„Schatz, brennt da grad was an?“ - Hanna Dietz - E-Book

„Schatz, brennt da grad was an?“ E-Book

Hanna Dietz

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Beschreibung

Es ist doch immer wieder das Gleiche: Kaum ist der Winter vorbei, entwickelt der Mann unbändige Lust auf rauchgeschwängertes Fleisch. Doch während früher einfach ein paar Würstchen auf den Rost geschmissen wurden, ist Grillen heute Lifestyle und Selbstverwirklichung. Pech also, wenn der eigene Mann plötzlich zum King of Kotelett mutiert und die ganze Familie mit Diskussionen um exotische Marinaden, Grills zum Preis eines Kleinwagens und Kohle mit Whiskyaroma in den Wahnsinn treibt. Und was macht die Frau, während ihr Mann mit seinen Kumpels das teure Lendenfilet bewacht? Den ganzen schmutzigen Rest natürlich ...

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

dieses Buch ist eine unentbehrliche Lektüre. Erstmals werden so wichtige Fragen beantwortet wie: Warum werden Männer sofort sanft, wenn ihnen Rauchschwaden in die Nase steigen? Wie macht man aus einem Finger ein Fleischthermometer? Darf man Kinder mit Bratwurst abspeisen, während man selbst das sauteure Steak verputzt? Und wieso um alles in der Welt ist der Drang, im Freien auf jegliche Tischmanieren zu verzichten, so groß? Dazu eine Einführung ins Grillchinesisch, ein Bericht über den Beziehungsbelastungstest »Mein Mann baut einen Gasgrill alleine auf« – und natürlich das Neueste vom Grillseelsorgentelefon für grillgeplagte Ehefrauen.

In diesem Sinne: Ran an die Buletten!

Ihre Hanna Dietz

Hanna Dietz

»Schatz, brennt da grad was an?«

Mein Mann, seine Grillzange und ich

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Originalausgabe1. Auflage

Originalausgabe April 2017

Copyright © 2017 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Lektorat: Doreen Fröhlich

DF · Herstellung: RN

ISBN: 978-3-641-20795-3V002

www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz:

Für den besten Ehemann von allen

INHALTSVERZEICHNIS

WO RAUCH IST, IST AUCH EIN MANN MIT GRILL Wenn die Leidenschaft lodert, ist BBQ-Time!

ENTFLAMMTE FRÜHLINGSGEFÜHLE Die Grillsaison geht los!

METEOROLOGISCH INDUZIERTER GRILLZWANG Barbecue und andere männliche Wetterphänomene

DIE MÄNNER VOM FERNSEHEN SIND AN ALLEM SCHULD Wie mein Mann den Grillsport entdeckt

KAUFBERATUNG MIT FRUCHTSPIESSCHEN Marcel tischt uns allerhand auf

DIE GRILLBIBEL Wie mein Mann doch noch religiös wird

WAS UM ALLES IN DER WELT IST AZK? Mein Mann entwickelt beunruhigende Gefühle

EINS, ZWEI, AUA! Wir nehmen den Anzündkamin in Betrieb

WO IST DENN HIER DER AUSGANG? Verloren im Grillpalast

RIB RIB HURRA Ein Grillmeister wird geboren

DIE SCHATTENSEITEN DER INDIREKTEN HITZE Männerabend im Reihenhaus

MANN MIT GRILL SUCHT FRAU MIT KOHLE Das seltsame Verhalten grillreifer Männer am Nachmittag

GRILLSEELSORGE Die Selbsthilfegruppe grillgeplagter Ehefrauen

EIFERSUCHT IM WANDEL DER ZEIT Mein Mann und seine neue Freundin, die Wetter-App

SOS AUS DEM GARTEN Die Tücken moderner Kommunikation

RAN AN DIE BOHNENBULETTEN! Frauen am Rost und andere seltsame Phänomene

HÄTTE, HÄTTE, BRATWURSTSCHNECKE Das Grillfest von Kirsten und Frank

LANGE GASLEITUNG Lassen Sie Männer am Grill besser nicht unbeaufsichtigt!

SCHATZ, IST DAS WIRKLICH SCHON DURCH? Merke: Ein Finger ist kein Fleischthermometer

GRILLSEELSORGE 2 Neues aus der Selbsthilfegruppe grillgeplagter Ehefrauen

IN MUHMUH WE TRUST! Unsere erste Grillmeisterschaft

SCHRECK IN DER NACHMITTAGSSTUNDE Mit Spritzenphobie ist nicht gut grillen

DES PUDELS KERNTEMPERATUR Praktischer Chemieunterricht mit Pulled Pork

BIS(S) AUF DIE KNOCHEN Von Filetsuchern und Knorpeljägern

RUBBEN, BRINEN & MOPPEN Kleine Einführung ins Grillchinesisch

MIT BACON WIRD ALLES GUT Ich, allein unter Grillheinis

DIE GRILLSCHÜRZEN-SPASSINDUSTRIE Humor ist, wenn es trotzdem kracht

HIMMELFAHRTSKOMMANDO Vatertagsfreuden für alle!

DER FRÜHE VOGEL FÄNGT DIE WURST Kampfzone öffentlicher Grillplatz

KILLING FOR A GRILLING Das Garagenwunder

GRILLSEELSORGE 3 Schon wieder Neues aus der Selbsthilfegruppe grillgeplagter Ehefrauen

GOURMETFLEISCH PER POST Für gute Freunde nur das Beste

MORDWAFFE À LA CASA Von ein bisschen Brot stirbt man nicht

MARCEL UND SEIN ATELIER Die Grillzangengeburt eines Stars

DIE PORK- UND BEEF-LISTEUnlautere Tricks einer erfahrenen Mutter

DÖRRFLEISCH Was würde ich mich aufregen, wenn es nicht so heiß wäre!

IM STREICHELZOO DES METZGERS Männer und ihre unersättliche Fleischgier

SENFPISTOLEN UND GRILLMACHETEN Das seltsame Waffenarsenal des Hobbygrillers

SCHWEINEDARM MIT CHARME Von Wurstgefühlen übermannt

SCHLACHTERDIPLOM Auf der Suche nach dem Metzger des Vertrauens

ABENDSTUND HAT FLEISCH IM MUND Zu Gast bei Stichflammen-Gerd und anderen Flachgrillern

IM BANN DER EXOTENNutria ist das neue Schwein

WANN WIRD ES WIEDER RICHTIG HERBST? Von Mücken und anderen Plagegeistern

FLEISCHPORNO Grillmeister unter sich

ABGRILLENDas Feuer erlischt

OH GELIEBTE RIPPCHEN! Alles hat ein Ende, nur die Grillsaison nicht

WO RAUCH IST, IST AUCH EIN MANN MIT GRILL Wenn die Leidenschaft lodert, ist BBQ-Time!

Wenn der Ehemann kaum noch zu Hause anzutreffen ist, er plötzlich ein jugendliches Leuchten in den Augen hat, ganz anders riecht als sonst und zudem noch ausgiebig von Schenkeln und Lenden schwärmt, werden Ehefrauen zwangsläufig misstrauisch. Und das aus gutem Grund. Es könnte nämlich eine ernsthafte Affäre dahinterstecken. Zum Beispiel mit einem Grill.

So war es jedenfalls bei uns.

Es ist wirklich erstaunlich. Bisher dachte ich, die Ereignisse, die das Leben einer Frau am meisten durcheinanderwirbeln, wären die Geburt eines Kindes oder der Wiedereinstieg in den Job. Vielleicht noch die gefürchtete 40. Dass jedoch auch die Anschaffung eines Kugelgrills zu den lebensverändernden Einschnitten gehört, davon hatte ich ja keine Ahnung! Nachdem der Grill bei uns eingezogen war, wurde mein Mann ein anderer als der, den ich geheiratet habe. Der einfache Würstchenbrutzler verwandelte sich in den Zwei-Zonen-Glut-Mann, Herrscher über die indirekte Hitze und Bezwinger des Fettbrands. Der, der einst das Nackenkotelett für eine kulinarische Sensation hielt, wagte sich auf einmal, ohne mit der Wimper zu zucken, an Hawaiianisches Huli-Huli-Hähnchen. Und meinte irgendwann ernsthaft, dass er eine Outdoorküche zum Leben braucht. Und ich frage mich wirklich, was in diesem Sommer mit ihm passiert ist. Denn im März fing die Grillsaison eigentlich an wie immer …

ENTFLAMMTE FRÜHLINGSGEFÜHLE Die Grillsaison geht los!

Der Frühling hält Einzug. Das kann ich nicht nur an den knospenden Forsythien erkennen, die ihre gelben Blüten langsam öffnen, sondern vor allem am Aktivitätsgrad meines Mannes. Er ist ein bisschen wie ein Braunbär – im Winter hält er sich am liebsten in seiner warmen Höhle auf und döst vor sich hin. Doch sobald die Temperaturen steigen und es wieder länger hell ist, wird er unruhig, und sein Interesse an der Außenwelt erwacht. Ich ertappe ihn dabei, wie er am Fenster steht und in den Himmel blickt. Oder auf die Terrasse geht und in den Garten starrt. Und ich weiß, es dauert nicht mehr lange. An einem Mittwoch im März ist es so weit.

»Am Wochenende wird die Grillsaison eröffnet«, verkündet mein Mann und reibt sich die Hände. »Ahhh. Das wird toll!«

Die Kinder sind natürlich sofort Feuer und Flamme und schreien: »Jaaa! Grillen!«

Und ich lächele und denke, na gut, dann geht das wieder los. Auf unsere Notiztafel in der Küche notiert mein Mann unter der Rubrik Einkaufen:

Ich schreibe noch dazu:

Salat.

Am Samstagmorgen ist mein Mann aufgeregt wie ein Junge vor seinem zehnten Geburtstag. Wir zerren den Grill aus der Garage. Die erste Ernüchterung folgt. Irgendwie ist nach dem letzten Barbecue im vergangenen Jahr keiner auf die Idee gekommen, ihn sauber zu machen. Mit »keiner« meine ich natürlich meinen Mann. Der wirft einen kurzen Blick auf das versiffte Gerät und gibt bekannt: »Wir kaufen einen neuen.«

»Was?«, rege ich mich auf. »Natürlich kaufen wir keinen neuen. Das ist doch reine Geldverschwendung! Der müsste nur mal poliert werden.«

»Ich fass das Ding nicht an«, stellt er fest.

Wir stehen einen Moment unschlüssig vor dem Grill. Der Boden ist ascheverkrustet, und an dem Rost kleben verkokelte Fetzen Tierreste. Gammeldörrfleisch.

»Hast du nicht immer gesagt, das Tolle am Grillen ist, dass sich der Rost von alleine durch Abbrennen reinigt?«, frage ich.

»Stimmt«, fällt es ihm wieder ein. »Wir müssen ihn nur heiß genug machen.« Schon zieht er den Grill ans Ende des Gartens und schüttet reichlich Grillkohle und noch reichlicher Grillanzünder drauf. Kurz darauf meint man, bei uns im Garten stünde der Vesuv unmittelbar vor dem Ausbruch.

»Was macht ihr denn da?« Unser Nachbar zur Rechten, Herr Lubitz, steckt missmutig den Kopf durch den Kirschlorbeer. »Sendet ihr Rauchzeichen nach Alaska?«

»Wir reinigen den Grill«, informiert mein Mann sachlich und stochert mit einem Stock in dem Schwelbrand, so dass die Funken fliegen.

»Und ich dachte schon, ihr wollt das Wohnviertel ausräuchern«, brummt der Nachbar.

»Das geht gleich vorbei, Herr Lubitz«, sage ich eifrig. »Und dann werden die ersten Würstchen des Jahres gegrillt.« Ich gebe mir einen Ruck und frage: »Vielleicht wollen Sie ja auch eines?«

Die typische Nachbarschaftsbeschwichtigungstaktik: Regt sich einer über Lärm oder Grillgestank auf, lädt man ihn ein, um ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen, in der sicheren Annahme, dass niemand so dreist ist, in eine fremde Runde reinzuplatzen. Wo doch jedem sonnenklar ist, dass man ihn schon längst eingeladen hätte, wenn man ihn denn wirklich dabeihaben wollte.

Mein Mann wirft mir sogleich einen strafenden Blick zu. Er hat seine persönliche Meinung zu Herrn Lubitz, dem stolzen Besitzer eines Laubsaugers, eines Häckslers, eines infernalisch lauten benzinbetriebenen Rasenmähers und diverser Heckenscheren, die er alle bevorzugt am Samstagmorgen um acht Uhr in Betrieb nimmt. Mein Mann ist nämlich sehr sensibel. Zumindest, wenn es um das Ausschlafen am Wochenende geht.

Als Antwort auf meine halbherzige Einladung kneift Herr Lubitz die Augen zusammen und beäugt misstrauisch, wie mein Mann den Rost auflegt.

»Die Flammen brennen jetzt alles weg«, prophezeit der und wirft noch eine Handvoll Grillanzünderklumpen dazu. Durch den Qualm riecht es chemisch.

»Also, Leute«, sagt Herr Lubitz. »Ich will mich ja nicht einmischen …« – jetzt bin ich es, die die Augen verdreht. Heimlich, natürlich. Herr Lubitz will sich nämlich nie einmischen, wenn er einem ungefragt Ratschläge zum korrekten Platzieren der Mülltonnen und der gesetzeskonformen Beseitigung des Herbstlaubs vom Bürgersteig erteilt – »… aber das ist eine Zumutung.« Sein Kopf verschwindet hinter dem Kirschlorbeer.

»Was macht er denn jetzt?«, frage ich ängstlich. »Meinst du, er holt die Polizei?«

»Ach was«, sagt mein Mann. »Der holt jetzt seine Frau und seine Enkel, und dann kommen die rüber und fressen uns die Würstchen weg. Das macht er.« Mein Mann hat auch eine persönliche Meinung zu meinem Hang zu voreiligen Einladungen und übereifrigen Entschuldigungen.

»Blödsinn«, sage ich und versuche, es überzeugend klingen zu lassen. »Jeder weiß, dass so eine Einladung nur eine leere Geste ist.« Mein Mann fixiert den rauchenden Glutberg. »Oder?«, setze ich nach. »Das weiß doch wirklich jeder.«

»Kommt auf den Grad des Taktgefühls an«, antwortet mein Mann mysteriös. »Und das ist ja nun lange nicht bei jedem vorhanden.«

Mist. Ich sehe schon vor mir, wie der mürrische Herr Lubitz samt seiner Gattin, einer selbstherrlichen Rosenaufzuchtsmissionarin, unsere Bratwurstschnecken vertilgt und nebenbei einen Unkrautstatus unseres Gartens erstellt.

»Wann sind die Würstchen endlich fertig?«, fragt Sohnemann.

»Das dauert noch«, sage ich nervös.

»Darf ich auch mal?«, fragt Töchterchen, die sich schon mit einem Stock bewaffnet hat, um in der Schale rumzustochern.

Mein Mann lässt sie ran, und gemeinsam verwüsten sie das bisschen gleichmäßige Glut, das sich gerade gebildet hat. Eine weitere Qualmwolke steigt auf. Ich überlege fieberhaft, ob ich nicht aus Versehen einen Eimer Sand auf den Grill schütten soll, damit das Elend ein Ende hat. Da erschreckt mich die Stimme von Herrn Lubitz. Dankenswerterweise befindet er sich noch auf der richtigen Seite des Zauns – auf seiner.

»Hier«, sagt er und reicht eine Drahtbürste durch den Maschendraht. »Versuchen Sie es mal damit.« Ich nehme die Bürste und leite sie an meinen Mann weiter. »Damit können Sie den Rost schrubben«, empfiehlt Herr Lubitz. »Vielleicht geht es dann schneller vorbei.« Er deutet auf den stinkenden Qualm.

»Danke«, sage ich verblüfft. Er nickt und zieht sich in seinen Garten zurück. »Das war ja nett«, sage ich zu meinem Mann. »Oder, war das nicht nett?« Die Erleichterung darüber, dass Herr Lubitz nicht ausgehungert auf der Matte steht, lässt mich befreit auflachen. Mein Mann nickt knapp und fängt an, mit der Bürste über den Rost zu schrubben. Leider ist das verdammte Gammeldörrfleisch aber nicht nur extrem fest angebacken, sondern auch total schmierig. Die Drahtbürste, die eben noch silbern blitzte, ist schon nach wenigen Sekunden schwarz verklebt.

»Mist«, keucht mein Mann. »Ich glaube, der Grill ist noch nicht heiß genug.« Er will schon wieder nach der Kohle greifen, da stöhne ich resigniert: »Lass mal.« Mit unserer ollen Grillzange, an der noch diverse Spuren vergangener Grillfeste haften, klaube ich den Rost vom Grill und lasse ihn zum Abkühlen auf den Rasen fallen. Dann nehme ich meinem Mann die Bürste ab und gehe mit grimmiger Entschlossenheit samt dem ganzen besudelten Plunder in die Küche. Wenn alles nichts hilft, muss Stahlwolle ran.

Nachdem ich erst den Grillrost, dann die Drahtbürste und anschließend die Spüle sowie meine Hände von den pech- und schwefelartigen Barbecue-Überresten befreit und eine Ladung Handtücher und Wischlappen in die Waschmaschine gestopft habe, gehe ich mit dem einsatzbereiten Rost wieder in den Garten. »Tatatataaa«, mache ich verheißungsvoll. Und gerate für einen Moment ins Taumeln. Meine Familie sitzt friedlich vor dem leise rauchenden Grill. In der Hand halten sie Stöcke, auf die sie die Würstchen gesteckt haben.

»Guck mal, Mama«, kräht Töchterchen fröhlich. »Wir machen Würstchen am Spieß!«

»Das hat so lange gedauert mit dem Putzen«, sagt mein Mann. »Da sind wir auf die Idee mit den Stöcken gekommen. Genial, oder?«

Diesmal enthalte ich mich einer Antwort, weil mir auf die Schnelle so gar nichts Diplomatisches einfallen will, wie zum Beispiel: Warum um alles in der Welt seid ihr nicht FRÜHER darauf gekommen? Und warum zum Geier hat mir niemand Bescheid gesagt?

»Kannst du Teig für Stockbrot machen?«, fragt Sohnemann.

»Lass die Mama sich erst mal ausruhen«, sagt mein Mann generös. »Haben wir eigentlich noch Ketchup?«

»Natürlich haben wir noch Ketchup«, sage ich und widerstehe dem Impuls, in die Küche zu laufen und welches zu holen. Ist zum Glück auch nicht nötig, denn mein Mann verkündet: »Halt mal meinen Stock, ich mach das.«

»Kannst du auch meinen halten?«, fragt Töchterchen. »Ich will klettern.« Schwupps, habe ich zwei Stöcke in der Hand. Aus den Würstchen tropft Fett in die Glut. Flammen züngeln auf. Der Rauch weht genau zu mir. Natürlich weht er genau zu mir.

»Ich muss mal«, sagt Sohnemann und drückt mir Stock Nummer drei in die Hand. Ich fühle mich jetzt schon verkohlt.

Doch dann kommt mein Mann mit einem kühlen Bier und den vom Frühstück übrig gebliebenen Brötchen zurück, die die Kinder klaglos als Stockbrotersatz nehmen, Herr Lubitz lässt sich nicht mehr blicken, dafür scheint die Sonne richtig warm, die Vöglein zwitschern, und unser erster Grillnachmittag wird doch noch ein voller Erfolg. Abgesehen von ein paar verbrannten Fingern, weil die alte Grillzange auseinanderfällt und wir die heißen Würstchen mit der Hand vom Stock zerren müssen.

»Es hilft alles nichts«, sagt mein Mann, als wir zufrieden in die verbliebenen roten Kohlen schauen. »Wir müssen unsere Ausrüstung aufstocken.«

Ich gebe ihm recht. Und denke, er will einfach nur eine neue Grillzange kaufen. Wie naiv von mir!

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METEOROLOGISCH INDUZIERTER GRILLZWANG Barbecue und andere männliche Wetterphänomene

Der nächste Tag ist ein Sonntag, der seinem Namen alle Ehre macht: Der Himmel ist strahlend blau, die Sonne scheint. Alles könnte so entspannt sein. Ich könnte im Liegestuhl liegen und in meiner Lust-auf-Landleben-Zeitschrift blättern und mir vorstellen, wie schön unser Garten aussehen würde, wenn ich denn etwas von Botanik verstünde, das über Geranien hinausgeht, und wenn die Kinder (und mein Mann natürlich) mit dem Fußball nicht sowieso alles verstümmeln würden, was es wagt, sein grünes Köpfchen aus der Erde zu stecken. Ich könnte mir überlegen, wie ich aus meiner fußballfreien Terrasse einen Wellnessplatz zaubere, wofür ich nur Euro-Paletten, einen Eimer Farbe und Unmengen mediterraner Kräuter brauche. Und auch ansonsten könnte ich allerhand machen, was mich beruhigt. Aber leider ist das Wetter an diesem Sonntag für Entspannung viel zu schön.

Denn mein Mann will schon wieder grillen!

Atemlos steht er vor mir, flankiert von den Kindern, und fragt mit seinem unternehmungslustigen Grinsen, was wir denn noch an Grillgut dahaben.

»Hm«, mache ich, überschlage in Gedanken den Inhalt unseres Kühlschranks samt Eisfach und komme zu folgendem Ergebnis: »Paprika.«

»Ha. Ha«, sagt mein Mann. »Nee, jetzt mal im Ernst.«

»Im Ernst haben wir gestern alle Würstchen aufgegessen. Und in der Kühltruhe ist auch kein Fleisch mehr.«

Jetzt starren mich alle drei entsetzt an. »Wir haben gar nichts mehr zum Grillen?«, flüstert mein Mann.

»Eventuell sind da noch zwei Maiskolben«, fällt mir ein.

Kommentarlos wendet sich mein Mann ab und eilt ins Haus. Ich ahne, was er vorhat, erhebe mich seufzend von meinem Liegestuhl und folge ihm in den Keller. Da steht er schon wie ein Waschbär, der eine volle Mülltonne entdeckt hat, und wühlt sich durch unseren Gefrierschrank.

»Da muss doch irgendwas sein«, murmelt er und zerrt hektisch Packungen von Rahmwirsing und Blattspinat heraus. Es knirscht. Wenn die Tür noch lange aufsteht, vereist der Gefrierschrank noch mehr, und alles darin kriegt diesen scheußlichen Frostbrand. Aber das interessiert meinen Mann natürlich nicht die Bohne. Er knallt die oberste Schublade zu und zieht die nächste auf.

»Wer isst denn all das Grünzeug?«, motzt er, mittlerweile schon ziemlich ungehalten. In der Hand hält er die Familiengemüse-Mischung, bei der ich mich von dem wohlklingenden Namen habe verführen lassen in der festen Überzeugung, dass meine Kinder dann mit Begeisterung über Vitaminhaltiges herfallen. Dabei hätte ich es wissen müssen: Kohlrabi und Möhren bleiben Kohlrabi und Möhren, auch wenn sie hübsch zurechtgeschnitzt sind.

»Gemüse ist gesund«, antworte ich, weil man diesem Satz nicht widersprechen kann, und nehme ihm die bunte Packung aus der Hand. Vielleicht kann ich vergessen, sie gleich wieder zurückzulegen, dann taut sie auf und wird matschig, und ich kann das Zeug endlich entsorgen. »Wir könnten was Süßes essen«, biete ich an, als ich in der untersten Schublade die Blaubeer-Kuppeltorte erspähe.

»Ich will keine Torte, ich will Fleisch!«, ruft mein Mann, und mit Irritation bemerke ich, dass der eben noch vertraut gereizte Tonfall einen ungewohnt hysterischen Zug bekommen hat. Du liebe Güte! Er ist richtig nervös. Wie ein Raucher, der keine Kippen mehr im Haus hat. Oh mein Gott. Hat der lange Winter meinem Mann etwa so zugesetzt, dass er jetzt bei schönem Wetter so eine Art Grillsucht entwickelt?

»Dann grillen wir nächstes Wochenende, und ich koche heute Penne Arrabiata«, schlage ich vor und beobachte, wie er die Nachricht aufnimmt. Normalerweise reicht die Aussicht auf Penne Arrabiata nämlich aus, um ihn sofort zu besänftigen. Aber diesmal wirkt mein Zaubertrick nicht. Ich weiß gar nicht, ob er mir überhaupt zugehört hat, jedenfalls schaut er geistesabwesend in die Ferne. Seine Kiefermuskulatur mahlt.

»Hallo?«, frage ich besorgt. Plötzlich kommt wieder Leben in ihn. Er wendet sich mir zu, einen Ausdruck der Erleichterung im Gesicht.

»Keine Sorge«, sagt er. »Ich weiß, wo ich Fleisch herkriege.« Er schnappt sich den Autoschlüssel, und ich kann gerade noch ausstoßen: »Denk an den Halloumi!«, bevor er zur Tür raus ist. Ich schaue ihm verwirrt hinterher und verdränge den Gedanken an einen Fleischdealer, der mit seinem geheimen Steakdepot an einer düsteren Straßenecke steht und auf Männer auf Protein-Entzug wartet. Bestimmt fährt mein Mann zu seinen Eltern. Ja, sicher. Das wird er tun. Die haben die Kühltruhe traditionell bis zum Rand voll, falls sie spontan zur Fressorgie einladen möchten. Wobei dann natürlich die Gefahr besteht, dass sie ihn dazu zwingen, uns nachzuholen, damit wir es uns zusammen »so richtig gemütlich« machen können, was dann immer darin endet, dass auch noch die ebenso feierfreudigen Nachbarn rüber- und wir nicht mehr wegkommen und mein Mann nachher Obstler trinkt, den die ferne Verwandtschaft in Oberfranken in rauen Mengen herstellt. Unsere Kinder werden derweil von meiner Schwiegermutter mit Cola aufgeputscht, so dass sie nicht einschlafen können und am Montagmorgen alle in den Seilen hängen. Von diesen Aussichten beunruhigt mache ich mit den Kindern Stockbrotteig, was bei uns ein normaler Pizzateig ist. Es wird geknetet, dass das Mehl nur so staubt. Fegen und wischen muss ich also auch noch. Eine Stunde später, als die Küche gerade ordentlich aufgeräumt ist, kommt mein Mann wieder. Ich lausche auf die Lautstärke des Autotürschlagens, um zu erahnen, in welcher Stimmung er ist. Aber es ist kein energisches Packt-eure-Sachen-wir-fahren-zu-Oma-und-Opa-Knallen, sondern eher ein sanftes Klicken. Als er die Haustür aufschließt, bin ich dennoch angespannt. »Und?«, rufe ich in die Diele. »Müssen wir zu deinen Eltern?«

»Was? Nein. Wieso sollten wir?« Er kommt in die Küche. »Tatatadaaa!« Er legt einen Berg von Plastikschalen mit mariniertem Fleisch auf der Arbeitsplatte ab und guckt stolz wie ein Jagdhund, der eine zerfledderte Ratte apportiert hat.

Ich muss schlucken. Aber nicht, weil mir das Wasser im Mund zusammenläuft. »Wo hast du das denn her?«, frage ich und versuche vergeblich, das verschmierte Haltbarkeitsdatum zu entziffern.

»Von der Tanke am Verteilerkreis«, freut er sich. »Waren die letzten. Ist ja klar. Jeder will grillen bei so einem Wetter.« Er bemerkt meine bestürzte Miene und schiebt schnell hinterher: »Halloumi hatten sie nicht. Dafür habe ich Pute mitgebracht! Das ist doch auch gut.«

»Äh …«, mache ich und überlege, ob es sich lohnt, eine Grundsatzdiskussion über den Unterschied von Fleisch und Käse anzuzetteln.

Aber da ruft mein Mann auch schon: »Wer will mit mir den Grill anmachen?« Er und die Kinder stieben nach draußen. Ich betrachte das vom Grünlichen ins Bräunliche changierende Putenfleisch und die chemisch-orangefarbenen Schweinenackensteaks und überlege, ob ein Nachmittag bei meinen Schwiegereltern wirklich das größere Übel gewesen wäre. Na ja. Also bleibt mir nur, auf die alles verzehrende Kraft der Flammen zu hoffen, die sämtlichen Bakterien den Garaus macht, so dass dieser Grillnachmittag nicht in Gastritis für alle endet. Und dann schwenke ich aus Rache das Familiengemüse in Butter und denke, wenn alle Stricke reißen, haben wir immer noch eine Blaubeer-Kuppeltorte.

DIE MÄNNER VOM FERNSEHEN SIND AN ALLEM SCHULD Wie mein Mann den Grillsport entdeckt

Ich weiß wirklich nicht, was sich die Leute von DMAX dabei denken, ein Fernsehprogramm anzubieten, das Männer zurück in kindisch-störrischen Nein-ich-bin-nicht-müde-Trotz versetzt und verhindert, dass sie zu einer vernünftigen Zeit schlafen gehen. Mein Mann geht jedenfalls regelmäßig viel zu spät ins Bett, weil er unbedingt so Sendungen wie »Allein durch die Wildnis«, »Zu zweit durch die Wildnis« und »Nackt durch die Wildnis« sehen muss. Aber bei Regen nicht spazieren gehen wollen, weil die Schuhe dreckig werden könnten. Aber nun gut, das ist hier nicht das Thema. Das Thema ist, dass er mir ein paar Tage nach unserer Grillsaison-Eröffnung morgens mit untypisch strahlenden Augen eröffnet, dass er endlich weiß, was uns zu unserem Glück fehlt. »Ein Whirlpool?«, frage ich aufgeregt.

»Nein, natürlich nicht«, winkt er ab. »Ein Smoker!«

»Ein … was?«

Und dann stellt sich heraus, dass er auf DMAX die Sendung BBQ-Battle – Die Grillmeister gesehen hat und jetzt weiß, dass kein Mensch mehr auf direkter Hitze grillt, weil das einfach gar nicht gut ist.

»Warum?«, frage ich naiv und nippe an meinem Kaffee.

»Damit kann man einfach nicht so viel machen«, antwortet er ungeduldig.

»Was will man denn auf einem Grill auch machen? Da legt man Fleisch drauf und fertig.«

»Eben nicht!«, ruft er und springt auf. »Ha! Ganz falsch! Diese Grillmeister, also was die alles grillen, das ist sensationell! Solche Rinderhüften!« Er hält die Hände schulterbreit auseinander. »Schweinenacken, solche Riesenoschis!« Er fuchtelt weiter aufgeregt mit den Händen rum. »Und die werden pechschwarz außen und bleiben innen blutig roh, wenn man sie nur auf direkte Hitze legt. Deswegen grillt man sie im heißen Rauch. Und dafür brauchen wir einen Smoker!« Er guckt mich zufrieden an.

»Aber was sollen wir denn mit einem ganzen Schweinenacken?«, frage ich verwirrt.

»Das war doch nur ein Beispiel.«

»Ich esse meine zwei Würstchen, die Kinder essen jeweils höchstens zwei Würstchen, und du isst dein Kotelett oder was, und dann ist gut«, sage ich. »Dafür müssen wir uns doch wohl keinen Räucherofen anschaffen.«

»Phhh«, macht er verächtlich. »Ein Smoker ist viel mehr als ein Räucherofen.«

Ich bin froh, dass die Kinder zur Schule müssen und das irrsinnige Thema fürs Erste beendet ist. Allerdings greift mein Mann es direkt wieder auf, als er nach der Arbeit nach Hause kommt. Er hat nämlich mit seinem Kollegen Marcel gesprochen, und der kennt sich, wie sich herausgestellt hat, ziemlich gut mit Grillen aus.

»Einen Smoker brauchen wir nicht«, verkündet mein Mann, und ich bin erleichtert. »Jedenfalls nicht am Anfang«, fügt er hinzu, und dieser Nachsatz lässt mich aufhorchen, doch dann redet mein Mann schon weiter: »Marcel hat gesagt, ein Kugelgrill ist das Beste für einen Anfänger. Weil der einen Deckel hat, kann man damit auch alles machen. Sogar smoken!«

Auf einmal habe ich ein Bild vor Augen, wie mein Mann unseren jetzigen Grill einst nach Hause brachte. »Hatten wir nicht auch mal einen Deckel zu unserem Grill?«, fällt mir ein.

»Keine Ahnung«, behauptet er und zuckt die Achseln.

»Doch, jetzt weiß ich es wieder«, rufe ich. »Du hast damals gesagt, der Deckel wäre praktisch, um den Grill draußen im Regen stehen zu lassen.«

Er setzt seine Unschuldsmiene auf. »Kann ich mich nicht dran erinnern.«

»Der Deckel ist irgendwo in der Garage«, lasse ich nicht locker, spare mir aber die Bemerkung: »Und wenn du sie aufgeräumt hättest, wie du es seit Monaten versprichst, dann wüsstest du das auch.«

»Ach, selbst wenn«, winkt er ab, »dann ist der sowieso schon hinüber.« Und setzt bestimmt hinzu: »Wir brauchen einfach einen neuen Grill.«

»Na gut«, seufze ich und muss insgeheim lächeln, weil es ihm offensichtlich wirklich wichtig ist. »Dann kauf halt einen neuen. Beim Aldi oder beim Lidl haben sie nächste Woche, glaube ich, welche im Angebot.«

»Ich muss mal gucken«, antwortet er mysteriös, wobei ich schon ahne, was das zu bedeuten hat: Nämlich, dass er erst einmal Testberichte liest. Allerdings frage ich mich, was es an einem Grill zu testen gibt. Bei einem Fernseher oder Computer – klar, das leuchtet mir ein, dass man da hundert Dinge beachten muss, von denen ich die meisten nicht verstehe. Weswegen ich auch den kaufen würde, der die hübscheste Verpackung hat, wenn es denn in mein Aufgabengebiet fiele. Tut es aber zum Glück nicht, weswegen wir computer- und fernsehtechnisch bestens ausgerüstet sind. Mein Mann macht sich nämlich eine Kaufentscheidung nicht leicht und wägt wochenlang Vor- und Nachteile ab, von denen ich die meisten – wie gesagt – nicht kapiere. Was den Grill angeht, wird das anders sein, denke ich. Du meine Güte, was muss ein Grill schon können? Doch so einfach ist das offensichtlich nicht. Anstatt in den Baumarkt oder Discounter zu fahren und spontan zu entscheiden, wird mein Mann erst einmal Mitglied im Grillsportverein.

»Grillsport?«, frage ich verblüfft. »Seit wann ist Grillen ein Sport?«

»Als Sport gilt alles, worin man sich in einem Wettbewerb misst, selbst wenn es noch so lächerlich scheint«, erklärt er wichtig und bekommt dann dieses süffisante Schmunzeln, das ihm so gut steht. »Wie man ja auch am Frauenfußball sieht.«

»Ha. Ha«, mache ich.

»Stell dir vor«, nun kehrt er wieder zum Thema zurück, »alleine zum Thema Kaufberatung gibt es im Grillsportverein-Forum fast hundertvierzigtausend Beiträge.«

»Hahaha!« Diesmal lache ich wirklich, denn ich halte das für einen Witz. Aber es ist kein Witz. Und schon gar nicht mehr lachen muss ich, als ich höre, wie viel manche für einen Grill hinblättern. »Tausend Euro?« Ich muss mich bemühen, nicht zu kreischen.

»Und mehr!«

»Was?« Jetzt kreische ich doch.

»Keine Sorge«, beruhigt mich mein Mann. »Wir fangen mit einem Basisgerät an.« Auch diese Formulierung macht mich stutzig, aber dann kommt Töchterchen atemlos vom Spielen rein und hat glatt vergessen, ihre dreckigen Schuhe auszuziehen, und dann muss ich schimpfen und denke nicht mehr an die unheilvollen Formulierungen meines Mannes.

Die nächste Woche warte ich jeden Tag darauf, dass mein Mann mit einem Grill nach Hause kommt oder auf einmal der Postbote ein unhandliches Trumm von Paket bringt. Doch stattdessen sagt mein Mann: »Marcel hat uns für Samstag eingeladen. Er will mir seinen Grillfuhrpark zeigen. Quasi eine Kaufberatung mit Catering.« Er lacht vor Vorfreude.

»Ich dachte, du magst diesen Marcel nicht, weil er so ein, Zitat, ›rücksichtsloser Karriereheini mit unerträglichem Aftershave‹ ist«, sage ich. Seit Marcel vor einem halben Jahr in der Firma meines Mannes angefangen hat, verging kaum ein Tag ohne Lästerei über den neuen Projektleiter.

»Ach Blödsinn«, sagt mein Mann. »Das war nur am Anfang. Seit dem Betriebsbowling verstehen wir uns viel besser.«

Na gut, denke ich. Besuchen wir also Marcel und seinen Grillfuhrpark.

KAUFBERATUNG MIT FRUCHTSPIESSCHEN Marcel tischt uns allerhand auf

Bisher kannte ich folgende Arten von Grills: Einweg-Aluschale, Dreibeingrill und die gigantischen Schwenkgrills, die bei folkloristischen Festivitäten aller Art eingesetzt werden, um dem Massenansturm auf die Würstchen standzuhalten. Ich bin also gespannt, was Marcels Grillfuhrpark zu bedeuten hat. Nachdem ich schon gelernt habe, dass Grillen neuerdings zu den Sportarten zählt, kann das ja was werden.

Marcel und seine Frau Britta wohnen in einem klotzartigen Architekturwunder in Köln-Weiss. Passend zu dem panzerartigen BMW mit Metallic-Lackierung in der Einfahrt ist Marcel ein Angeber in Wildlederslippern. Er trägt den Kragen seines Poloshirts hochgestellt und die Haare zurückgegelt und sieht alles in allem nicht so aus, als ob er sich gerne die Hände schmutzig macht. Und tatsächlich zieht er mit der Routine eines Chefchirurgen schwarze Einweghandschuhe an, die er um die schmalen Handgelenke flitschen lässt, ehe er sich dem Fleisch widmet.

Zunächst aber führt Marcel uns durch ein hallengroßes Wohnzimmer mit weißer Sofalandschaft, und ich bin froh, dass wir die Kinder zu Oma und Opa gebracht haben. Nicht auszudenken, was sie hier alles hätten anrichten können. Die Terrasse mit ihren Bambuskübeln aus gebürstetem Edelstahl und dem geometrischen Wasserlauf sieht aus wie einem Hochglanzmagazin über Outdoor-Angeberei entsprungen. Ich ertappe mich dabei, wie ich im ehrfürchtigen Museumsschritt den kurzen Weg zu dem Glastisch zurücklege, wo die anderen Gäste stehen: Ein gedrungener Typ mit Halbglatze und eine kultiviert lächelnde Frau mit rotem Pulli und Perlenkettchen, bei der es mich nicht wundern würde, wenn sie immer ein Opernglas dabeihätte, für kulturelle Notfälle aller Art.

»Das sind Albert und Simone, Bekannte vom Tennisclub, die auch Nachhilfe in Sachen Grillen brauchen.« Marcel lacht selbstgefällig. »Dieser Gangster hier arbeitet für mich«, johlt er und knufft meinen Mann auf den Oberarm.

Mein Mann knufft zurück und sagt grinsend: »Ich würde eher sagen, es ist umgekehrt!«

Marcel hält sich den Oberarm und bricht in schallendes Lachen aus. »Der X-Man!«, prustet er, und ich weiß, es gibt für mich nur zwei Möglichkeiten, um diesen Nachmittag ohne soziales Trauma zu überstehen: nach Hause fahren. Oder mich dem Alkohol hingeben. Die Frau des Gastgebers kommt zu uns raus, sie trägt einen zerzausten Pferdeschwanz, Blumenkleid und pinke Crocs, und ich bin unglaublich erleichtert, dass sie damit ganz beiläufig die Perfektionspropaganda ihres Mannes unterläuft. Zwei Sekunden später drückt sie mir auch noch einen Caipirinha in die Hand. Sie ist mir sofort sympathisch.

»So, dann wollen wir mal«, dröhnt Marcel und führt uns an den Rand der Terrasse, wo diverse Grills aufgebaut sind. Wir nähern uns dem ersten Modell, einem metallenen Kugelgrill. »Das ist der Weber Master Touch GBS, Holzkohlegrill, kostet so, wie er da steht, dreihundertfünfzig«, rattert Marcel los, holt kaum Luft und zeigt schon auf das chromblitzende kommodengroße Teil daneben. »Das hier ist der Tepro Gasgrill Wellington, mit allem Zubehör knapp vierhundert Tacken, und der Monolith Classic, tausend.« Das ist eine Keramikkugel, die aussieht wie eine von Jules Verne ausgedachte Weltraumsonde. Mein Mann und Albert sind gleichermaßen beeindruckt. Sie rufen »Nein!«, »Wie krass!« und »Hammerteil!« und betrachten neugierig die Ausstattung der Grills. »Jetzt erst mal zu der Grundsatzfrage«, sagt Marcel gewichtig und mustert seine beiden Schützlinge prüfend. »Holzkohle oder Gas?«

Simone, die bisher apathisch neben mir gestanden hat, hebt auf einmal den Kopf. »Gas?«, fragt sie alarmiert und schiebt hinterher: »Darf man in Deutschland überhaupt mit Gas grillen? Ist das nicht irgendwie … politisch unkorrekt?«

Wir starren sie alle überrascht an. Albert stöhnt, als hätte er sich an Hammelbraten überfressen, und fährt sie an: »Mein Gott, verschon uns doch einmal, auch nur ein einziges Mal mit deiner penetranten Moralbürokratie!«