer will schon einen Mann in Pumphosen heiraten? Und als ich die entscheidenden Olympischen Spiele verpasst hatte, um mir einen feschen Kronprinzen zu angeln (blöde Mary Donaldson!), legte ich die Sache mit dem Königreich zu den Akten. Aber den Antrag malte ich mir weiterhin in den buntesten Farben aus.

Als ich mir mal nach Weihnachten einen Stepper gekauft hatte, waren diese Heiratsantragsphantasien Teil meiner Motivationsstrategie gewesen. Während ich steppte, träumte ich von Kutschen und Wasserfällen, von einer festlichen Tafel inklusive Kerzenschein und Ring im Dessert, von Feuerwerk und Champagner. Bei intensiven Trainingseinheiten (länger als zehn Minuten) motivierte ich mich mit filmreifen Anträgen: Jan mietet Plakatwand, Jan steht im Rheinenergie-Stadion im Mittelkreis und fragt via Leinwand und Lautsprecher, ob ich seine Frau werde (dabei gehe ich nie zum Fußball). Sogar einen Doppeldeckerflug (dabei habe ich Flugangst) und einen Tauchgang in ein buntes Riff (wo ich mich doch vor großen Fischen fürchte) hatte ich mir vorgestellt.

Nach einer Woche fielen mir keine Varianten mehr ein. Der Stepper verstaubt seitdem im Keller. Anderthalb Kilo Weihnachtshüftgold blieben und die Sicherheit, dass mir Jan eines Tages einen wunderbaren Antrag machen würde. Jan, der ein defektes Kabel mit Leukoplast flicken und Weinflaschen ohne Korkenzieher öffnen konnte. Jan, der sich nicht scheute, sein Leben zu riskieren, um andere zu retten, der als Sechzehnjähriger einen Jungen vor dem Ertrinken im eiskalten See bewahrt hatte. Jan, der immer alles von der positiven Seite sah, der mich auf langweiligen Partys zum Lachen brachte, indem er sich lustige Geschichten über die Gäste ausdachte. Jan, der Zahntechniker, der in mühsamster Kleinarbeit den exakten Farbton einer Zahnkrone mischte, um das Lächeln einer Kundin perfekt zu machen. Dieser Jan, mein Jan, hatte – da war ich mir sicher – genug Phantasie, um meine kühnsten Antragsträume noch zu übertreffen.

Aber jeder weiß, dass Theorie und Praxis zwei grundverschiedene Dinge sind, besonders wenn es um Männer geht.

Außer meinen Freundinnen Conny und Sibylle kennt niemand die wahre Geschichte meines Heiratsantrags. Ich hab mich nie getraut, sie zu erzählen. Denn ich wollte kein Mitleid, sondern Tränen der Rührung. Ich meine, gibt es einen besseren Garanten für Tränen als einen Heiratsantrag? Gibt es einen Moment, der einen mehr überwältigen kann – abgesehen von der Geburt eines Kindes oder einem Doppelwhopper nach einer zweiwöchigen Ananas-Diät?

Mein früherer Nachbar hat für seine Frau Tausende Lichter in Papiertüten auf den Strand von Juist gestellt und sie auf einen Helikopterflug eingeladen. Von oben las sie dann Willst Du mich heiraten? Ich hab geheult, als sie mir das erzählte. Der Mann einer Freundin ging in einem Nobelrestaurant auf die Knie und überreichte ihr einen fetten Klunker, es regnete Rosenblätter, und der Küchenchef brachte ein Himbeersoufflé in Herzform. Auch bei dieser Geschichte habe ich geheult. Ich heule immer bei Heiratsanträgen. Bei meinem nicht. Bei meinem heulten nur die Motoren.

Es war so: Mein Freund Jan hatte Karten für das Formel-1-Rennen am Hockenheimring geschenkt bekommen. Ich hatte mir vorgenommen, das ganze Wochenende zwischen Badewanne, Sofa und Kühlschrank zu pendeln und die Ruhe zu genießen. Aber dann wurde sein bester Freund Frank krank, und Jan bettelte so lange, bis ich einwilligte mitzukommen. Ich zog meine älteste Jeans an und verbannte meine Ansprüche an Komfort und Hygiene und fuhr mit. Ihm zuliebe.

Schon bei der Ankunft bereute ich meinen Entschluss. Was finden Männer bloß an Formel 1? Ohrenbetäubender Lärm, der Geruch von Benzin und verbrannten Reifen, und das alles, um ein paar Sekunden einen roten Ferrari an sich vorbeiflitzen zu sehen. Lächerlich. Das wichtigste Utensil bei dieser Wochenendreise: Ohropax. Hab ich vergessen zu erwähnen, dass wir im Zelt übernachteten? Inmitten grölender Freaks, die eine Kopie der Cheops-Pyramide bauten – aus leeren Bierdosen!

Ich hatte also samstags das Qualifying hinter mich gebracht und eine Nacht auf der Isomatte überstanden, mit einem schnarchenden Jan neben mir. Morgens wachte ich mit derart stechenden Kopfschmerzen auf, als wäre mir Michael Schumacher persönlich über den Schädel gefahren. Wir frühstückten Sardinen aus der Dose und tranken warme Cola. Auf der Tribüne trank Jan Bier und aß Pommes spezial mit Zwiebeln. Nick Heidfeld heizte gerade an uns vorbei, da brüllte mir Jan irgendwas in mein verstöpseltes Ohr. »Sag das noch mal!«, rief ich und holte das Ohropax raus. Ralf Schumacher und irgendein grünes Gefährt rangelten um den besten Platz, und einer der Wagen schrappte an der Tribünenwand entlang.

»Das wär echt geil, wenn wir heiraten würden!«, schrie Jan.

»Was hast du gesagt?«, brüllte ich. Ein Pulk Autos zischte an uns vorbei.

»Heiraten! Wir!« Er unterstrich das Angebot mit seinem Arm, der zwischen ihm und mir hin- und herwedelte. Ich brauchte etwa dreißig Sekunden, um die Umgebung abzuchecken: nach Musikanten, Feuerwerk, Rosenblätterregen, einem Prominenten, der nur für mich sang, einem Flugzeug, das meinen Namen in den Himmel schrieb, nach den anderen Zuschauern, die über die entscheidende Wendung in meinem Leben das Rennen ignorierten, um in ohrenbetäubenden Jubel auszubrechen.

Nichts passierte. Die Menge glotzte auf die vorbeirauschenden Boliden. Ein Sprecher kommentierte über Lautsprecher die Entwicklungen in der Boxengasse. Jan sah mich erwartungsvoll an.

»Soll das ein Antrag sein?«, schrie ich. Er nickte, stolz wie ein kleines Kind. Da war es geschehen. An jedem Jahrestag, an Silvester, in jedem Urlaub, an jedem meiner Geburtstage hatte ich gehofft, dass er es endlich tun würde. Und jetzt das. Aber was soll’s, dachte ich mir, das Ergebnis zählte. Ich würde heiraten!

»Ja!«, brüllte ich, ergriffen von meiner generösen Entscheidung, über die Umstände des Antrags abzusehen. In diesem Moment ertönte Applaus. Ich sah mich um, ob nicht doch eine Kamera die Szene aufgenommen hatte und wir gerade im Fokus des Interesses standen. Aber Grund des Applauses war wohl eher Michael Schumacher, der mit hochgereckter Faust die Ziellinie überquerte.

»Super!«, schrie Jan, und ich bin mir nicht sicher, ob er meine Antwort meinte oder den Sieg seines Idols.

»Du Arme«, sagte Conny, als ich ihr und Sibylle die Geschichte erzählt hatte.

»Was für ein Idiot!«, meinte Sibylle.

Wir saßen beim Mexikaner und tranken Caipirinha. Ich brauchte eine Menge davon. Irgendwie musste sich doch das berauschende Gefühl eines Heiratsantrags einstellen.

»Von Kerzen und Himbeersoufflés einmal abgesehen, wenigstens auf die Knie hätte er fallen müssen!«

Conny sagte: »Er ist doch sonst nicht so …«

»Bescheuert?«, fragte Sibylle.

»Bei allem, was mit Motorsport zu tun hat, dreht er eben durch.« Ich fand selber, dass das wie eine lahme Ausrede klang.

»Aber er hätte dir wenigstens sagen können, dass du seine Traumfrau bist«, wandte Conny ein.

»Genau!«, rief ich und schlürfte meinen Caipi aus, »ich bin seine Traumfrau!«

»Ich dachte, du wolltest gar nicht heiraten!«, brummte Sibylle.

»Ich hab nur gesagt, heiraten ist nicht wichtig«, erklärte ich, »und das habe ich nur gesagt, damit es nicht so aussieht, als ob ich die ganze Zeit drauf warte. Das ist doch megapeinlich, wenn man überall herumposaunt, dass man gerne heiraten möchte, und man wird einfach nicht gefragt.«

»Und jetzt? Willst du wirklich heiraten?«, fragte Sibylle.

»Sie hat doch schon Ja gesagt«, meinte Conny.

»Und wo ist dann der Ring?«

»Das stimmt. Lotte trägt gar keinen Ring.«

»Noch ’ne Runde?« Ich winkte Kim hinter der Bar mit dem leeren Glas.

»Lotte, wieso trägst du keinen Ring?«, wollte Conny wissen.

Weil ich versuchte, das Niederschmetterndste an dem ganzen Antrag zu verdrängen. Weil das der Beweis für den absolut verkorkstesten Heiratsantrag aller Zeiten war. Weil mich das ein für allemal zum Gespött der Leute machen würde. Aber es waren schließlich meine besten Freundinnen, mit denen ich am Tisch saß. Also holte ich ihn aus meiner Jackentasche und warf ihn auf den Tisch.

»Was ist das?«, fragte Sibylle.

»Das, liebe Geschworene, ist Beweisstück A.«

Conny beugte sich näher zur Tischplatte. »Sieht aus wie ein …«

»Ja, ist es auch.«

»Wo hat er ihn her?«

»Na, ihr kennt doch den Film mit Audrey Hepburn: Frühstück bei Tuborgs«, sagte ich sarkastisch.

»Dein Verlobungsring stammt von einer Dose Tuborg?«, schnaubte Sibylle.

Die unverbesserlich optimistische Conny fragte: »Passt er denn wenigstens?«

»Natürlich nicht. Bei dem Versuch, ihn überzustreifen, hab ich mich geschnitten.« Wir drei starrten das kleine Stück Weißblech an, das meinen Bund fürs Leben besiegelt hatte.

»Du Arme.« Conny legte mir tröstend die Hand auf den Arm.

»Noch nicht mal Weißgold, sondern Weißblech!« Sibylles Stimme überschlug sich fast. »Du weißt, worauf du dich da einlässt?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ja. Ich glaub schon.«

»Ich glaub nicht«, sagte Sibylle. »Denk lieber noch mal drüber nach.«

Nachdenken. Schlechte Sache. Gefährlich und unbarmherzig. Da kann man ja gleich »der Realität ins Auge sehen« oder »in die Höhle des Löwen gehen« oder »sich auf die Körperfettwaage stellen«. Ich schlürfte meinen Cocktail aus und wusste, dass Sibylle recht hatte. Ich musste nachdenken.

»Hey, Kim, noch ’ne Runde!«, rief ich.

Ich dachte sieben Caiprinhas lang nach, und dann brachte mich ein Taxi nach Hause. Jan saß wie immer, wenn er nicht in der Garage an alten Autos bastelte, an seinem Computer und recherchierte, wie man am besten an alten Autos bastelt. Als die Tür aufflog, rief er: »Lotte, bist du’s?«

»Ich bin’s, mein Prinz«, lallte ich und hielt mich am Türrahmen fest. Wenigstens besaß Jan so viel Ritterlichkeit, mir einen Eimer neben das Bett zu stellen.

Kapitel 2

Am nächsten Tag war mir schlecht. Und das nicht nur wegen der vielen Cocktails, sondern auch, weil mich das Nachdenken auf ein Problem aufmerksam gemacht hatte, das bisher unbemerkt geblieben war. Das ist ja das Miese an Beziehungsproblemen: sie können schon lange da sein, am Esstisch sitzen, sich auf dem Sofa lümmeln, und wenn man eines Tages sagt: »Hey, Problem, was machst du denn hier?«, dann antwortet es ganz frech: »Was soll die bescheuerte Frage, ich wohne hier«, steht auf und holt sich das letzte Bier aus dem Kühlschrank. Wenn Probleme unentdeckt unter uns weilen, dann liegt das entweder an Bequemlichkeit (bei Männern) oder an der rosaroten Brille (bei Frauen).

Es war also höchste Zeit, die rosarote Brille abzulegen und mir einmal die Fakten anzusehen. Ich erstellte eine wunderbare Tabelle, unterlegte die linke Spalte mit einem pinkfarbenen Hintergrund und die rechte mit einem blauen Himmel. Über die linke Spalte schrieb ich Rosarote Brille, über die rechte Klare Sicht. Dann überlegte ich.

»Hey, Charlotte, alles klar?« Meine Lieblingskollegin und Büronachbarin Jolanda kam herein.

»Mmmh. Hab einen Heiratsantrag bekommen.«

»Echt?«, rief sie. »Musste mir nachher unbedingt erzählen.« Sie wedelte mit ihrer Mappe und war wieder weg.

Ich schrieb:

Rosarote Brille: Er denkt immer an den Jahrestag.

Klare Sicht: Ab zwei Wochen vorher erwähne ich den Jahrestag subtil etwa drei Mal pro Tag. Außerdem beschränke ich mich auf die wichtigsten Jubiläen: die erste Begegnung, der erste Kuss, der erste Sex. Glück für Jan: Diese Jubiläen fallen bei uns auf ein einziges Datum.

Rosarote Brille: Er schaut mit mir gerne den Sternenhimmel an.

Klare Sicht: Dabei labert er unaufhörlich von schwarzen Löchern und explodierenden Space-Shuttles.

Rosarote Brille: Er schenkt mir I love Milka-Pralinen zum Geburtstag, das ist doch wohl romantisch.

Klare Sicht: Wie alt sind wir? Vierzehn? Fehlt nur noch eine Flasche Asti Spumante.

Rosarote Brille: Ich habe ständig Rosen von ihm in der Vase.

Klare Sicht: Sie stammen aus den Anfängen unserer Beziehung, ich hatte sie getrocknet und fege jede Woche die Brösel unter der Vase weg.

Rosarote Brille: Er würde liebend gerne mit mir einen Tanzkurs machen, aber wegen seines kaputten Meniskus kann er es nicht.

Klare Sicht: Wieso hat er eigentlich beim Kicken mit den Jungs keine Probleme damit?

Rosarote Brille: Er mag romantische Spaziergänge im funkelnden Schnee, das sagt er immer wieder.

Klare Sicht: Im Rheinland liegt so wenig Schnee, da könnte er auch sagen, er holt mir jeden Tag eine Kokosnuss von der Palme.

Rosarote Brille: Ich habe einen Heiratsantrag bekommen.

Klare Sicht: Der Antrag war mehr als deprimierend.

Ich starrte auf die Liste. Was war mit Jan los? Er musste doch wissen, dass Frauen Romantik wollen! Ich meine, das ist das Natürlichste auf der Welt! »Das Natürlichste auf der Welt ist FKK – und trotzdem macht es längst nicht jeder«, hörte ich Sibylle im Geiste darauf antworten.

Mein Kopf schmerzte, mein Magen rotierte, als ich mit Schriftgröße 36 unter die Tabelle den Namen des Problems in meiner Beziehung schrieb: Unromantik.

»Dieses Wort gibt es nicht«, sagte das Problem.

»Meinetwegen, dann heißt du eben Romantikmangel.«

»Das klingt auch nicht schön. Kannst du mich nicht irgendwie anders nennen?«

»Wie denn?«

»Nicht so negativ.«

»Also, du bist das Gegenteil von Romantik. Wie soll ich dich deiner Meinung nach nennen?«

»Wie wäre es mit Routine?«

Ich starrte es an. »Meinetwegen«, seufzte ich und schrieb Routine unter meine Liste. Ob das wirklich besser klang als Romantikmangel? Und war es wirklich die Routine des Alltags, die Jan davon abhielt, romantisch zu sein?

»Charlotte, Konferenz, aber dalli!« Der Kommandoton von Patrizia, dem Creative Director unserer Werbeagentur, duldete keinen Aufschub. Sie war die älteste Tochter unserer Chefin Gila Schönhausen, bekannt als das »Gilamonster«, seit Jolanda eine Rundmail über die Gila-Krustenechse versandt hatte, die einzige giftige Echsenart, die sich in ihr Opfer verbeißt und auf ihm herumkaut, um so das Gift zu injizieren.

Das Gilamonster hatte die braune Haut eines strapazierten Clubsofas. Ihr kinnlanges schwarzes, leicht auftoupiertes Haar zierte eine schlohweiße Strähne an der Seite. Sie war so stolz auf ihre schlanke Figur, dass sie sich beharrlich weigerte, ein ihrem Alter entsprechendes Outfit zu wählen (beispielsweise ein Chanel-Kostüm in Hellgrau oder Rosé). Sie trug wie immer einen knallengen Hosenanzug aus schwarzem Leder und zu viel Make-up. Ihr Kajalstift musste so dick sein wie ein Edding. Ihre kleinen eisblauen Augen wurden durch die dunkle Umrandung noch kleiner. Was in der »Vogue« und anderen Revolverblättern als »Smokey Eyes« bezeichnet wurde, war bei ihr eher ein verunglückter Gruftie-Look.

»Synergieeffekt« war eines ihrer Lieblingsworte, und darunter verstand sie, dass wir schufteten und sie und ihre beiden Töchter die Lorbeeren ernteten. Außer Patrizia arbeitete auch noch Gilas jüngere Tochter Chiara bei uns, wobei »arbeitete« vielleicht das falsche Wort war. »Sie beehrt uns mit ihrer Anwesenheit«, lästerten wir, wenn Chiara gegen elf Uhr in der Agentur auftauchte, sich aus dem Kühlschrank im Foyer eine Cola light nahm und die langen Beine auf ihren Schreibtisch schwang. Das war auch der einzige Zweck, den ihr Schreibtisch zu erfüllen hatte. Chiara war nur für eines gut: bei männlichen Kunden das Hirn auszuschalten. Das aber konnte sie verdammt gut, denn – und hier zitiere ich meinen Kollegen Chris – ihr Dekolleté war so verführerisch wie ein Swimmingpool bei dreißig Grad: Ein Mann wünschte sich nichts weiter, als sich die Kleider vom Leib zu reißen und einen Kopfsprung hineinzumachen.

Ich pflanzte mich in die Ecke des gläsernen Konferenzraums und hoffte, dass ich nicht auffallen würde. Beim Aufstehen hatte ich gar nicht gemerkt, wie übel mir tatsächlich war, sonst hätte ich mich vielleicht krankgemeldet.

»Ich höre«, sagte das Gilamonster. Das war ihre persönliche, sehr motivierende Art, Mitarbeiterbesprechungen zu beginnen.

Patrizia gab das Stichwort. »Die Kampagne für den Burgen-Tourismus, wie weit seid ihr mit dem Konzept?«

Die Frage ging an Chris und mich. Mir lief es kalt den Rücken runter und heiß die Speiseröhre hoch. Chris und ich hatten uns am Freitag darauf geeinigt, uns übers Wochenende Slogans einfallen zu lassen für die Burgen entlang des Rheins, die eine Art Bed and Breakfast anbieten wollten. Wegen des Antrags hatte ich es vergessen.

»Chris? Charlotte?«, fragte Patrizia.

Das Gilamonster fixierte mich mit stechendem Blick. Chris’ Stummheit schien sie nicht zu bemerken, typisch, er war ein junger Mann und ein Schleimer. Ein Angestellter, wie das Gilamonster ihn sich wünschte. Meine Chefin trommelte mit knallroten Fingernägeln auf der Tischplatte herum und sagte mit Kettenraucher-Stimme: »Charlotte sieht etwas derangiert aus. Was ist das, was sie auf dem Kopf hat? Eine Frisur oder ein platt getretener Hamster?«

Mir brach der Schweiß aus. Meine Kollegen schauten verlegen. Denn jeder wusste, was passiert war. Das Gilamonster hatte sich in sein Opfer verbissen.

»Wir sollten Charlotte in Ruhe lassen, bis sie sich in der Lage sieht, zu diesem Unternehmen etwas Produktives beisteuern zu können«, höhnte sie.

»Charlotte hat …«, setzte Jolanda an.

Das Gilamonster unterbrach: »Charlotte wird nichts dagegen haben, heute länger zu bleiben.« Ich morste Jolanda mit den Augen, sie solle meinen neuen Familienstand bitte nicht erwähnen. »Wenn aber Lotte nichts zum Erfolg unserer Agentur beizutragen hat, dann sehe ich mich gezwungen, das Arbeitsverhältnis zu überdenk …«

»Charlotte ist verlobt«, platzte Jolanda dazwischen. »Glückwunsch!« Sie fing an zu klatschen.

Das Gilamonster betrachtete mich mit dem Interesse, das nur ein Beutetier ohne Chance erwecken kann. »Aha«, sagte sie. »Und was geht uns das an?«

»Na ja, ich dachte …«, sagte Jolanda.

»Schsch. Wir wollen die Braut dazu hören.«

Ich starrte auf die Tischplatte und hoffte, dass ein Feueralarm oder ein Meteoriteneinschlag mich retten würde. Komm, Lotte, du schaffst das.

»Äh, also vielleicht«, fing ich an, »könnte man unter dem Slogan ›Good Knights‹ das Übernachten auf der Burg vermarkten. Geschrieben heißt es gute Ritter, gesprochen gute Nächte. Das spricht deutsche wie auch internationale Gäste an …«

»Sie ist wirklich schwer von Begriff«, sagte das Gilamonster.

»Man kann das Konzept natürlich auch ändern«, beeilte ich mich zu sagen.

»Charlotte versteht nicht, dass sie gefälligst von ihrem Heiratsantrag berichten soll.« Das Gilamonster schaute mich kalt an. »Der Heiratsantrag! Los, überrasch mich!« Ob sie wohl überrascht wäre, wenn ich ihr mit der Thermoskanne eins überbraten würde?

Was sollte ich machen? Dieser Heiratsantrag war wirklich nichts für Publikum. Denk nach, Lotte. »Also, äh, es war auf dem Hockenheimring.« Ich schaute in die gespannten Gesichter. »Beim Formel-1-Rennen.«

»Ach, das hab ich im Fernsehen gesehen, da waren auch Boris Becker, Heidi Klum und Anastacia!«, rief Jolanda aufmunternd. »Ihr wart also auf der VIP-Tribüne?«

»Ja, das kann man so sagen.« Schließlich war um meine Hand angehalten worden, und damit war ich doch wohl very important. »Das Rennen ist in vollem Gange, Michael Schumacher liegt vorn, und plötzlich liegt mir mein Freund Jan zu Füßen. In der Hand einen riesigen Rosenstrauß.« Ich machte eine Pause, so gerührt war ich von dem Anblick meines Freundes in seinem Armani-Anzug, der mich mit Hundeblick ansieht. Boris Becker lässt einen Moment die Finger von der dunkelhaarigen Frau, die Reporter wenden sich von Heidi Klum ab und richten ihre Kameras auf uns. Im Hintergrund machen sich die Kellner bereit, Champagner für alle auszuschenken. Die Jazzband hält gespannt inne, um gleich den Hochzeitswalzer zu intonieren.

»Und dann?«, fragte Patrizia.

»Und dann hat er gefragt, ob ich ihn heiraten möchte.«

»Und dann?«

»Dann hab ich Ja gesagt.«

»Und was sonst?«

»Na ja, sonst eigentlich … nix.« Ich zuckte mit den Schultern. Meine Kolleginnen guckten enttäuscht. Das Gilamonster schnippte mit den Fingern und sagte: »So, Patrizia, jetzt du.«

Alle stöhnten auf. Das hatte ich ganz vergessen! Patrizia und ihr Heiratsantrag, den sie seit Jahren zum Besten gab. Sie ließ langsam ihren Blick über die Menge schweifen. Und erzählte weit ausholend die Geschichte, wie ihr Mann Udo ein Kino für sie gemietet hatte, wie der Ring im Popcorn versteckt war und wie dann einer der Schauspieler im Film sie plötzlich gefragt hatte: »Patrizia, dein Udo liebt dich über alles. Willst du ihn heiraten?«

»Mein Gott«, seufzte das Gilamonster wie immer.

»Ich rufe: Ja, ja, ja! Und er steckt mir den Ring an den Finger!« Patrizia hielt ihre Hand hoch. »Ein Smaragd aus Indien, den Udos Urgroßmutter von Königin Victoria geschenkt bekommen hatte.«

»Das nenne ich einen Heiratsantrag!«, sagte das Gilamonster.

»Zeig mal deinen Ring«, rief Jolanda mir zu.

»Äh, der muss noch enger gemacht werden«, stammelte ich.

Nach der Konferenz schlich ich zu meinem Schreibtisch. Patrizia kam zu mir, offiziell, weil sie mit mir etwas für das Burgen-Konzept besprechen wollte. Aber eigentlich wollte sie mir nur unter die Nase reiben, was für eine phantastische Hochzeit sie und ihr Udo gehabt hatten, natürlich im Kölner Dom.

Ich hörte mir das Gesülze an und dachte: Na warte. Ich hatte zwar keinen tollen Heiratsantrag, aber meine Hochzeit würde eine Märchenhochzeit werden. Dafür würde ich schon sorgen.

Ich brannte darauf, meinen Eltern die gute Neuigkeit zu berichten, und konnte nicht bis zum Wochenende warten, wenn Jan vielleicht auch Zeit gehabt hätte. Außerdem hätte ich dann bei der beschämenden Wahrheit bleiben müssen.

Wie immer, wenn meine Mutter öffnete, rief sie: »Kind, du hast doch einen Schlüssel.«

»Wonach riecht es hier?«, fragte ich. Sie wandte sich ab und murmelte: »Das kommt von der Ketose.«

»Von was?«

»Von der Ketose. Das nennt man so, wenn der Körper keine Kohlenhydrate mehr bekommt und deswegen Fett verbrennt.«

»Auweia, was ist das denn für eine schreckliche Diät?«

»Das ist Atkins!« Sie ging vor mir her ins Wohnzimmer. »Man darf essen, so viel man will! Fleisch, Sahne, Eier, Butter, Käse!«

»Und davon kriegt man so einen Mundgeruch?«

Überall stank es nach verfaulten Eiern. Das war schlimmer als im Hungerwinter 2003/2004, als bei meinen Eltern »Magic Kohlsuppe« angesagt war und das ganze Haus roch wie eine Mietskaserne im Dezember 1916.

»Daran merkt man, ob es funktioniert! Ich habe schon ein Kilo abgenommen«, rief meine Mutter stolz. »Willst du Kaffee? Kekse gibt es nicht.« Das war nun wirklich nichts Neues. Ob meine Eltern Slim-Fast-Zeug tranken oder Weightwatcher-Menüs aßen – Gebäck aller Art stand immer auf dem Index. Außer an Ostern, Weihnachten und Geburtstagen. Da wurden Süßigkeiten gefressen, als ob es kein Morgen gäbe.

»Es gibt Neuigkeiten!«, rief ich, als mein Vater reinkam. »Wo ist Lorchen?«

»Deine Schwester ist oben.«

Oma spazierte herein. Sie knabberte Neapolitaner-Waffeln.

»Hallo, Omanda«, begrüßte ich sie. Sie hieß Amanda, und aus Oma Amanda hatten wir als Kinder Omanda gemacht.

»Ach, Lottinchen, mein Kind. Wie geht es dir? Du strahlst so!«

»Omanda«, tadelte meine Mutter angesichts der Waffelkrümel, »ich habe gerade erst geputzt.«

»Willst du auch eine?«, fragte Omanda freundlich. »Ach nein, du darfst ja nicht. Aber du, Lotte.« Sie reichte mir die Packung.

»Jetzt ist es gut«, knirschte mein Vater. »Weg mit dem ungesunden Zeug.«

»Nimm du dir ein Kotelett, Siggi, und lass anderen ihr Vergnügen!«, meinte Omanda. Ein paar Krümel fielen von ihrem Pullover auf den Tisch, die meine Mutter mit anklagendem Gesichtsausdruck wegwischte.

In dem Moment schlurfte Lorchen herein. Sie war vier Jahre älter als ich und wohnte noch immer zu Hause. Sie könne es unseren Eltern nicht antun, auch auszuziehen, pflegte sie mit leidender Miene zu sagen.

Statt mich zu begrüßen, ging sie zum Kühlschrank. »Ist keine Salami mehr da?«, fragte sie anklagend.

»Nein, Lorchen, nur Fleischwurst.«

»Diese Fleischwurst ist widerlich«, sagte Lorchen und verdrückte ein Stück so groß wie ein Brötchen.

»Die Stimmung hier ist ja prächtig!«, stellte ich fest.

»Das liegt an dem ganzen Fleisch«, meinte Omanda, »das macht aggressiv.«

»Du hältst den Mund, Mutter, sonst steck ich dich ins Heim«, brummte mein Vater.

»Schon wieder die alte Leier, Siggi«, stöhnte Omanda, »mach doch. Da bin ich wenigstens unter normalen Menschen.«

Das war das Stichwort meiner Mutter, die wie immer sagte: »Omanda, sei nicht so undank …«

»Ich bin verlobt«, warf ich ein.

Lorchen schluckte.

»Oh, wie schön!«, rief Omanda.

»Wirklich?«, bemerkte mein Vater.

»Mit Jan?«, wollte meine Schwester wissen.

»Mit wem sonst?«

Meine Mutter umarmte mich mit Tränen in den Augen. Lorchen nahm sich noch ein Stück Fleischwurst.

»Er hat mich nicht gefragt«, stellte mein Vater fest.

»Das braucht Jan ja nun wirklich nicht, Siggi!«, sagte Mutter, löste ihre Umarmung und gab mir einen Kuss. »Ich gratuliere dir von ganzem Herzen. Und jetzt erzähl: Wie war der Antrag?«

Meine Mutter hing an meinen Lippen. Hockenheimring, VIP-Loge, Übertragung des Antrags auf die Leinwand, Champagner, Hochzeitswalzer über die Lautsprecher. Als ich erwähnte, wie Boris Becker uns gratulierte, war sogar meine Schwester für einen Moment beeindruckt.

»Wie romantisch«, seufzte meine Mutter. »Und der Ring?«

Ich führte ihn vor. »Es ist ein besonderes Stück«, zitierte ich den Juwelier, »Diamant mit 1,4 Karat im Princess-Schliff.«

»Der war bestimmt nicht billig«, sagte meine Mutter. War er auch nicht. Ich hatte genau einen halben Monatslohn bezahlt.

»Keinen Ton hat er zu mir gesagt«, lamentierte mein Vater.

»Siggi, nun hör auf zu jammern«, sagte Omanda.

»Ihr werdet bestimmt eine sehr romantische Hochzeit haben«, sagte meine Mutter.

»Und wie«, rief ich aufgeregt, »wir heiraten im Kölner Dom!«

»Oh, mein Gott!«, hauchte meine Mutter. »Genau wie wir! Wie wir uns es immer gewünscht haben.«