Warum habe ich mich das nicht früher gefragt? - Hanna Dietz - E-Book

Warum habe ich mich das nicht früher gefragt? E-Book

Hanna Dietz

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Beschreibung

Ständig stellen wir uns die falschen Fragen: Womit hab ich das nur verdient? Warum war ich so dumm? Was denken die anderen jetzt von mir? Doch Selbstzweifel bringen uns nicht weiter. Die richtigen Fragen jedoch können uns zum Kern des Problems und auf den Weg zur Selbsterkenntnis führen. Bin ich so nett zu mir wie zu anderen? Weiß ich das tatsächlich oder denke ich das nur? Wo sind meine Grenzen? Was hält mich davon ab, meine Ziele zu verfolgen? Ist etwas nur gut, wenn ich dafür gelobt werde? Was passiert, wenn ich Nein sage? Mit viel Charme und Humor führt uns Bestsellerautorin Hanna Dietz durch 44 Fragen mitten aus dem Leben, die helfen, Denkfallen zu durchschauen und persönliche Stressfaktoren zu identifizieren. Ihre inspirierenden Gedanken eröffnen neue Wege zu mehr Gelassenheit und Zufriedenheit.

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Seitenzahl: 168

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HANNA DIETZ

WARUM HABE ICH MICH DAS NICHT FRÜHER GEFRAGT?

HANNA DIETZ

WARUM HABE ICH MICH DAS NICHT FRÜHER GEFRAGT?

Inklusive der Fragen, die du dir niemals stellen solltest!

44 ehrliche Fragen, die dein Leben verbessern

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis:

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2024

© 2024 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Anja Hilgarth

Umschlaggestaltung: Maria Verdorfer

Umschlagabbildung: shutterstock.com/Guz Anna

Satz: Satzwerk Huber, Germering

eBook by tool-e-byte

ISBN Print 978-3-7474-0429-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-819-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-820-2

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

INHALT

Einleitung

Wer, wie, was bin ich eigentlich und wieso, weshalb, warum?

1. Wie geht es mir?

2. Bin ich so nett zu mir wie zu anderen?

3. Was will ich?

4. Was ist meine Motivation?

5. Was hält mich davon ab?

6. Wie wahrscheinlich ist es, dass mein Handeln schlimme Folgen hat?

7. Ist es mir das wert?

8. Was ist eigentlich die Wahrheit?

9. Was sagt meine innere Stimme?

10. Wo sind meine Grenzen?

11. Möchte ich, dass das noch mal passiert?

12. Wer kann meine Grenzen bewachen?

13. Was fühle ich?

14. Wer ist für meine Gefühle verantwortlich?

15. Bin ich für die Gefühle von anderen verantwortlich?

16. Was kann ich tun, damit es mir besser geht?

17. Bin ich wirklich so?

18. Bin ich bereit dazu?

19. Weiß ich das tatsächlich oder denke ich das nur?

20. Weiß ich das tatsächlich oder glaube ich das nur?

21. Soll ich mich echt darüber aufregen?

22. Will ich jetzt wirklich darüber sprechen?

23. Will ich das jetzt hören?

24. Will ich das wirklich ausdiskutieren?

25. Will ich weiter darüber nachdenken?

26. Wie schaffe ich es, Kritik zu äußern, ohne andere vor den Kopf zu stoßen?

27. Wie können wir das lösen?

28. Wie schaffe ich es, mit Kritik entspannt umzugehen?

29. Wie gehe ich mit Menschen um, die keine Kritik annehmen können?

30. Was passiert, wenn ich nachgebe?

31. Liegt das in meiner Macht?

32. Muss ich mich dafür rechtfertigen?

33. Ist etwas nur gut, wenn ich dafür gelobt werde?

34. Was erwarte ich eigentlich?

35. Wie gehe ich mit den Erwartungen anderer um?

36. Was ist der nächste Schritt?

37. Könnte ich Unterstützung gebrauchen?

38. Was passiert, wenn ich Nein sage?

39. Habe ich Lust dazu?

40. Kann ich das auch allein?

41. Geht die Welt davon unter?

42. Was ist das Positive daran?

43. Was ist jetzt wichtiger?

44. Muss erst alles perfekt sein?

Anmerkungen

Über die Autorin

EINLEITUNG

Auf die Idee, mit den richtigen Fragen mein Leben zu verbessern, kam ich an einem Mittwoch. An einem desaströsen Mittwoch.

Morgens hatte ich meiner Tochter den falschen Käse aufs Pausenbrot gelegt, was sie mit ihrem Mama-rafft-mal-wieder-gar-nichts-Blick quittierte. Dann musste ich mich über meine Schwägerin ärgern, die textete, dass sie bei dem Gemeinschaftsgeschenk für die Schwiegereltern doch nicht mitmachen würden. Dabei hatte ich den Gutschein für das Sternerestaurant schon gekauft. Und mein Rad hätte ich auch aufpumpen müssen, merkte ich auf dem Weg in die Redaktion.

Ich brauchte erst mal einen Kaffee. Weil bisher noch keiner die Maschine angeschmissen hatte, setzte ich eine Kanne auf. Meine Kollegin Jasmin kam in die Küche, als er gerade durchgelaufen war, und ließ sich von mir einschenken. »Bisschen dünn geworden«, sagte sie nach dem ersten Schluck und nahm einen Anruf auf dem Handy entgegen, bevor ich etwas erwidern konnte. In der Konferenz ging es um die Beiträge, die unser Sender für den Journalistenpreis der Stadt einreichen sollte. Mein Kollege Dirk posaunte sofort herum, wie großartig seine Investigativreportage über den Korruptionsskandal bei den Stadtwerken sei. So wie er sich lobte, hätte man meinen können, er hätte den Nobelpreis für Journalismus schon in der Tasche. Aber ich rechnete mir auch gute Chancen aus mit meinem Film über die Freiwilligenagentur, die Leute ins Ehrenamt vermittelt. Ich stellte darin einen Syrer, eine Afghanin und einen querschnittgelähmten Deutschen vor, die zusammen eine Hausaufgabenbetreuung aufgebaut hatten. Bildungspolitik, Brennpunktproblematik, Integrationserfolge – und am Ende so rührend bei der Zeugnisübergabe. Harte Fakten und große Emotionen in einem Beitrag. Noch nie war ich so überzeugt, einen Journalistenpreis verdient zu haben. Anja sollte mich auf der Konferenz für den Preis vorschlagen – das schien mir eleganter, als es selbst zu tun. Leider war Anja noch nicht da. Volontär Youssef stellte noch ein paar Fragen an Dirk, meine Chefin blätterte in den Unterlagen, ich schielte zur Tür. Anja kam nicht. »Okay, kein Problem«, dachte ich, »stelle ich meinen Beitrag eben selbst vor.« Ich meldete mich zu Wort und fing an, von meinen Protagonisten zu sprechen.

Dirk unterbrach mich nach wenigen Sätzen: »Das ist aber nicht woke.«

»Ha, ha«, sagte ich, weil ich dachte, er machte einen Witz. »Also, der Syrer ...«

»Ich finde, um wirklich aktuell zu sein, müsstest du mindestens eine queere Person drin haben«, warf Dirk ein. »Oder einen Transmenschen.« Er sah aus, als ob er es tatsächlich ernst meinte.

»Aber ich habe Flüchtlinge und einen Mann im Rollstuhl«, offenbar musste ich mich verteidigen. »Da geht es natürlich auch um Vorurteile gegenüber Minderheiten.«

Dirk zuckte mit den Schultern. »Das Thema Rassismus wird in deinem Beitrag nicht explizit thematisiert.«

Ich fing an, mich aufzuregen. »Ach, und wo ist dein Beitrag über die Stadtwerke woke?«

»Mein Beitrag braucht nicht woke zu sein«, befand Dirk. »Ich decke einen Skandal auf. Das reicht.«

Ich war so perplex über Dirks Bemerkungen, dass ich mich erst mal wieder fangen musste und kurz schwieg. Offensichtlich dachte die Chefin, ich sei fertig. »Okay, Leute«, sagte sie, während sie schon ihre Sachen zusammenraffte. »Wir reichen Dirks Beitrag ein und Hannas Beitrag gucke ich mir noch mal an.« Sie stand auf und ging raus. Dirk grinste selbstzufrieden und stürmte der Chefin hinterher, um ihr noch irgendetwas zu sagen.

»Dirk ist so unverschämt! Der hat mich wieder total aus dem Konzept gebracht«, regte ich mich auf, als ich abends meinem Mann von der Konferenz erzählte.

»Du hast dich wieder aus dem Konzept bringen lassen«, korrigierte mein Mann und pikte mit skeptischer Miene seine Gabel in den Auberginenauflauf, der trotz rezeptgenauer Backzeit nicht richtig gar geworden war.

»Aber doch nur, weil der immer so dreist dazwischenquatscht«, entrüstete ich mich. »Wenigstens hab ich ihn später noch ordentlich angebrüllt.« Nur in meinem Kopf natürlich. In Wahrheit hatte ich ihm bloß mit stechendem Blick ein Loch in seine Stirn gebohrt und mir sein Gesicht vorgestellt, wenn ich den Preis gewinne.

»Du hast ihn angebrüllt?«, fragte mein Mann. »Weil er seinen Beitrag richtig beworben hat und du deinen nicht?«

»Das sollte ja auch eigentlich Anja machen«, brummte ich. »Echt, sie ist so unzuverlässig.« Noch während ich das sagte, übermannte mich das schlechte Gewissen. Denn Anja war diejenige, die ich nachher wirklich angemotzt hatte. Dabei war sie nur zu spät gekommen, weil ihre Bahnlinie ausgefallen war. Und ich hatte sie wirklich heftig angemeckert, ausgerechnet meine liebe, lustige Freundin! Anstatt meinen Ärger an denjenigen auszulassen, die es verdient hatten. Wobei ich mir auf einmal gar nicht mehr sicher war, wer das überhaupt sein sollte. Außer mir. Ich starrte auf das fast ungenießbare Essen. »Oh mein Gott«, jammerte ich. »Warum mache ich nur immer alles falsch?« Ja, und so fing es an.

Mit einer der Fragen, die man sich niemals stellen sollte.

WER, WIE, WAS BIN ICH EIGENTLICH UND WIESO, WESHALB, WARUM?

SESAMSTRAßENFEELING IM ICHKUNDEUNTERRICHT

Der desaströse Mittwoch hat mich aus der Bahn geworfen. Zu viele Stressfaktoren auf einmal. Einzeln betrachtet waren es vielleicht Kleinigkeiten. Aber wenn sie sich verbünden, machen sie mich platt. Jetzt könnte ich sagen, das Leben ist halt so. Jeder kennt solche Tage, an denen alles schiefläuft und man kaum Luft holen kann, und dann fällt abends noch das WLAN aus und man kann nicht mal Love is blind gucken. Doch wenn man schlecht schläft, beginnt der nächste Tag auch nicht besser als der vorige, man ist immer ein bisschen hinterher, das Hamsterrad hat einen mal wieder erwischt. Und der Urlaub ist erst in zwei Monaten. Eine grauenhaft lange Zeit, wenn das Nervenkostüm schon zerschlissen ist. Ich persönlich finde auch, dass es kein gutes Geschäftsmodell ist, auf den Urlaub angewiesen zu sein, um den Alltag zu überstehen. Diese Rechnung geht nicht auf. Da bleibt am Ende ein riesiges Zufriedenheitsdefizit. Ich möchte nicht nur die Auszeit genießen, sondern auch die Jetztzeit. Ich muss was tun. Aber was?

Im Alltag gibt es viele Situationen, die einem sauer aufstoßen können. Der Anruf der Lehrerin des Kindes, der Besuch bei den Eltern, die Auseinandersetzung mit der Kollegin, das Gespräch mit dem Nachbarn – all das kann unangenehme Folgen haben. Und mit der Arbeit bin ich heute auch nicht fertig geworden, auf dem Nachhauseweg hat mich ein idiotischer Raser gefährlich überholt und die Küche sieht schon wieder aus wie nach einem Angriff der Wühlmäuse.

Wenn ich abends erschöpft aufs Sofa falle, ist die ganze Aufregung des Tages zu einem dumpfen Gefühlsklumpen verklebt, der mir schwer im Magen liegt. Ich bin all dem nicht gewachsen, denke ich manchmal. Das Leben überfordert mich. Ich möchte alles hinschmeißen und auf den Äußeren Hebriden Schafe züchten gehen. Aber diese Lösung ist ungefähr genauso empfehlenswert wie die, bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit gar nichts mehr zu essen. Viel sinnvoller ist es, herauszufinden, welche Nahrungsmittel man nicht verträgt. Oder – im Fall von Alltagsunverträglichkeit – die genauen Stressfaktoren zu bestimmen, die einen besonders belasten. Dann kann ich sie meiden. Oder versuchen, mit ihnen besser umzugehen. Dafür muss ich meine Schwachstellen kennenlernen. Oder anders gesagt: Ich muss mich besser kennenlernen.

Obwohl ich mich ja schon mein Leben lang begleite, bin ich manchmal immer noch erstaunt, wie wenig ich über mich weiß. Auch wenn ich glaube, mich in- und auswendig zu kennen. Zum Beispiel weiß ich natürlich, dass ich mich von Hektik anstecken lasse und sehr kreativ bin und bei jeder beknackten Trash-Show bei emotionalen Szenen heule, dass ich gerne Zimtschnecken backe und schwimmen gehe und keine Horrorfilme mag und grünen Tee trinke und Rotwein aus Apulien. Ja, meine Vorlieben und Abneigungen kenne ich. Die werden auch täglich sichtbar. Aber vieles von dem, was darunter liegt, muss ich erst freilegen. Warum ich mich so verhalte, wie ich mich verhalte. Oder warum ich mich in bestimmten Situationen so fühle, wie ich mich fühle. Woher soll ich das wissen, wenn ich mich damit noch nie beschäftigt habe?

Das herauszufinden, ist eine ganz neue Erfahrung, aufregend und spannend. Was ich als Erwachsene noch alles an mir entdecken kann!

Wenn ich anfange, über mich selbst nachzudenken, fördert das einige erstaunliche Informationen zutage. Informationen, die dazu beitragen, meine Gefühle und mein Handeln besser zu verstehen und mein Leben entspannter und erfüllter zu gestalten. Wie heißt es so schön: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.

Und wie lerne ich mich besser kennen?

Genau damit – indem ich mir Fragen stelle.

Und zwar die richtigen.

Dazu gehören definitiv nicht als Fragen getarnte Vorwürfe. Schon gar nicht der All-inclusive-Tadel »Warum mache ich nur immer alles falsch?«. Der stammt eindeutig aus der Kategorie der Fragen, die ich mir nicht stellen sollte. Was will ich darauf antworten? »Weil ich bescheuert bin? Eine Versagerin auf ganzer Linie? Ein hoffnungsloser Fall?«

Das Ich-mach-immer-alles-falsch-Jammertal ist zwar auf den ersten Blick ganz hübsch: ausgestattet mit jeder Menge kuscheligem Selbstmitleid, dem einen oder anderen Eimer Pistazieneis und der Genehmigung, anderen Leuten ausdauernd sein Leid zu klagen. Aber leider ist es auch eine Sackgasse. Erreichen kann man von hier aus nichts, die Nachbarschaft ist trübselig und die Aussicht auf Dauer ziemlich eintönig. Also nichts wie weg von hier!

Ich will ja vorankommen. Mich weiterentwickeln. Nicht jedes Mal beim Servieren über den Tigerkopf stolpern. Für das Publikum von Dinner for one ein Brüller, im echten Leben nicht komisch. Mein »Tigerkopf« sind unter anderem die Bemerkungen von Dirk in der Konferenz, die mich jedes Mal aus dem Konzept bringen. Aber immer wieder und wieder in dieselben Fallen zu tappen, ist ermüdend und frustrierend. Aber eben auch unausweichlich, wenn ich meine Route und meine Routinen nicht ändere.

Wenn du tust, was du schon immer getan hast, wirst du bekommen, was du immer bekommen hast, hat Abraham Lincoln gesagt.

Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind, hat Albert Einstein erkannt.

Man könnte es kürzer formulieren: Gleiches Denken, gleiches Ergebnis. Gleiches Handeln, gleiches Ergebnis.

Dabei geht es oft gar nicht um große Veränderungen. Manchmal reicht es schon, einen Schritt zur Seite zu gehen, um dem Hindernis auszuweichen. (Oder das olle Tigerfell einfach zu entsorgen.)

Obwohl Interviews zu meinem Alltag als Journalistin gehören, bin ich noch nie auf die Idee gekommen, mich selbst zu interviewen. Natürlich stelle ich mir trotzdem täglich haufenweise Fragen. Sachen wie: Habe ich das nicht eben erst geputzt? Muss ich wirklich schon wieder zum Zahnarzt? Waren in den Chipstüten nicht früher immer 175 Gramm und jetzt nur noch 150?

Ich bin ständig im Dialog mit mir. Aber in der Regel geht es um Alltagsfragen ohne Bedeutung für mein Seelenleben. Obwohl der schleichende Inhaltsschwund bei Chipstüten natürlich ein Aufregerthema ist.

Wenn ich wirklich etwas Neues über mich erfahren will, dann muss ich mir Fragen stellen, die ich mir bisher nicht gestellt habe. Und ich muss mir Antworten geben, vor denen ich bisher vielleicht zurückgescheut bin. Man könnte es auch so formulieren: Was ich mich schon immer fragen wollte, aber nie zu fragen (und zu antworten) getraut habe.

Schließlich geht es nicht nur um oberflächliche Entscheidungen, welches Shirt ich anziehen oder was ich heute kochen soll. Sondern darum, individuelle Stressfaktoren zu identifizieren, Handlungsmuster und Denkfallen zu erkennen. Dinge, über die ich bisher noch nie oder höchstens sehr flüchtig nachgedacht habe. Um (zumindest teilweise) unbewusste Vorgänge. Verkapselte, verschleierte, übertünchte Gefühle, die ich vielleicht gar nicht haben möchte. Unangenehme Gedanken, die Aufruhr in mein Leben bringen könnten. Die Beziehungen infrage stellen, mich zum Handeln zwingen und alles auf den Kopf stellen könnten. Aber eben auch um Erkenntnisse, die eine große Ruhe mit sich bringen können. Die mir die Augen öffnen für all die positiven Dinge, die schon immer da waren, die ich aber noch nie wahrgenommen habe. Die mir helfen, wahrhaftig mit mir ins Reine zu kommen.

Wenn ich mich selbst besser verstehe, wenn ich weiß, warum ich so handele, wie ich handele, und warum ich mich so fühle, wie ich mich fühle, kann ich unangenehmen Situationen souveräner begegnen. Ich kann ihnen vorbeugen und mich wappnen. Strategien entwickeln. Ich bekomme mehr Verständnis für mich – und für die Menschen in meinem Umfeld, die mit meinen Eigenheiten umgehen müssen. Und mit diesem Verständnis kann ich nachsichtiger sein. Mit mir – und mit anderen.

In der Journalistenschule lernt man, dass man sich in persönlichen Interviews mit Leuten, die das nicht gewohnt sind, behutsam rantasten muss. Mit vorbereitenden Fragen die Atmosphäre lockern, Vertrauen aufbauen und sich dem Kern nähern. Das Gespräch mit der alles entscheidenden Frage zu eröffnen, ist oft nicht zielführend, weil der Interviewpartner sich schnell überfordert fühlt und dichtmacht. Oder die Unterhaltung abbricht. Genauso behutsam sollte ich mich mir selbst nähern.

Ein Fragenkatalog hilft, beim Thema zu bleiben und zum roten Faden zurückkehren zu können. Denn Interviews laufen leicht in eine falsche Richtung, zum Beispiel wenn der Gesprächspartner ablenkt, eine ganz andere Frage beantwortet oder die Wahrheit zurückhält. Das kann auch passieren, wenn ich mich selbst befrage. Denn nichts ist einfacher, als sich selbst zu belügen. Besonders wenn es darum geht, warum ich handele, wie ich handele, und warum ich mich fühle, wie ich mich fühle. Da schlage ich mir sehr schnell selbst ein Schnippchen und kann nicht mal was dafür. Die menschliche Psyche hat etliche Tricks auf Lager, um sich selbst was vorzumachen. Ist normal. Tun wir alle an irgendeinem Punkt.

Und natürlich gibt es Fragen, denen ich lieber ausweichen möchte. Weil sie schwierig zu beantworten sind. Weil die ehrliche Antwort unter einem Wust an Emotionen, Gedanken und Sorgen verborgen ist. Und weil es wehtut, wenn man sie gefunden hat. Wie eine Nadel im Heuhaufen, an der man sich böse stechen kann.

Aber das Beruhigende bei diesem Interview mit dem eigenen Ich ist: Es wird nicht landesweit live ausgestrahlt. Wenn ich rumstammele oder Unsinn rede, bekommt es keiner mit. Ich kann jederzeit Pause machen. Oder das Interview abbrechen. Und niemand wird jemals von meinen Antworten erfahren, wenn ich sie nicht freiwillig erzähle.

Es gibt keine dummen Fragen, hat meine Lehrerin Frau Schmalbach immer gesagt. (Jedenfalls bis Gerd Powlanski wissen wollte, ob das braune Farbkastenwasser wie Kakao schmeckt.) Und auch im Ichkundeunterricht gibt es keine dummen Fragen. Ich kann getrost Wer-wie-was-wieso-weshalb-warum- Sesamstraßenfeeling verbreiten. Und in diesem Buch wird es sogar noch besser: Hier gibt es auch keine dummen Antworten. Denn ich kann die Fragen an mich selbst gar nicht falsch beantworten.

MUSS ICH MICH ÜBERHAUPT ÄNDERN?

Ganz klares Nein! Niemand muss sich ändern. Jeder kann bleiben, wie er ist. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zur persönlichen Weiterentwicklung. Ich kann mein ganzes Leben im Jammertal verbringen oder im Hamsterrad oder im La-La-Land. Ich bin darüber niemandem Rechenschaft schuldig. Und wenn es mir dort gefällt, gibt es auch keinerlei Notwendigkeit, irgendwas zu ändern.

Ob und wie und wann und warum ich mich mit meinem Verhalten, meinen Gefühlen und Gedanken auseinandersetzen will und ob und wie und wann und warum ich daraus irgendwelche Konsequenzen ziehen möchte, liegt ganz in meiner Hand.

Jeder Mensch ist anders, tickt anders, hat andere Erfahrungen und persönliche Lebenssituationen – aber vor allem hat jeder das Recht, aus seinem Leben zu machen, was er will.

Aber es schadet meiner Meinung nach nicht, sich selbst besser kennenzulernen. Und vielleicht das eine oder andere zu optimieren. Auch das habe ich selbst in der Hand. Ich kann selbst dafür sorgen, dass ich entspannter und zufriedener bin, auch wenn es mal hektisch und unangenehm wird. Dafür muss ich nicht mal mein ganzes Leben umkrempeln. Ich muss weder zum Yogi werden oder mit Marathonlaufen anfangen noch meinen Job kündigen oder den Kontakt zu meiner gesamten nervtötenden Verwandtschaft abbrechen.

In der kalten Jahreszeit kaufe ich mir ja auch nicht gleich ein neues Auto. Aber ich rüste mein altes um und ziehe Winterreifen auf, um auf nassen und glatten Straßen nicht ins Schlingern zu geraten. Wenn es im Alltag mal stürmisch wird, braucht auch die Seele Winterreifen – und ein an die Bedingungen angepasstes Navigieren.

1. WIE GEHT ES MIR?

BITTE VERLASSEN SIE JETZT DIE FLOSKELZONE!

Die Frage »Wie geht es mir?« klingt wie eine Selbstverständlichkeit, schließlich begegnen wir ihr im Alltag andauernd. »Wie geht es dir?« ist der Klassiker unter den Floskelfragen, ein Zwischending zwischen Begrüßungsritual und Small-Talk-Einstieg. Eine ehrliche Erwiderung wird in der Regel nicht erwartet. Die Antworten stammen in der Regel aus dem Reich der Phrasen: »Am liebsten gut« oder »So weit, so gut« oder – auch sehr beliebt – die direkte Gegenfrage »Und bei euch?«.

Eine ehrliche Antwort darauf würde die meisten auch überfordern. Ich will jedenfalls nicht in der Teeküche dem Kollegen aus der Buchhaltung mein persönliches Dilemma des Tages aufs Auge drücken. Genauso wenig möchte ich von der Kellnerin in meinem Lieblingscafé die drei Akte ihres Beziehungsdramas präsentiert bekommen. Oder von der Klassenpflegschaftsvorsitzenden an der Käsetheke in alle Einzelheiten der Suche nach einem Hundesitter eingeweiht werden, die sich so schwierig gestaltet, weil ihr Mann ständig dazwischenfunkt und potenzielle Bewerber mit nörgeliger Besserwisserei vergrätzt, was ihrer Migräne gar nicht guttut, die sie neuerdings bekommt, vermutlich die Wechseljahre.

Womit auch schon klar wird: Eine ehrliche, umfassende Antwort ist meistens viel zu lang, zu detailreich und für andere auch nicht immer nachvollziehbar. Fast so, als würde ich versuchen, jemandem mal eben den Stammbaum meiner Familie mütterlicherseits bis ins siebzehnte Jahrhundert zu erklären.